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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 11.05.2004
Aktenzeichen: 4 B 620/03
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, SächsGemO


Vorschriften:

VwGO § 116 Abs. 1
VwGO § 116 Abs. 2
VwGO § 117 Abs. 4
VwGO § 121
VwGO § 124
VwGO § 130
VwGO § 138 Nr. 6
ZPO § 160 Abs. 3 Nr. 7
ZPO § 160 Abs. 5
ZPO § 165
ZPO § 222
ZPO § 318
SächsGemO § 1 Abs. 4
SächsGemO § 2
SächsGemO § 24
1. Die Verkündung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils kann nicht festgestellt werden, wenn in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung die Verkündung einer Urteilsformel angesprochen wird, ohne diese konkret zu benennen oder auf eine solche zu verweisen.

2. Dem Sinn und Zweck der in § 117 Abs. 4 Satz 2 2. Halbs. VwGO angesprochenen alsbaldigen Niederlegung und Übergabe des vollständigen Urteils widerspricht eine Verfahrensweise, wonach eine innerhalb von fünf Monaten seit der mündlichen Verhandlung niedergelegte und übergebene Entscheidung wieder in den Spruchkörper zurückgeholt und nach Ablauf von fünf Monaten erneut der Geschäftsstelle übergeben wird.

3. Bürger und Wahlberechtigte, die nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO die Durchführung eines Bürgerentscheids nach § 24 SächsGemO beantragen, sind nicht Teil eines außerordentlichen kommunalen Organs (Änderung der Senatsrechtsprechung).


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 4 B 620/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Kostenerstattung

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Rottmann und den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng

am 11. Mai 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 23. Oktober 2001 - 2 K 2098/99 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung von Anwalts- und Gerichtskosten, die anlässlich eines Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO zur Sicherung der Durchführung eines Bürgerbegehrens entstanden sind.

Der Kläger war einer von drei Vertretern eines Bürgerbegehrens vom 14.7.1998 in der Gemeinde Thiendorf, das die Durchführung eines Bürgerentscheids zur Beibehaltung eines Grundschulstandortes zum Gegenstand hatte. Durch Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Thiendorf vom 26.8.1998 wurde dieses Bürgerbegehren für unzulässig erklärt. Dagegen erhob der Kläger am 18.1.1999 zum einen Klage und beantragte des Weiteren eine einstweilige Anordnung gegen den Bürgermeister der Gemeinde. Die Anordnung war darauf gerichtet, dem Bürgermeister sämtliche Handlungen zu untersagen, die den Erhalt des im Bürgerbegehren angesprochenen Grundschulstandortes unmöglich machen würden, bevor nicht der Bürgerentscheid durchgeführt worden sei. Der Gemeinderat beschloss daraufhin am 24.2.1999 die Aussetzung seines Beschlusses vom 20.5.1998 über die Aufhebung des Grundschulstandortes ab dem Schuljahr 1999/2000. Das Verfahren auf einstweilige Anordnung wurde danach von den Beteiligten für erledigt erklärt und durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 19.3.1999 unter Aufhebung der Kosten eingestellt. Mit an den Bürgermeister der Gemeinde Thiendorf gerichteten Schreiben vom 26.2.1999 des Prozessbevollmächtigten des Klägers stellte dieser anwaltliche Gebühren in Höhe von 1288,76 DM in Rechnung, weil der Kläger als Antragsteller des einstweiligen Anordnungsverfahrens einen Freistellungsanspruch gegen die Gemeinde habe. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten lehnte in mehreren Schreiben eine Begleichung ab, weil dem Kläger kein Erstattungsanspruch zustehe.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 25.6.1999 am 2.7.1999 Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 1341,66 DM zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit dem 11.5.1999 zu verurteilen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass er einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch auf Bezahlung zum einen der anwaltlichen Gebühren von 1288,76 DM wie auch der in Rechnung gestellten Gerichtsgebühren von 52,90 DM habe, weil diese Kosten in einem kommunalrechtlichen Organstreit entstanden seien. Es entspräche der ständigen Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass in Verfahren zur Zulässigkeit und Sicherung eines Bürgerbegehrens organschaftliche Rechte durch Funktionsträger der Gemeinde geltend gemacht würden. In diesen Verfahren erfolge eine Interessenwahrnehmung für die Gemeinde, weshalb diese ihre Funktionsträger von der Kostenpflicht freizustellen habe. Das Verwaltungsgericht Dresden habe zudem in seinem - rechtskräftigen - Urteil vom 20.7.2000 (7 K 180/99), in dem über die Zulässigkeit des angesprochenen Bürgerbegehrens entschieden worden sei, festgestellt, dass ein kommunalrechtlicher Organstreit vorliege.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch besteht ihrer Auffassung insbesondere deshalb nicht, weil ein Verwaltungsrechtsstreit über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens kein kommunalrechtliches Organstreitverfahren sei. Organe einer Gemeinde seien nach § 1 Abs. 4 SächsGemO nur der Gemeinderat und der Bürgermeister. Aus § 24 Abs. 4 SächsGemO, wonach der Bürgerentscheid einem Beschluss des Gemeinderates gleich stehe, folge nichts anderes. Durch diese Norm erfolge nur eine Gleichsetzung der Ergebnisse der Willensbildungen der Bürger und des Gemeinderates. Darüber hinaus habe der Kläger die angesprochenen Kosten nicht gegenüber der Gemeinde geltend gemacht. Seine Zahlungsaufforderung im Schreiben vom 26.2.1999 sei nicht an die Gemeinde, sondern an deren Bürgermeister gerichtet gewesen. Der Kläger verkenne zudem im Hinblick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 20.7.2000 die Reichweite der Rechtskraftregelung in § 121 VwGO.

Das Verwaltungsgericht Dresden hat über die Klage am 23.10.2001 mündlich verhandelt. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung (Gerichtsakte VG Dresden, AS 183/185) ist u.a. ein Vordrucktext zur Verkündung einer Entscheidung am Ende der Sitzung angekreuzt, wonach "das Urteil durch Verlesen der Urteilsformel verkündet" worden sei. In der Gerichtsakte sind im Anschluss an diese Niederschrift deren Ausfertigungen und sodann der mit Datum des 23.10.2001 und Aktenzeichen des erstinstanzlichen Verfahrens versehene handschriftliche Tenor eingeheftet, der von den im Termin am 23.10.2001 mitwirkenden Richtern unterschrieben ist (AS 195). Des Weiteren ist darauf von der Geschäftsstellenbeamtin der Eingang vom 24.10.2001 sowie telefonische Mitteilungen des Tenors an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 24.10.2001 und des Klägers am 29.1.2002 vermerkt. Auf der im Anschluss daran eingehefteten Originalschrift des vollständigen Urteils vom 23.10.2001 (AS 197) ist ein Vermerk über den Eingang bei der Geschäftsstelle am 25.3.2002 angebracht. Schließlich wird in einer Verfügung der Geschäftsstelle vom 26.3.2002 (AS 225) als Urteilseingang in der Kanzlei der 26.3.2002 und als Datum des Absendens des Urteils der 22.5.2002 angegeben. Die Verfügung enthält den Vermerk der Geschäftsstellenbeamtin vom 22.5.2002, wonach die Akte bis zum "heutigen Tag" beim Vorsitzenden gewesen sei. Das vollständig abgefasste und die Klage abweisende Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Beklagten jeweils am 24.5.2002 zugestellt.

Der Kläger hatte bereits mit Schriftsatz vom 25.2.2002 am 5.3.2002 beim Verwaltungsgericht Dresden einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, der dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht zum 27.5.2002 zugeleitet wurde. Die Berufung wurde mit Beschluss des Senats vom 28.8.2003 (4 B 402/02) zugelassen. Der Beschluss wurde den Beteiligten am 5.9.2003 zugestellt.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 8.9.2003 am 11.9.2003 die zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung bekräftigt er im Wesentlichen seine Auffassung, wonach die geltend gemachten Kosten in einem Organstreit entstanden und deshalb von der Beklagten zu erstatten seien. Er nimmt zudem Bezug auf sein Vorbringen im Zulassungsverfahren, wonach das Urteil auch verfahrensfehlerhaft sei. Die Niederlegung der Urteilsgründe sei später als fünf Monate erfolgt. Zudem müsse ein Urteil innerhalb der genannten Frist - für deren Berechnung es nicht darauf ankomme, ob der letzte Tag ein Werktag sei oder nicht - nicht nur niedergelegt, sondern den Beteiligten auch zugestellt werden. Damit läge ein Begründungsmangel vor, auf dem das Urteil beruhe.

Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 23.10.2001 (2 K 2098/99) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, an den Kläger 685,98 Euro (entspricht: 1341,66 DM) zuzüglich 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach dem Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz seit dem 11.5.1999 bis 31.12.2001 und seit dem 1.1.2002 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bekräftigt sie im Wesentlichen die von ihr bislang vorgebrachten Erwägungen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Dresden (2 K 2098/99) und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zum Berufungszulassungsverfahren (4 B 402/02) und zum Berufungsverfahren (4 B 620/03) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig (sh. 1.), jedoch nicht begründet, weil die Klage im angefochtenen Urteil im Ergebnis zu Recht abgewiesen wurde. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz der mit der Klage geltend gemachten anwaltlichen und gerichtlichen Kosten durch die Beklagte (sh. 2.).

1. Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass der Kläger am 5.3.2002 die Berufungszulassung gegen das angefochtene Urteil beantragt hat, obgleich das Urteil erst am 24.5.2002 zugestellt wurde und auch nicht festgestellt werden kann, dass es zuvor verkündet wurde. Das Urteil war im Zeitpunkt der Beantragung der Berufungszulassung gleichwohl rechtsmittelfähig, weil es zuvor der Geschäftsstelle übergeben und den Prozessbeteiligten bekannt gegeben worden war.

1.1. Die Zulässigkeit der Berufung kann zunächst nicht schon wegen der vom Senat mit Beschluss vom 28.8.2003 zugelassenen Berufung angenommen werden. Dieser Zulassungsbeschluss hat nur im Hinblick auf die Statthaftigkeit der Berufung unter dem Gesichtspunkt der Zulassungsbedürftigkeit bindende Wirkung. Über weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen der Berufung wird durch die Zulassungsentscheidung nicht verbindlich entschieden, weshalb deren Vorliegen nach wie vor von Amts wegen zu prüfen sind (sh. dazu: Happ in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 124 RdNr. 20 und § 124a RdNr. 55).

1.2. Eine Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Berufung ist, wie für jedes andere Rechtsmittel, dass eine rechtsmittelfähige Entscheidung vorliegt. Wird ein Rechtsmittel zuvor eingelegt, ist es unzulässig und wird auch durch das spätere Vorliegen einer Entscheidung nicht zulässig (Meyer-Ladewig in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb. § 124 RdNr. 34 m.w.N.). Ein rechtsmittelfähiges Urteil liegt zunächst vor, wenn es entweder verkündet (§ 116 Abs. 1 VwGO) oder zugestellt (§ 116 Abs. 2 VwGO) worden ist. Diese in § 116 VwGO geregelten Erlassformen eines Urteils lagen hier im Zeitpunkt der Zulassungsbeantragung nicht vor. Im Zeitpunkt der Beantragung der Berufungszulassung am 5.3.2002 war das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht zugestellt. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Urteil zu diesem Zeitpunkt verkündet war, da in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23.10.2001 der Gegenstand der Verkündung nicht bezeichnet ist.

In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23.10.2001 ist ein Vordrucktext zur Verkündung angekreuzt, wonach "das Urteil durch Verlesen der Urteilsformel verkündet" worden sei. Die Urteilsformel selbst wird in der Niederschrift nicht bezeichnet und ist dieser auch nicht nach § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 5 ZPO als Anlage beigefügt. Dass die in die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts nicht im Anschluss an die Originalniederschrift, sondern deren Ausfertigungen aufgenommene Urteilsformel verkündet wurde, ergibt sich damit aus der Niederschrift selbst nicht. Dem dort angekreuzten Vordrucktext, in dem lediglich allgemein eine Urteilsformel angesprochen wird, ohne diese konkret zu benennen oder auf eine solche zu verweisen, kann der Gegenstand der Verkündung nicht entnommen werden. Da die Beachtung der für eine mündliche Verhandlung vorgeschriebenen wesentlichen Förmlichkeiten und damit auch die Verkündung einer Entscheidung nach § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO nur durch das Protokoll bewiesen werden können (§ 105 VwGO i.V.m. § 165 ZPO), kann demzufolge eine Verkündung der angefochtenen Entscheidung nicht festgestellt werden (sh. dazu: BGH, Beschl. v. 7.2.1990, zitiert nach juris).

Die bei Beantragung der Berufungszulassung damit weder verkündete noch zugestellte Entscheidung konnte jedoch durch den Kläger gleichwohl am 5.3.2002 angefochten werden, weil die von den Richtern unterschriebene Entscheidungsformel am 24.10.2001 der Geschäftsstelle übergeben und den Prozessparteien am 24.10.2001 und 29.1.2002 telefonisch bekannt gegeben wurde.

Die Übergabe einer Entscheidung an die Geschäftsstelle ist in § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO angesprochen, wonach ein bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil innerhalb von zwei Wochen seit der Verkündung ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übergeben ist. Die angesprochene Regelung findet entsprechende Anwendung, wenn das Gericht entscheidet, das Urteil anstatt der Verkündung zuzustellen, somit das Gericht den in § 116 Abs. 2 VwGO geregelten Erlass eines Urteils durch Zustellung wählt, wobei die Prozessbeteiligten auf Anfrage Kenntnis von der Urteilsformel erhalten müssen (BVerwG, Beschl. v. 24.6.1971, BVerwGE 38, 220). Zwar ist hier die Übergabe der Entscheidungsformel an die Geschäftsstelle am 24.10.2001, die nicht an Voraussetzungen eines förmlichen Verfahrens gebunden war (BVerwG, Urt. v. 19.1.1987, DVBl. 1987, 1110), nicht im Rahmen der in § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO angesprochenen Übergabe eines bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefassten Urteils erfolgt; eine Verkündung nach § 116 Abs. 1 VwGO kann - wie ausgeführt - mangels hinreichender Bezeichnung im Protokoll nicht festgestellt werden. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, wonach das Verwaltungsgericht die Erlassform der Zustellung als Verkündungsersatz nach § 116 Abs. 2 VwGO gewählt haben könnte. Die Regelung in § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO ist nach deren Sinn und Zweck in Fällen wie hier jedoch gleichwohl anzuwenden.

§ 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO regelt die gerichtliche Verpflichtung zu einer Übergabe eines aufgrund mündlicher Verhandlung ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung gefällten Urteils (§ 112 VwGO) an die Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen und zur alsbaldigen Niederlegung und Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle. Die Regelung ist mit dieser Verpflichtung zwingend und keine Ordnungsvorschrift. Damit soll zum einen die Beschleunigung des Verfahrens erreicht, des Weiteren der notwendige Zusammenhang zwischen dem aufgrund mündlicher Verhandlung gefällten Urteils und dessen Gründen gewährleistet und schließlich sicher gestellt werden, dass die Beteiligten alsbald in Kenntnis der Entscheidungsgründe versetzt werden, um Erfolgsaussichten eines etwaigen Rechtsmittels einzuschätzen (Clausing in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 117 RdNr. 24). Mit diesen Zielsetzungen wäre es unvereinbar, wenn die in § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO geregelte Verpflichtung in Fällen nicht gelten würde, in denen ein Gericht gleichsam außerhalb der in § 116 Abs. 1 und 2 VwGO geregelten Erlassverfahren entscheidet, weil weder eine Verkündung festgestellt noch die Erlassform der Zustellung als Verkündungsersatz durch das Gericht gewählt wurde. Die angesprochene Verpflichtung kann durch eine fehlerhafte gerichtliche Verfahrensweise nicht umgangen werden. Ebenso wie bei einer gesetzmäßigen Anwendung von § 116 Abs. 1 und 2 VwGO beanspruchen die angesprochenen Zielsetzungen die Beachtung der Verpflichtung nach § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO erst recht bei einer fehlerhaften Verfahrensweise.

Die Übergabe der von den an der mündlichen Verhandlung teilgenommenen Richtern unterschriebenen Entscheidungsformel an die Geschäftsstelle i.S.v. § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO - wobei es allerdings der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter nach § 117 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht bedurft hätte - und die daran folgende telefonische Bekanntgabe an die Prozessbeteiligten hatten hier zur Folge, dass eine rechtsmittelfähige Entscheidung vorlag (Clausing in: aaO, § 116 RdNr. 10 m.w.N.). Für die Prozessbeteiligten kam damit zum Ausdruck, dass ihnen die Entscheidung bekannt gegeben werde, die am Ende der Sitzung des Verwaltungsgerichts am 23.10.2001 nach § 116 Abs. 1 VwGO verkündet worden und damit bereits wirksam i.S.d. § 318 ZPO geworden sei. Die Verlautbarung hatte damit gleichsam die Wirkung einer gerichtlich veranlassten Wiedergabe und Bestätigung einer bereits verkündeten und damit wirksamen Entscheidung. Durch die formlose Bekanntgabe der schriftlich niedergelegten und der Geschäftsstelle übergebenen vermeintlich verkündeten Entscheidung wurde diese i.S.v. § 318 ZPO erlassen und wirksam (BVerwG, Urt. v. 11.6.1993, NVwZ-RR 1994, 297; a.A. Kilian in: NK-VwGO, § 116 RdNrn. 33 ff).

2. Die zulässige Berufung ist jedoch nicht begründet. Zwar leidet das Urteil des Verwaltungsgerichts an einem wesentlichen Mangel, da es nicht mit Gründen versehen ist; dieser Mangel führt jedoch nicht zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht, da der Senat gleichwohl in der Sache zu entscheiden hat (§§ 128, 130 Abs. 1 und 2 Nr. 1 i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO; sh. 2.1). In der Sache hat die Klage, die der Kläger im Hinblick auf die in der Berufungsinstanz geltend gemachten weiteren Zinsforderungen zulässig nach § 125 Abs. 1 i.V.m. § 91 VwGO erweitert hat, keinen Erfolg, weil der Kläger eine Erstattung der geltend gemachten Kosten nicht beanspruchen kann (sh. 2.2).

2.1 Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nicht mit Gründen versehen, weil das den Prozessbeteiligten am 24.5.2002 mit Tatbestand und Entscheidungsgründen zugestellte Urteil vom 23.10.2001 erst am 22.5.2002 der Geschäftsstelle übergeben wurde. Das Verwaltungsgericht hat mit dieser Verfahrensweise gegen die Regelung in § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO verstoßen. Die im angefochtenen Urteil angegebenen Gründe gelten damit als nicht geschrieben; das Urteil ist nicht mit Gründen versehen (§ 138 Nr. 6 VwGO).

Mit der in § 117 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz VwGO angesprochenen Verpflichtung zur alsbaldigen Niederlegung des vollständigen Urteils und dessen Übergabe an die Geschäftsstelle wird eine äußerste Grenze von fünf Monaten gesetzt, weil jedenfalls danach die Übereinstimmung der Urteilsgründe mit dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Beratung nicht mehr gewährleistet ist (GmS-OBG, Beschl. v. 27.4.1993, NJW 1993, 2603). Dieser Zeitrahmen ist eine äußerste Grenzlinie, deren Überschreitung einen Verstoß gegen § 117 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz VwGO begründet; umgekehrt folgt daraus nicht, dass eine Niederlegung und Übergabe innerhalb dieses Zeitrahmens in jedem Fall alsbald i.S.d. Regelung wäre. Maßgebend dafür, ob eine Entscheidung alsbald nach der genannten Regelung niedergelegt und übergeben wurde, können nur die Umstände des jeweiligen Falles sein, die im Einzelfall auch einen kürzeren Zeitraum bedingen können (Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 117 RdNr. 21). Ein Urteil, das nach Ablauf von fünf Monaten nach der mündlichen Verhandlung niedergelegt und übergeben wurde, beruht in keinem Fall auf hinreichend gesicherten Ergebnissen einer mündlichen Verhandlung; dessen Entscheidungsgründe sind keine tragfähige Grundlage für eine Überprüfung im Rechtsmittelverfahren. Ob dabei wegen des mit der alsbaldigen Bekanntgabe auch verfolgten Zwecks, die Beteiligten zeitnah von den Entscheidungsgründen in Kenntnis zu setzen und der damit zum Ausdruck kommenden Rechtsschutzfunktion, das vollständige Urteil äußerstenfalls nach fünf Monaten nicht nur der Geschäftsstelle übergeben, sondern an die Beteiligten zugestellt sein muss (Clausing in: aaO, RdNr. 27), bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Denn das hier angefochtene Urteil wurde innerhalb dieses Zeitrahmens weder der Geschäftsstelle übergeben, noch den Beteiligten zugestellt, da es erst am 22.5.2002 der Geschäftsstelle übergeben wurde.

Allerdings ergibt sich aus der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts, dass der Geschäftsstelle zunächst am 25.3.2002 ein vollständig abgefasstes Urteil übergeben wurde, da auf der Originalschrift des Urteils vom 23.10.2001 ein entsprechender Eingangsvermerk angebracht ist. Ein Urteilseingang innerhalb des Zeitrahmens von fünf Monaten könnte deshalb möglicherweise angenommen werden, wenn für die Fristberechnung § 222 ZPO maßgebend wäre; nur dann wäre der Eingang am Montag, den 25.3.2002 innerhalb von fünf Monaten erfolgt. Eine Anwendung von § 222 ZPO auf die Berechnung der angesprochenen Zeitgrenze hatte der Senat in einer früheren Entscheidung bejaht (Beschl. v. 29.3.1999, SächsVBl. 2000, 39). Ob daran festzuhalten sein wird, erscheint fraglich. Eine wegen eines Zeitablaufs anzunehmende unzureichende Verlässlichkeit des Erinnerungsvermögens an eine mündliche Verhandlung und Beratung dürfte nicht davon abhängig sein, ob ein Werktag vorliegt oder nicht. Eine abschließende Entscheidung hierzu ist jedoch vorliegend entbehrlich, weil sich aus der Gerichtsakte im Weiteren ergibt, dass der Vorsitzende das am 25.3.2002 der Geschäftsstelle übergebene Urteil wieder an sich genommen und es dann am 22.5.2002 wieder der Geschäftsstelle übergeben hat. Eine Übergabe i.S.v. § 117 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz VwGO lag damit erst zu diesem Zeitpunkt vor.

Dass das zunächst am 25.3.2002 der Geschäftsstelle übergebene Urteil wieder vom Vorsitzenden zurückgeholt wurde, ergibt sich aus dem auf der Verfügung der Geschäftsstelle vom 26.3.2002 zur Zustellung der Entscheidung und des Protokolls aufgebrachten weiteren Vermerk vom 22.5.2002, wonach die Gerichtsakte "bis zum heutigen Tag beim Vorsitzenden (Korr. d. geschrieb. Urteils)" gewesen sei. Demzufolge ist das am 25.3.2002 der Geschäftsstelle zur Zustellung an die Beteiligten übergebene Urteil wieder zurückgeholt und der Geschäftsstelle am 22.5.2002 erneut ein Urteil übergeben worden. Ungeachtet der Zulässigkeit der Zurückholung eines der Geschäftsstelle übergebenen vollständigen Urteils (sh. dazu: BVerwG, Urt. v. 26.1.1994, NVwZ 1994, 1206; Schenke in: aaO, § 116 RdNr. 3 m.w.N.), ist damit eine Niederlegung und Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle i.S.v. § 117 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz VwGO erst am 22.5.2002 erfolgt.

Die in § 117 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz VwGO angesprochene Niederlegung und Übergabe des vollständigen Urteils bezieht sich auf die vollständig abgefasste und erlassene Entscheidung. Wird etwa eine innerhalb des Zeitrahmens von fünf Monaten niedergelegte, unterschriebene und übergebene Entscheidung außerhalb dieses Zeitrahmens verändert und erneut übergeben, dann entspricht diese Verfahrensweise nicht den Anforderungen der angesprochenen Regelung. In einem solchen Fall wird nicht die am Ende des Urteilsverfahrens erlassene Entscheidung, sondern eine andere Entscheidung nach fünf Monaten niedergelegt und übergeben. Dem Sinn und Zweck dieser Regelung widerspricht eine Verfahrensweise aber auch dann, wenn eine innerhalb des Zeitrahmens von fünf Monaten niedergelegte und übergebene vollständige Entscheidung in den Spruchkörper zurückgeholt und nach Ablauf dieses Zeitrahmens erneut der Geschäftsstelle übergeben wird, auch wenn sie nicht verändert worden ist. Denn eine solche Verfahrensweise wird jedenfalls nicht der angesprochenen Rechtsschutzfunktion gerecht, auf die die Verpflichtung zur zeitnahen Abfassung des vollständigen Urteils auch gerichtet ist. Folge einer solchen Verfahrensweise wäre, dass die Beteiligten die Gründe des Urteils erst zu einem Zeitpunkt erfahren könnten, zu dem ihnen eine Erinnerung an die mündliche Verhandlung und eine darauf aufbauende Prüfung der Urteilsgründe im Hinblick auf etwaige Rechtsmittel nicht mehr hinreichend möglich ist.

Davon ausgehend bedarf es keiner weiteren Erörterung, ob wegen des Vermerks der Geschäftsstelle vom 22.5.2002 zur Korrektur des geschriebenen Urteils anzunehmen ist, dass das am 25.3.2002 der Geschäftsstelle übergebene Urteil nach der Zurückholung verändert wurde, oder nur die Absicht zur Änderung bestanden hat, ohne dass diese vorgenommen wurde - aus den auf dem Urteil angebrachten handschriftlichen Änderungen ergibt sich nicht, ob diese schon bei Übergabe am 25.3.2002 angebracht waren oder erst nach der Zurückholung angebracht wurden. Eine alsbaldige Übergabe des am Ende des Urteilsverfahrens erlassenen vollständigen Urteils nach § 117 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz VwGO läge in keinem Fall vor, da für die Übergabe i.S.d. Regelung der 22.5.2002 maßgebend ist und mithin das Urteil nach nahezu sieben Monaten der Geschäftsstelle übergeben wurde. Diese verspätete Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle hatte hier zur Folge, dass die von der Geschäftsstelle bereits am 26.3.2002 verfügte Zustellung der Entscheidung erst am 22.5.2002 ausgeführt werden konnte und die Beteiligten nach über sieben Monaten von den Gründen der Entscheidung in Kenntnis gesetzt wurden. Die Gründe der Entscheidung sind damit für eine Überprüfung im Berufungsverfahren nicht tragfähig, weshalb die Entscheidung als nicht mit Gründen versehenes Urteil zu werten ist (§ 138 Nr. 6 VwGO). Diese rechtswidrige Verfahrensweise hat allerdings nicht die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht zur Folge, da die Voraussetzungen nach § 130 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Vielmehr hat der Senat nach § 128 VwGO den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags in gleichem Umfang zu prüfen wie das Verwaltungsgericht.

2.2. Die Berufung ist unbegründet, weil die auf die geltend gemachte Kostenerstattung gerichtete Klage im Ergebnis zu Recht vom Verwaltungsgericht abgewiesen wurde. Die zulässige Klage (sh. 2.2.1.) ist unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten durch die Beklagte hat (sh. 2.2.2.)

2.2.1. Der Zulässigkeit der Klage steht kein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers entgegen, weil er vor Erhebung der Klage die Erstattung seiner anwaltlichen Kosten mit einem an den Bürgermeister gerichteten Schreiben vom 26.2.1999 geltend gemacht und hinsichtlich der Gerichtsgebühren eine Erstattung von der beklagten Gemeinde vor Klageerhebung nicht beantragt hatte. Ob für eine Leistungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn zuvor kein entsprechender Antrag an die Behörde gestellt wurde, bedarf dabei keiner weiteren Erörterung (sh. dazu: Rennert in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl., vor § 40 RdNr. 13 m.w.N.). Zum einen hat der Kläger mit dem angesprochenen Schreiben die Erstattung der anwaltlichen Kosten bei der beklagten Gemeinde beantragt. Die Adressierung an den Bürgermeister kann bei verständiger Würdigung (§ 133 BGB) nur so verstanden werden, dass die Gemeinde selbst und nicht deren Bürgermeister zur Erstattung der Kosten veranlasst werden sollte, zumal in dem Schreiben ein Freistellungsanspruch gegen die Gemeinde angesprochen wird. Da der Prozessbevollmächtigte der Beklagten daraufhin einen Erstattungsanspruch nicht nur der Höhe sondern dem Grunde nach ablehnte, bedurfte es vor Klageerhebung auch keines weiteren Antrags an die Beklagte auf Erstattung der Gerichtsgebühren. Bei der gegebenen Sachlage wäre ein solcher Antrag ersichtlich erfolglos geblieben, weshalb die Leistungsklage auch nicht unnötig erhoben wurde.

2.2.2. Die zulässige Klage ist unbegründet, weil es für den geltend gemachten Erstattungsanspruch an einer Anspruchsgrundlage fehlt. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob Anspruchsgrundlage für die Erstattung von Aufwendungen, die anlässlich eines kommunalrechtlichen Organstreitverfahrens entstanden sind, der in § 21 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO geregelte Anspruch auf Auslagenersatz für ehrenamtlich tätige Bürger und Wahlberechtigte sein könnte, weil in einem solchen Streitverfahren Aufgaben der Gemeinde wahrgenommen werden (sh. dazu: Menke in: Quecke/Schmid, Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen, G § 27, RdNr. 90). Ebenso wenig bedarf es einer Erörterung, ob die angesprochene Erstattung durch den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch begründet sein könnte, oder ein Anspruch wegen eines Grundsatzes anzunehmen wäre, wonach jede öffentlich-rechtliche Körperschaft die Ausgaben zu tragen hat, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch ihre Organe ergeben (sh. dazu: OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12.11.1991, DVBl. 1992, 444 m.w.N. zur Rspr.). Denn in jedem Fall wäre Voraussetzung, dass die Aufwendungen anlässlich eines Streits entstanden sind, der zwischen organschaftlichen Funktionssubjekten einer rechtsfähigen Verwaltungseinheit geführt wurde. Die hier geltend gemachten Aufwendungen sind nicht anlässlich eines solchen Organstreits entstanden. Der Kläger hat in diesem Streitverfahren als außenstehende Person gegenüber der Gemeinde individuelle Rechte geltend gemacht.

Der Senat hat allerdings in seinem Beschluss vom 2.5.2002 (4 E 182/00) die Rechtsauffassung des 3. Senats des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts in dessen Beschluss vom 6.2.1997 (NVwZ-RR 1997, 253) geteilt, wonach die Bürger und Wahlberechtigten, die nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO die Durchführung eines Bürgerentscheids nach § 24 SächsGemO beantragen, Teil eines außerordentlichen kommunalen Organs seien. An dieser Rechtsauffassung hält er nicht weiter fest. Zu dieser Änderung seiner Rechtsprechung und Abweichung von der Rechtsauffassung des 3. Senats ist er befugt, ohne zuvor dem großen Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts diese Abweichung zur Entscheidung vorgelegt zu haben, weil ihm durch den Geschäftsverteilungsplan des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts die alleinige Zuständigkeit für das hier angesprochene Rechtsgebiet übertragen ist (§ 12 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 2 und 3 VwGO).

Ein von Antragstellern eines Bürgerbegehrens i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO geführtes Verwaltungsstreitverfahren über dessen Zulässigkeit ist kein kommunalrechtliches Organstreitverfahren, da das Bürgerbegehren kein organschaftliches Funktionssubjekt der Gemeinde ist. Weder die Antragsteller des Bürgerbegehrens noch die darin genannten Vertreter nach § 25 Abs. 2 Satz 1 SächsGemO sind demnach Mitglieder eines Organs. Eine organschaftliche Stellung des Klägers, die zudem nicht schon deshalb anzunehmen ist, weil das Verwaltungsgericht in seinem rechtskräftigen Urteil vom 20.7.2000 (7 K 180/99) von einem Organstreit ausgegangen ist, liegt demzufolge nicht vor.

Entgegen der Auffassung des Klägers wird die Ausführung des Verwaltungsgerichts in seinem rechtskräftigen Urteil vom 20.7.2000 über die Zulässigkeit der von ihm begehrten Feststellung zu dem Bürgerbegehren in einem kommunalrechtlichen Organstreitverfahren von der Bindungswirkung nach § 121 VwGO nicht erfasst. Die Bindung rechtskräftiger Urteile besteht nach § 121 VwGO soweit über den Streitgegenstand gemäß der Urteilsformel entschieden wurde. Die Bindungswirkung des hier angesprochenen Urteils erfasst damit die Entscheidung über die vom Kläger behauptete Rechtsfolge der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens. Die Ausführungen in dem Urteil zum Vorliegen eines Organstreitverfahrens betreffen nicht diese Entscheidung, sondern beziehen sich auf die Zulässigkeit der vom Verwaltungsgericht angenommenen Feststellungsklage in einem Organstreitverfahren und damit auf eine Sachentscheidungsvoraussetzung. Eine organschaftliche Stellung des Klägers kann auch der Sache nach nicht festgestellt werden. Nach § 1 Abs. 4 SächsGemO sind der Gemeinderat und der Bürgermeister Organe der Gemeinde. Weitere Organe der Gemeinde werden in der SächsGemO nicht genannt. Es spricht viel dafür, dass schon wegen dieser Regelung weitere kommunale Organe nicht bestehen. Einer abschließenden Entscheidung hierzu bedarf es vorliegend nicht. Selbst wenn angenommen würde, dass § 1 Abs. 4 SächsGemO keine abschließende Regelung wäre und eine organschaftliche Stellung auch darüber hinaus zuerkannt werden könnte, lägen die Voraussetzungen, aufgrund derer ein Organ angenommen werden könnte, hier jedenfalls nicht vor.

Ein Organ ist ein durch Rechtssatz oder ermächtigenden Einzelakt gebildetes eigenständiges institutionalisiertes Subjekt mit eigenen Zuständigkeiten, die ihm innerhalb seines Aufgabenbereichs zur Wahrnehmung von Rechten und Pflichten für eine (teil-)rechtsfähige Organisation, in der es eingegliedert ist, zugewiesen sind (sh. dazu etwa: Papier, Die verwaltungsgerichtliche Organklage, DÖV 1980, 292 m.w.N.). Ein Bürgerbegehren nach § 25 SächsGemO ist schon kein durch einen Rechtssatz oder Einzelakt gebildetes Subjekt. Dieses liegt vor, wenn durch Rechtssatz oder Einzelakt eine Funktionseinheit durch darin konzentrierte Zuständigkeiten gebildet wird. Durch § 25 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO wird eine solche Funktionseinheit nicht gebildet. Nach dieser Regelung können Bürger einer Gemeinde und Wahlberechtigte die Durchführung eines Bürgerentscheids nach § 24 SächsGemO beantragen. Dieses Antragsrecht wird als Bürgerbegehren bezeichnet. Eine Funktionseinheit durch die Zuweisung von Zuständigkeiten wird damit nicht gebildet. Liegen damit schon keine Anhaltspunkte vor, denen zu entnehmen wäre, dass durch die Regelung in § 25 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO ein Organ errichtet wird, so wird dies bestätigt, wenn die weitere Voraussetzung der institutionellen Bildung eines Organs in den Blick genommen wird. Die institutionelle Bildung erfordert, dass dem Organ selbst Zuständigkeiten mit daraus folgenden Kompetenzen zugewiesen werden. Das Organ ist wegen dieser ihm selbst zugewiesenen Wahrnehmungszuständigkeiten in seinem Bestehen unabhängig von seinen Organwaltern. Es ist eine nicht-personale Funktionseinheit mit Wahrnehmungszuständigkeiten, die in ihrem Bestand unabhängig von der Individualität und dem Wechsel von Organwaltern ist. Der Regelung in § 25 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO lässt sich nicht entnehmen, dass ein Bürgerbegehren personenunabhängig bestehen könnte. Umgekehrt kommt darin die Personenabhängigkeit zum Ausdruck, wenn das als Antragsrecht bezeichnete Bürgerbegehren den dort genannten Bürgern und Wahlberechtigten zugeordnet wird.

Dass das Bürgerbegehren nicht als institutionelles Subjekt errichtet wird, ergibt sich des Weiteren auch nicht, weil in den Regelungen von § 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 SächsGemO "das Bürgerbegehren" angesprochen ist. Mit dieser substantivischen Bezeichnung wird "das Bürgerbegehren" nicht als juristisches Subjekt angesprochen, sondern auf das als Bürgerbegehren bezeichnete Recht auf Durchführung eines Bürgerentscheids nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO abgehoben. Dies folgt aus dem Inhalt dieser Regelungen, wonach das Bürgerbegehren die darin genannten Anforderungen, wie etwa der Unterstützung durch das Quorum von 15 v.H., einer mit ja oder nein zu entscheidenden Fragestellung und der Benennung von drei Vertretern, erfüllen muss. Damit wird nicht das zur Erfüllung dieser Voraussetzungen als Subjekt verpflichtete Bürgerbegehren angesprochen. Durch die Regelungen werden vielmehr Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Bürgerbegehren aufgestellt. Mit den in diesen Regelungen angesprochenen Voraussetzungen für "das Bürgerbegehren" kommt daher zum Ausdruck, dass für "das als Bürgerbegehren bezeichnete Antragsrecht auf Durchführung eines Bürgerentscheids" die angesprochenen Zulässigkeitsvoraussetzungen bestehen. Des Weiteren kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Regelung in § 25 Abs. 2 Satz 1 SächsGemO, wonach das Bürgerbegehren drei Vertreter bezeichnen muss, den Vertretern eine eigene organschaftliche Stellung zuerkannt wird. Diese Regelung zielt auf die Erleichterung der verfahrensmäßigen Bewältigung des beantragten Bürgerentscheids durch die Gemeindeverwaltung ab und nicht auf die Errichtung eines kommunalen Organs. Mit der Unterzeichnung eines Antrags auf Durchführung eines Bürgerentscheids bevollmächtigen dessen Unterstützer die in diesem Bürgerbegehren bezeichneten drei Vertreter, für sie Mitteilungen und Entscheidungen der Gemeinde entgegen zu nehmen und Erklärungen abzugeben. Durch diese Bevollmächtigungen ist es der Gemeinde möglich, weitere Verfahrenshandlungen mit diesen Vertretern und nicht mit jedem einzelnen Unterstützer eines Bürgerbegehens abzustimmen. Anhaltspunkte dafür, dass durch diese der verfahrensmäßigen Erleichterung dienenden Regelung ein kommunales Organ angesprochen sein könnte, bestehen nicht. Solche Anhaltspunkte bestehen schließlich auch nicht wegen der Regelung in § 24 Abs. 4 SächsGemO, wonach der Bürgerentscheid einem Gemeinderatsbeschluss gleich steht und innerhalb von drei Jahren nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden kann. Daraus folgt nicht, dass der Bürgerentscheid dem Gemeinderat gleich steht und wie dieser eine organschaftliche Stellung hat. Die Regelung bezieht sich nicht auf die Gleichstellung von Bürgerentscheid und Gemeinderat, sondern auf die Gleichstellung von Entscheidungen, die durch einen Bürgerentscheid und vom Gemeinderat getroffen wurden. Geregelt wird eine Gleichstellung der Wirkungen, die ein Beschluss des Gemeinderates und ein Bürgerentscheid haben, nicht jedoch eine Gleichstellung der jeweiligen Entscheidungsträger.

Da somit der Kläger in dem Verwaltungsstreitverfahren über die Zulässigkeit des angesprochenen Bürgerbegehrens kein organschaftliches sondern ein individuelles Recht verfolgt hat, kann er die Erstattung der ihm in diesem Verfahren entstandenen Aufwendungen von der Beklagten nicht beanspruchen.

Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da hierfür keine Gründe nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.

Beschluss vom 11. Mai 2004

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 14 Abs. 1 und 2, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 686,00 Euro festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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