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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 08.08.2007
Aktenzeichen: 4 M 208/07
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 242 Abs. 9
BauGB § 242 Abs. 9 S. 1
BauGB § 242 Abs. 9 S. 2
1. Es ist der Prüfung der - noch nicht vorliegenden - Entscheidungsgründe in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2007 (- 9 C 5.06 -) vorbehalten, ob und inwieweit die in der Pressemitteilung des Gerichts getroffene Aussage, wonach bei Nichterweislichkeit der Tatbestandsvoraussetzungen des § 242 Abs. 9 Sätze 1 und 2 BauGB die materielle Beweislast grundsätzlich bei der Gemeinde liege, vorliegend Anwendung findet. Von einer Nichterweislichkeit der Tatbestandsvoraussetzungen in diesem Sinne kann aber (noch) nicht gesprochen werden, wenn die Erfolgsaussichten im Eilverfahren allenfalls offen sind, weil eine abschließende Prüfung erst im Hauptsacheverfahren stattfindet.

2. Die getrennte Abrechnung der Kosten nach Straßenausbaubeitragsrecht und nach Erschließungsbeitragsrecht bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen des § 42 Abs. 9 BauGB beruht unmittelbar auf dem Gesetzesbefehl des § 242 Abs. 9 Satz 1 BauGB (vgl. dazu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht, 7. A. § 2 Rdnr. 38).


Gründe:

Die statthafte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Die Einwände der Antragsteller gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben nach den im einstweiligen Rechtsschutzverfahren anzuwendenden Prüfungsmaßstäben zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung keinen Anlass. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide, weil nach dem bisherigen Sach- und Streitstand jedenfalls nicht von überwiegenden Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Hauptsache auszugehen ist.

1. Ob § 242 Abs. 9 Sätze 1 und 2 BauGB einer Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die hier streitigen Teileinrichtungen entgegen steht, ist der abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten. Danach kann für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen im Beitrittsgebiet, die vor dem 03. Oktober 1990 bereits hergestellt worden sind, ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden (Satz 1). Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertig gestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen (Satz 2). Es ist mit dem Verwaltungsgericht jedoch nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand allenfalls offen, ob die streitbefangene Anlage bzw. die Teileinrichtungen Fahrbahn, Gehweg und Straßenentwässerung vor dem 3. Oktober 1990 i.S.d. § 242 Abs. 9 BauGB fertig hergestellt waren.

Die Antragsteller verweisen insoweit auf eine undatierte Anlagenbeschreibung der Antragsgegnerin sowie eine Verfügung aus der Verwaltung der Antragsgegnerin vom 8. Februar 1935.

Die in der Beschwerdebegründung zitierte Anlagenbeschreibung bezieht sich schon auf eine andere Anlage, nämlich auf den Bereich der Oelzenstraße und der Holländerstraße zwischen der Einmündung der Oelzenstraße in die Friedensstraße und der Freitreppenanlage "Am Stadtpark". Der hier streitige Bereich der Holländerstraße liegt zwischen der Kreuzung mit der Oelzenstraße und der Einmündung in die Heinickenstraße. Insoweit liegt eine - ebenfalls undatierte - Anlagenbeschreibung im Verwaltungsvorgang (BA F Nr. 9) vor. Nach dieser durch Fotos belegten Beschreibung war zum Stichtag 3. Januar 1990 die Fahrbahn aber unbefestigt, die Straßenentwässerung nicht und der Gehweg nicht durchgehend vorhanden. Dem sind die Antragsteller auch nicht in hinreichender Weise entgegen getreten. Der bloße Verweis darauf, sie hätten das Vorhandensein der Straßenentwässerung und deren technische Ausführung sowie die Ausbildung des Gehweges jeweils unter Beweisantritt dargestellt, reicht - zumal angesichts des Fotomaterials - nicht aus.

Die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte (Abrechnungs)Verfügung aus Februar 1935 (Bl. 31 in der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts zu dem Verfahren - 4 M 207/07 -) enthält im Wesentlichen lediglich die Feststellung, dass die Holländerstraße als öffentlich zu betrachten sei und eine Abrechnung der Straße in drei Abschnitten unter Beachtung bisher geleisteter Arbeiten und schon geleisteten Zahlungen der Anlieger bzw. früherer Besitzer zu erfolgen habe. Es bleibt offen, welche Arbeiten überhaupt ausgeführt worden sind und in welchem Zustand sich die Straße befand. Zu dem Bestehen eines technischen Ausbauprogrammes oder zu der Frage, ob die Holländerstraße bzw. Anlagenteile davon einem solchen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertig gestellt worden sind, lässt sich der Verfügung ebenfalls nichts entnehmen. Es handelt sich bei der Verfügung daher lediglich um ein Indiz für eine frühere Fertigstellung, wobei allerdings aus den weiteren Unterlagen zum Ausbau des ersten Abschnitts der Holländerstraße aus 1941 sowie aus dem Zustand des streitigen Bereichs der Holländerstraße im Jahre 1990 möglicherweise auch der Schluss gezogen werden könnte, dass die Verfügung aus 1935 nur eine Abrechnung nach der - noch zu erfolgenden - endgültigen Fertigstellung vorbereiten sollte.

Der Umfang der dem Verwaltungsgericht auferlegten Prüfung muss auch dem summarischen Charakter des Eilverfahrens Rechnung tragen. Eine abschließende Klärung grundsätzlicher und schwieriger Rechtsfragen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kommt somit ebenso wenig in Betracht wie aufwendige Ermittlungen zu Tatsachenfragen, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssen. Wenn - wie hier - ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides nicht eindeutig sind, so dass auch der Ausgang des Hauptsacheverfahrens allenfalls offen ist, bleibt es bei dem in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO angeordneten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 3. Februar 2000 - 1 M 3/00 -).

Soweit die Antragsteller auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2007 (- 9 C 5.06 -) verweisen, ist der Prüfung der noch nicht vorliegenden Entscheidungsgründe vorbehalten, ob und inwieweit die in der Pressemitteilung des Gerichts getroffene Aussage, wonach bei Nichterweislichkeit der Tatbestandsvoraussetzungen des § 242 Abs. 9 Sätze 1 und 2 BauGB die materielle Beweislast grundsätzlich bei der Gemeinde liege, vorliegend Anwendung findet. Von einer Nichterweislichkeit der Tatbestandsvoraussetzungen in diesem Sinne kann aber (noch) nicht gesprochen werden, weil eine abschließende Prüfung erst im Hauptsacheverfahren stattfindet.

2. Der Vortrag der Antragsteller zu "2. Aufwandsspaltungs- und Abschnittsbildungsbeschluss" ist teilweise schon nicht ganz verständlich.

Soweit die Antragsteller sinngemäß wohl vertreten, dass im Rahmen der Anwendung des § 242 Abs. 9 BauGB für die Entstehung der hier streitbefangenen Erschließungsbeiträge ein Aufwandsspaltungsbeschluss erforderlich gewesen sei, ist dem nicht zu folgen. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis festgestellt, dass die getrennte Abrechnung der Kosten für die Straßenbeleuchtung nach Straßenausbaubeitragsrecht und der Kosten für die Fahrbahn, den Gehweg und die Straßenentwässerung nach Erschließungsbeitragsrecht bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen des § 242 Abs. 9 BauGB unmittelbar auf dem Gesetzesbefehl des § 242 Abs. 9 Satz 1 BauGB beruht (vgl. dazu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht, 7. A. § 2 Rdnr. 38)

Das weitere Vorbringen der Antragsteller richtet sich dann auf die Erforderlichkeit eines Abschnittsbildungsbeschlusses, weil sie anscheinend davon ausgehen, die abgerechnete Anlage und der anschließende Teil der Holländerstraße (sog. Holländerstraße Teil I) bildeten entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts eine einheitliche Anlage. Es fehlt jedoch an einer Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts i.S.d. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Die Antragsteller beschränken sich auf die Aussage, sie teilten die Beschreibung des Erscheinungsbildes der abgerechneten Teilstrecke nicht und könnten die optische Trennung aus eigener Anschauung nicht bestätigen. Dabei ist auch nicht, wie die Antragsteller annehmen, auf den Zustand vor Ausführung der Ausbaumaßnahme abzustellen. Ausschlaggebend ist vielmehr der Zustand nach Abschluss der nach dem Bauprogramm auszuführenden Arbeiten (OVG LSA, Urt. v. 15. Mai 2007 - 4 L 512/04 - m.w.N.).

3. Soweit die Antragsteller "zur Vermeidung von Wiederholungen voll inhaltlich Bezug auf den bisherigen Vortrag" nehmen und ihn "auch zum Gegenstand dieses Schriftsatzes" machen, legen sie schon nicht i.S.d. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ihre Beschwerdegründe dar. Die bloße Bezugnahme auf erstinstanzliches Vorbringen ist insoweit nicht ausreichend (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 28. August 2006 - 4 M 180/06 -; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 146 Rdnr. 13c m.w.N.).

4. Es besteht schließlich auch kein Anlass, vor einer Entscheidung über die Beschwerde die Veröffentlichung der Entscheidungsgründe in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2007 (- 9 C 5.06 -) abzuwarten. Die Antragsteller könnten nach dem inzwischen erfolgten Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist lediglich ihre Ausführungen ergänzen. Wie oben dargelegt, spielt aber die möglicherweise im Hauptsacheverfahren zu klärende Problematik der materiellen Beweislast im einstweiligen Rechtsschutzverfahren keine Rolle. Zu den sonstigen Einwendungen der Antragsteller sind keine Ergänzungen auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu erwarten.

5. Auf Grund fehlender Rüge muss schließlich nicht der Frage nachgegangen werden, ob die Bescheide deshalb rechtswidrig sind, weil wenigstens nach ihrem Wortlaut jeweils für das gesamte Grundstück ein unterschiedlich hoher Erschließungsbeitrag festgesetzt worden ist. Unter A. sowie unter 5.2 der Anlage A ("Eigentumsanteil von 1000/1000") wurde in beiden Bescheiden der Erschließungsbeitrag für das gesamte Grundstück festgesetzt; in dem Bescheid an den Antragsteller zu 1. auf 1.857,86 €, in dem Bescheid an die Antragstellerin zu 2. auf 1.238,57. Ob sich aus dem sonstigen Inhalt der Bescheide, insbesondere der Anlage B, in hinreichender Weise ergibt, dass es sich dabei nur um die Festsetzung der auf die Antragsteller als Miteigentümer an dem Wohnungseigentum anfallenden Anteile handelt und der Erschließungsbeitrag für das gesamte Grundstück 3.096,43 € beträgt, ist vorliegend nicht abschließend zu klären.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 52 Abs. 3, 53 Abs. 1 Nr. 2 GKG und folgt in Anlehnung an den sog. Streitwertkatalog 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.) aus Nr. 1.5 Satz 1; Nr. 1.1.3.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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