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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 29.07.2005
Aktenzeichen: 5 L 6/04
Rechtsgebiete: PersVG LSA, BAT-O, TVG, EV, BGB, 2. BesÜV, LBesG LSA, ÄnderungsTV


Vorschriften:

PersVG LSA § 62 IV
PersVG LSA § 62 V 2
PersVG LSA § 62 V 1
PersVG LSA § 67 I Nr. 3
BAT-O § 22 III
TVG § 3 I
EV Art. 1 I XIX A III Nr. 1
BGB § 612 I
BGB § 612 II
2. BesÜV § 7
LBesG LSA § 2 III
ÄnderungsTV § 2 Nr. 3
Der Beschluss der Einigungsstelle unterliegt im gerichtlichen Verfahren einer vollen Rechtskontrolle.

Der Leiter der Obersten Dienstbehörde ist antragsbefugt.

Der Dienstherr ist i. R. seines Direktionsrechts zur Korrektur einer fehlerhaften Eingruppierung befugt, soweit keine arbeitsvertragliche Regelung besteht. Die korrigierende Rückgruppierung unterliegt der Mitbestimmung gem. § 67 Nr. 3 PersVG LSA.

Für die im Beitrittsgebiet beschäftigten Lehrer im Hochschuldienst fehlt es an einer wirksamen tarifvertraglichen Eingruppierung nach dem BAT-O. Die übliche Vergütung dieser Lehrkräfte i. S. des § 612 Abs. 2 BGB ist die aus der Vergütungsgruppe II a BAT-O ohne Bewährungsaufstieg.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 5 L 6/04

Datum: 29.07.2005

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses der Einigungsstelle (Beteiligte zu 2.) betreffend die Eingruppierung der Angestellten Frau S. H. .

Die am .......... 1952 geborene Frau H. erwarb im Jahre 1976 den akademischen Grad einer Diplom-Lehrerin in der Fachrichtung Biologie/Chemie. Seit dem 1. September 1980 war sie auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages mit der Pädagogischen Hochschule H.-Stadt vom 1. September 1980, geändert durch Änderungsvertrag vom 22. Juni 1984 als Lehrerin im Hochschuldienst in der Sektion Biologie/Chemie tätig. Gemäß Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 1. September 1991 erhielt Frau H. "aufgrund der neuen Eingruppierung nach BAT-O" mit Wirkung vom 1. Juli 1991 die Vergütungsgruppe II a. Die Dienststelle ist nunmehr Teil der MLU H.-Stadt/W.-Stadt, die Amtsbezeichnung der Frau H. lautet: Lehrkraft für besondere Aufgaben. Frau H. ist nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragstellers im Einigungsverfahren gewerkschaftlich organisiert.

Mit Schreiben an Frau H. vom 13. September 1994 teilte die MLU H.-Stadt/W.-Stadt mit, der Zeitpunkt für einen möglichen Bewährungsaufstieg sei der 1. September 1995. Dementsprechend erhielt Frau H. seit diesem Zeitpunkt die Vergütung aus der Vergütungsgruppe I b BAT-O.

Mit Schreiben an die MLU H.-Stadt/W.-Stadt vom 12. Juni 1997 wies der Antragsteller unter Hinweis auf die Lehrereingruppierungsrichtlinien LSA vom 17. Oktober 1995, in Kraft getreten am 1. Juli 1995 darauf hin, dass für die Lehrkräfte im Hochschuldienst entgegen der bisherigen Erlasslage (Erlass v. 2.12.1992, "Freye Erlass") ein Bewährungsaufstieg nicht vorgesehen sei. Nachdem auch der Landesrechnungshof mit Prüfbericht vom 25. Januar 2000 die tarifwidrige Eingruppierung der Lehrkräfte für besondere Aufgaben beanstandet hatte, erbat die MLU H.-Stadt/W.-Stadt am 28. März 2000 die Zustimmung des örtlichen Personalrats zur Herabgruppierung der Frau H. in die Vergütungsgruppe II a BAT-O. Der örtliche Personalrat erklärte am 13. April 2000, die beantragte Zustimmung werde nicht erteilt. Im Stufenverfahren beantragte der Antragsteller am 1. März 2001 die Zustimmung des Beteiligten zu 1. zur Herabgruppierung der Frau H. , was dieser am 25. März 2001 ablehnte. Die am 6. Juni 2001 angerufene Einigungsstelle (Beteiligte zu 2.) lehnte es mit Beschluss vom 26. Juli 2001 ebenfalls ab, die Zustimmung zur Herabgruppierung zu erteilen. Sie führte im Wesentlichen aus, die Lehrereingruppierungsrichtlinien LSA verstießen gegen das Rückwirkungsverbot. Ein einmal verwirklichter Bewährungsaufstieg könne nicht mehr aberkannt werden.

Mit Antrag vom 21. Dezember 2001, beim Verwaltungsgericht eingegangen am 31. Dezember 2001 hat der Antragsteller die gerichtliche Entscheidung im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren beantragt. Er hat im Wesentlichen vorgetragen, ein Bewährungsaufstieg sei mangels Anwendbarkeit des § 23 a BAT-O für die Lehrer im Hochschuldienst nicht vorgesehen. Die Besitzstandsklausel der Lehrereingruppierungsrichtlinien sei für Frau H. nicht einschlägig, denn die zeitlichen Anforderungen für den Bewährungsaufstieg nach der bisherigen Erlasslage seien am 1. Juli 1995 noch nicht erfüllt gewesen.

Der Antragsteller hat beantragt,

den Beschluss der Beteiligten zu 2. vom 26. Juli 2001 aufzuheben.

Der Beteiligte zu 1. hat beantragt,

die Antrag abzulehnen.

Er hat im Wesentlichen vorgetragen, der Antragsteller gehe rechtsirrig davon aus, dass die Eingruppierungsrichtlinien LSA eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Vergütung der Frau H. seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handele es sich nur um Empfehlungen, denen allein keine vertragsrechtliche bzw. arbeitsrechtliche Bedeutung zukomme. Für die Lehrer mit einer Lehrbefähigung der ehemaligen DDR gebe es auch keine sonstigen tarifvertraglichen oder besoldungsrechtlichen Vergütungsregelungen. Die Vergütung sei daher arbeitsvertraglich zu regeln. Dies sei hier durch schlüssiges Verhalten in Form der Höhergruppierung, der Zahlung der höheren Vergütung und deren Entgegennahme geschehen. Die Bewährungszeit für Frau H. sei am 30. August 1995 beendet gewesen. Mit Wirkung vom 1. September 1995 sei sie höhergruppiert gewesen. Soweit diese Rechtsposition durch die Lehrereingruppierungsrichtlinien LSA vom 17. Oktober 1995 rückwirkend zum 1. Juli 1995 geschmälert werde, verstoße dies gegen das Verbot einer echten Rückwirkung.

Die Beteiligten zu 2. hat keinen Antrag gestellt und keine Stellungnahme abgegeben.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 21. Oktober 2003 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Entscheidung der Einigungsstelle müsse sich gem. § 62 Abs. 5 PersVG LSA im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften halten. Das sei hier geschehen. Der Beschluss der Beteiligten zu 2. trete an die Stelle der Entschließung der Personalvertretung. Deren Entschließung müsse sich, um nicht als rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich zu gelten, am mitbestimmungspflichtigen Tatbestand orientieren. Dem genüge der Beschluss vom 26. Juli 2001. Die Beteiligte zu 2. habe in einem komplizierten Vergütungs- und Eingruppierungsfall ihre Zustimmung mit einer nachvollziehbaren Argumentation versagt. Es sei nicht Aufgabe der Einigungsstelle, die damit verbundenen Rechtsfragen wie das Bundesarbeitsgericht zu prüfen.

Gegen diesen ihm am 8. März 2004 zugestellten Beschluss richtet sich die am 8. April 2004 eingegangene Beschwerde des Antragstellers. Er trägt vor, der Beschluss der Beteiligten zu 2. vom 26. Juli 2001 verstoße gegen höherrangiges Recht. Frau H. sei nach den Lehrereingruppierungsrichtlinien LSA vom 17. Oktober 1995 als "Lehrkraft für besondere Aufgaben" in die Vergütungsgruppe II a BAT-O einzugruppieren. Der Arbeitgeber sei auf der Grundlage des Änderungstarifvertrags zum BAT-O vom 8. Mai 1991 zu einer entsprechenden arbeitgeberseitigen Herabgruppierung berechtigt. Es bestehe kein Anspruch auf Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustands. Die Besitzstandsklausel der Lehrereingruppierungsrichtlinien LSA komme Frau H. nicht zu Gute. Sie habe bei In-Kraft-Treten der Richtlinien am 1. Juli 1995 die höhere Vergütung noch nicht bezogen. Selbst wenn aber die Lehrereingruppierungsrichtlinien auf die Eingruppierung der Frau H. keine Anwendung finden sollten, fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Vergütung nach der Vergütungsgruppe I b BAT-O. Ein Bewährungsaufstieg sei zu Unrecht gewährt worden und könne einseitig korrigiert werden.

Der Antragstelle beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Magdeburg - Fachkammer für Landespersonalvertretungsrecht - vom 21. Oktober 2003 den Beschluss der Beteiligten zu 2. vom 26. Juli 2001 aufzuheben.

Der Beteiligte zu 1. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf sein erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt den angefochtenen Beschluss. Ergänzend trägt er vor, es mangele an der Antragsbefugnis für den Antragsteller. Die Einigungsstelle habe die Zustimmung zur Herabgruppierung der Frau H. nicht zwingend erteilen müssen, was bei der gerichtlichen Überprüfung zu beachten sei. Auch sei es nicht Aufgabe der Einigungsstelle, einen Eingruppierungsvorgang wie das Bundesarbeitsgericht zu prüfen und zu bewerten.

Die Beteiligte zu 2. stellt im Beschwerdeverfahren keinen Antrag und gibt keine Stellungnahme ab.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird ergänzend auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die gem. § 78 Abs. 2 PersVG LSA i. V. m. § 87 Abs. 1 ArbGG zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Die Antragsbefugnis des Antragstellers folgt aus seiner Stellung als Beteiligter des Verfahrens vor der Einigungsstelle gem. § 62 Abs. 4 PersVG LSA. Als Verfahrensbeteiligtem steht dem Antragsteller auch die Befugnis zu, die getroffene Entscheidung in dem dafür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen. In der Sache geht die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts von einem zu engen Prüfungsansatz im gerichtlichen Verfahren aus. Dies führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vom 21. Oktober 2003 zur Aufhebung des Beschlusses der Beteiligten zu 2. vom 26. Juli 2001.

Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtslage ist das Personalvertretungsgesetz - PersVG LSA - i. d. F. vom 10. Februar 1993 (GVBl. 56), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. März 1999 (GVBl. 120). Die Neufassung des Gesetzes durch das 2. Änderungsgesetz vom 17. Juni 2003 (GVBl. 126) findet keine Anwendung, denn der Beschluss der Beteiligten zu 2. ist noch unter der Geltung des bisherigen Verfahrensrechts ergangen. Die bisherige Ausgestaltung des Stufenverfahrens mit Letztentscheidungsrecht der Einigungsstelle gem. § 62 Abs. 5 Satz 2 PersVG LSA a. F. stößt allerdings auf verfassungsrechtliche Bedenken (BVerfG, Beschl. v. 25.5.1995, BVerfGE 93, 37 ff., Beschl. v. Senats v. 30.8.2000 - A 5 S 10/99 -). Diese können hier aber auf sich beruhen. Der Beschluss der Beteiligten zu 2. vom 26. Juli 2001 ist bereits aus Gründen des einfachen Rechts rechtswidrig. Auf verfassungsrechtliche Fragen kommt es deshalb nicht an. Es bedarf auch keiner Vorlage an das Bundesverfassungsgericht im konkreten Normenkontrollverfahren gem. Art. 100 GG.

Der Maßstab für die Überprüfung des Beschlusses der Beteiligten zu 2. im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ist § 62 Abs. 5 Satz 1 PersVG LSA. Nach dieser Bestimmung muss sich die Entscheidung der Einigungsstelle im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Haushaltsrechts halten. Ob dies der Fall ist, unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle (BVerwGE 68, 116). Dies verkennt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung, wenn sie sich in Anlehnung an die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 61 Abs. 3 Satz 8 PersVG LSA (BVerwG, Beschl. v. 27.9.1993 - 6 P4.93 -, PersV 94, 106) auf eine Missbrauchskontrolle beschränkt. Die Einigungsstelle ist auch nicht befugt, auf tatsächliche Feststellungen zu verzichten, soweit es auf diese für eine rechtmäßige Entscheidung ankommt. Bleiben trotz Aufbereitung des Verfahrensstoffes im bisherigen Verfahren tatsächliche Fragen offen, muss die Einigungsstelle die erforderlichen Feststellungen selbst treffen. Ein "Beurteilungsspielraum" kommt der Einigungsstelle in diesem Zusammenhang nicht zu. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Beteiligte zu 2. bei ihrer Entscheidung vom 26. Juli 2004 offene tatsächliche Fragen gesehen, auf deren Klärung aber verzichtet hat. Die Entscheidung ist darauf gestützt, dass Eingruppierungsrichtlinien rückwirkend in Kraft getreten seien und ihre Anwendung im Falle der Frau H. einen Verstoß gegen das Verbot einer echten Rückwirkung bedeute. Damit ist eine Frage (zwingenden) materiellen Rechts angesprochen.

Die Beteiligte zu 2. hat unter Beachtung des Verfahrens gem. §§ 63, 64 PersVG LSA entschieden. Sie hat sich jedoch zu Unrecht gehindert gesehen, dem Antrag auf Zustimmung zur korrigierenden Rückgruppierung der Frau H. zu entsprechen. Die aus dem rechtsstaatlichen Rückwirkungsgebot hergeleiteten rechtlichen Bedenken der Beteiligten zu 2. greifen nicht durch.

Die korrigierende Rückgruppierung der Frau H. ist dem Mitbestimmungstatbestand des § 67 Abs. 1 Nr. 3 PersVG LSA zuzuordnen. Frau H. wurde an der MLU H.-Stadt/W.-Stadt allerdings keine niedriger zu bewertende Tätigkeit übertragen. Sie ist nach wie vor als Lehrerin im Hochschuldienst beschäftigt. Sie ist nach Auffassung der MLU H.-Stadt/W.-Stadt und des Antragstellers lediglich fehlerhaft in die Vergütungsgruppe I b BAT-O eingruppiert und soll im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers in die für richtig gehaltene Vergütungsgruppe II a BAT-O zurückgeführt werden. Diese isolierte Herabgruppierung ist jedoch gem. § 67 Abs. 1 Nr. 3 PersVG LSA ebenfalls der Mitbestimmung unterworfen. Sie muss nicht mit der Zuweisung einer anderen Tätigkeit einhergehen.

Der Mitbestimmung steht auch nicht entgegen, dass die Zuordnung der Beschäftigten zu den Vergütungsgruppen einschließlich der zugehörigen Fallgruppen sich vorbehaltlich abweichender einzelvertraglicher Abmachungen allein nach den einschlägigen tarifvertraglichen Regelwerken bestimmt. Die Vergütungsgruppe ist zwar regelmäßig im Arbeitsvertrag anzugeben, vgl. § 22 Abs. 3 BAT-O. Diese Angabe ist aber nicht konstitutiv für das Arbeitsverhältnis, es handelt sich lediglich um eine formale Bestätigung (sog. Tarifautomatik, vgl. Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder K § 75 Rdnr. 30). Ungeachtet dieser Tarifautomatik bleibt es jedoch bei der Mitbestimmung gem. § 67 Abs. 1 Nr. 3 PersVG LSA wie im Übrigen auch bei den Mitbestimmungstatbeständen des § 65 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 PersVG LSA, die anderenfalls weitgehend leer laufen würden. Diese Mitbestimmungstatbestände sind ihrem Wesen nach eine begleitende Rechtskontrolle, soweit es um die Zuordnung der Tätigkeit zu den Tarifmerkmalen geht. Sie dienen der Überprüfung der Richtigkeit der Zuordnung im konkreten Fall und sollen dazu beitragen, dass das Tarifgefüge in der Dienststelle gewahrt bleibt. Bei rechtssystematischer Betrachtung handelt es sich nicht um ein Mitgestaltungsrecht, sondern um ein Mitbeurteilungsrecht (Beschl. v. Senats v. 9.4.2003 - 5 L 3/02 -; Fischer/Goeres, a. a. O., K § 75 Rdnr. 19 a m. w. N.; Reich, Personalvertretungsgesetz Sachsen-Anhalt mit Wahlordnung, 3. Aufl., § 67 Rdnr. 4).

Im Falle der Frau H. ist die Höhe der Vergütung im Arbeitsvertrag nicht vereinbart worden. Auszugehen ist vom Arbeitsvertrag mit der Pädagogischen Hochschule H.-Stadt vom 1. September 1980/22. Juni 1984. Da Frau H. nach dem Beitritt der neuen Bundesländer im öffentlichen Dienst weiter verwendet wurde, ist dieser Arbeitsvertrag gem. Anlage 1 Art. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 zum EV weiterhin Grundlage des Arbeitsverhältnisses. Er enthält keine vertragliche Abrede zur Vergütung, sondern verweist auf die damaligen gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen der DDR ("Lohngruppe/Gehaltsgruppe WM IV 2"). Vertragliche Vereinbarungen über die Höhe der Vergütung hat es auch in der Folgezeit nicht gegeben. Frau H. hat mit Datum vom 24. Mai 1991 lediglich eine Tätigkeitsdarstellung gegeben, die dienststellenintern zur Bewertung nach der Vergütungsgruppe II a BAT-O geführt hat. Diese Vergütungsgruppe ist auch im "Änderungsvertrag" vom 1. Dezember 1991 angegeben, mit dem inhaltlich wiederum nur die maßgebliche tarifvertragliche Eingruppierung genannt wird, diesmal die nach dem BAT-O. Im "Änderungsvertrag" vom 1. Dezember 1991 ist im Übrigen von einem möglichen Bewährungsaufstieg auch nicht die Rede. Die einseitige Mitteilung der MLU H.-Stadt/W.-Stadt vom 13. September 1994, mit der als Zeitpunkt für einen möglichen Aufstieg der 1. September 1995 festgestellt wird, ist ebenfalls mit einer vertraglichen Einigung nicht gleichzusetzen. Die Vergütung aus der Vergütungsgruppe I b BAT-O ist schließlich auch nicht konkludent durch die Zahlung dieser Vergütung und deren widerspruchslose Entgegennahme durch Frau H. vereinbart worden. Diesem tatsächlichen Verhalten lässt sich kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert beimessen. Ein Anlass für eine rechtsgeschäftliche Erklärung bestand weder auf Seiten der MLU H.-Stadt/W.-Stadt noch auf Seiten der Frau H. . Man ging vielmehr übereinstimmend - wenn auch rechtsirrig - davon aus, dass eine tarifrechtliche Grundlage für die Vergütung gem. I b BAT-O bestehe. Dies kann den vertraglichen Bindungswillen nicht ersetzen.

Besteht somit keine einzelvertragliche Vereinbarung über die Höhe der Vergütung, so sind - wechselseitige Tarifbindung gem. § 3 Abs. 1 TVG vorausgesetzt - die tarifvertraglichen Vorschriften heranzuziehen. Im Beitrittsgebiet sind dies der BAT-O vom 10. Dezember 1990 (GMBl. 234) mit Änderungstarifvertrag vom 8. Mai 1991 (abgedr. bei Pühler, BAT-O, 9. Aufl., S. 117 ff.) i. V. m. der Allgemeinen Vergütungsordnung gem. Anl. 1 a zum BAT sowie den Sonderregelungen zum BAT-O (abgedr. bei Pühler, a. a. O., S. 120 ff. und S. 81 ff.). Wurde der Arbeitnehmer irrtümlich in eine höhere Vergütungsgruppe eingruppiert als dies den tariflichen Tätigkeitsmerkmalen entspricht, so bedarf es keiner Änderungskündigung. Der Arbeitgeber kann sich mit einer korrigierenden Rückgruppierung von der rechtsfehlerhaften Tarifanwendung einseitig lossagen (Fischer/Goeres, a. a. O. K § 75 Rdnr. 30; Schaub, Handbuch des Arbeitsrechts, 9. Aufl., § 67 Rdnr. 11 u. § 186 Rdnr. 55, jeweils m. w. N.). Erlauben auch die tarifvertraglichen Vorschriften keine Zuordnung zu einer Vergütungsgruppe, so ist auf die Vorschriften des § 612 BGB für Dienstverträge zurückzugreifen. Gemäß § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Ist nur die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist gem. § 612 Abs. 2 BGB eine Vergütung in Höhe einer Taxe und in Ermangelung einer solchen eine übliche Vergütung als vereinbart anzusehen (vgl. Schaub, a. a. O., S. 546). Diese unwiderlegliche Vermutung zum Schutz des Arbeitnehmers (vgl. Palandt, BGB, 60. Aufl., § 612 Rdnr. 5) hebt die Vergütung auf eine vertragliche Ebene, in die - soweit die Vermutung reicht - ebenfalls nur mit einer Änderungskündigung eingegriffen werden kann.

Die Eingruppierung der Frau H. in die Vergütungsgruppe I b BAT-O im Wege des Bewährungsaufstiegs aus der Vergütungsgruppe II a BAT-O kann sich nicht auf tarifvertragliche Vorschriften stützen. Für die Arbeitsverhältnisse der angestellten Lehrer im Beitrittsgebiet gilt wie für alle öffentlichen Angestellten der BAT-O. Die Vergütung dieser Angestellten richtet sich allerdings nicht wie die der sonstigen Angestellten nach der Allgemeinen Vergütungsordnung für Angestellte gem. Anl. 1 a zum BAT. Nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen gilt die Anl. 1 a nicht für Angestellte, die als Lehrkräfte - auch wenn sie nicht unter die Sonderregelung 2 L, 1 fallen - beschäftigt sind, soweit nicht ein besonderes Tätigkeitsmerkmal vereinbart ist. Damit fallen nicht nur die Lehrer an Allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen (Sonderregelung 2 l, I) aus dem Anwendungsbereich der Anl. 1 a heraus, sondern auch die Lehrer an den Hoch- und Fachhochschulen. In der Anl. 1 a, dort Teil II, abgedr. bei Pühler, a. a. O., S. 175 ff.) sind für diese Lehrer auch keine besonderen Tätigkeitsmerkmale ausgebracht. Für die Eingruppierung der angestellten Lehrer einschließlich der Lehrer an Hoch- oder Fachhochschulen ist vielmehr § 2 Nr. 3 Änderungstarifvertrag vom 8. Mai 1991 maßgeblich. Sie sind - ggf. nach näherer Maßgabe von Richtlinien - in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welche der Angestellte eingruppiert wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Damit war die Eingruppierung der Lehrer mit einer Lehrbefähigung nach DDR-Recht anhand der besoldungsrechtlichen Regelungen gem. § 7 2. BesÜV i. V. m. der Anl. I zur 2. BesÜV vorzunehmen. § 7 2. BesÜV erlaubte indes nur die Einstufung von Lehrern im Schuldienst, nicht von Lehrern im Hoch- oder Fachhochschuldienst. § 7 2. BesÜV galt im Übrigen nur bis zur entsprechenden Ergänzung des Landesgesetzes weiter, längstens bis zum 1. Juli 1995 (Art. 3 Gesetz v. 23.8.1994, BGBl. I, S. 2186). Die landesrechtliche Regelung in § 2 Abs. 3 LBesG LSA hält Ämter der Besoldungsordnung A oder der Landesbesoldungsordnung A nur noch bei der Übernahme von Leitungsfunktionen an einer Schule bereit. Damit geht die für die Eingruppierung von Lehrkräften maßgebliche tarifrechtliche Verweisung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften zum Lande Sachsen-Anhalt seit dem 1. Juli 1995 insgesamt ins Leere. Soweit in § 2 Nr. 3 Satz 2 Änderungstarifvertrag vom 8. Mai 1991 auf die besoldungsrechtliche Einstufung verwiesen wird, hat diese tarifvertragliche Bestimmung keinen Regelungsgehalt mehr (BAG, Urt. v. 25.9.1995 - 6 AZR 71/96 -, juris, S. 6 UA).

Für die Eingruppierung der Frau H. existieren auch keine rechtsverbindlichen Richtlinien. Zwar werden Richtlinien in § 2 Nr. 3 Satz 2 Änderungstarifvertrag vom 8. Mai 1991 als zulässiges Eingruppierungskriterium genannt. Auch hat die Tarifgemeinschaft deutscher Länder - TdL - solche Richtlinien für den hier interessierenden Personenkreis erlassen (Erlass des Ministeriums der Finanzen LSA v. 20.7.1994, n. v.; Erlass v. 17.10.1995, MBl. LSA 2380: Lehrereingruppierungsrichtlinien LSA). Aus den Richtlinien der TdL lassen sich Rechte aber nur herleiten, wenn ihre Geltung einzelvertraglich vereinbart ist. (BAG, Urt. v. 18.5.1988 - 4 AZR 765/97 -, PersV 89, 187). Eine tarifvertragliche Rechtswirkung haben die Richtlinien mangels einer Einigung der Tarifvertragsparteien nicht. Im Falle der Frau H. sind die Lehrereingruppierungsrichtlinien nicht Teil der vertraglichen Regelung geworden. Es fehlt - wie ausgeführt - überhaupt an einer vertraglichen Regelung der Vergütung.

Ist somit auf die allgemeine Regelung für Dienstverträge in § 612 BGB zurückzugreifen, steht Frau H. in Ermangelung einer Taxe die "übliche Vergütung" zu, § 612 Abs. 2 BGB. Die übliche Vergütung für Lehrkräfte für besondere Aufgaben mit einer abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulausbildung bei Lehrveranstaltungen auf dieser Grundlage an wissenschaftlichen Hochschulen ist die Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a BAT-O. Diese Vergütung entspricht den Richtlinien der TdL (Erlass Finanzminister LSA v. 20.7.1994, Abschn. VI, C sowie Erlass v. 17.10.1997, a. a. O., Abschn. V C). Die Lehrereingruppierungsrichtlinien LSA gelten hier zwar nicht unmittelbar. Die dort ausgewiesene Vergütung beruht aber auf dem Sachverstand der in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder entsandten Ländervertreter und ist maßgeblich, soweit arbeitsvertragliche Vereinbarungen getroffen werden sollen. Die ausgewiesene Vergütung kann daher als die für vergleichbare Dienstleistungen gewährte gewöhnliche Vergütung gelten.

Die Angestellte Frau H. ist nach allem richtigerweise in die Vergütungsgruppe II a BAT-O einzugruppieren. Soweit sie seit 1. September 1995 in die Vergütungsgruppe I b BAT-O eingruppiert ist, entspricht dies nicht der üblichen Vergütung gem. § 612 Abs. 2 BGB i. V. m. den Lehrereingruppierungsrichtlinien LSA. Die damalige Höhergruppierung beruhte auf der Annahme, die angestellten Lehrer könnten in die Vergütungsgruppe II a Fallgruppe 1 a der Anl. zum BAT eingruppierten Angestellten nach Maßgabe des § 23 a BAT-O am Bewährungsaufstieg teilnehmen (s. Hinweiszeichen * zur Vergütungsgruppe II a Fallgruppe 1 a). Dabei wurde übersehen, dass die Anwendung der Anl. 1 a zum BAT-O auf Lehrer gem. § 2 Nr. 3 Satz 1 Änderungstarifvertrag vom 8. Mai 1991 ausgeschlossen ist und sich auch eine entsprechende Anwendung verbietet. Die Vergütung der Lehrer ist vielmehr § 2 Nr. 3 Satz 2 Änderungstarifvertrag vom 8. Mai 1991 grundsätzlich in Anlehnung an die beamtenrechtliche Besoldung geregelt. Dort ist indes ein der Tarifautomatik entsprechender Aufstieg in ein höheres Amt nicht vorgesehen (BAG, Urt. v. 25.9.1997 - 6 AZR 71/96 -, juris, S. 5 UA). Dies entspricht auch der Grundkonzeption in den Lehrereingruppierungsrichtlinien LSA, die die Vergütung der Lehrkräfte mit den fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis (sog. Erfüller) ohne die Möglichkeit eines Bewährungsaufstiegs an die beamtenrechtliche Besoldung bindet. Auch für die Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben an wissenschaftlichen Hochschulen hat es mit der Eingruppierung in die Vergütungsgruppe II a BAT-O ohne einen Bewährungsaufstieg sein Bewenden. Der Senat sieht hiervon ausgehend auch bei Festlegung der "üblichen Vergütung" gem. § 612 Abs. 2 BGB keinen Anhaltspunkt für eine Höhergruppierung nach Bewährung.

Ist die richtige Vergütung der Frau H. die aus der Vergütungsgruppe II a BAT-O, kann die MLU H.-Stadt/W.-Stadt sie im Wege der korrigierenden Rückgruppierung in diese Vergütungsgruppe zurückführen. Einer Änderungskündigung bedarf es nicht. Zwar gilt gem. § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung als vereinbart. Diese Vereinbarung erstreckt sich aber nur auf die Vergütung aus der Vergütungsgruppe II a BAT-O, nicht auf die überschießende Vergütung gem. I b BAT-O. Für diese Vergütung gibt es auch keine tarifvertragliche Grundlage. Die Dienststelle kann sich deshalb im Rahmen des Direktionsrechts von ihr lösen (BAG, Urt. v. 13.5.1998 - 10 AZR 421/97 -, juris, S. 3 UA).

Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Besitzstandsklausel gem. Abschn. II Abs. 5 der Lehrereingruppierungsrichtlinien LSA vom 17. Oktober 1995 und die Zulässigkeit eines Eingriffs in einen erreichten Besitzstand im Wege der echten Rückwirkung an. Die Lehrereingruppierungsrichtlinien LSA sind für Frau H. nicht unmittelbar anwendbar, sondern können nur als Maßstab für die Feststellung der üblichen Vergütung gem. § 612 Abs. 2 BGB herangezogen werden. Im Übrigen ist die Besitzstandsklausel nur auf rechtmäßig erlangte Besitzstände zu beziehen (BAG, Urt. v. 13.5.1998 - 10 AZR 421/97 - a. a. O.). Frau H. war hingegen zu Unrecht in die Vergütungsgruppe I b BAT-O gelangt. Für diese Vergütung hat zu keiner Zeit eine Rechtsgrundlage bestanden.

Die MLU H.-Stadt/W.-Stadt war nach allem berechtigt und im Interesse einer rechtmäßigen und gleichmäßigen Vergütung der bei ihr tätigen Lehrkräfte auch verpflichtet, die fehlerhafte Eingruppierung der Frau H. zu korrigieren. Entsprechend hatte im Stufenverfahren auch die Beteiligte zu 2. zu entscheiden. Dem widerspricht der Beschluss der Beteiligten zu 2. vom 26. Juli 2001. Dieser Beschluss ist deshalb antragsgemäß aufzuheben.

Einer Kostenentscheidung im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren bedarf es mangels prozessualer Kostentragungspflichten nicht. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erübrigt sich mangels einer vollstreckungsfähigen Entscheidung (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 91 Rdnr. 13, § 84 Rdnr. 29, § 85 Rdnr. 3).

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 72 Abs. 2 ArbGG bezeichneten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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