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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 06.11.2009
Aktenzeichen: 1 D 131/09
Rechtsgebiete: ZPO, SächsBO


Vorschriften:

ZPO § 114
SächsBO § 3
SächsBO § 13
SächsBO § 58 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 D 131/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Untätigkeitsklage; Nutzungsuntersagung und Beseitigungsanordnung

hier: Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von PKH

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann und die Richterin am Verwaltungsgericht Berger

am 6. November 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 1. Juli 2009 - 4 K 566/07 - geändert und dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bewilligt.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Versagung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht hat Erfolg. Mit seinem Beschwerdevorbringen hat der Kläger dargelegt, dass die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 166 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Ausgehend von den verfassungsrechtlichen Vorgaben, dem Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, darf die Prüfung der Erfolgsaussichten nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren soll den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht ersetzen, sondern zugänglich machen. Die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht dürfen deshalb nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.6.2006 - 2 BvR 626/06 -, BayVBl. 2006, 677, und Beschl. v. 26.2.2007 - 1 BvR 474/05 -, NVwZ-RR 2007, 361). Mithin muss der Erfolg nicht gewiss sein, es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen (vgl. P. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 166 Rn. 26). Prozesskostenhilfe muss nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchst- oder - bei der Anwendung von Landesrecht - obergerichtlich geklärt ist. Die Ablehnung der Gewährung kann ungeachtet einer solchen Klärung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf bereits vorliegende Rechtsprechung ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchst- oder obergerichtliche Klärung noch aus, läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussichten seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuhalten. Denn dadurch würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.6.2006, a. a. O.).

Gemessen hieran hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers hinreichende Aussicht auf Erfolg. Seinem Beschwerdevorbringen lässt sich entnehmen, dass ein Obsiegen im Klageverfahren gegen den Bescheid des Landratsamtes Kamenz vom 13.12.2006 zumindest ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen.

Die Nutzung des Gebäudes ".............................." wurde dem Kläger durch Ziffer 1 des Bescheides vom 13.12.2006 im Wesentlichen mit der Begründung untersagt, das Gebäude diene ohne die hierfür erforderliche Baugenehmigung als Lagergebäude, so dass diese Nutzung formell illegal sei. Es diene als Abstellmöglichkeit für anderweitig nicht verwendbares Material (Spielautomaten). Zudem sei das Gebäude nicht sicher benutzbar, insbesondere sei das Dach einsturzgefährdet. Hinsichtlich einer Nutzungsänderung des früheren Kinos zu einem Lagergebäude hat der Kläger ausgeführt, dass sich in dem Gebäude lediglich aus der früheren Nutzung zurückgebliebene Akten, Inventar und Einrichtungsgegenstände sowie Baumaterialien und Werkzeug für laufende Reparaturen befänden. Falls sich diese Behauptung als zutreffend erweist, dürfte keine Umnutzung zu einem Lagergebäude vorliegen. Zudem hat der Kläger die Behauptung einer Einsturzgefährdung des Gebäudes schlüssig in Frage gestellt. Nach der "Stellungnahme zur Gebäudesicherheit" der Dipl.-Ing. ............. vom 31.7.2007 wurde durch bereits durchgeführte und dort näher bezeichnete Sicherungsmaßnahmen an geschädigten Bereichen eine akute Einsturzgefahr beseitigt. Diese Stellungnahme ist gegenüber dem am 13.12.2006 ergangenen Bescheid berücksichtigungsfähig, da - soweit ersichtlich - bisher noch kein Widerspruchsbescheid ergangen ist, welcher den spätesten Zeitpunkt für die im hier vorliegenden Fall der Anfechtungsklage maßgebliche Sach- und Rechtslage darstellt. Der Beklagte hat sich mit diesem Beschwerdevorbringen in seiner Erwiderung nicht auseinander gesetzt, so dass auch eine nach § 114 Satz 2 VwGO berücksichtigungsfähige Ergänzung von Ermessenserwägungen von vornherein nicht in Betracht kommt.

Dem Beschwerdevorbringen lässt sich zudem ein zumindest offener Ausgang des Klageverfahrens gegenüber der unter Ziffer 2 des Bescheides vom 13.12.2006 verfügten Beseitigungsanordnung entnehmen. Diese Verfügung hat das Landratsamt Kamenz auf § 58 Abs. 2 SächsBO gestützt, da im Sinne von § 3 SächsBO von dem ehemaligen Kinogebäude infolge seines Bauzustandes und des Befalls mit echtem Hausschwamm eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe. Gegenüber dieser Anordnung hat der Kläger beachtliche Zweifel an der Auffassung dargelegt, dass allein ein Abriss des Gebäudes die verhältnismäßige Maßnahme zur Wiederherstellung baurechtrechtlich ordnungsgemäßer Zustände darstellt. Nach der schon oben zitierten Stellungnahme der Dipl.-Ing. ............. weisen sowohl die Dachkonstruktion des Hauptgebäudes als auch des seitlichen Anbaues reparable und sanierungsfähige Schäden auf und seien erhaltenswert. Zudem sei das Gebäude ausreichend standsicher und stelle für die Nachbarbebauung keine akute Gefährdung dar. Hierdurch werden die entgegenstehenden Annahmen des angefochtenen Bescheides gutachterlich in Frage gestellt, ohne dass sich der Beklagte mit diesen Aussagen nachfolgend auseinander gesetzt hätte. Eine akute Gefährdung durch den festgestellten Hausschwammbefall, welche nur durch eine Beseitigung des Gebäudes noch abgewandt werden könnte, wird durch die Sachverständigeneinschätzung "des Zustandes der Holzbauteile des Gebäudes ......... Straße .. in ........... (..............................)" des Sachverständigen für Holzschutz Dipl.-Ing. ........... vom Mai 2007 in Frage gestellt. Hiernach wurde durch die bisher erfolgten Maßnahmen die akute Verbreitung des Hausschwamms zumindest gestoppt. Ein Übergreifen auf das Nachbargrundstück im Bereich des Freiraumes.. sei generell unmöglich (Ziffer 4.1.1 der Einschätzung). Durch die seit Oktober 2006 durchgeführten Maßnahmen hätten sich die Lebensbedingungen für Echten Hausschwamm und andere holzzerstörende Pilze im Objekt deutlich verschlechtert. Für eine fachgerechte und umfassende holzschutztechnische Instandsetzung sei das Erreichte jedoch nur ein kleiner Anfang (Ziffer 4.2 der Einschätzung). Ob der mit gut 80.000,- € veranschlagte Abriss des Gebäudes vor diesem Hintergrund im Vergleich zur einer Sanierung mit dem Ziel der Herstellung eines gefahrlosen Zustandes ein verhältnismäßiges Mittel darstellt, ist demnach offen. Mehr als die Erreichung dieses Zustandes könnte aber vom Kläger nicht verlangt werden, da er nicht verpflichtet ist, das Gebäude in einen nutzungsfähigen Zustand zu bringen. Auch in diesem Zusammenhang fehlt es an Ermessenserwägungen des Beklagten, die jedoch erforderlich wären, da diese Ausführungen mangels ersichtlichen Widerspruchsbescheids im Rahmen der Anfechtungsklage noch beachtlich sind.

Die hinreichenden Erfolgsaussichten hinsichtlich der unter Ziffer 3 verfügten Entsorgungsverpflichtung für das Abbruchmaterial folgen bereits aus den hinreichenden Erfolgsaussichten gegenüber der unter Ziffer 2 verfügten Beseitigungsanordnung. Gleiches gilt für die unter Ziffer 6 erfolgte Androhung der Ersatzvornahme.

Eine Kostenentscheidung ist mangels Gebührenpflicht nicht veranlasst; Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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