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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 08.10.2003
Aktenzeichen: 5 D 21/01
Rechtsgebiete: SGB V, SächsRettDG


Vorschriften:

SGB V § 75 Abs. 1 S. 2
SächsRettDG § 10 Abs. 1 S. 3
SächsRettDG § 26
1. Im Freistaat Sachsen dürfte seit dem 1.7.1997 die Kosten für die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes in die Rettungsdienstgebühren eingestellt werden.

2. § 10 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über Rettungsdienst, Notfallbettung und Krankentransport für den Freistaat Sachsen vom 7.1.1993 (GVBl. S. 9) enthält keine Regelung, mit der die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes den Kassenärztlichen Sicherstellungsauftrag im Sinne §§ 72 ff SGB V zugewiesen wird.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 5 D 21/01

In der Normenkontrollsache

wegen Gültigkeit einer Gebührensatzung im Rettungsdienst

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Heitz und den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2003

am 8. Oktober 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin, die AOK - Die Gesundheitskasse, wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen § 1 der Satzung zur 1. Änderung der Satzung des Landkreises Freiberg über die Erhebung von Gebühren für die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransportes vom 10.11.1999.

Der Antragsgegner, der Landkreis Freiberg, ist seinem Gebiet Träger des Rettungsdienstes. Im Jahre 1999 beauftragte er wegen Schwierigkeiten bei der notärztlichen Versorgung durch niedergelassene Kassenärzte im westlichen Teil des Kreisgebietes. Der Landkreis Freiberg beauftrage daraufhin die K. gGmbH, die notärztliche Versorgung im Raum F. jeweils montags bis freitags von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr außer mittwochs und an Feiertagen zu übernehmen. Die K. GmbH macht gegenüber dem Antragsgegner als Träger des Rettungsdienstes durch die Inanspruchnahme von Krankenhausärzten entstehende Kosten von insgesamt 178.500,00 DM pro Jahr geltend.

Am 1.10.1997 beschloss der Kreisrat des Antragsgegners die Satzung des Landkreises Freiberg über die Erhebung von Gebühren für die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransportes vom 1.10.1997. Diese Satzung enthält u.a. folgende Bestimmungen:

§ 1 - Gebührenpflicht und Gebührenschuldner

(1) Für jeden Einsatz von Rettungsmitteln der Notfallrettung und des Krankentransportes des Landkreises Freiberg werden Gebühren nach dieser Satzung erhoben.

(2) Gebührenschuldner ist neben dem Beförderten sowie dessen gesetzlichen Vertreter der Sozialversicherungsträger, die Versicherungsgesellschaft der beförderten Person oder der Auftraggeber. Mehrere Gebührenschuldner haften als Gesamtschuldner.

§ 2 - Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze

(1) Für den Einsatz nachfolgender Fahrzeuge des Rettungswesens bei Notfallrettung sowie bei Krankentransportfahrten werden die Gebühren für die Inanspruchnahme einschließlich der An- und Abfahrt jedes Rettungsmittels wie folgt festgesetzt:

a) Krankentransportwagen (KTW) 102,50 DM

b) Rettungstransportwagen (RTW) 410,00 DM

c) Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) 307,50 DM

d) Notarztwagen (NAW) 717,50 DM

(2) Bei Notarztwageneinsätzen (NAW), bei denen der Transport nicht durchgeführt wird, werden nur die Gebühren für ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) berechnet. Hiervon ausgenommen sind Einsätze wegen missbräuchlicher Alarmierung.

(3) In den festgesetzten Gebühren nach § 2 Abs. 1 dieser Satzung sind je Einsatz eines Rettungsmittels Rückstellungen für die Neu- bzw. Erstbeschaffung von Fahrzeugen und medizinisch-technischen Ausrüstungen enthalten. Diese betragen je Einsatz:

a) Krankentransportwagen (KTW) 10,08 DM

b) Rettungstransportwagen (RTW) 40,32 DM

c) Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) 30,24 DM

d) Notarztwagen (NAW) 70,56 DM

(4) Bei der Erhebung der Gebühren nach § 2 Abs. 1 dieser Satzung ist der tatsächliche Einsatzgrund entscheidend.

(5) Bei Fernfahrten über 160 km für Hin- und Rückfahrt des Rettungsmittels ist zusätzlich zu den nach § 2 Abs. 1 dieser Satzung festgelegten Gebühren ab dem 161. Kilometer ein Betrag von 3,50 DM pro Kilometer zu entrichten.

(6) Fernfahrten des Krankentransportes bedürfen durch den Beförderten der vorherigen Zustimmung des Kostenträgers.

(7) Für Begleitpersonen werden keine gesonderten Gebühren erhoben. Begleitpersonen können mitgenommen werden, wenn eine zulässige Mitfahrgelegenheit vorhanden ist. Ein Anspruch auf Mitnahme besteht nicht.

(8) Für Leistungen des Bergrettungsdienstes werden Gebühren erhoben, wenn sich an die Leistung ein Weitertransport eines Patienten mit einem Rettungsmittel zu einer ambulanten oder stationären Behandlung anschließt. Es wird eine Gebühr in Höhe von 25,00 DM pro Stunde und Einsatzkraft festgelegt.

Die vorgenannten Gebührensätze enthielten keine Kosten der notärztlichen Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes.

Am 10.11.1999 beschloss der Kreisrat des Antragsgegners, die Satzung zur 1. Änderung der Satzung des Landkreises Freiberg über die Erhebung von Gebühren für die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransportes vom 10. November 1999. Die Änderungssatzung enthält u.a. folgende Regelung:

§ 1 Änderungsbestimmungen

1. § 2 Abs. 1 der Satzung enthält folgenden Wortlaut:

Für den Einsatz nachfolgender Fahrzeuge des Rettungsdienstes bei Notfallrettung sowie bei Krankentransportfahrten werden die Gebühren für die Inanspruchnahme einschließlich der An- und Abfahrt jedes Rettungsmittels wie folgt festgesetzt:

a) Krankentransportwagen (KTW) 121,60 DM

b) Rettungstransportwagen (RTW) 486,40 DM

c) Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) 364,80 DM

d) Notarztwagen (NAW) 851,20 DM

2. § 2 Abs. 3 der Satzung enthält folgenden Wortlaut:

In den festgesetzten Gebühren nach § 2 Abs. 1 dieser Satzung sind Rückstellungen für die Neu- bzw. Ersatzbeschaffung von Fahrzeugen und medizinisch-technischen Ausrüstungen enthalten. Diese betragen je Einsatz:

a) Krankentransportwagen (KTW) 4,71 DM

b) Rettungstransportwagen (RTW) 18,84 DM

c) Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) 14,13 DM

d) Notarztwagen (NAW) 32,97 DM

3. § 2 Abs. 4 der Satzung erhält folgenden Wortlaut:

Bei der Erhebung der Gebühren nach dieser Satzung ist die tatsächliche Einsatzindikation entscheidend.

4. § 2 Abs. 5 der Satzung erhält folgenden Wortlaut:

Bei Fernfahrten über 300 km für die Hin- und Rückfahrt des Rettungsmittels ist zusätzlich zu den nach § 2 Abs. 1 dieser Satzung festgelegten Gebühren ab dem 301. Kilometer ein Betrag von 3,50 DM pro Kilometer zu entrichten.

Die Gebührensätze i. S. des § 2 Abs. 1 der Satzung enthalten die der Kreiskrankenhaus GmbH erstatteten Notarztkosten in Höhe von jährlich 178.500,00 DM.

Am 14.5.2001 leitete die Antragstellerin das Normenkontrollverfahren ein. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:

Die Einstellung von Kosten für notärztliche Leistungen im Rahmen des Rettungsdienstes in die Gebührensätze für den Einsatz von Fahrzeugen des Rettungsdienstes bei der Notfallrettung sei mit der in § 75 SGB V i.V.m. § 10 Abs. 1 SächsRettDG geregelten Zuständigkeitsverteilung nicht vereinbar. § 10 Abs. 1 Satz 4 SächsRettDG bestimme, dass die Kassenärzte im Rahmen des Sicherstellungsauftrages nach § 75 SGB V im Rettungsdienst mitwirkten. Dieser Sicherstellungsverpflichtung würde die kassenärztliche Vereinigung entledigt, wenn sie nicht hinsichtlich der notärztlichen Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes auch die finanzielle Verantwortung tragen müsste, sondern diese stattdessen auf die Antragstellerin abwälzen könnte. Eine andere rechtliche Beurteilung ergäbe sich auch nicht durch das Zweite Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 23.6.1997, mit dem die Vorschrift des § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V geändert und die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes vom Sicherstellungsauftrag an die kassenärztliche Vereinigung ausgenommen werde. Diese Neuregelung diene lediglich der Klarstellung der Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Ländern. Es existiere mit dem weiterhin geltenden § 10 Abs. 1 Satz 4 SächsRettDG eine andere landesrechtliche Bestimmung im Sinne des letzten Halbsatzes des § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V n.F.

Sollte der Landesgesetzgeber die bestehende Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 4 SächsRettDG im Lichte der Neuregelung des § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V nunmehr dahingehend verstehen, dass jetzt die Krankenkassen in die Gebührenpflicht für Notarztkosten im Rahmen des Rettungsdienstes genommen werden sollten, hätte es einer ausdrücklichen Klarstellung von seiner Seite aus bedurft. Dies hätte nur mit einer Ergänzung bzw. Änderung der maßgeblichen Vorschrift des Sächsischen Rettungsdienstgesetzes im Sinne einer Novellierung ausreichend geschehen können. Dies gebiete sowohl der Grundsatz der Rechtssicherheit als auch der der Rechtsklarheit legislativen Handelns.

Die kassenärztliche Vereinigung habe nach der gegenwärtig gültigen Rechtslage sicherzustellen, dass im Bedarfsfalle bei Notfallrettung und Krankentransport geeignete Ärzte mitwirkten (§ 10 Abs. 1 Satz 1 SächsRettDG). Es handele sich hierbei um einen Teil der vertragsärztlichen Versorgung gemäß §§ 72 ff. SGB V. Die umfassende Regelung der vertragsärztlichen Versorgung - insbesondere des ärztlichen Behandlungsanspruchs und der Vergütung - im SGB V schließe die Befugnis der kommunalen Träger des Rettungsdienstes aus, für die bei Notfalleinsätzen im Rahmen des Rettungsdienstes erbrachte ärztliche Behandlung von Mitgliedern gesetzlicher Krankenkassen aufgrund kommunaler Satzungen (Benutzungs-) Gebühren zu verlangen.

Die Antragstellerin beantragt,

§ 1 Nr. 1 der Satzung zur 1. Änderung der Satzung des Landkreises Freiberg über die Erhebung von Gebühren für die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransportes vom 10. November 1999 für nichtig zu erklären, soweit in die Gebühren Kosten für notärztliche Tätigkeit eingestellt sind.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Mit der Neufassung des § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V umfasse nunmehr die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung nicht mehr die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes. Die notärztliche Behandlung gehöre nunmehr ebenfalls zu den gebührenpflichtigen Leistungen im Rahmen des Rettungsdienstes.

Dem Senat liegen die zur Sache gehörenden Akten des Antragsgegners vor (1 Heftung). Auf sie sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag der Antragstellerin ist zulässig.

Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Sie macht geltend durch die in § 1 Nr. 1 der 1. Änderungssatzung geregelten Rettungsdienstgebühren insoweit in eigenen Rechten verletzt zu sein, als der Antragsgegner unter Verstoß gegen die einschlägigen rechtlichen Bestimmungen die Notarztkosten in die vorgenannten Rettungsdienstgebühren einbezogen habe. Die Antragstellerin ist nach § 1 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransportes vom 1.10.1997 Gebührenschuldnerin.

Der Antrag ist fristgemäß im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden. Die Änderungssatzung wurde im November 1999 bekannt gemacht. Der Normenkontrollantrag wurde am 15.5.2001 und damit rechtzeitig gestellt.

Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet. Die Einbeziehung der Notarztkosten in Höhe von jährlich 178.500,00 DM in die Rettungsdienstgebühren nach § 1 Nr. 1 der Satzung zur 1. Änderung der Satzung des Landkreises Freiberg über die Erhebung von Gebühren für die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransportes vom 10.11.1999 verstößt auch insoweit nicht gegen höherrangiges Recht, als die Gebührenerhebung Mitglieder gesetzlicher Krankenversicherungen betrifft.

Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Satzungsregelung ist § 26 i.V.m. § 3 des Gesetzes über Rettungsdienst, Notfallrettung und Krankentransport für den Freistaat Sachsen (Sächsisches Rettungsdienstgesetz - SächsRettDG) vom 7.1.1993. Danach erhebt der Träger des Rettungsdienstes Gebühren für die Durchführung von Notfallrettung und Krankentransport (§ 26 Abs. 1 Satz 1 SächsRettDG). Die Gebühren werden durch Satzung des Trägers des Rettungsdienstes einheitlich für das Gebiet des Rettungsdienstbereiches festgesetzt (§ 26 Abs. 1 Satz 2 SächsRettDG). Die Gebühren sind so zu bemessen, dass zusammen mit der zu beantragenden öffentlichen Förderung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SächsRettDG, der Eigenbeteiligung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 SächsRettDG und dem Aufkommen der Gebühren nach Absatz 4 die Kosten eines bedarfsgerechten, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Rettungsdienstes gedeckt werden (§ 26 Abs. 2 Satz 1 SächsRettDG). Die vom Antragsgegner in die streitgegenständlichen Gebühren eingestellten Notarztkosten sind bei der Durchführung von Notfallrettung entstehende Kosten im Sinne des § 26 Abs. 2 Satz 1 SächsRettDG. Als solche dürfen sie uneingeschränkt in die Rettungsdienstgebühren eingestellt werden.

Bis zum 30.6.1997 war eine Gebührenerhebung für im Rahmen des Rettungsdienstes bei Notfalleinsätzen erbrachte ärztliche Leistungen (nicht bei Krankentransporten) gegenüber Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen, weil die notärztliche Versorgung insbesondere hinsichtlich des ärztlichen Behandlungsanspruchs und der Vergütung im Fünften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) abschließend geregelt war. Diese auf der Grundlage der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis aus Art. 74 Nr. 12 GG ergangenen bundesrechtlichen Vorschriften schlossen die Befugnis der Kommunen aus, für die bei Notfalleinsätzen im Rahmen des Rettungsdienstes erbrachte ärztliche Behandlung von Mitgliedern gesetzlicher Krankenkassen auf Grund kommunaler Satzung Benutzungsgebühren zu erheben (BVerwG, Urteil vom 23.6.1995, NJW 1996, 1610 [1611]). Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lag die Vorschrift des § 75 Abs. 1 SGB V in der bis zum 30.6.1997 geltenden Fassung (SGB V a.F.) zu Grunde.

Danach haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen die kassenärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die kassenärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (§ 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V a.F.). Die Sicherstellung umfasst auch einen ausreichenden Notdienst (§ 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V a.F.). Daraus folgte, dass gesetzlich Versicherte einen umfassenden, auch Notfälle einschließenden Anspruch auf ärztliche Behandlung hatten, dessen nähere Einzelheiten - insbesondere die Vergütung - kraft bundesgesetzlicher Regelung die die gesetzliche Krankenversicherung tragenden Vertragsparteien vertraglich festzulegen hatten. Raum für kommunale Gebührenregelungen mit Bezug auf die Vergütung ärztlicher Leistungen blieb nach diesen Regelungen nur, wenn Leistungen des Notarztes im Rahmen des Rettungsdiensteinsatzes keinen "Notfall" im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V darstellten, sondern der Regelung des Rettungswesens und damit landesrechtlicher Kompetenz unterfielen, und deshalb von der abschließenden, vorrangigen Regelung des SGB V nicht erfasst wurden.

Durch Art. 1 Nr. 25 des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-Neuordnungsgesetz - 2. GKV-NOG) vom 23.6.1997 (BGBl. I, S. 1529) wurde § 75 Abs. 2 Satz 1 SGB V mit Wirkung ab 1.7.1997 neu gefasst. Die Vorschrift lautet nunmehr:

"Die Sicherstellung umfasst auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst), nicht jedoch die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes, soweit Landesrecht nichts anderes bestimmt."

Vorbehaltlich einer landesrechtlichen Regelung umfasst der den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen obliegende Sicherstellungsauftrag seit dem 1.7.1997 nicht mehr die notärztliche Versorgung. Die Herausnahme der notärztlichen Versorgung aus dem Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen hat zur Folge, dass die die gesetzliche Krankenversicherung tragenden Vertragsparteien kraft Bundesrecht nicht mehr verpflichtet sind, die näheren Einzelheiten - insbesondere die Vergütung - für die bei Notfällen erfolgte Inanspruchnahme von Ärzten durch gesetzlich Versicherte zu regeln. Erfolgt in Übereinstimmung mit Bundesrecht eine vertragliche Regelung der Vergütung von Ärzten in Notfällen nicht, dürfen die kommunalen Träger des Rettungsdienstes die Kosten der Inanspruchnahme von Ärzten in Notfällen in die auch Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen betreffenden Rettungsdienstgebühren eingestellt werden.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat der Freistaat Sachsen bislang keinen Gebrauch von der Öffnungsklausel des § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V n.F. gemacht und die notärztliche Versorgung dem Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen zugeordnet. § 10 Abs. 1 SächsRettDG enthält eine solche Regelung nicht.

Bei Notfallrettung und Krankentransport wirken gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 SächsRettDG im Bedarfsfall geeignete Ärzte mit. Die Krankenhäuser sind gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 SächsRettDG im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, Ärzte gegen Kostenausgleich zur Verfügung zu stellen. § 10 Abs. 1 Satz 3 SächsRettDG bestimmt, dass Kassenärzte im Rahmen des Sicherstellungsauftrages nach § 75 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vom 20.12.1988, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.8.1992, im Rettungsdienst mitwirken. Die letztgenannte Regelung verweist somit auf § 75 Abs. 1 SGB V a.F.. Dabei handelt es sich nicht um eine dynamische, sondern um eine statische Gesetzesverweisung. § 10 Abs. 1 Satz 3 SächsRettDG verweist nämlich auf eine bestimmte Fassung des § 75 Abs. 1 SGB V. Diese Vorschrift soll somit nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 3 SächsRettDG nur in der genannten Fassung gelten. Die letztgenannte Vorschrift ist auch nicht so zu verstehen, dass der sächsische Gesetzgeber die Einbeziehung des ärztlichen Notdienstes in den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen konstitutiv geregelt hat. Er hat mit dieser Vorschrift lediglich das noch einmal wiederholt, was der Bundesgesetzgeber bereits in § 75 Abs. 1 SGB V a.F. geregelt hatte. Es handelt sich somit inhaltlich um eine deklaratorische Vorschrift, der keine über die Regelung des § 75 Abs. 1 SGB V a.F. hinausgehende Wirkung zukommt. Der sächsische Gesetzgeber hätte deshalb nach der Änderung des § 75 Abs. 1 SGB V eine ausdrückliche gesetzliche Regelung mit dem Inhalt schaffen müssen, dass der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen und Bundeskassenärztlichen Vereinigungen auch den ärztlichen Notdienst umfasst. Da es an einer solchen Regelung fehlt, dürfen die Notarztkosten ohne Einschränkung in die Rettungsdienstgebühren eingestellt werden.

Der Normenkontrollantrag ist deshalb abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss vom 8. Oktober 2003

Der Streitwert wird auf 36.506,24 € festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, in Normenkontrollverfahren, in denen eine Gebührensatzung angegriffen wird, das Dreieinhalbfache der im Jahre der Antragstellung angefallenen Jahresgebühr festzusetzen. Im vorliegenden Verfahren geht es um einen Gebührenteil von insgesamt 178.500,00 DM. Davon hat die Antragstellerin nach den Aussagen ihres Vertreters in der mündlichen Verhandlung 40 % zu tragen. Dies ergibt den aus dem Tenor des Beschlusses ersichtlichen Streitwert in Euro umgerechnet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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