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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 12.10.2005
Aktenzeichen: 5 B 471/04
Rechtsgebiete: VwGO, AO


Vorschriften:

VwGO § 88 Abs. 5 Satz 1
VwGO § 88 Abs. 5 Satz 3
AO § 240 Abs. 1 Satz 4 Hs. 1
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen einen Abgabebescheid wirkt grundsätzlich - unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung - auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses mit der Folge zurück, dass ursprünglich verwirkte Säumniszuschläge entfallen.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 5 B 471/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik und den Richter am Verwaltungsgericht Büchel

am 12. Oktober 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 8. Oktober 2002 - 7 K 1437/98 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Anforderung von Säumniszuschlägen und Vollstreckungskosten trotz Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes gegen den zugrunde liegenden Abwasserbeitragsbescheid.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 3.11.1995 den Abwasserbeitrag auf 8.257,50 DM fest. Der Kläger erhob am 7.11.1995 Widerspruch. Seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 21.3.1996 lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 1.4.1996 ab. Am 11.6.1996 beantragte er bei dem Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Mit Bescheid vom 13.6.1996, gegen den der Kläger rechtzeitig Widerspruch einlegte, setzte die Beklagte Säumniszuschläge, Mahngebühren und (weitere) Vollstreckungskosten in Höhe von 410,- DM, 41,20 DM und 91,05 DM fest. Das Verwaltungsgericht ordnete mit Beschluss vom 24.7.1996 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid an. Das Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde der Beklagten mit Beschluss vom 5.3.1997 zurück. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.5.1998 wies das Landratsamt den gegen den hier streitgegenständlichen Bescheid vom 13.6.1996 gerichteten Widerspruch zurück.

Der Kläger trägt zur Begründung seiner am 27.5.1998 erhobenen Klage vor, er sei nicht säumig, weil infolge der Anordnung der aufschiebenden Wirkung keine Zahlungspflicht bestehe bzw. der Beitrag nicht fällig sei. Die Beklagte erwiderte, im Zeitraum bis zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs durch das Oberverwaltungsgericht seien die Säumniszuschläge verwirkt. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts entfalte keine Rückwirkung bis zum Zeitpunkt der Stellung des Aussetzungsantrags. Denn auch bei einer gerichtlichen Aufhebung des Beitragsbescheids verbleibe es nach § 240 Abs. 1 Satz 4 Hs. 1 AO für den Zeitraum vor der Aufhebungsentscheidung bei der Verwirkung der Säumniszuschläge. Diese seien zur Hauptforderung nicht akzessorisch.

Das Verwaltungsgericht gab der Klage mit Urteil vom 8.10.2002 statt und führte zur Begründung aus, es habe vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO rückwirkend bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheids gewährt. Es wäre jedoch widersprüchlich, die Vollziehung des Bescheids auszusetzen und zugleich den Adressaten durch Festsetzung von Säumniszuschlägen zur Zahlung zu zwingen. Auch die Mahngebühren und die Vollstreckungskosten dürften daher nicht erhoben werden.

Der Senat hat mit Beschluss vom 26.5.2004 (5 B 952/02) die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zugelassen.

Mit Bescheid vom 8.2.2005 hob die Beklagte den Beitragsbescheid vom 3.11.1995 auf.

Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor, das Verwaltungsgericht habe nicht verdeutlicht, warum die positive Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz Rückwirkung entfalten solle. Eine Rückwirkung bis zum Erlass des Beitragsbescheids scheide schon deshalb aus, weil der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO darauf gerichtet sei, die Fälligkeit hinauszuschieben, die Forderung in jenem Zeitpunkt aber noch nicht fällig gewesen sei. Andererseits könne die Rückwirkung auch nicht auf den Fälligkeitszeitpunkt, sondern allenfalls auf den Zeitpunkt der Stellung des Aussetzungsantrags bezogen werden, weil der betreffende Antragsteller diesen frei bestimmen könne. Es sei angesichts der gesetzlichen Grundentscheidung für eine sofortige Vollziehbarkeit von Abgabebescheiden nicht hinnehmbar, wenn der Antragsteller mit dem Antrag bis kurz vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens warten und trotzdem seiner Zahlungspflicht entgehen könne. Selbst bei einer grundsätzlichen Rückwirkung bis zum Zeitpunkt der Stellung des Aussetzungsantrags verbleibe es indes bei den verwirkten Säumniszuschlägen. Ihre Funktion als Druckmittel schließe es aus, dass sich an ihrer Verwirkung durch spätere Ereignisse - wie durch den Erlass einer gerichtlichen Entscheidung - etwas ändere. Darin liege gerade das Ziel des § 240 Abs. 1 Satz 4 Hs. 1 AO. Auch bei einer späteren Zahlung des Beitrags könnten Säumniszuschläge nicht nachträglich entfallen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 8.10.2002 - 7 K 1437/98 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, infolge der Aufhebung des Beitragsbescheids habe die Beklagte auch keinen Anspruch auf Säumniszuschläge mehr.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsvorgänge, die Akte des Verwaltungsgerichts und die Verfahrensakten im Berufungs- und Zulassungsverfahren verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). Der Kläger musste sich bei Erteilung seines Einverständnisses nicht durch einen Bevollmächtigten nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO vertreten lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.2.1961, DVBl. 1961, 518). Sein Einverständnis steht auch nicht unter einer unzulässigen Bedingung. Soweit er geltend macht, dass für ihn keine zusätzliche Kosten entstehen dürften, liegt keine Bedingung - ein zukünftiges ungewisses Ereignis - vor, weil die Rechtslage insoweit eindeutig ist (vgl. allgemein Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 101 RdNr. 5); das Gesetz begründet für schriftliche Verfahren nach § 101 Abs. 2 VwGO keine zusätzliche Kostenpflicht.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 13.6.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts des Landkreises Sächsische Schweiz vom 18.5.1998 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Für die Festsetzung von Mahngebühren und (weiteren) Vollstreckungskosten in Höhe von 41,20 DM bzw. 91,05 DM fehlt es, nachdem die Beklagte den Abwasserbeitragsbescheid vom 3.11.1995 mit Bescheid vom 8.2.2005 aufgehoben hat, an dem von § 2 SächsVwVG geforderten vollstreckbaren Grundverwaltungsakt; auch die Mahngebühren sind dem Vollstreckungsverfahren zuzurechnen (vgl. § 13 Abs. 2 SächsVwVG) und setzen daher einen Grundverwaltungsakt als Vollstreckungstitel voraus. Die Aufhebung des Beitragsbescheids wirkt auf den Zeitpunkt seines Erlasses zurück, so dass dieser als von vornherein nicht ergangen und damit im Zeitpunkt der Festsetzung der Vollstreckungskosten bzw. des Erlasses des Widerspruchsbescheids als diese bestätigende letzte Behördenentscheidung als nicht existent zu behandeln ist. Wenn die Behörde - wie hier - nicht klarstellt, ob ein belastender Bescheid mit ex tunc-Wirkung, d.h. mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt seines Erlasses, oder nur mit ex nunc-Wirkung, d.h. mit Wirkung für die Zukunft, aufgehoben werden soll, ist dem Fall der gerichtlichen Aufhebung nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO entsprechend (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 28.10.1982, NVwZ 1983, 608 f.) von einer rückwirkenden Aufhebung auszugehen (vgl. auch SächsOVG, Beschl. v. 3.8.2005 - 5 BS 124/05 -). Will die Behörde die Wirkung der Aufhebung nur für die Zukunft eintreten lassen, muss sie dies eindeutig regeln. Das ist hier nicht geschehen. Dass die Beklagte den Beitragsbescheid "mit sofortiger Wirkung" aufgehoben hat, bedeutet nicht, dass die Aufhebung nur ex nunc wirken soll, sondern vielmehr, dass die innere Wirksamkeit des Aufhebungsakts zugleich mit seiner äußeren Wirksamkeit, d.h. mit seiner Bekanntgabe (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 b SächsKAG in Verbindung mit 124 Abs. 1 Satz 1 AO), und nicht etwa erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten soll. Die Frage der (inneren) Wirksamkeit eines Verwaltungsakts ist jedoch von der Frage nach seiner ex tunc- oder ex nunc-Wirkung zu unterscheiden; letztere betrifft die Ebene der Folgen des (hier sofort) wirksamen Verwaltungsakts.

Im Übrigen ist im Abgabenrecht und damit auch in Bezug auf abgabenrechtliche Nebenleistungen wie Säumniszuschläge (vgl. § 1 Abs. 2 SächsKAG) für die Feststellung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten grundsätzlich der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1981, BVerwGE 64, 218), so dass die Festsetzung der Mahngebühren und der (weiteren) Vollstreckungskosten infolge der Aufhebung des Beitragsbescheids ohnehin unterdessen rechtswidrig geworden ist.

2. Die Festsetzung der Säumniszuschläge ist rechtswidrig, weil der Tatbestand des nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 b SächsKAG anwendbaren § 240 Abs. 1 Satz 1 AO nicht erfüllt ist. Danach sind Säumniszuschläge zu entrichten, wenn ein Beitrag nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet wird. Das setzt voraus, dass der Kläger in dem betreffenden Zeitraum überhaupt zur Beitragszahlung herangezogen werden konnte. Das war jedoch nicht der Fall. Insoweit kann der Kläger - anders als gegenüber der Festsetzung der Vollstreckungskosten - zwar nicht die spätere Aufhebung des Beitragsbescheids geltend machen, weil diese nach § 240 Abs. 1 Satz 4 Hs. 1 AO die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt lässt (vgl. dazu SächsOVG, Beschl. v. 22.2.1996, JbSächsOVG 4, 174 [178]). Die Beklagte konnte von ihm die Entrichtung des Beitrags aber deshalb nicht verlangen, weil (bereits) das Verwaltungsgericht - nicht erst das Oberverwaltungsgericht, wie die Beklagte vorträgt - mit Beschluss vom 24.7.1996 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des gegen den Beitragsbescheid gerichteten Widerspruchs des Klägers mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt seines Erlasses angeordnet hat. Dabei kann dahinstehen, ob die aufschiebende Wirkung zur Hemmung der (inneren) Wirksamkeit des Beitragsbescheids oder lediglich zur Hemmung seiner Vollziehbarkeit führt (vgl. zum Streitstand Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand September 2004, § 80 RdNr. 72 ff.). Auch wenn man der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur die Funktion der Vollziehbarkeitshemmung beimisst, durfte die Beklagte die Beitragsforderung nicht durchsetzen und daher in ihrer Hinsicht auch nicht von dem Druckmittel der Säumniszuschläge Gebrauch machen (vgl. auch BFH, Beschl. v. 10.12.1986, BFHE 149, 6 [8]; OVG Lüneburg, Urt. v. 14.3.1989, OVGE 41, 382 [383 f.]). Denn der Begriff der Vollziehbarkeitshemmung ist weit zu verstehen; er erfasst jede Art der Realisierung des Verwaltungsakts, gegen den ein Hauptsacherechtsbehelf aufschiebende Wirkung entfaltet.

a) Der Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen belastenden Verwaltungsakt anordnet, wirkt generell auf den Zeitpunkt seines Erlasses zurück. Das folgt aus dem systematischen Zusammenhang der Absätze 1, 2 und 5 des § 80 VwGO. Im Regelfall hat ein innerhalb der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO eingelegter Widerspruch nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung; infolgedessen wird der angefochtene Verwaltungsakt ab dem Zeitpunkt seines Erlasses suspendiert (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.7.1973, DÖV 1973, 785 [787]). Der Gesetzgeber will damit erreichen, dass für den Widerspruchsführer aus dem Verwaltungsakt von Anfang an vorläufig keine nachteiligen Konsequenzen erwachsen können. In den von § 80 Abs. 2 VwGO aufgeführten Fällen der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts entfällt hingegen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs. Die positive Entscheidung über einen Antrag des Widerspruchsführers nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO schließt wiederum die Rechtsfolge der Ausnahmeregelung des § 80 Abs. 2 VwGO aus und führt somit zum Regelfall des § 80 Abs. 1 VwGO zurück. Soll der Beschluss über die Anordnung oder - bei einer behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) - die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs - erstmals oder erneut - die normale Situation des § 80 Abs. 1 VwGO herbeiführen, muss auch im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung grundsätzlich mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids versehen sein (ebenso OVG Lüneburg, aaO, S. 384).

Das ist auch § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO zu entnehmen, nach dem das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen kann, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung schon vollzogen ist. Das Gericht verwirklicht mit einer Anordnung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO den Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch des Antragstellers, der ihm deshalb zusteht, weil er kraft der (Wieder-)Herstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs nicht zur Duldung der aus dem Vollzug folgenden Beeinträchtigung seiner Grundrechte verpflichtet ist (vgl. zu den Voraussetzungen dieses Anspruchs SächsOVG, Beschl. v. 2.5.2001, SächsVBl. 2001, 293 [294 f.]; Beschl. v. 23.6.2004 - 5 E 46/03 -). Ohne eine Rückwirkung der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wäre aber eine die Aufhebung der bereits erfolgten Vollziehung anordnende Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO ausgeschlossen (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30.6.1971, ESVGH 22, 111 [112 f.]; SächsOVG, Beschl. v. 16.10.2000, JbSächsOVG 8, 255 [257 f.]). Da diese Bestimmung keine Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Vollziehung trifft, muss die aufschiebende Wirkung grundsätzlich auf den frühest denkbaren Zeitpunkt, also auf denjenigen des Erlasses des Verwaltungsakts, zurückbezogen werden.

b) Der Senat vermag dem Vorbringen der Beklagten nicht zu folgen, wonach im Hinblick auf § 240 Abs. 1 Satz 4 Hs. 1 AO verwirkte Säumniszuschläge von einer Rückwirkung des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht berührt werden sollen. Es entspricht vielmehr dem Wesen einer Rückwirkung, dass mit ihr die in der Vergangenheit geltende Rechtslage ex post in bestimmter Weise verändert wird. Daher führt auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen einen Beitragsbescheid dazu, dass der Bescheid über die Festsetzung von Säumniszuschlägen im nachhinein rechtswidrig wird, auch wenn er im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig war, weil der Beitrag trotz Fälligkeit der Beitragsschuld nach der ursprünglichen Rechtslage nicht gezahlt wurde.

Nichts anderes ist aus § 3 Abs. 1 Nr. 5 b SächsKAG in Verbindung mit § 240 Abs. 1 Satz 4 Hs. 1 AO abzuleiten. Die dortige Aussage, nach der trotz Aufhebung der Festsetzung eines Beitrags die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt bleiben, ist nicht verallgemeinerungsfähig und insbesondere nicht auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen eine Beitragsfestsetzung entsprechend anwendbar. Wie unter 1. ausgeführt wurde, wirkt die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsakts grundsätzlich auf den Zeitpunkt seines Erlasses zurück, so dass er - von Beginn an - als nicht ergangen zu betrachten ist. § 240 Abs. 1 Satz 4 Hs. 1 AO stellt insoweit eine Ausnahmebestimmung dar, indem er die Pflicht zur Entrichtung von Säumniszuschlägen trotz retroaktiver Wirkung der Aufhebung, die auch die Voraussetzungen für die Festsetzung der Säumniszuschläge nachträglich entfallen lässt, für den vor der Aufhebung liegenden Zeitraum gleichwohl aufrechterhält. Für den Fall der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO fehlt es dagegen an einer vergleichbaren Ausnahmeregelung. Es muss daher bei den normalen Folgen ihrer Rückwirkung verbleiben. Diese lässt bisher verwirkte Säumniszuschläge entfallen.

Dem lässt sich nicht entgegnen, dass die Wirkungen einer Aussetzungsentscheidung nicht weiter als diejenigen einer Aufhebungsentscheidung reichen könnten (so aber Herden/Gmach, NJW 1987, 1590). Die positive Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat gerade die Funktion, die Rechtsbeziehungen der Beteiligten - nur, aber immerhin - innerhalb des Zeitraums bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache in bestimmter Weise zu gestalten. Die noch ausstehende Hauptsacheentscheidung ist demgegenüber nicht in der Lage, dem Adressaten des belastenden Verwaltungsakts während des laufenden Hauptsacheverfahrens den begehrten Rechtsschutz zu verschaffen. Demnach kann mit dem Antrag auf (Wieder-) Herstellung des Suspensiveffekts des Hauptsacherechtsbehelfs durchaus das Ziel verfolgt werden, außer einer Vollstreckung eines Abgabebescheids auch der Pflicht zur Entrichtung von Säumniszuschlägen zu entgehen (so auch BFH, aaO, S. 9; OVG Lüneburg, aaO, S. 386; Schoch, aaO, § 80 RdNr. 95). Dafür spricht zudem, dass der Adressat eines Abgabebescheids angesichts der durch § 240 Abs. 1 Satz 4 Hs. 1 AO für den Fall der Aufhebung des Bescheids getroffenen gesetzlichen Einschränkung über kein anderes Mittel verfügt, die Erhebung von Säumniszuschlägen hinsichtlich rechtswidriger Abgabebescheide abzuwehren. Führt dieses Mittel zum Erfolg, d.h. ordnet das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Hauptsacherechtsbehelfs gegen den Abgabebescheid an, kann diese Wirkung dem Antragsteller im Übrigen nicht etwa durch eine spätere Aufhebung des Bescheids unter Hinweis auf § 240 Abs. 1 Satz 4 Hs. 1 AO wieder genommen werden. Denn die zunächst verwirkten Säumniszuschläge sind kraft der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bereits rückwirkend entfallen, so dass der Tatbestand des § 240 Abs. 1 Satz 4 Hs. 1 AO im Zeitpunkt einer nachfolgenden Aufhebung nicht mehr erfüllt ist. Insoweit liegt in der Aussetzungsentscheidung letztlich eine definitive Gestaltung des Zeitraums bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens.

Angesichts dessen geht das Vorbringen der Beklagten fehl, spätere Ereignisse könnten der Verwirkung von Säumniszuschlägen generell nichts anhaben. Die von ihr insoweit beispielhaft genannte spätere Zahlung des Beitrags hat nichts mit einer Änderung in Bezug auf den Beitragsbescheid als solchen zu tun und liegt deswegen gänzlich außerhalb des hier relevanten Zusammenhangs.

c) Der Grundsatz der Rückwirkung der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergangenen Entscheidung auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts schließt es zwar nicht aus, dass das Verwaltungsgericht im Einzelfall in seinem Beschluss einen späteren Zeitpunkt festlegt (SächsOVG, Beschl. v. 16.10.2000, aaO, S. 257). Das ist hier allerdings nicht geschehen. Ohne eine solche abweichende gerichtliche Festlegung bleibt aus den oben genannten Gründen der Erlasszeitpunkt maßgebend. Auf den Zeitpunkt des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 - oder nach § 80 Abs. 4 und 6 (Aussetzungsantrag an die Behörde) - VwGO kann entgegen der Auffassung der Beklagten auch dann nicht abgehoben werden, wenn der Antragsteller sich mit dem Antrag relativ lange Zeit gelassen hat und bis dahin Säumniszuschläge schon in erheblichem Umfang angefallen sind (so aber BayVGH, Beschl. v. 25.8.1989, BayVGHE 42, 146 [149]). Denn das Verwaltungsgericht wird die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Hauptsacherechtsbehelfs außer in Härtefällen in der Regel nur erlassen, wenn ihm der Abgabebescheid als rechtswidrig erscheint. Ein schutzwürdiges Interesse der Behörde an der Zahlung der Säumniszuschläge kann aber in Bezug auf einen rechtswidrigen Bescheid unabhängig vom Zeitpunkt der - gerade nicht an eine Frist gebundenen - Antragstellung nicht bestehen. Der Antragsteller wird oftmals vernünftigerweise auch keinen Anlass sehen, parallel zum Widerspruch sogleich einen Aussetzungsantrag zu stellen, wenn nicht zu erwarten ist, dass die Behörde von ihrer Berechtigung nach § 2 Nr. 2 SächsVwVG Gebrauch machen, d.h. den sofort vollziehbaren Verwaltungsakt schon während des Hauptsacheverfahrens vollstrecken wird. Schließlich würde die Zulassung einer Abweichung vom Zeitpunkt des Bescheiderlasses bei relativ später Antragstellung zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen.

Der von der Beklagten für die Rückwirkung noch erwogene Zeitpunkt der Fälligkeit kann demgegenüber ferner deshalb nicht maßgebend sein, weil dieser ausschließlich im Kontext öffentlicher Abgaben oder Kosten (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) in Betracht zu ziehen wäre, in den anderen Fällen des § 80 Abs. 2 VwGO aber eine "Fälligkeit" als Anknüpfungspunkt naturgemäß ausscheidet. Es kommt mithin auch nicht darauf an, wie sich die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf die Fälligkeit der Abgabeschuld auswirkt (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 27.10.1982, BVerwGE 66, 218 [221]).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 277,25 € festgesetzt (§ 72 Nr. 1 GKG n.F. in Verbindung mit § 13 Abs. 2 GKG a.F.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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