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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 25.09.2003
Aktenzeichen: 1 B 786/00
Rechtsgebiete: SächsBO


Vorschriften:

SächsBO § 49 Abs. 5
Stellplätze und Garagen sind nach § 49 Abs. 5 SächsBO auch dann unzulässig, wenn sie das Arbeiten und Wohnen, die Ruhe und die Erholung auf dem Baugrundstück selbst durch Lärm oder Gerüche über das zumutbare Maß hinaus stören.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 1 B 786/00

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Erteilung einer Baugenehmigung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Sattler, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Franke und die Richterin am Verwaltungsgericht Wagner ohne weiterer mündliche Verhandlung

am 25. September 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Erteilung einer Baugenehmigung für ein zweites - hinteres - Wohnhaus auf dem Grundstück A. in S. , Flurstück G1 der Gemarkung S. .

Mit vom 29.5.1995 datierendem Antrag beantragten die Kläger die Genehmigung für die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern auf dem genannten Grundstück, das ursprünglich mit einem zweigeschossigen Wohnhaus, kleineren Anbauten und einer Garage bebaut war. Jedes Haus sollte zwölf Wohnungen enthalten. Die Gebäude sollten von der Straße aus betrachtet hintereinander errichtet werden, Stellplätze waren u.a. auf der Fläche zwischen den Häusern vorgesehen. Ein Bebauungsplan existiert für das Grundstück, das an der südwestlichen Straßenseite der von Nordwest nach Südost verlaufenden A. angrenzt, nicht. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich das inzwischen geteilte Flurstück G2 , das in etwa ab dem gegenüberliegenden Grundstück der Kläger in südliche Richtung (jetzt Flurstücke Nrn. G3 und G4 ) mit Wohnblöcken bebaut ist. In westlicher Richtung grenzt an das klägerische Grundstück das Flurstück Nr. G5 , auf dem das Astronomische Zentrum eine Sternwarte und ein Observatorium betreibt. Im Osten grenzt das Grundstück Flurstück Nr. G6 an, das ebenfalls bebaut ist. Auf dem sich daran weiter in östliche Richtung anschließenden Flurstück Nr. G7 befindet sich ein eingeschossiges Gebäude mit Arztpraxen; vor diesem Gebäude in Richtung A. befinden sich PKW-Stellplätze. Im Südwesten grenzt das Grundstück der Kläger an eine Bahnstrecke der Leipziger Verkehrsbetriebe. Im Laufe des Baugenehmigungsverfahrens machte das benachbarte Astronomische Zentrum Bedenken gegen das Vorhaben geltend, weil im Falle seiner Errichtung der Blickwinkel in östlicher und südöstlicher Richtung eingeschränkt und durch störendes Licht die Himmelsbeobachtung unmöglich gemacht würde. Um den Bedenken Rechnung zu tragen, verpflichteten die Kläger sich, alle Fenster zur Seite des Astronomischen Zentrums mit Außenrollläden zur Verdunkelung zu versehen, für die Beleuchtung der Verkehrswege auf dem Grundstück Bewegungsmelder mit nach unten gerichteten Lichtquellen zu betreiben sowie die Balkone mit lichtundurchlässigem Material zu verkleiden. Nach einzelnen Änderungen des Bauantrages und absprachegemäß eingereichtem Nachtrag zum Bauantrag, mit dem nur die Errichtung des vorderen Gebäudes beantragt wurde, genehmigte der Rechtsvorgänger des Beklagten mit Bescheid vom 25.3.1996 die Errichtung des vorderen Wohnhauses u.a. mit den Nebenbestimmungen, dass die Balkonverkleidungen lichtundurchlässig herzustellen (Ziff. IV. Nr. 9), alle Außenfenster mit lichtdichten Außenjalousien auszustatten (Nr. 10) und alle Außenbeleuchtungen mit nach unten gerichtetem Lichtkegel zu versehen seien (Nr. 11).

Mit Bescheid vom 12.3.1996 lehnte der Rechtsvorgänger des Beklagten den Antrag betreffend den Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern ab. Das Vorhaben füge sich hinsichtlich des Maßes und der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Hinzu komme, dass die Grundstückssituation in der unmittelbaren Umgebung durch die Errichtung von 24 Wohnungen mit 24 Stellplätzen völlig verändert würde. Der Umgebungscharakter, der in einer Bebauung mit vielen Freiflächen bestehe, würde erheblich beeinträchtigt. Darüber hinaus würden 22 der 24 Stellplätze so zwischen den Häusern angeordnet werden, dass die Wohnruhe der Bewohner durch Lärm und Abgase gestört würde. Weiterhin würden die Bewohner des Nachbarflurstücks Nr. G6 erheblich gestört.

Die Kläger erhoben hiergegen mit Schreiben vom 26.3.1996 Widerspruch, den sie im Wesentlichen damit begründeten, dass auch die mehrstöckigen, an der gegenüberliegenden Straßenseite liegenden Wohnblocks die Eigenart der Umgebung prägten und die Belästigungen durch die Stellplätze hinzunehmen seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.6.1997 wies das Regierungspräsidium Leipzig den Widerspruch zurück. Das geplante Vorhaben füge sich nicht in die Eigenart der Umgebung ein. Die Bebauung auf dem Flurstück G2 präge die Bebauung westlich der A. nicht. Diese drei Wohnblöcke seien vielmehr Ausdruck einer in die Landschaft gesetzten unorganischen Streubebauung. Außerdem seien die Stellplätze für die Anwohner nicht zumutbar.

Bereits am 29.4.1997 haben die Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Leipzig erhoben. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen unter Bezugnahme auf den vorangegangenen Schriftwechsel mit dem Beklagten und seinem Rechtsvorgänger ausgeführt, die unvermutete Ablehnung der Baugenehmigung für das hintere Gebäude sei auf die Einflussnahme von Dritter Seite zurückzuführen. Die Anordnung der Stellplätze gehe ursprünglich sogar auf die Anregung des Beklagten zurück. Das Vorhaben füge sich in die nähere Umgebung ein. Von den Stellplätzen seien keine unzumutbaren Beeinträchtigungen oder Gesundheitsschädigungen zu erwarten, weil es sich bei dem Vorhaben um ein Wohngebäude handle und insbesondere in der Nachtzeit der Verkehr in der Regel ruhe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass Wohnbebauung an belebten Straßen zugelassen werde, obwohl die Beeinträchtigungen von dem fließenden Verkehr um ein Vielfaches höher seien als das, was von dem ruhenden Verkehr in der inneren Erschließung und von der konkreten Stellplatzanlage ausgehe. Das Vorhaben störe auch das Astronomische Zentrum nicht. Das verursachte Mehr an Licht wirke sich auf die Sternenbeobachtung nicht aus. Das Interesse der ohnehin wenigen Besucher des Astronomischen Zentrums richte sich überwiegend auf das Planetarium, da die Nutzung des Observatoriums lediglich einmal wöchentlich abends und nur bei gutem Wetter stattfinde. In der Regel erfolge die Sternbeobachtung mit dem Fernrohr, die durch Lichtquellen nicht beeinträchtigt werde. Den vom Landratsamt im Rahmen der erfolgten gemeinsamen Abstimmung gestellten Forderungen werde weitgehend genügt werden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 7.9.1989 hat der Kläger unter Einreichung eines Lageplanes vom 3.9.1998 erklärt, den bisher gestellten Bauantrag dahin zu ändern, dass nunmehr nur noch die Erteilung einer Baugenehmigung für das im hinteren Grundstücksteil eingezeichnete Gebäude samt 12 Stellplätzen begehrt werde.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 12.3.1996 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Leipzig vom 25.6.1997, soweit diese Bescheide das hintere Gebäude auf dem Baugrundstück betreffen, aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die mit dem in der mündlichen Verhandlung am 7.9.1998 eingereichten Lageplan beantragte Baugenehmigung zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21.12.1999 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Erteilung der Baugenehmigung stehe § 49 Abs. 10 SächsBO a.F. (§ 49 Abs. 5 SächsBO n.F.) entgegen. Wann die Benutzung von Stellplätzen unzumutbare Störungen hervorrufe, sei nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zu entscheiden. Kriterien seien insbesondere die Art und das Maß der baulichen Nutzung des Baugrundstücks und seiner Umgebung, die Anordnung der Stellplatzanlage auf dem Grundstück sowie die Lage und Beschaffenheit der Zufahrt. Dabei sei im Grundsatz davon auszugehen, dass Stellplätze, deren Zahl dem durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf entspreche, in einem Wohngebiet keine unzumutbaren Störungen hervorriefen. Etwas anderes könne jedoch für die Anlage von Stellplätzen auf den rückwärtigen Grundstücksflächen gelten, da Stellplätze grundsätzlich nicht in dem durch die Ruhe- und Erholungsfunktion geprägten Bereich des Grundstücks angeordnet werden sollten. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sei anzunehmen, dass die Benutzung der mit dem Mehrfamilienhaus zur Genehmigung gestellten Stellplätze nach Verwirklichung des Vorhabens zu unzumutbaren Störungen des Wohnens, der Ruhe und der Erholung in Bezug auf die beiden Mehrfamilienhäuser führen werde. Der Anwendungsbereich des § 49 Abs. 10 SächsBO a.F. sei nicht auf den Schutz der Nachbargrundstücke beschränkt. Denn nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift und mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Gesetz sei auch das Baugrundstück selbst in den Schutzbereich einbezogen. Bei den geplanten Stellplätzen handle es sich zwar um notwendige, so dass im Grundsatz von einer Zumutbarkeit auszugehen sei. Dem stehe im vorliegenden Fall jedoch entgegen, dass die Stellplatzanlage im Wesentlichen im geschützten Innenraum zwischen beiden Wohngebäuden errichtet werden und die Zufahrt in geringem Abstand an dem vorderen Haus vorbeiführen solle. Stoße unter den gegebenen örtlichen Verhältnissen schon die absolute Zahl der zur Genehmigung gestellten Stellplätze auf Bedenken, so ergäben sich die zu erwartenden, die Grenze der Zumutbarkeit überschreitenden Belastungen durch Lärm und Abgase vor allem daraus, dass die Reihe mit den Stellplätzen Nrn. 3 bis 12 nach dem Lageplan vom 3.9.1998 in einem Abstand von nur ca. 6 m parallel zur Nordseite des noch zu errichtenden hinteren Mehrfamilienhauses verlaufen und überdies aus Richtung dieses Gebäudes angefahren werden solle. Dies bedinge, dass die Ein- und Ausparkvorgänge - aufgrund der Enge u.U. mit mehrfachem Rangieren verbunden - unmittelbar vor der Hauswand stattfänden, in der nach der Planung die Fenster der Schafzimmer und der Kinderzimmer lägen und in deren Mitte sich der Hauseingang sowie Balkone befänden. Auch die Anordnung der Stellplätze Nrn. 1 und 2 sei zu beanstanden. Diese sollten in einem Abstand von nur ca. 1,5 m zu den Wohnzimmerbalkonen der westlichen Gebäudewand angelegt werden und befänden sich auf Höhe weiterer Schlafzimmerfenster. Unzumutbare Belastungen durch Lärm und Abgase ergäben sich für die Bewohner des vorderen Mehrfamilienhauses aus der Benutzung der etwa 3 m breiten Zufahrt, die in einem Abstand von 1,5 m an der westlichen Gebäudewand und damit in geringer Distanz zu den dort angeordneten Wohnzimmerbalkonen und Schlafzimmerfenstern entlang führen solle. Die zu erwartenden Störungen seien selbst dann unzumutbar, wenn sie zeitlich konzentriert aufträten. Außerdem sei nach der Lebenserfahrung anzunehmen, dass gerade an den Wochenenden, an denen sich viele Bewohner zu Hause aufhielten, aufgrund des unterschiedlichen Freizeitverhaltens in der Bevölkerung während des gesamten Tages vermehrt Fahrzeugbewegungen zu erwarten seien. Da das Vorhaben wegen der von der Nutzung der Stellplätze ausgehenden unzumutbaren Belästigungen nicht genehmigungsfähig sei, könne auch das Mehrfamilienhaus selbst nicht zugelassen werden.

Mit Beschluss vom 21.12.2000 ( 1 B 188/00), der den Klägern am 5.1.2001 zugestellt wurde, hat der Senat die Berufung zugelassen, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestünden. Es spreche Überwiegendes dafür, dass § 49 Abs. 10 SächsBO a.F. (= § 49 Abs. 5 SächsBO n.F.) jedenfalls dann, wenn keine Gesundheitsgefährdung in Rede stehe, keine Schutzwirkung zugunsten von auf dem Vorhabengrundstück wohnenden Personen entfalte. Baurechtliche Vorschriften seien nämlich in der Regel grundstücksbezogen und - etwaige - Streitigkeiten von Berechtigten an ein- und demselben Grundstück seien ausschließlich zivilrechtlich auszutragen.

Mit am 23.1.2001 beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz haben die Kläger ihre Berufung unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die Begründung des Zulassungsbeschlusses begründet und ergänzend ausgeführt, dass Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung nicht vorlägen. In einem weiteren Schriftsatz führen die Kläger aus, die nähere Umgebung des Grundstücks werde durch eine überwiegende, nicht aber einheitliche Wohnnutzung geprägt. Während die gegenüberliegenden Grundstücke teilweise mit vier- und fünfstöckigen Wohnblocks bebaut seien, befinde sich neben dem Grundstück ein zweieinhalbgeschossiges Wohnhaus. In diesen weiten Rahmen füge sich das Vorhaben ein. Von einer Verschlechterung der Grundstückssituation der Nachbarn könne keine Rede sein. Dabei sei auch die Vorbelastung zu berücksichtigen, die sich aus der Frequentierung des 300 qm großen Parkplatzes vor den Arztpraxen auf dem Flurstück Nr. G7 und den jährlich ca. 10.000 - 14.000 Besuchern des Astronomischen Zentrums ergäben. Hinsichtlich der von dem Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahme zur TA-Lärm bleibe unklar, auf welcher Grundlage die behaupteten Mittelungspegel gebildet worden seien. Ebenso wenig werde deutlich, von welcher tatsächlichen Vorbelastung ausgegangen worden sei und welche Ausgangsgrößen zugrunde gelegt worden seien. An der Eignung der herangezogenen Prognosemodelle bestünden erhebliche Zweifel. Wesentlicher Ansatzpunkt müsse die geringe Zahl der Parkplätze und der parkberechtigten PKW sein. Es sei nur mit sehr wenigen Fahrzeugbewegungen während der Nachtstunden zu rechnen. Überdies sei bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Verkehrsimmissionen für die Bewohner des Hauses grundsätzlich davon auszugehen, dass Stellplätze, deren Anzahl dem durch die zugelassene Nutzung verursachten und gesetzlich geforderten Bedarf entsprechen, in einem Wohngebiet nicht geeignet seien, für den normalen Durchschnittsbürger unzumutbare Belastungen hervorzurufen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass ein geschützter Innenbereich, der von den Stellplätzen beeinträchtigt werden könne, gar nicht existiere und bei der ursprünglich beabsichtigten gleichzeitigen Errichtung der beiden Gebäude auch nicht entstanden wäre. Zu der zu erwartenden Lärmentwicklung legen die Kläger eine schalltechnische Untersuchung des Dr.-Ing. K. B. vom 11.7.2003 vor, nach der tagsüber die Immissionsrichtwerte und Maximalpegel unterschritten würden und es nachts zu Überschreitungen komme, denen nur durch bestimmte Maßnahmen, u.a. den Einbau feststehender Fenster mit schallgeschützten Belüftungseinrichtungen im bereits vorhandenen und im geplanten Wohnhaus begegnet werden könne. Die Kläger haben überdies einen von den Bauherrn und vom Planverfasser unterzeichneten Lageplan vom 3.9.1998 vorgelegt.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 21. Dezember 1999 - 4 K 656/97 - zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, den unter dem 29. Mai 1995 gestellten Bauantrag betreffend das hintere Wohnhaus und die ihm zugeordneten Stellplätze in der Fassung des Lageplans vom 3.9.1998 mit den Ergänzungen, wie in Ziffer IV Nr. 9 bis 11 der Baugenehmigung vom 25. März 1996 bestimmt, zu genehmigen, und die insoweit entgegenstehenden Bescheide des Landratsamtes Leipziger Land vom 12. März 1996 sowie des Regierungspräsidiums Leipzig vom 25. Juni 1997 aufzuheben, hilfsweise,

über die vorgenannten Einschränkungen hinaus sowohl am geplanten als auch am bestehenden Wohnhaus feststehende Fenster mit schallgeschützten Belüftungseinrichtungen an folgenden Standorten vorzusehen:

geplantes Wohnhaus

- Eltern-NW, EG bis 1.OG: Fenster Nord und West,

- Kind-NW, EG bis DG: Fenster Nord,

- Kind-NO, EG bis DG: Fenster Nord,

- Eltern-NO, EG bis 1.OG: Fenster Nord und Ost

bestehendes Wohnhaus

- Eltern-SW, EG bis 1.OG: Fenster Süd und West,

- Kind-SW, EG bis DG: Fenster Süd,

- Kind-SO, EG bis DG: Fenster Süd,

- Eltern-SO, EG bis 1.OG: Fenster Süd und Ost,

- Eltern-NW, EG bis 1.OG: Fenster Nord und West,

- Kind-NW, EG: Fenster Nord.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass das Vorhabens zu bodenrechtlich beachtlichen Spannungen führen würde, weil die überbaute Grundstücksfläche sich wesentlich von der Umgebungsbebauung absetze. Die städtebauliche Situation würde wesentlich verschlechtert, da von dem Vorhaben eine Vorbildwirkung ausginge. Die Zulässigkeit des Vorhabens dürfe sich nicht allein danach richten, ob von einer gesundheitsgefährdenden Beeinträchtigung durch die Nutzung von Stellplätzen auszugehen sei. Bei der beabsichtigten starken baulichen Auslastung des Grundstücks käme es nicht nur zu erheblichen Immissionsbelastungen der Mieter/Nutzer der Mehrfamilienhäuser, sondern auch der Nachbarschaft. Im Übrigen nimmt der Beklagte auf eine natur- und immissionsschutzrechtliche Stellungnahme vom 26.3.2001 Bezug.

Die mit Beschluss des Senats vom 19. Juni 2003 beigeladene Stadt Schkeuditz hat keinen Antrag gestellt.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 21.7.2003 Beweis erhoben durch Inaugenscheinahme des Baugrundstücks und seiner Umgebung; wegen der getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift vom selben Tage Bezug genommen. Dem Senat liegen die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts, seine eigenen Gerichtsakten sowie die vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten ( 6 Heftungen) und die Widerspruchsakte vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 21.7.2003. Auf ihren Inhalt wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit in der mündlichen Verhandlung am 21.7.2003 einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO). Einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bedarf es auch nicht im Hinblick darauf, dass ein Mitglied des entscheidenden Senats an der Augenscheinseinnahme nicht teilgenommen hat.

Die zulässige Berufung ist im Hauptantrag unbegründet, weil die Klage zwar zulässig, aber unbegründet ist. Die Ablehnung der Erteilung der Baugenehmigung für das geplante hintere Wohnhaus ist rechtmäßig und verletzt die Kläger deshalb nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die begehrte Baugenehmigung ist zu versagen, weil dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, entgegen stehen (§ 70 Abs. 1 Satz 1 SächsBO). Es verstößt gegen § 49 Abs. 10 SächsBO in der bis zum 30.4.1999 geltenden Fassung (im Folgenden: § 49 Abs. 10 SächsBO a.F.). Diese Vorschrift ist anwendbar, weil sie durch die am 1.5.1999 in Kraft getretene neue Sächsische Bauordnung, die in § 49 Abs. 5 eine wörtlich übereinstimmende Regelung enthält, nicht geändert wurde (§ 89 Abs. 1 Satz 3 SächsBO). Dass mit dem In-Kraft-Treten der neuen Sächsischen Bauordnung die Regelung in § 49 Abs. 11 Satz 1 SächsBO a.F. entfallen ist, wonach Stellplätze und Garagen von den öffentlichen Verkehrswegen aus auf möglichst kurzem Wege verkehrssicher zu erreichen sein müssen, hat auf den Inhalt des § 49 Abs. 5 SächsBO n.F. keinen Einfluss, so dass durch die Streichung dieser Vorschrift auch keine mittelbare Änderung des § 49 Abs. 10 SächsBO a.F. erfolgt ist.

Nach § 49 Abs. 10 SächsBO a.F. müssen Stellplätze so angeordnet und ausgeführt werden, dass ihre Benutzung die Gesundheit nicht schädigt und das Arbeiten und Wohnen, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung durch Lärm oder Gerüche nicht über das zumutbare Maß hinaus stört. Der Begriff der "Umgebung" erfasst dabei nicht nur Eigentümer oder sonstige dinglich Berechtigte an Nachbargrundstücken, sondern auch Mieter von Wohnungen auf dem Baugrundstück selbst. Dafür spricht zunächst der weite Begriff der "Umgebung" selbst, der sich auf den Stellplatz bezieht und daher unabhängig von der Zuordnung zu einem Grundstück alles umfasst, was sich außerhalb des zu betrachtenden Stellplatzes selbst befindet. Hinzu kommt, dass die Sächsische Bauordnung - alte wie neue Fassung - begrifflich hinsichtlich der von einer Anlage möglicherweise betroffenen Dritten durchaus differenziert: So ist beispielsweise in § 6 Abs. 1 SächsBO, § 7 Satz 1 SächsBO, in § 9 Abs. 2 SächsBO a.F. (= § 8 Abs. 2 n.F.) und § 15 Abs. 1 Satz 2 SächsBO von "Nachbar" und "Nachbargrundstück" die Rede, wobei "Nachbar" als der Eigentümer benachbarter Grundstücke definiert wird (§ 69 Abs. 1 SächsBO). Dies legt den Schluss nahe, dass dort, wo der Gesetzgeber einen anderen Begriff verwendet, auch etwas anderes gemeint ist. Aus der in der Begründung des Zulassungsbeschlusses des Senats herangezogenen Grundstücksbezogenheit baurechtlicher Vorschriften ergibt sich nach endgültiger Prüfung nicht anderes. Zwar mag das Bauplanungsrecht vor allem, möglicherweise sogar ausschließlich das Ziel haben, Grundstücksnutzungen untereinander auszugleichen und verträglich zu machen mit der naheliegenden Folge, dass auch nur die diese Grundstücke repräsentierenden Berechtigten von den bauplanungsrechtlichen Vorschriften ins Auge gefasst werden (vgl. dazu nur BVerwG, Urt. v. 16.9.1993, NJW 1994, 1233, 1234 m.w.N.). Für das Bauordnungsrecht gilt dies jedoch, wie z.B. die Vorschriften über den Brandschutz, die Statik, den Wärmeschutz usw zeigen, nicht oder jedenfalls nicht in gleichem Maße. Darüber hinaus ist es dem Gesetzgeber jedenfalls nicht verwehrt, personenbezogene Regelungen zu treffen, die über den Ausgleich mit Nutzungsinteressen der Eigentümer anderer Grundstücke hinaus auch die Interessen der Nutzer des Baugrundstückes selbst berücksichtigen. Dass dies hier geschehen ist, liegt um so näher, als nach § 49 Abs. 10 SächsBO a.F. (= § 49 Abs. 5 SächsBO n.F.) auch das Wohnen geschützt werden soll. Ob sich die Mieter des Baugrundstückes auf diese Vorschrift als eine ihnen ein eigenes subjektiv-öffentliches Recht einräumende Regelung berufen könnten oder ob sich ihr Rechtsverhältnis zum Eigentümer wie im Falle der Rechtsverhältnisse von Miteigentümern oder Wohnungseigentümern untereinander (dazu BVerwG, Urt. v. 12.3.1998, NVwZ 1998, 954) ausschließlich nach bürgerlichem Recht richtet, kann hier offen bleiben. Denn dies ist für den Prüfungsumfang des Beklagten unerheblich. Nach allem ist mithin davon auszugehen, dass "Umgebung" i.S.v. § 49 Abs. 10 SächsBO a.F. (= § 49 Abs. 5 SächsBO n. F.) auch die Mieter auf dem Baugrundstück selbst erfasst (im Ergebnis für das niedersächsische Recht ebenso Nieders. OVG, Beschl. v. 12.3.2001, BauR 2001, 1249, 1250; zum Begriff der Umgebung in § 50 SächsBO n.F. (= § 50 Abs. 1 Satz 1 SächsBO a.F.) ebenso Gramlich, in Degenhart, SächsBO, Losebl. Stand Juni 2002, § 50 RdNr. 25).

Wann eine unzumutbare Störung i.S.v. § 49 Abs. 10 SächsBO a.F. vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei insbesondere die Art und das Maß der baulichen Nutzung des Grundstücks und seiner Umgebung, etwaige Vorbelastungen, Standort, Zahl und Benutzungsart der Stellplätze sowie Lage und Beschaffenheit ihrer Verbindungswege zum öffentlichen Verkehrsraum von Bedeutung sind. Dagegen kommt es innerhalb dieses Rahmens für die Beurteilung der Lärmbelästigungen nicht darauf an, ob die Richtwerte der TA-Lärm und der VDI-Richtlinie 2058 überschritten sind, denn für die Frage der Zumutbarkeit von Stellplatznutzungen kann nicht auf Durchschnittswerte abgestellt werden (alles st. Rspr. des Senats, vgl. Beschl. v. 30.7.2001 - 1 BS 125/01 -; Beschl. v. 4.7.2000 - 1 B 194/99 -; Beschl. v. 8.12.1998 - 1 S 558/98 -; Beschl. v. 24.6.1996 - 1 S 248/96 -; Beschl. v. 16.2.1995 - 1 S 578/94 -). Hier ist das Maß des Zumutbaren für die Bewohner der Wohnungen in der Südseite des bereits errichteten und für die künftigen Bewohner der Wohnungen der Nordseite des geplanten Wohnhauses überschritten, obwohl es sich bei den Stellplätzen um notwendige Stellplätze i.S.v. § 49 Abs. 1 SächsBO handelt, von deren Zumutbarkeit grundsätzlich auszugehen ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 2.7.1999, BRS 62 Nr. 150; OVG Rh. -Pf., Beschl. v. 27.6.2002, BauR 2003, 368).

Der vorgesehene Abstand zwischen den beiden Wohnhäusern soll nach dem eingereichten Lageplan vom 3.9.1998 nur etwa 19 m betragen. Dieser Bereich sowie die weiteren verbleibenden Freiflächen um das geplante Wohnhaus sind bislang kaum vorbelastet. Der erhebliche Verkehrslärm von der A. dringt bis zu diesen Flächen kaum vor, bemerkenswerte Lärmbelästigungen gehen von der hinter dem Baugrundstück verlaufenden Bahnstrecke nicht aus. Ebenso wenig stört der Zu- und Abgangsverkehr zum Astronomischen Zentrum auf dem Flurstück Nr. G5 die Nutzung des klägerischen Grundstücks. Das Zentrum kann nicht angefahren, sondern von der Straße B. aus nur zu Fuß erreicht werden. Der Eingangsbereich befindet sich an der dem klägerischen Grundstück abgewandten Seite des Gebäudes. Auch von der Nutzung der Doppelgaragen auf dem in nordöstlicher Richtung benachbarten Flurstück Nr. G6 ist eine nennenswerte Belästigung für den rückwärtigen Teil des klägerischen Grundstücks nicht zu erwarten. Da auch von der Umgebung im Übrigen kaum Beeinträchtigungen für das Grundstück der Kläger ausgehen, handelt es sich insgesamt bei dem Bereich hinter dem bereits vorhandenen Wohnhaus um eine ruhige Zone, die im Interesse der Bewohner des vorderen Hauses und der künftigen Bewohner des hinteren Hauses schutzwürdig und -bedürftig ist und die allein durch die Errichtung des hinteren Gebäudes auch nicht zerstört würde. Die Anordnung von zehn Stellplätzen unmittelbar zwischen den Gebäuden und von zwei Stellplätzen praktisch an der westlichen Außenwand des hinteren Gebäudes würde diese Ruhezone jedoch zunichte machen. Dies folgt schon aus der erheblichen Anzahl der Stellplätze, die auf der relativ kleinen Fläche angeordnet werden sollen. Hinzu kommt, dass die Stellplätze sich sehr nah an den Fenstern und Balkonen der westlichen und nördlichen Außenwand des hinteren und der südlichen Außenwand des vorderen Wohnhauses befinden würden, was deren Nutzbarkeit wesentlich und für die betroffenen Bewohner nicht mehr zumutbar beeinträchtigen würde. Dies gilt selbst dann, wenn die Stellplätze insbesondere nachts nur selten angefahren werden sollten, zumal wegen der engen Anordnung der Stellplätze mit vermehrten Rangierbewegungen der Fahrzeuge zu rechnen ist. Das von den Klägern vorgelegte Gutachten vom 11.7.2003, nach dem ohne weitere Vorkehrungen jedenfalls für die Nachtzeit mit Überschreitungen der zulässigen Maximalpegel nach der TA Lärm zu rechnen ist, streitet nicht zugunsten der Kläger, sondern bestätigt den Senat eher in seiner Auffassung, dass die Stellplätze zu einer unzumutbaren Störung für das Wohnen auf dem klägerischen Grundstück führen.

Ob die Stellplätze gem. § 49 Abs. 10 SächsBO a.F. auch im Hinblick auf das benachbarte Flurstück Nr. G6 unzulässig sind, wofür allerdings wenig spricht, und ob das Vorhaben der Kläger im Übrigen zulässig ist, kann nach allem offen bleiben.

Die Berufung bleibt auch im Hilfsantrag ohne Erfolg. Die Veränderungen, die die Kläger nach ihrem Hilfsantrag bereit sind, im vorhandenen Wohnhaus und bei Realisierung des geplanten Wohnhauses umzusetzen, sind nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der beantragten Stellplätze herbeizuführen. Denn an der nur eingeschränkten Nutzbarkeit der betroffenen Balkone würde sich nichts ändern. Darüber hinaus sind sie - unabhängig von der Frage, ob sie bauordnungsrechtlich und im Hinblick auf die vermieteten Wohnungen im vorderen Haus auch im übrigen rechtlich überhaupt zulässig wären - den Mietern der betroffenen Wohnungen, deren Kinderzimmer nicht mehr über ein zu öffnendes Fenster verfügen würden, nicht zumutbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entsprach es nicht der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Grund nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 90.000,- € festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Dabei orientiert sich der Senat entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung an der Empfehlung des sog. Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wonach der Streitwert in Verfahren auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein Wohnhaus auf 15.000,- DM, mithin 7.500,- € je Wohnung festzusetzen ist (Ziff. II Nr. 7.1.2.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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