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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 18.03.2005
Aktenzeichen: 4 M 701/04
Rechtsgebiete: VwVfG, LSA-GO, LSA-KAG


Vorschriften:

VwVfG § 35
VwVfG § 37 I
VwVfG § 48
VwVfG § 49
LSA-GO § 91 I
LSA-GO § 91 II
LSA-GO § 134 I 1
LSA-GO § 137
LSA-KAG § 6 I 1
LSA-KAG § 6 IV 2
1. Ein Verwaltungsakt (hier: kommunalaufsichtliche Anordnung) ist hinreichend bestimmt, wenn sich die Regelung mindestens aus der Begründung sowie weiteren, dem Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen ergibt.

2. Die Gemeinden und Zweckverbände sind verpflichtet, die Beitragspflicht der durch die Anlage Begünstigten in vollem Umfang auszuschöpfen (Beitragserhebungspflicht).

Ist ein Beitragspflichtiger zu niedrig veranlagt worden, so ist bis zum Eintritt der Festsetzungs-verjährung nachzufordern (Nach-Veranlagung).

Dies kann die Kommunalaufsicht anordnen.

3. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, wonach nicht noch einmal für die Kosten derselben beitragsfähigen Anlagen herangezogen werden darf, wer bereits in vollem Umfang zu einem endgültigen Beitrag veranlagt worden ist, verbietet nicht Nach-Veranlagungen bis zur Grenze der Beitragspflicht.

Für die Höhe sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht maßgeblich.

4. Im leitungsgebundenen Beitragsrecht entsteht die sachliche Beitragspflicht frühestens mit dem In-Kraft-Treten einer gültigen Beitragssatzung.

5. Das Kommunalabgabenrecht Sachsen-Anhalts unterscheidet nicht zwischen formell-rechtlichen und materiell-rechtlichen Beitragspflichten und enthält auch nicht durch eine Verweisung auf die Abgabenordnung ein Verbot der Nach-Erhebung.

6. Der Beitragsbescheid ist ein belastender Verwaltungsakt und begründet bei nicht voller Aus-schöpfung der Beitragspflicht in der Regel keinen Vertrauensschutz gegen eine Nach-Erhebung.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 M 701/04

Datum: 18.03.2005

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Novellierung v. 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO -, diese in der jeweils gültigen Fassung, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und hinsichtlich des Streitwerts auf §§ 47 Abs. 1; 52 Abs. 1; 53 Abs. 3 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - i. V. m. Nr. 22.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 7/2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.).

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Anordnungsverfügung des Antragsgegners vom 26.08.2004 genügt dem verfahrensrechtlichen Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt i. d. F. d. Bek. v. 07.01.1999 (LSA-GVBl., S. 3) - VwVfG LSA -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.03.2002 (LSA-GVBl., S. 130 [135 <Nr. 34>]), soweit unter Nr. 1 angeordnet wird, der Antragsgegner habe "alle Grundstücke in seinem Verbandsgebiet, für die auf der Grundlage der am 25.09.2000 in Kraft getretenen Abwasserbeseitigungsabgabensatzung vom 13.09.2000 eine Beitragspflicht entstanden ist, zu einem Kanalbaubeitrag heranzuziehen, soweit die Beitragspflicht noch nicht erfüllt worden ist."

Inhaltlich hinreichende Bestimmtheit setzt voraus, dass insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsakts die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umstände unzweifelhaft erkennen lässt (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.12.2003 - BVerwG 6 C 20.02 -, NVwZ 2004, 878 [880]). Daran gemessen ist die angefochtene Anordnungsverfügung nicht zu beanstanden; denn der Antragsteller konnte schon aus der weiteren Begründung der Verfügung ersehen, dass der Antragsgegner ausschließlich die schon seit langer Zeit zwischen den Beteiligten strittige Frage der Nacherhebung wegen zu niedriger Beitragsveranlagung vor dem In-Kraft-Treten der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung des Antragstellers vom 13.09. 2000 regeln wollte. So wird in der Sachverhaltsdarstellung auf die sog. "Altfälle" (S. 2) Bezug genommen, worunter der Antragsgegner die (ursprüngliche) Beitragserhebung des Antragstellers auf der Grundlage der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung vom 15.09.1993 versteht, und auf die Beanstandungsverfügung vom 19.10.2001 verwiesen, mit der der Antragsteller bereits auf seine Verpflichtung, einen entstandenen Beitragsanspruch auch im Wege der Nacherhebung in vollem Umfang geltend zu machen, hingewiesen wurde. Auch in der weiteren Begründung der Verfügung nimmt der Antragsgegner immer wieder Bezug auf die (seiner Meinung nach rechtswidrige) Absicht des Antragstellers, keine "Nacherhebung" vorzunehmen (S. 3). Schließlich zeigt auch die Verknüpfung mit Nr. 2 der Anordnungsverfügung, wonach der Beschluss der Verbandsversammlung Nr. 653/2004 vom 24.03.2004 bis zum 31.10.2004 aufzuheben ist, deutlich, dass der Antragsgegner mit Nr. 1 seiner Verfügung lediglich eine Nacherhebungspflicht des Antragstellers anordnen wollte; denn dieser Beschluss hatte zum Inhalt "weder eine Nachveranlagung der Schmutz- und Regenwasserbeiträge für die Grundstücke vorzunehmen, die als sogenannte "Altfälle" früher einmal 4,50 DM/m² bzw. 3,50 m² bezahlt haben. D. h., die derzeitige Beitragssituation bleibt unverändert, so dass auch die aktuell vorliegende Gebührenkalkulation nicht verändert werden braucht." Im Übrigen musste dem Antragsteller aufgrund der seit Anfang 2004 geführten Diskussion mit dem Antragsgegner bewusst sein, dass dieser mit seiner Anordnungsverfügung nur die Frage, inwieweit von Grundstücken, die nach geringeren Beitragssätzen als den nunmehr geltenden veranlagt worden sind, Beiträge nach zu erheben sind, klären wollte.

2. Der angefochtene Bescheid erweist sich auch als materiell rechtmäßig.

Der Antragsgegner ist gemäß § 134 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt - GO LSA - vom 05.10.1993 (LSA-GVBl., S. 568), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.04.2004 (LSA-GVBl., S. 246), als Kommunalaufsichtsbehörde tätig geworden. Er hat seine Anordnung zu Recht auf § 137 GO LSA gestützt; denn der Antragsteller ist seiner aus § 6 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes - KAG-LSA - i. d. F. d. Bek. v. 13.12.1996 (LSA-GVBl., S. 405), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.12.2003 (LSA-GVBl., S. 370), i. V. m. § 91 Abs. 1, 2 GO LSA folgenden Beitragserhebungserhebungspflicht (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 03.09.1998 - B 2 S 337/98 -, VwRR MO 1998, 295; Urt. v. 17.10.2002 - 2 L 119/01 -) nicht umfassend nachgekommen, so dass es der Anordnung der Kommunalaufsicht zur Durchsetzung dieser gesetzlich obliegenden Pflicht bedurfte.

Die grundsätzlich bestehende Verpflichtung der Zweckverbände, Anschlussbeiträge für die erforderliche Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtungen nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG-LSA i. V. m. dem entsprechenden Ortsrecht zu erheben, schließt die Verpflichtung ein, einen entstandenen Beitragsanspruch in vollem Umfang geltend zu machen. Ist ein Beitragspflichtiger folglich zu niedrig veranlagt worden, ist der Zweckverband verpflichtet, bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung durch Bescheid auch entsprechende Nachforderungen geltend zu machen, um so den bestehenden Beitragsanspruch voll auszuschöpfen. Insoweit steht selbst die Bestandskraft eines (Erst-)Heranziehungsbescheides, der seinem Regelungsgehalt nach einen Beitragsanspruch nicht voll ausschöpft, einer Nacherhebung durch einen weiteren (selbständigen) Bescheid grundsätzlich nicht entgegen (vgl. zum Erschließungsbeitragsrecht, BVerwG, Urt. v. 26.01.1998 - BVerwG 8 C 14.94 -, KStZ 1997, 77 f.; zum Ausbaubeitragsrecht, Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., § 28 RdNr. 21 ff. m. w. N.).

Ohne Erfolg wendet der Antragsteller ein, die Möglichkeit einer Nachveranlagung scheide vorliegend wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung aus. Zwar bewirkt der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung (vgl. BVerwG, Beschl. v.10.09.1998 - BVerwG 8 B 102.98 -, NVwZ 1999, 1000), der auch für das Anschlussbeitragsrecht des Landes Sachsen-Anhalt prägend ist und besagt, dass derjenige, der schon einmal in vollem Umfang zu einem endgültigen Beitrag herangezogen worden ist, nicht noch einmal für die Kosten derselben beitragsfähigen Maßnahme mit einer Abgabe belastet werden kann, eine nur eingeschränkte Zulässigkeit von Nacherhebungen eines Anschlussbeitrags im Nachgang zu einer bereits erfolgten bestandskräftigen (Erst-)Heranziehung; denn für die Beitragserhebung kommt es in erster Linie auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht an, so dass nachträgliche Veränderungen dieser Verhältnisse auf dem Grundstück beitragsrechtlich unberücksichtigt bleiben müssen.

Die Nacherhebungsfälle, die der Antragsgegner mit seiner kommunalaufsichtlichen Anordnung im Blick hat, sind allerdings dadurch gekennzeichnet, dass sachliche Beitragspflichten für die Herstellung der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtungen im Verbandsgebiet des Antragstellers erstmals auf der Grundlage der Satzung über die Erhebung von Beiträgen, Kostenerstattungen und Gebühren für die Abwasserbeseitigung vom 13.09.2000 - AS 2000 - nach ihrer Bekanntmachung am 25.09.2000 entstanden sind, weil die (erste) Satzung des Antragstellers über die Erhebung von Beiträgen, Kostenerstattungen und Gebühren für die Abwasserbeseitigung vom 15.09. 1993 - AS 1993 - sich als unwirksam erwiesen hatte. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG-LSA bestimmt nämlich ausdrücklich, dass die Beitragspflicht im Anschlussbeitragsrecht frühestens mit dem In-Kraft-Treten einer (gültigen) Beitragssatzung entsteht (so schon OVG LSA, Beschl. v. 23.10.2000 - 1 M 209/00 -). Damit ist klargestellt, dass Zweckverbände berechtigt (und verpflichtet) sind, Beiträge auch für solche öffentlichen Anlagen zu erheben, die vor Erlass der Abgabensatzung hergestellt, angeschafft, erweitert, verbessert oder erneuert worden sind. Sind mithin sachliche Beitragspflichten vorliegend erst am 25.09.2000 entstanden, war der Antragsteller verpflichtet, auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse Anschlussbeiträge in vollem Umfang geltend zu machen.

Die AS 2000 sah für die Herstellung der zentralen öffentlichen Schmutzwasseranlage des Antragstellers einen Beitrag in Höhe von 20,00 DM/m² und für die Niederschlagswasseranlage einen Beitrag in Höhe von 11,00 DM/m² vor. Der Antragsteller hat diesen Beitragsanspruch allerdings nicht voll ausgeschöpft, sondern auf der Grundlage seiner (unwirksamen) AS 1993 lediglich Beiträge in Höhe von 4,50 DM/m² (Schutzwasser) bzw. 3,50 DM/m² (Niederschlagswasser) festgesetzt. Das erstmals am 25.09.2000 wirksam begründete Beitragsschuldverhältnis ist folglich mit der ersten (unwirksamen) Veranlagung nicht erloschen, so dass auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung eine Nacherhebung nicht hindert.

Soweit das OVG Nordrhein-Westfalen für das dortige Kanalbaubeitragsrecht zu dem Schluss kommt, "dass die einmal bestehende Beitragspflicht für das Grundstück (unabhängig von Veränderungen in dessen Nutzung oder der satzungsrechtlichen Veranlagungsgrundlagen) nicht noch einmal entsteht, so daß der Beitrag nur einmal festgesetzt werden darf. Das Verbot der Doppelveranlagung gilt auch in den Fällen, in denen eine Beitragspflicht materiell-rechtlich nicht entstanden ist (etwa mangels wirksamer Satzungsgrundlage oder mangels Möglichkeit der Inanspruchnahme), jedoch ein Beitrag wirksam, wenngleich rechtswidrig, festgesetzt worden und damit eine Beitragspflicht formell-rechtlich entstanden ist" (OVG NW, Beschl. v. 27.03.1998 - 15 A 3212 /94 - NWVBl 1998, 410), ist diese Auffassung auf das sachsen-anhaltische Anschlussbeitragsrecht nicht übertragbar, weil § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG-LSA nicht zwischen formell-rechtlichen Beitragspflichten einerseits und materiell-rechtlichen Beitragspflichten andererseits unterscheidet. In Sachsen-Anhalt ist Voraussetzung dafür, dass die sachliche Beitragspflicht für ein bestimmtes Grundstück in einmal bestimmter, unveränderbarer Höhe entstehen kann, nicht nur die Verwirklichung des Beitragstatbestands oder gar der Erlass eines Heranziehungsbescheides, sondern auch die Existenz einer wirksamen Beitragssatzung (OVG LSA, Beschl. v. 18.07.2003 - 1 M 316/03 -). Dies bedingt, dass auch eine Nacherhebung gegenüber den bereits veranlagten Beitragspflichtigen zulässig ist, wenn der einmal zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht in unveränderbarer Höhe entstandene Beitrag für ein bestimmtes Grundstück - wie hier - noch nicht in voller Höhe ausgeschöpft wurde.

Auch die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (VGH BW, Urt. v. 29.03.1989 - 2 S 43/87 -, VBlBW 1989, 345 [346]) vermag dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen; denn in Baden-Württemberg beurteilt sich die Frage der Rechtmäßigkeit einer Nacherhebung schon aufgrund der ausdrücklichen Verweisung (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4c KAG BW) auf §§ 172 ff. der Abgabenordnung - AO - i. d. F. d. Bek. v. 01.10.2002 (BGBl 2002 I 3386), berichtigt am 08.01.2003 (BGBl I 61), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.08.2004 (BGBl I 2198 [2208]), nach anderen Maßstäben als in Sachsen-Anhalt.

Schließlich scheidet eine Nacherhebung auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes aus; denn ein rechtswidriger, aber bestandskräftiger Beitragsbescheid, der - wie hier - auf der Grundlage einer unwirksamen Beitragssatzung ergangen ist, unterliegt nicht den verfahrensrechtlichen Einschränkungen über den Widerruf oder die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte gemäß §§ 48; 49 VwVfG LSA. Für einen Widerruf bzw. eine Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts ist schon deshalb kein Raum, weil es sich bei den ursprünglichen Bescheiden des Antragstellers nicht um begünstigende Verwaltungsakte handelt; denn ein Bescheid, der eine Abgabe zu niedrig festsetzt, ist im Regelfall als ausschließlich belastender Verwaltungsakt zu betrachten (OVG NW, Urt. v. 01.10.1990 - 22 A 1393/90 -, NVwZ-RR 1992, 94 [99]; vgl. ferner BVerwG, Urt. v. 02.09.1999 - BVerwG 2 C 22.98 -, BVerwGE 109, 283 ff.; Driehaus, in: ders. [Hrsg.], Kommunalabgabenrecht, Stand: 2003, § 8 RdNr. 30; Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2004, § 48 RdNr. 69).

Zwar kann ein Bescheid, mit dem eine zu niedrige Abgabenforderung verlangt wird und der seinem Tenor nach ein ausschließlich belastender Verwaltungsakt ist, ein geeigneter Gegenstand für ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.02.1975 - BVerwG IV C 77.74 -, BVerwGE 30, 132 [133 f.]; OVG NW, Urt. v. 28.03.2001 - 16 A 4212/00 -, juris). Allerdings setzt ein solches Vertrauen eine adäquate Vertrauensbetätigung des Betroffenen, die Schutzwürdigkeit dieser Vertrauensbetätigung und zudem voraus, dass im Zuge der sodann gebotenen Interessenabwägung die Interessen des Betroffenen gegenüber den Interessen der Allgemeinheit überwiegen (BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - BVerwG 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163 ff.; OVG NW, Urt. v. 28.03.2001, a. a. O.). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund der obergerichtlichen Rechtsprechung, wonach wegen der Verpflichtung der Gemeinden, einen Beitragsanspruch in vollem Umfang auszuschöpfen und geltend zu machen, in der Regel selbst eine zu niedrige bestandskräftige Festsetzung des Anschlussbeitrags kein schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen begründet, es werde von ihm nur der festgesetzte Betrag - und nicht mehr - verlangt.

Dem Antragsteller steht bei der Frage, ob er zur Nacherhebung verpflichtet ist, entgegen seiner Auffassung auch kein Ermessen zu; denn § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG-LSA begründet eine Rechtspflicht, die einerseits den Erlass einer wirksamen Satzung als Grundlage für die Beitragserhebung voraussetzt (so auch OVG LSA, Beschl. v. 03.09.1998 - B 2 S 337/98 -, LKV 1999, 233 [234]) und andererseits die Pflicht einschließt, die in der wirksamen Beitragssatzung festgesetzten Beitragssätze durch Bescheid (§§ 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG-LSA; 155 Abs. 1 AO) geltend zu machen (OVG LSA, Beschl. v. 03.09.1998, a. a. O.; VGH BW, Urt. v. 11.05.1993 - 1 S 2302/92 -, VBlBW 1993, 338 [339]).

Ende der Entscheidung

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