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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 11.02.2005
Aktenzeichen: 4 M 638/04
Rechtsgebiete: LSA-GO, LSA-KAG


Vorschriften:

LSA-GO § 6 II 2
LSA-KAG § 2 II
LSA-KAG § 6 I 1
LSA-KAG § 6a III
1. Die Rückwirkung kann nach § 2 Abs. 2 Satz 3 LSA-KAG nur bis zu dem Zeitpunkt ausgedehnt werden, zu welchem die zu ersetzende Satzung in Kraft getreten ist.

2. Auch eine Hauptverkehrsstraße kann Teil eines Abrechnungsgebiets für wiederkehrende Beiträge sein. Für das Gebiet kommt es nur auf den "funktionalen Zusammenhang" des Straßennetzes an, nicht auch darauf, wer die Straßenbaulast trägt.

3. Ein "funktionaler Zusammenhang" kann nur angenommen werden bei einem System von Verkehrsanlagen, die untereinander derart in Beziehung stehen, dass sie in ihrer Gesamtheit für die Nutzung der in dem System liegenden Grundstücke und Betriebe einen greifbaren beitragsrechtlichen Vorteil vermitteln.

4. Unerheblich ist, ob der Beitragspflichtige auf bestimmte Straßen (insbes. Sackgassen) angewiesen ist, weil § 6a LSA-KAG auf das Straßensystem abstellt, nicht auf die einzelne Straße.

5. Auch beim wiederkehrenden Beitrag muss das Verkehrsaufkommen der einzelnen Straße be-rücksichtigt werden. Eine Berechnung, welche die einzelnen Straßen mit ihrem Anliegeranteil bewertet und aus den Einzelwerten einen Gesamtwert bildet, ist nicht zu beanstanden.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 M 638/04

Datum: 11.02.2005

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Novellierung v. 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO -, diese in der jeweils gültigen Fassung, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 47 Abs. 1; 52 Abs. 1; 53 Abs. 3 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - <Streitwert>.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das nach einer gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 Satz 3 VwGO im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis, der Bescheid der Antragsgegnerin über die Erhebung wiederkehrender Beiträge vom 04.05.2004 begegne keinen ernstlichen Zweifeln, ist auf der Grundlage der Darlegungen der Antragstellerin, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht zu beanstanden:

1. Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Erhebung wiederkehrender Beiträge für die Kalenderjahre 2002 und 2003 auf der Grundlage der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung wiederkehrender Beiträge für die öffentlichen Verkehrsanlagen - WBS - vom 19.12.2003, veröffentlicht im Amtsblatt "..." der Verwaltungsgemeinschaft "Südliche Börde" vom 20.12. 2003, erfolgen konnte; insbesondere ist diese Satzung entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht erst nach Beendigung der Straßenbaumaßnahmen am 19.12.2003 in Kraft getreten, weil § 18 Abs. 2 Satz 1 WBS die Satzung rückwirkend zum 01.01.2000 in Kraft setzt. Zwar erweist sich diese Rückwirkungsanordnung als unwirksam, soweit sie sich über den 28.07.2001 hinaus in die Vergangenheit erstreckt; denn gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 des Kommunalabgabengesetzes - KAG-LSA - i. d. F. d. Bek. v. 13.12.1996 (LSA-GVBl., S. 405), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.12.2003 (LSA-GVBl., S. 370), kann die Rückwirkung nur bis zu dem Zeitpunkt ausgedehnt werden, zu dem die zu ersetzende Satzung in Kraft getreten war oder in Kraft treten sollte (vgl. auch OVG LSA, Urt. v. 31.03.2000 - 1 K 12/00 -, SGSA 2000, 88). Da die (erste) Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung wiederkehrender Beiträge vom 14.06.2001 im ... vom 27.07.2001 veröffentlicht worden war und gemäß § 14 der Satzung am Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung in Kraft treten sollte, kann sich die Rückwirkung folglich nur bis zum 28.07.2001 erstrecken, so dass nach Auffassung des Verwaltungsgerichts für die von der Antragsgegnerin im Jahre 2001 getätigten Investitionsaufwendungen wiederkehrende Beiträge nicht erhoben werden können. Hingegen konnte für die Kalenderjahre 2002 und 2003 eine Beitragserhebung auf der Grundlage der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung wiederkehrender Beiträge für die öffentlichen Verkehrsanlagen vom 19.12.2003 erfolgen, da diese aufgrund der Rückwirkungsanordnung seit dem 28.07.2001 in Kraft ist und die Entscheidungen über die beitragsauslösenden (weiteren) Straßenbaumaßnahmen nach Aktenlage erst nach diesem Zeitpunkt ergangen sind. Insoweit kann der Senat offen lassen, ob § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG-LSA auch im Rahmen des wiederkehrenden Straßenbaubeitragsrechts gemäß § 6a KAG-LSA sinngemäß Anwendung findet.

2. Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin weiter ein, die E-Straße könne nicht Teil der von der Antragsgegnerin gebildeten Abrechnungseinheit sein, weil es sich bei dieser Verkehrsanlage um eine Ortsdurchfahrt handele, für deren Fahrbahn die Antragsgegnerin nicht Straßenbaulastträgerin sei; denn für die Frage, ob eine Abrechnungseinheit wirksam im Sinne des § 6a Abs. 3 KAG-LSA gebildet worden ist, kommt es allein darauf an, dass die Straßen in einem räumlichen und funktionalen Zusammenhang stehen (§ 6a Abs. 3 Satz 1 KAG-LSA), nicht hingegen, wer für die Straße die Straßenbaulast trägt. Zum Vorliegen eines derartigen funktionalen Zusammenhangs vertritt der Senat (vgl. Urt. v. 13.01.2005 - 4/2 K 36/03 -) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (OVG RP, Urt. v. 18.03.2003 - 6 C 10580/02 -, NVwZ-RR 2003, 591) folgende Auffassung:

"Ein funktionaler Zusammenhang im Sinne des § 13 Abs. 2 KAG 1986, jetzt 10 Abs. 2 Satz 2 KAG liegt nach dem o.g. Urteil vom 8. Oktober 1993 (- 10 C 10237/93 -, AS 24, 261) nur bei einem System von Verkehrsanlagen vor, die untereinander derart in Beziehung stehen, dass sie in ihrer Gesamtheit für die Nutzung der in dem System liegenden Grundstücke und Betriebe einen greifbaren beitragsrechtlichen Vorteil vermitteln. Dies setzt ein System von Verkehrsanlagen voraus, das für sich genommen die Zufahrt zu dem übrigen Straßennetz bietet. Ein solches System besteht aus Verkehrsanlagen, die durch Straßen mit stärkerer Verkehrsbedeutung zu einer Einheit zusammengefasst werden. Diese Straßen können beispielsweise als Ring um ein Netz von Verkehrsanlagen herum oder durch ein solches Netz hindurchführen."

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für einen funktionalen Zusammenhang insoweit vor, als der E-Straße eine Bündelungsfunktion in unterschiedlicher Himmelsrichtung zukommt. Diese Straße hat keine den funktionalen Zusammenhang aufhebende trennende Wirkung, sondern ist vielmehr Bestandteil der Abrechnungseinheit und zum Anbau bestimmt. Die Antragstellerin legt in ihrer Beschwerdeschrift nicht dar, inwieweit der funktionale Zusammenhang durch die Einbeziehung der E-Straße in die Abrechnungseinheit unterbrochen wird.

Der funktionale Zusammenhang fehlt entgegen der Auffassung der Antragstellerin insbesondere nicht deswegen, weil die kleineren Anliegerstraßen und Stichstraßen, die zum Teil Sackgassen seien, von ihr nie genutzt würden; denn anders als das einmalige Straßenausbaubeitragsrecht im Sinne des § 6 KAG-LSA stellt § 6a KAG-LSA auf ein System von Verkehrsanlagen ab, die untereinander derart in Beziehung stehen, dass sie in ihrer Gesamtheit für die in dem System liegenden Grundstücke einen greifbaren beitragsrechtlichen Vorteil vermitteln. Dieser Sondervorteil kann sich zwar - wie der Vorteil des zu einem einmaligen Ausbaubeitrag herangezogenen Straßenanliegers - nur aus der qualifizierten In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit des Straßensystems ergeben. Er unterscheidet sich von jenem allerdings hinsichtlich der Unmittelbarkeit des Vorteils. Während beim einmaligen Beitrag der Beitragspflicht alle baulich oder in ähnlicher Weise nutzbaren Grundstücke unterliegen, denen durch die Möglichkeit der In-Anspruch-Nahme der ausgebauten Verkehrsanlage ein Vorteil entsteht (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA), setzt § 6a KAG-LSA für den wiederkehrenden Beitrag (lediglich) die Möglichkeit der In-Anspruch-Nahme einer in der Abrechnungseinheit gelegenen Verkehrsanlage voraus, die ihrerseits aufgrund ihres räumlichen und funktionalen Zusammenhangs eine Verbindung zum übrigen Verkehrssystem herstellt. Ein Sondervorteil für die Grundstücke in der Abrechnungseinheit entsteht indessen nicht allein durch das Vorhalten eines - räumlich oder funktional unzusammenhängenden - Straßensystems. Vielmehr muss dieser Sondervorteil abgrenzbar sein von dem Nutzen der Grundstückseigentümer außerhalb der Abrechnungseinheit, um den notwendigen Vorteilsbezug nachvollziehen zu können. Diese Differenzierung soll durch die Beschränkung der Abrechnungseinheit (§ 6a Abs. 3 KAG-LSA) auf die Verkehrsanlagen, die in einem räumlichen und funktionalen Zusammenhang stehen, erfolgen. Wie oben bereits erläutert, setzt ein derartiger funktionaler Zusammenhang ein System von Verkehrsanlagen voraus, das für sich genommen die Zufahrt zu dem übrigen Straßennetz und damit einen abgrenzbaren bzw. greifbaren beitragsrechtlichen Vorteil bietet. Dass durch die Einbeziehung von Stichstraßen und Sackgassen der funktionale Zusammenhang der Verkehrsanlagen unterbrochen wird, legt die Beschwerdeschrift nicht dar. Die Unterbrechung ist auch nicht offensichtlich; denn sind - wie hier - sämtliche Straßen in der Abrechnungseinheit auf eine die Verkehrsströme bündelnde Verkehrsanlage (E-Straße) mit stärkerer Verkehrsbedeutung angewiesen, ist ein nahezu gleicher Sondervorteil durch Ausbaumaßnahmen in der Abrechnungseinheit gegeben.

3. Auch die von der Antragstellerin vorgebrachten Einwände gegen den räumlichen Zusammenhang innerhalb der Abrechnungseinheit greifen nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 13.01.2005 - 4/2 K 36/03 -) setzt ein räumlicher Zusammenhang eine von der Lage der Verkehrsanlagen her gegebene verkehrsmäßige Verbindung voraus. Diese bedarf zwar grundsätzlich einer etwa durch topographische Gegebenheiten, Baugebietsgrenzen oder anderer Merkmale begründeten Eingrenzung. In kleineren Gemeinden bis etwa 3.000 Einwohnern kann allerdings im Einzelfall auch die gesamte geschlossene Ortslage ohne das Vorliegen derartiger Eingrenzungsmerkmale einen räumlichen Zusammenhang darstellen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze begegnet die Festlegung der Abrechnungseinheit im Hinblick auf die Größe der Antragsgegnerin, deren Einwohnerzahl von ca. 1.050 mit der einer kleineren Gemeinde zu vergleichen ist, keinen durchgreifenden Bedenken, so dass sich nähere Ausführungen hierzu erübrigen. Die Aufhebung des räumlichen Zusammenhangs kann auch nicht mit der großen Anzahl von Stichstraßen begründet werden. Vielmehr sind gerade diese Stichstraßen auf die alle Verkehrsanlagen bündelnde E-Straße angewiesen, die hierdurch den räumlichen Zusammenhang erst herstellt.

4. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die satzungsmäßige Billigkeitsregelung für übergroße Wohngrundstücke (vgl. § 15 der Satzung) nicht zu beanstanden, da sie mit § 6c KAG-LSA vereinbar ist.

§ 6c Abs. 2 Satz 1 KAG-LSA, wonach "übergroße Grundstücke, die nach der tatsächlichen Nutzung vorwiegend Wohnzwecken dienen, nur begrenzt zu veranlagen oder heranzuziehen sind", soll nach dem unmissverständlichen Wortlaut des Gesetzes nicht bei der Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes, sondern nur bei der Veranlagung oder Heranziehung der einzelnen Grundstücke berücksichtigt werden; denn mit den Begriffen "Veranlagen" oder "Heranziehen" hat der Gesetzgeber zweifelsfrei bestimmt, dass die Begrenzung und die durch sie angestrebte beitragsmäßige Begünstigung der übergroßen Wohngrundstücke nicht bei der Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes berücksichtigt werden darf (OVG LSA, Beschl. v. 03.05.2000 - B 2 S 481/99 -). Die sachlichen Beitragspflichten für die übergroßen Grundstücke entstehen entsprechend der vorgenommenen Aufwandsverteilung mit Blick auf die gesamte in diese Verteilung eingestellte Grundstücksfläche, doch dürfen diese Grundstücke nur in Höhe des Beitrages herangezogen werden, der auf die nach Maßgabe des § 6c Abs. 2 KAG-LSA verminderte Verteilungsfläche entfällt. Die Grundstücksbegrenzung bei der Heranziehung der Grundstücke durch § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG-LSA führt zu einem Beitragsausfall zu Lasten der Gemeinde und stellt einen teilweisen gesetzlichen Beitragserlass dar (so auch Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., S. 868). Diese Grundsätze hat die Antragsgegnerin in ihrer Beitragssatzung berücksichtigt. Soweit die Antragstellerin zur Begründung ihrer Auffassung auf §§ 6, 7 der Satzung verweist, führt dies zu keinem anderen Ergebnis; denn die Entscheidung einer Gemeinde über eine Billigkeitsmaßnahme setzt voraus, dass sie zuvor den Aufwand nach Maßgabe der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften ermittelt und verteilt, d. h. den auf die einzelnen Grundstücke entfallenden Beitrag den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend festsetzt. Eine Berücksichtigung der übergroßen Grundstücke schon im Rahmen der Verteilung - wie es die Antragstellerin offensichtlich begehrt - entspricht gerade nicht der gesetzlichen Regelung des § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG-LSA (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 03.05.2000 - B 2 S 481/99 -).

5. Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin, eine Erneuerung der Abschnitte F-Straße, S-Straße und J-Straße sei nicht notwendig gewesen; denn das Verwaltungsgericht hat die jeweiligen Ausbaumaßnahmen jedenfalls als Verbesserung der Verkehrsanlagen im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 WBS der Antragsgegnerin angesehen. Weder ein erheblicher Zeitablauf noch die Frage, ob ein sog. "aufgestauter Reparaturbedarf" zu einer beitragsfähigen Erneuerung führt, spielt allerdings für die Annahme einer beitragsfähigen Verbesserung eine Rolle (st. Rspr., vgl. OVG LSA, Beschl. v. 21.02.2002 - A 2 S 717/99 -; Driehaus, in: Driehaus [Hrsg.], Kommunalabgabenrecht, § 8 RdNr. 309, mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen für nahezu sämtliche Landeskommunalabgabengesetze).

Im Übrigen obliegt es der Entscheidungsfreiheit der Gemeinde, ob sie es bei einer bloßen Instandsetzung der beschädigten (abgenutzten) Anlage belässt oder ob sie sich zu einer Ausbaumaßnahme entschließt, die gegenüber dem ursprünglichen Zustand zu einer Verbesserung führt. Die sich in diesem Zusammenhang ergebenden Fragen der Zweckmäßigkeit unterliegen nicht der gerichtlichen Nachprüfung. Ebenfalls steht es in der Entscheidungsfreiheit der Gemeinde, ob eine nicht mehr funktionstüchtige, abgenutzte Anlage erneuert oder verbessert werden soll.

6. Soweit die Antragstellerin in ihrer Beschwerdeschrift Bedenken gegen die Festlegung einer starren Quote des Gemeindeanteils geltend macht, vermag sie hiermit das von dem Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis nicht ernstlich in Frage zu stellen. Der Senat teilt zwar nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es bei der Erhebung wiederkehrender Beiträge nicht auf eine differenzierte Beurteilung des Verhältnisses von Anlieger- und Durchgangsverkehr je Straßentyp ankommen dürfe; denn § 6a Abs. 4 Satz 2 KAG-LSA bestimmt ausdrücklich, dass der Gemeindeanteil nicht nur mindestens 20 v. H. betragen, sondern auch dem Verkehrsaufkommen entsprechen muss, das nicht den Beitragsschuldnern zuzurechnen ist. Ebenso wie im einmaligen Beitragsrecht ist die Gemeinde deshalb verpflichtet, einen Teil der Aufwendungen selbst zu übernehmen, der durch allgemeine Deckungsmittel finanziert werden muss (Kirchmer, Der wiederkehrende Straßenausbaubeitrag, S. 81 Anm. 5.1).

Die Antragsgegnerin hat folgerichtig den Gemeindeanteil in der Weise berechnet, dass sie die Anliegerstraßen der Abrechnungseinheit ermittelt und diese mit 30 % Gemeindeanteil bewertet hat. Hinzu gerechnet hat sie die Haupterschließungsstraßen mit einem Gemeindeanteil von 40 % sowie die Hauptverkehrsstraßen mit einem Gemeindeanteil von 70 % für die Fahrbahn und mit 40 % für die übrigen Teileinrichtungen. Dies führte zu einem Gemeindeanteil am beitragsfähigen Aufwand innerhalb der Abrechnungseinheit von 33,70 %.

Dieser in § 4 WBS festgelegte Gemeindeanteil hält bei summarischer Prüfung einer rechtlichen Überprüfung stand. Zwar hat die Antragsgegnerin jedenfalls mit Blick auf die Haupterschließungs- und Hauptverkehrsstraßen bei der Ermittlung des Gemeindeanteils das Gewicht der einzelnen Teileinrichtungen nicht ausdrücklich berücksichtigt. Hierauf kommt es aber im wiederkehrenden Beitragsrecht nicht maßgeblich an, weil die besondere Vorteilslage sich nicht auf die einzelne Verkehrsanlage und ihre Teileinrichtungen zu beziehen hat, sondern auf die der Abrechnungseinheit angehörenden Verkehrsanlagen insgesamt, die als einheitliche kommunale Einrichtung gelten (§ 6a Abs. 1 Satz 2 KAG-LSA). Die Betrachtung der Verkehrsanlagen als einheitliche kommunale Einrichtung hat zur Folge, dass gleiche Beiträge für vergleichbare Grundstücke gezahlt werden müssen, auch wenn die sie erschließenden Straßen unterschiedliche Verkehrsbedeutung haben und ihr Ausbau unterschiedliche Investitionsaufwendungen erfordert. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nicht erkennbar und auch von der Antragstellerin nicht dargelegt, dass der für die gesamte Abrechnungseinheit festgelegte Gemeindeanteil zu niedrig bewertet wurde: Ein Gemeindeanteil in Höhe von 33,70 % ist gerechtfertigt bei Anliegerstraßen, die - wie hier - überwiegend Stichstraßen sind und daher in der Regel keinen Durchgangsverkehr aufweisen, so dass der Anliegeranteil (hier mit 66,30 %) erheblich höher als der Gemeindeanteil zu bemessen ist. Bezogen auf die nicht klassifizierten Straßen im Gebiet der Antragsgegnerin (Haupterschließungsstraßen) ist der Gemeindeanteil von 33,70 % jedenfalls im Durchschnitt gerechtfertigt, da diese Straßen bei Berücksichtigung des der Gemeinde eingeräumten Beurteilungsspielraums aufgrund ihrer Lage als Verkehrsanlagen mit überwiegendem Anliegerverkehr einzustellen sind. Eine Erhöhung des auf die gesamte Abrechnungseinheit bezogenen Gemeindeanteils ist auch nicht im Blick auf die klassifizierten Straßen, die als Verkehrsanlagen mit erheblichem Durchgangsverkehr einzuordnen sind, geboten. Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegnerin ein Aufwand lediglich für den Ausbau der Gehwege und der Straßenbeleuchtung entstehen kann. Hieraus folgt, dass auch im Hinblick auf die klassifizierten Straßen ein Gemeindeanteil von 33,70 % nicht zu niedrig bemessen ist. Folglich ist jedenfalls im hier anhängigen vorläufigen Rechtsschutzverfahren davon auszugehen, dass der Gemeindeanteil für die gesamte Abrechnungseinheit von der Antragsgegnerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgelegt wurde.

7. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung wiederkehrender Beiträge für die öffentlichen Verkehrsanlagen vom 19.12.2003 wirksam veröffentlicht worden; insbesondere genügt die Veröffentlichung des Plans der Abrechnungseinheit im Amtsblatt "..." der Verwaltungsgemeinschaft "Südliche Börde" vom 20.12.2003 den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bekanntmachung.

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin vom 23.04.1998 erfolgen die gesetzlich erforderlichen Bekanntmachungen im Amtsblatt "..." der Verwaltungsgemeinschaft "Südliche Börde". Entsprechend dieser Bekanntmachungsregelung hat die Antragsgegnerin sowohl den Text ihrer Satzung über die Erhebung wiederkehrender Beiträge für die öffentlichen Verkehrsanlagen vom 19.12.2003 als auch die auf der Grundlage des § 6a Abs. 3 KAG-LSA i. V. m. § 3 Abs. 2 WBS beschlossene Abrechnungseinheit formell ordnungsgemäß im Amtsblatt vom 20.12.2003 veröffentlicht; insbesondere genügt diese Veröffentlichung den Anforderungen, die das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 2 Abs. 1, 3 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt - LVerf-LSA - vom 16.07.1992 [LSA-GVBl., S. 600]) an eine wirksame Veröffentlichung von Normen stellt. Dieses verlangt, dass sich der Bürger vom Inhalt des zu verkündenden Rechtssatzes und der Tatsache seines In-Kraft-Tretens verlässlich und ohne unzumutbare Schwierigkeiten zuverlässig Kenntnis verschaffen kann (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts; vgl. etwa: BVerfG, Beschl v 22.11.1983 - 2 BvL 25/81 -, BVerfGE 65, 283 [291]; BVerwG, Urt. v. 11.02.1972 - BVerwG VII C 37.69 -, DÖV 1972, 349 [349/350], Urt. v. 18.04.1975 - BVerwG VII C 41.73 -, Buchholz 401.84 [Benutzungsgebühren] Nr. 25 [S. 4]).

Im wiederkehrenden Straßenausbaubeitragsrecht muss der Plan der Abrechnungseinheit als wesentlicher Bestandteil einer wirksamen Satzung selbst dem Bestimmtheitsgebot Rechnung tragen, d. h. der Maßstab muss geeignet sein, die Zugehörigkeit einer Verkehrsanlage zu einem Abrechnungsgebiet zweifelsfrei erkennen zu lassen (Kirchmer, in: Kirchmer/Schmidt/Haack, Kommunalabgabenrecht Sachsen-Anhalt, 2. Aufl., S. 317). Zur Abgrenzung des Kreises der Beitragspflichtigen bedarf der Plan darüber hinaus einer "parzellenscharfen" Darstellung der Abrechnungseinheit in ihren äußeren Grenzen. Die so gekennzeichneten Grenzen müssen aus der Satzung und/oder dem Plan der Abrechnungseinheit für die Beitragspflichtigen hinreichend sicher und ohne besondere Schwierigkeiten erkennbar sein (OVG LSA, Urt. v. 26.06.2002 - 2 K 275/01 -; Beschl. v. 03.07.2002 - 2 M 68/02 -; Beschl. v. 02.04.2004 - 2 M 884/03 -).

Diesen Anforderungen genügt die Veröffentlichung der Abrechnungseinheit; denn anhand des veröffentlichten Flurkartenauszugs lassen sich die äußeren Grenzen der Abrechnungseinheit eindeutig bestimmen, so dass feststellbar ist, in welchem Umfang die Verkehrsanlagen Bestandteil der Abrechnungseinheit sind. Auch ist der Verlauf und die räumliche Ausdehnung der übrigen Verkehrsanlagen innerhalb der Abrechnungseinheit erkennbar, so dass sich auch deren räumlicher und funktionaler Zusammenhang im Sinne des § 6a Abs. 3 Satz 1 KAG-LSA abschließend ermitteln lässt.

8. Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin ein, dass es sich bei dem unbebauten Flurstück ... um ein Außenbereichsgrundstück handele; denn selbst wenn von einer Außenbereichsfläche auszugehen wäre, was das Verwaltungsgericht allerdings verneint hat, würde dies nicht dazu führen, dass die Antragsgegnerin diese Fläche grundsätzlich unberücksichtigt lassen müsste. Auch Außenbereichsflächen erhalten nämlich durch die In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit von Verkehrsanlagen einen beitragsrelevanten Vorteil, da diese ihre Erreichbarkeit sichern. Insoweit ist der Vorteilsbegriff der In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit des Verkehrsnetzes mit dem des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG-LSA vergleichbar, der lediglich auf die In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit der einzelnen Verkehrsanlage statt eines Verkehrsnetzes abstellt. Dementsprechend werden auch Flächen erfasst, die land-, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt werden. Im Übrigen wäre es auch nicht nachvollziehbar, wenn Grundstücke, die bei der Wahl einmaliger Beiträge durch die Antragsgegnerin bei Ausbaumaßnahmen an der sie erschließenden Anlage beitragspflichtig wären, auf Grund der Wahl wiederkehrender Beiträge durch die Antragsgegnerin keine Beiträge zahlen müssten, obwohl die Verkehrsanlagen auch ihnen einen beitragsrechtlich relevanten Vorteil vermitteln. Ein derartiger Wille des Gesetzgebers, bestimmte Grundstücke gänzlich aus der Beitragserhebung im Rahmen wiederkehrender Beiträge gegenüber einmaligen Beiträgen herauszunehmen, lässt sich auch § 6a Abs. 3 KAG-LSA nicht entnehmen. Zwar schreibt diese Vorschrift für die Bildung von Abrechnungseinheiten einen räumlichen und funktionalen Zusammenhang vor, der insbesondere innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile oder innerhalb selbständiger städtebaulicher Einheiten etc., gegeben sein soll, während keine Fallgruppen gebildet worden sind, die auch Außenbereichsflächen einbeziehen. Allerdings hat der Landesgesetzgeber mit dieser Formulierung keine Beschränkung dergestalt vorgenommen, dass nur in den in § 6a Abs. 3 KAG-LSA genannten Fallgruppen eine solche Abrechnungseinheit gebildet werden kann, sondern es handelt sich insoweit lediglich um Beispiele ("insbesondere"), die die Begriffe des räumlichen und funktionalen Zusammenhangs verdeutlichen. Insofern hat allein der Einwand der Antragstellerin, bei dem Flurstück ... handele es sich um ein Außenbereichsgrundstück, nicht per se die Fehlerhaftigkeit der Abrechnungseinheit zur Folge.

9. Soweit die Antragstellerin meint, die Ermächtigungsgrundlagen, auf die die Antragsgegnerin ihre Einzelbescheide stütze, seien außer Kraft getreten, ist dies nicht erkennbar. Schon die Formulierung "Auf der Grundlage der Bestimmungen der Satzung über die Erhebung wiederkehrender Beiträge für die öffentlichen Verkehrsanlagen der Gemeinde ... in der Fassung vom 19.12.2003, der Satzung über den Beitragssatz vom 11.03.2003 und ..." findet sich in dem angefochtenen Bescheid vom 04.05.2004 nicht. Im Übrigen würde selbst eine falsche Bezeichnung der Ermächtigungsgrundlage nicht zur Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides führen; denn die Antragsgegnerin hat ihrer Heranziehung für das Beitragsjahr 2002 jedenfalls die maßgebliche Satzung über den Beitragssatz in Verbindung mit der Erhebung wiederkehrender Beiträge für die öffentlichen Verkehrsanlagen der Ortslage Gemeinde ... vom 19.12.2003, wirksam veröffentlicht im Amtsblatt "... der Verwaltungsgemeinschaft "Südliche Börde" vom 20.12.2003, und für die Beitragsjahre 2003 und 2004 die maßgebliche Satzung über den Beitragssatz in Verbindung mit der Erhebung wiederkehrender Beiträge für die öffentlichen Verkehrsanlagen der Ortslage Gemeinde ... vom 16.03.2004, wirksam veröffentlicht im Amtsblatt "..." der Verwaltungsgemeinschaft "Südliche Börde" vom 08.04.2004, zu Grunde gelegt.

10. Schließlich hat die Unwirksamkeit des Bescheides über die Erhebung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge für das Jahr 2001 nicht die Unwirksamkeit des gesamten Bescheides zur Folge, da der Beitragsbescheid bezogen auf die einzelnen Beitragsjahre teilbar ist. Die Auffassung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe erkennbar einen einheitlichen Bescheid gefasst, trifft nicht zu; denn sie hat für die jeweiligen Beitragsjahre getrennte Beiträge bzw. Vorausleistungen auf der Grundlage des jeweils geltenden Satzungsrechts berechnet und in dem Beitragsbescheid vom 04.05.2004 unter A-C getrennt ausgewiesen. Die Beitragserhebungen für die Beitragsjahre 2001 bis 2004 stehen folglich nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang, so dass sich die Aufhebung durch das Verwaltungsgericht auf die Teile beschränken musste, welche die Rechtsverletzung für die Antragstellerin beinhaltete.

Ende der Entscheidung

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