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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 16.01.2009
Aktenzeichen: 4 M 430/08
Rechtsgebiete: LSA-KAG


Vorschriften:

LSA-KAG § 6 Abs. 1 S. 1
LSA-KAG § 6 Abs. 5 S. 1
LSA-KAG § 6 Abs. 6 S. 2
1. Eine in der Beitragssatzung vorgesehene Rundungsregelung für Brüche, wenn die Geschosszahl in Bebauungsplangebieten ohne entsprechende Festsetzung der Vollgeschosszahl im Bebauungsplan durch eine Division der höchstzulässigen Gebäudehöhe mit 3,5 bzw. 2,3 ermittelt wird, ist nicht zu beanstanden. Indem für Bruchzahlen bei dem Wert 0,50 bzw. 0,51 eine Grenze für die Auf- und Abrundung gezogen wird, wird einerseits dem Gesichtspunkt der Praktikabilität Rechnung getragen und andererseits noch das Vorteilsprinzip des § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA gewahrt.

2. Es ist dem Satzungsgeber unbenommen, die Bestimmung der Einrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA in der Beitragssatzung selbst vorzunehmen und dabei eine vorherige Bestimmung in der Anschlusssatzung bzw. der technischen Satzung der Sache nach abzuändern (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 26. Juni 2003 - 1 L 252/03 -).


Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist in dem im Tenor bestimmten Umfang zulässig und begründet.

1. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Unrecht stattgegeben, soweit sich der Antragsteller gegen eine Festsetzung des Herstellungsbeitrags in Höhe von 2.254,- € wendet. Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthafte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren Gebührenbescheid des Antragsgegners in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist insoweit unbegründet, weil an der Rechtmäßigkeit des Bescheides in dieser Höhe ernstliche Zweifel nicht bestehen und Anhaltspunkte dafür, dass die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO), nicht vorliegen.

Nach dem erstmalig im Beschwerdeverfahren geltend gemachten Vorbringen des Antragsgegners ist der unstreitig im Dezember 2007 bekannt gegebene Beitragsbescheid nicht wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung rechtswidrig. Die sachliche Beitragspflicht kann erst im Jahre 2003 entstanden sein, weil nach summarischer Prüfung davon auszugehen ist, dass das streitbefangene Grundstück erst im September 2003 i.S.d. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA an die Einrichtung des Antragsgegners angeschlossen werden konnte. Der Antragsgegner hat dazu unter Vorlage der Anzeige der Außerbetriebnahme der biologischen Kläranlagen D., K. und L. an den Burgenlandkreis geltend gemacht, dass der Umschluss an das zentrale Abwasserbeseitigungssystem für das Bebauungsplangebiet, in dem das klägerische Grundstück liegt, erst zu diesem Zeitpunkt vorgenommen worden sei. Es ist weder ersichtlich noch substanziiert geltend gemacht, dass schon vorher eine Anschlussmöglichkeit bestand.

Die dagegen erhobenen Einwendungen des Antragstellers sind nicht durchgreifend. Der bloße Hinweis darauf, dass er erstinstanzlich vorgetragen habe, das Baugebiet "Am K." sei im Jahre 2002 an die zentrale öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen worden (Umbindung des bis dahin bestehenden Provisoriums), ohne dass der Antragsgegner dem entgegen getreten sei, ist angesichts der vom Antragsgegner vorgelegten Anzeige nicht ausreichend. Einen Beleg für den behaupteten Anschluss schon im Jahre 2002 hat der Antragsteller nicht vorgelegt. Dass der Antragsgegner im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht der Behauptung des Antragstellers nicht ausdrücklich widersprochen hat, ist wohl darauf zurückzuführen, dass er nach der Rechtsprechung der erkennenden Kammer davon ausging und ausgehen konnte, die erste wirksame Beitragssatzung stamme aus dem Jahre 2005.

Soweit der Antragsteller in der Beschwerdeerwiderung bestreitet, dass das "Provisorium" anderen rechtlichen Regelungen unterliege, ist dieser Vortrag dahingehend auszulegen, dass nach Auffassung des Antragstellers auch schon die biologischen Kläranlagen D., K. und L. zur öffentlichen leitungsgebundenen zentralen Einrichtung des Antragsgegners i.S.d. §§ 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 2 KAG LSA gehörten. Diese Auffassung, die schon in eklatantem Gegensatz zum erstinstanzlichen Vorbringen des Antragstellers steht, wird dadurch widerlegt, dass es sich bei diesen Kläranlagen unstreitig nach dem Generalentwässerungsplan des Antragsgegners um Provisorien gehandelt hat (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 520; vgl. dazu auch OVG LSA, Beschl. v. 5. Juli 2007 - 4 L 229/06 -). Sie waren damit nicht Teil der öffentlichen leitungsgebundenen zentralen Einrichtung des Antragsgegners. Weder die Tatsache, dass auch für diese Kläranlagen Gebühren erhoben worden sind, noch die Vergleichbarkeit der Ableitwerte dieser Kläranlagen und der zentralen Kläranlage führen zu einem anderen Ergebnis.

2. Keinen Erfolg hat der Antragsgegner dagegen mit seinem Vorbringen gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die Abwasserbeseitigungssatzung des Antragsgegners vom 17. Mai 2001 - ABS 2001 - wirksam gewesen ist.

a) Dieser Einschätzung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes steht nicht entgegen, dass die erkennende Kammer noch mit Urteil vom 8. April 2008 (- 4 A 439/06 HAL -) eine andere Auffassung vertreten hatte. Abgesehen davon, dass sich die Kammer in ihrem Beschluss ausdrücklich einem ihrer früheren Urteile (v. 27. Februar 2003 - 4 A 1418/99 -) sowie einem Urteil der 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Halle (v. 29. Mai 2006 - 9 A 62/06 -) angeschlossen hat, ist ein Verwaltungsgericht selbst in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht daran gehindert, von einer vorher vertretenen Rechtsmeinung in einer Hauptsacheentscheidung abzurücken. Das Verwaltungsgericht hat auch begründet, warum es zu dieser (erneuten) Änderung seiner Rechtsprechung gekommen ist. Denn es hat darauf verwiesen, dass die von ihm in der Entscheidung vom 8. April 2008 nach einer neuen Globalberechnung aus November 2007 (zu Unrecht) angenommene Überschreitung des maximal zulässigen Beitragssatzes in der ABS 2001 darauf beruhe, dass die Globalberechnung von einem anderen Beitragsmaßstab als die ABS 2001 ausgegangen sei.

b) Soweit der Antragsgegner mit der Antragsbegründung zahlreiche Mängel der ABS 2001, d.h. seiner eigenen Satzung, geltend macht, sind diese nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht durchgreifend.

Die Tiefenbegrenzungsregelungen in § 4 Abs. 3 Nr. 4 Buchst. ba und bb ABS 2001, die auf die jeweilige Straßengrenze bzw. die der Straße zugewandten Grundstücksseite abstellen, sind nicht zu beanstanden (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 25. Mai 2005 - 1 L 21/03 -; Driehaus, Kommunalabgabenrecht § 8 Rdnr. 1030a). Die Auffassung des Antragsgegners, die Tiefenbegrenzung dürfe bei einem Übergang des Grundstücks vom Innenbereich in den Außenbereich nur an dem Punkt dieses Übergangs beginnen, würde dem Sinn der Tiefenbegrenzung, damit den Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Innen- und Außenbereich zu begegnen, zuwiderlaufen.

Die Regelung des § 4 Abs. 4 Nr. 14 ABS, wonach bei Grundstücken, die mit einer Kirche bebaut werden dürfen bzw. tatsächlich mit einer Kirche bebaut sind, für das Kirchengebäude die Zahl von einem Vollgeschoss gilt, ist dahingehend auszulegen, dass sie nur auf Grundstücke mit Kirchengebäuden Anwendung findet. Dies hat der erkennende Senat schon mit einem Berufungszulassungsbeschluss vom 1. August 2006 (- 4 L 310/06 -) entschieden, welcher dem Antragsgegner und insbesondere seinem Prozessbevollmächtigten bekannt ist. Neben dem Wortlaut der Norm, die ausdrücklich auf "das Kirchengebäude" abstellt, ergibt sich diese Auslegung auch aus dem Sinn und Zweck der Norm, die atypische Nutzung von Kirchengrundstücken adäquat zu erfassen (vgl. auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 1025b). Wie der Antragsgegner selbst darlegt, wären bei der von ihm vertretenen Auslegung dagegen im Grundsatz sämtliche Innenbereichsgrundstücke von § 4 Abs. 4 Nr. 14 ABS betroffen; ein Ergebnis, was offensichtlich vom Satzungsgeber nicht gewollt war.

Eine Unwirksamkeit der Regelung in § 10 ABS 2001 über die zusätzliche Beitragspflicht für die Schmutzwasserbeseitigung würde nicht zu einer Gesamtunwirksamkeit der ABS 2001 führen. Die Ungültigkeit eines Teiles einer kommunalen Satzungsbestimmung führt dann nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Teile auch ohne den ungültigen Teil sinnvoll bleiben und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30. November 2006 - 4 L 320/06 -). Diese Voraussetzungen für eine Teilbarkeit der Satzung sind in Bezug auf § 10 ABS 2001 erfüllt.

Entsprechendes gilt für die in § 4 Abs. 4 Nr. 11 ABS 2001 festgelegte Ermittlungsmethode der Geschosszahl, wenn nicht als Wohn- oder Büroräume genutzte Geschosse höher als 3,50 m sind. Soweit der Antragsgegner insoweit auf § 3 Abs. 4 ABS 2001 abstellt, wonach für die Bestimmung der Vollgeschosse die Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt Anwendung findet, ist zwar darauf hinzuweisen, dass diese nur gelten soll, soweit nicht die Satzung etwas anderes regelt. Allerdings dürfte diese Regelung schon mit dem Vorteilsprinzip des § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 8. Dezember 2005 - 4 L 210/05 -) nicht zu vereinbaren sein (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2004 - 1 L 27/03 -; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 740b, 1025a). Eine Teilnichtigkeit führt vorliegend auch nicht zur Fehlerhaftigkeit des festgesetzten Beitragssatzes.

Dass nach dem Vortrag des Antragsgegners in der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Satzung des Antragsgegners über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage im Widerspruch zu § 1 Abs. 1 ABS 2001 mehrere selbständige öffentliche Einrichtungen bestimmt waren, hat keine Auswirkungen. Es handelte sich bei § 1 Abs. 1 ABS 2001 nach der unwidersprochen gebliebenen Erwiderung des Antragstellers um die zeitlich nachfolgende Satzungsregelung. Es ist dem Satzungsgeber aber unbenommen, die Bestimmung der Einrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA in der Beitragssatzung selbst vorzunehmen und dabei eine vorherige Bestimmung in der Anschlusssatzung bzw. der technischen Satzung der Sache nach abzuändern (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 26. Juni 2003 - 1 L 252/03 -).

Die in § 4 Abs. 4 Nr. 2 ABS 2001 vorgesehene Rundungsregelung für Brüche, wenn die Geschosszahl in Bebauungsplangebieten ohne entsprechende Festsetzung der Vollgeschosszahl im Bebauungsplan durch eine Division der höchstzulässigen Gebäudehöhe mit 3,5 bzw. 2,3 ermittelt wird, ist schließlich ebenfalls nicht zu beanstanden (vgl. auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht § 8 Rdnr. 1039a). Indem für Bruchzahlen bei dem Wert 0,50 bzw. 0,51 eine Grenze für die Auf- und Abrundung gezogen wird, wird einerseits dem Gesichtspunkt der Praktikabilität Rechnung getragen und andererseits noch das Vorteilsprinzip des § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA gewahrt. Im Übrigen ist festzustellen, dass nach der Beitragssatzung des Antragsgegners vom 20. Oktober 2005 in solchen Fällen sogar stets eine Aufrundung auf ganze Zahlen vorgesehen ist. (vgl. dazu auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht § 8 Rdnr. 456a; BVerwG, Urt. v. 26. Januar 1979 - IV C 61.75 - u.a., zit. nach JURIS zum Erschließungsbeitragsrecht).

Es ist danach davon auszugehen, dass eine Beitragserhebung gegenüber dem Antragsteller auf der Grundlage der ABS 2001 rechtmäßig ist; gegen die vom Antragsgegner dazu vorgenommene (Hilfs)Berechnung des Beitrages in einer Höhe von 2.254,- € sind Einwendungen weder erhoben noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 3 GKG und erfolgte in Anlehnung an den sog. Streitwertkatalog 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.) II. Nr. 1.5 Satz 1.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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