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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.04.2003
Aktenzeichen: 7 D 14/02
Rechtsgebiete: LwAnpG, ZGB-DDR, VO ü. die Sicherung d. Volkseigentums bei Baumaßnahmen von Betrieben auf vertraglich genutzten nichtvolkseigenen Grundstücken vom 7.4.1983


Vorschriften:

LwAnpG § 64
ZGB-DDR § 459
VO ü. die Sicherung d. Volkseigentums bei Baumaßnahmen von Betrieben auf vertraglich genutzten nichtvolkseigenen Grundstücken vom 7.4.1983
Selbständiges Gebäudeeigentum, das die Anordnung eines Bodenordnungsverfahrens nach dem LwAnpG rechtfertigt, konnte bei Errichtung eines Gebäudes durch einen volkseigenen Betrieb (VEB) auf fremden Grundstück nach seinerzeitigem DDR-Recht grundsätzlich nur dann entstehen, wenn zwischen dem VEB und dem Grundeigentümer eine vertragliche Vereinbarung getroffen wurde.

Ohne Zustimmung des Grundeigentümers erfolgtes tatsächliches Handeln allein genügte hierfür nicht (gegen BVenvG, Urt. vom 2.9.1998, RdL 1999, 16 [18]).


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT FLURBEREINIGUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: F 7 D 14/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anordnung des Bodenordnungsverfahrens MT/B29 (Reithalle) in

hat der 7. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Sattler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng sowie die ehrenamtlichen Richter Ltd. Verm.Dir. a.D. Heller, Landwirt Lehmann und Landwirt Dr. Barth aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 10. April 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bodenordnungsbeschluss des Staatlichen Amts für Ländliche Neuordnung Würzen vom 25.6.2001 und dessen Widerspruchsbescheid vom 22.4.2002 betreffend Bodenordnungsverfahren MT/B 29 (Reithalle) in werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens "MT/B29 (Reithalle)" auf dem Gemeindegebiet der im Muldentalkreis gelegenen Beigeladenen. Die Klägerin ist Eigentümerin u.a. der Flurstücke Nr. und der Gemarkung. Auf diesen Grundstücken, die eine Fläche von 20.030 qm bzw. 2.640 qm aufweisen, befindet sich eine Reithalle, die von der Beigeladenen (der Rechtsnachfolgerin der eingegliederten Gemeinde) genutzt wird.

Unter dem 18.3.1991 beantragte die damalige Gemeinde die Zusammenführung von getrenntem Gebäude- und Bodeneigentum nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG). Die Klägerin hatte am 26.4.1979 zur Sicherung der Bewirtschaftung der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke (u.a Flurstücke) einen Vertrag über deren landwirtschaftliche Nutzung mit dem Rat des Kreises Leipzig, Abteilung Landwirtschaft, geschlossen. Im März 1984 beantragte der VEB Kombinat beim Rat des Kreises Leipzig die Zustimmung zum dauernden Entzug von landwirtschaftlich genutztem Boden (Teilfläche des Flurstücks) zur Errichtung einer Mehrzweckhalle, die einerseits der Aufbereitung und Lagerung von Pflanz- und Erntegut und anderseits als Reithalle dienen sollte, um haltungsgeschädigten und spastisch gelähmten Kindern der Klinik für Kinderneuropsychiatrie und der städtischen Klinik für Orthopädie therapeutisches Reiten zu ermöglichen. Der Rat des Kreises Leipzig stimmte dem mit Erklärung Nr. 137 vom 25.4.1984 zu, nachdem das Volkseigene Gut Pflanzenproduktion das diese Flächen bewirtschaftete, mit Schreiben vom 13.3.1984 sein Einverständnis erklärt hatte. Auch die LPG Tierproduktion erklärte ihr Einverständnis. Die Gemeinde stimmte mit Schreiben vom 27.3.1984 dem Bau der Mehrzweckhalle auf den Flurstücken Nrn. und zu. Mit Prüfbescheid Nr. V 13/33/85 der Staatlichen Bauaufsicht vom 12.9.1985 wurde die Reithalle genehmigt. In den Folgejahren wurde sie errichtet und mit Übernahme- und Abnahmeprotokoll vom 22.9.1989 an den VEB Kombinat übergeben. Aus diesem VEB entstand in der Folgezeit die AG.

Mit Bescheid der Treuhandanstalt vom 20.12.1991 wurde das Eigentum an der "Reithalle ohne Grund und Boden" auf die Gemeinde übertragen. Grundlage dieses Bescheides war Art. 21 Abs. 1 und 22 Abs. 1 des Einigungsvertrags i.V.m. § 1 Treuhandgesetz, §§ 1, 6 Abs. 1 des Kommunalvermögensgesetzes sowie die Verordnung zur Sicherung und Nutzung von Sporteinrichtungen im öffentlichen Eigentum vom 13.6.1990. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Reithalle stehe der Gemeinde "aufgrund der nachgewiesenen Nutzung als Verwaltungsvermögen zu". Über die "dazugehörige Grundstücksfläche auf dem Flurstück-Nr. habe die Treuhandanstalt nicht verfugen können, weil diese ausweislich des Grundbuchs nicht im Eigentum des Volkes gestanden habe. Die Übergabe der Halle sowie der "Zufahrtsstraße" durch die AG erfolgte im Februar 1992.

Am 22.12.1992 schlossen die Gemeinde und die Klägerin eine als Pachtvertrag bezeichnete Vereinbarung, nach der es der Gemeinde gegen Entgelt (5.000,00 DM/Jahr) gestattet wird, diejenigen Teile des Grundstücks zu nutzen (einschließlich Unterverpachtung an die Reit- und Fahrsportgemeinschaft e.V.), die mit der Reithalle bebaut sind und die als Zugang zu dieser erforderlich sind. Die Vereinbarung wurde nach einem Zivilrechtsstreit zwischen der Gemeinde und der Klägerin am 16.1.1998 verlängert (Pachtzins ab 1.1.1998: 3000,00 DM/Jahr, wobei der damalige Vertreter der Klägerin in einem Schreiben vom 17.12.1997 an den Rechtsanwalt der Gemeinde erklärte, er gehe davon aus, dass diese Regelung "bis zur Beendigung der Sachenrechtsbereinigungslage" gelte.

Über einen Antrag der Beigeladenen vom 12.2.2001 zur Anlegung eines Gebäudegrundbuchblatts für die Reithalle wurde - soweit ersichtlich - bislang nicht abschließend entschieden. Nach einem undatierten Aktenvermerk, der sich bei den Behördenakten befindet, teilte die Oberfinanzdirektion Chemnitz am 22.3.2001 auf telefonische Anfrage mit, der Antrag werde wegen eines "Formfehlers" im Zuordnungsbescheid der Treuhandanstalt von der Oberfinanzdirektion nicht weiter bearbeitet, sondern "zur weiteren Entscheidung nach Berlin übergeben".

Zudem wies die Oberfinanzdirektion auf die verspätete Antragstellung hin.

Eine freiwillige Neuordnung, auf die das Amt für Ländliche Neuordnung (ALN) Würzen bzw. deren Helfer bereits in den Jahren 1995 und 1998 mehrfach hinzuwirken versucht hatte, kam nicht zustande. Nachdem die Klägerin und die Gemeinde auch Ende 1999 keine Einigung erzielt hatten, ordnete das ALN Würzen mit Beschluss vom 25.6.2001 das Bodenordnungsverfahren "MT/B 29 Reithalle für die Flurstücke Nr. und an. Zur Begründung führte es u.a. aus, dass es sich bei den Flurstücken und um die mit der Reithalle bebauten Flurstücke und bei dem Flurstück um mögliches Tauschland handle. Der Bodenordnungsbeschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 9.7.2001 zugestellt.

Mit einem am 20.7.2001 beim ALN Würzen eingegangenen Schreiben erhob die Klägerin Widerspruch. Sie machte geltend, sie sei nicht bereit, sich einem Bodenordnungsverfahren zu unterwerfen. Ein solches Verfahren sei unzulässig, weil eine schuldrechtliche Vereinbarung mit der Anlageneigentümerin über die Nutzung der bebauten Flurstücke vorliege. Auch sei die Abgrenzung des Bodenordnungsgebiets rechtswidrig, weil die Flurstücke und nur zu einem geringen Teil bebaut seien; das Flurstück Nr. sei völlig unbebaut.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.4.2002 (zugestellt am 2.5.2001) wies das ALN Würzen den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Das Verfahren zur Zusammenführung getrennten Anlagen- und Bodeneigentums nach dem 8. Abschnitt des LwAnpG sei zulässig und werde weder durch das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz noch durch die schuldrechtliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Anlageneigentümerin ausgeschlossen. Die Klägerin habe ihre Grundstücke zur Sicherstellung der Bewirtschaftung an den Rat des Kreises Leipzig verpachten müssen. Da dieser die Flächen dem Volkseigenen Gut Pflanzenproduktion zur Verfügung gestellt und das Volkseigene Gut dem dauernden Entzug von landwirtschaftlich genutzten Flächen zugestimmt habe, sei der sachenrechtliche Konflikt auf die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft zurückzuführen. Dies habe zu Sondereigentum eines Dritten i.S.v. § 64 LwAnpG geführt, so dass das Verfahren nach dem LwAnpG anwendbar sei. Aus dem zwischenzeitlich in Kraft getretenen Verkehrsflächenbereinigungsgesetz folge nichts anderes. Nach § 11 Abs. 2 des genannten Gesetzes habe das Verfahren zur Feststellung der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nach dem 8. Abschnitt des LwAnpG auch dann Vorrang vor Ansprüchen nach dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz, wenn darin Rechtsverhältnisse an öffentlich genutzten Grundstücken geregelt werden sollen. Die im behördlichen Ermessen liegende Abgrenzung des Bodenordnungsgebiets sei nicht zu beanstanden. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Nach den Katasterunterlagen sei die Reithalle auf den Flurstücken Nr. und errichtet worden und werde über das Wegeflurstück Nr. erschlossen. Selbst wenn Grundstücke im Bodenordnungsgebiet unbebaut oder nur zum Teil bebaut seien, führe dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Gebietsabgrenzung. Zum einen stehe dem ALN eine umfassende Neugestaltungsbefugnis zu (§ 63 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG), die ihm die Möglichkeit eröffne, eine über die zusammenzuführenden Grundstücke hinausgehende Begrenzung des Verfahrensgebiets festzulegen. Zum anderen könne die Neuordnungsbehörde nur ganze Flurstücke in das Verfahrensgebiet einbeziehen. Die zwischen der Klägerin und der Gemeinde getroffene schuldrechtliche Vereinbarung hindere weder die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens, noch mache sie eine Neuordnung entbehrlich. Ziel eines Bodenordnungsverfahrens sei eine eigentumsrechtliche Neuordnung im Sinne der Herstellung BGB-konformer Eigentumsverhältnisse. Die schuldrechtliche Vereinbarung regele die Nutzungsbefugnis zwischen der Anlageneigentümerin und der Bodeneigentümerin nur bis zu einer eigentumsrechtlichen Bereinigung. Dies gelte insbesondere für die Höhe des Nutzungsentgelts. Inhalt und Ziel der Bodenordnung würden durch diese Vereinbarung nicht ersetzt. Solange die Beigeladene den Antrag auf Neuordnung nicht zurücknehme, sei das ALN Würzen gemäß § 56 LwAnpG verpflichtet, ein Verfahren zur Zusammenführung des getrennten Eigentums durchzuführen, wenn ein freiwilliger Landtausch - wie hier - gescheitert sei.

Die Klägerin hat am 8.5.2002 Klage erhoben. Sie macht geltend, sie sei weder an einem Bodenneuordnungsverfahren noch an einer Abfindung in Geld interessiert. Die Einbeziehung des Flurstücks Nr. der Gemarkung in den Bodenordnungsbeschluss sei schon deshalb fehlerhaft, weil es das ALN Würzen versäumt habe, vor dessen Erlass andere Tauschflächen zu ermitteln. Mit dem VEB Kombinat, der die Reithalle gebaut habe, habe die Klägerin keinerlei Vereinbarung getroffen, so dass eine Antragsberechtigung (§ 64 LwAnpG) der Gemeinde gefehlt habe. Es werde bestritten, dass sich der Antrag der VEB Kombinat auf die Errichtung einer Reithalle o.a. erstreckt habe; nach Wissen der Klägerin sei damals eine Mehrzweckhalle für die Lagerung von Erntegut beantragt worden.

Die Klägerin beantragt,

den Bodenordnungsbeschluss des Staatlichen Amtes für Ländliche Neuordnung Würzen vom 25.6.2001 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 22.4.2002 betreffend das Bodenordnungsverfahren MT/B 29 (Reithalle) aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die Klage für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Die Einbeziehung des in fremden Eigentum stehenden Flurstücks Nr. in das Bodenordnungsverfahren berühre die Klägerin nicht in eigenen Rechten. Auch eine Vorwegnahme der Neuordnung oder eine Verletzung des Rechts auf gleichwertige Abfindung in Land (§ 58 Abs. 1 LwAnpG) liege nicht vor. Erst die in einem Bodenordnungsplan zu treffende Entscheidung über die Abfindung könne mögliche Rechte der Klägerin verletzen. Eine Verpflichtung, bereits vor Anordnung des Bodenordnungsverfahrens umfangreiche Ermittlungen über die spätere Abfindung betroffener Bodeneigentümer anzustellen, enthalte das LwAnpG nicht. Die Behörde sei allein dazu verpflichtet, das Gebiet nach dem Zweck des Verfahrens abzugrenzen. Diesen Anforderungen genüge der Bodenordnungsbeschluss, indem er auch ein mögliches Abfindungsflurstück in das Verfahren einbeziehe. Da die Klägerin weder einer Abfindung noch einem freiwilligen Landtausch zugestimmt habe, erscheine es sinnvoll, eine von der Anlageneigentümerin angebotene Fläche als mögliche Abfindungsfläche in das Verfahren einzubeziehen. Die Einbeziehung weiterer Flächen sei aus (verfahrens-)ökonomischen Gründen unzweckmäßig. Ob die Klägerin Interesse an einer Neuordnung habe, sei ohne Belang. Gemäß § 64 LwAnpG genüge es, wenn - wie hier - der Anlageneigentümer eine Zusammenführung von getrenntem Anlagen- und Gebäudeeigentum beantragt habe.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die nunmehr in selbstständigem Eigentum der Beigeladenen stehende Reithalle auf der Grundlage eines durch Rechtsvorschriften geregelten Nutzungsrechts errichtet worden. Die Klägerin habe durch Vertrag vom 26.4.1979 das zuvor bestehende Kreispachtverhältnis fortgesetzt, wodurch dem VEG Pflanzenproduktion ein Nutzungsrecht vermittelt worden sei. Auch wenn dieses Recht nicht nach § 18 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften vom 2.7.1982 (LPGG 1982), sondern nach § 21 LPGG 1982 i.V.m. §§ 14 ff. der Verordnung zum Schutz des land- und forstwirtschaftlichen Bodens und zur Sicherung der sozialistischen Bodenordnung vom 26.2.1981 (Bodennutzungsverordnung) zugunsten des VEB Kombinat entzogen worden sei, habe Letzterem ein eigenständiges, durch Rechtsvorschriften geregeltes Nutzungsrecht zugestanden, das ihn zur Errichtung von Gebäuden und Anlagen ermächtigt habe. Dies folge aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Bodennutzungsverordnung, wonach die Verordnung "die Planung der Bereitstellung von Boden für Investitionen ... und das Verfahren zur Einräumung von Nutzungsrechten" regele. Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 2.9.1998, RdL 1999, 16 [18]) fasse die Voraussetzungen für ein gesetzlich geregeltes Nutzungsrecht noch weiter und lasse es ausreichen, dass der Grundeigentümer durch die Nutzungsvereinbarung im Interesse der staatlich verfolgten Kollektivierung der Landwirtschaft von der privatnützigen Verwendung seines Grundeigentums ausgeschlossen worden sei. Auf der Grundlage des ihm zustehenden Nutzungsrechts habe der VEB Kombinat die Reithalle errichtet und an ihr vom Boden getrenntes Gebäudeeigentum in Form von Volkseigentum nach § 459 Abs. 1 Satz 1 ZGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Bodennutzungsverordnung erworben. Eine Zustimmung der Klägerin zur Errichtung des Gebäudes sei dafür nicht erforderlich gewesen; vielmehr genüge der Kreispachtvertrag dem Erfordernis einer vertraglichen Nutzung i.S.v. § 459 Abs. 1 Satz 1 ZGB. Aus § 4 der Verordnung über die Sicherung des Volkseigentums bei Baumaßnahmen von Betrieben auf vertraglich genutzten nicht volkseigenen Grundstücken folge in diesem Zusammenhang nichts anderes. Die Vorschrift regele lediglich die vertraglich mit dem Grundeigentümer abgesicherte Vornahme der Errichtung, beinhalte jedoch keine weitere Voraussetzung für die Errichtung selbstständigen Gebäudeeigentums. Dementsprechend sei an der Reithalle Sondereigentum entstanden, so dass die Voraussetzungen des § 64 Satz 1 LwAnpG auch insoweit erfüllt seien.

Die Beigeladene, die keinen Antrag stellt, hält die Klage für unbegründet. Mit dem Beklagten sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 64 LwAnpG vorliegen. Eine Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem VEB Kombinat sei dazu nicht erforderlich. Es reiche aus, dass der für die Errichtung der Mehrzweckhalle erforderliche dauerhafte Entzug der landwirtschaftlich genutzten Fläche auf der Grundlage der Bodennutzungsverordnung vom 26.2.1981 erfolgt sei. Wenn § 64 LwAnpG von "selbstständigen Eigentum der LPG oder Dritter" spreche, sei damit auch Volkseigentum in der Rechtsträgerschaft von volkseigenen Betrieben gemeint. Insoweit sei auch auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (VIZ 1999, 91 f.) zu verweisen. Soweit der Senat dieser Auffassung nicht folge, werde um einen Hinweis gebeten, welche andere Verfahrensart zu wählen sei, um nach einer Verfahrensdauer von mehr als zehn Jahren eine sachdienliche Lösung zu finden.

Der Senat hat am 7.4.2003 einen Grundbuchauszug eingeholt.

Dem Senat liegen zwei Aktenordner Behördenakten vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin, die Eigentümerin der vom Verfahren betroffenen Flurstücke Nr. und der Gemarkung ist, ist sowohl hinsichtlich der Verfahrensanordnung als auch der Verfügungsbeschränkung durch Zustimmungsvorbehalt klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO).

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage für die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens ist § 64 LwAnpG.

Danach ist das Eigentum an den Flächen, auf denen auf der Grundlage eines durch Rechtsvorschriften geregelten Nutzungsrechts Gebäude und Anlagen errichtet wurden, die in selbstständigem Eigentum der LPG oder Dritten stehen, nach den Vorschriften dieses Abschnitts (8. Abschnitt des LwAnpG) auf Antrag des Eigentümers der Fläche oder des Gebäudes oder der Anlagen neu zu ordnen. Diesem behördlich geleiteten Bodenordnungsverfahren kommt gegenüber dem privatrechtlichen Vermittlungsverfahren vor einem Notar nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz - SachenRBerG - verdrängender Vorrang zu (§ 28 SachenRBerG). Gleiches gilt im Verhältnis zum Vermögensgesetz, dessen Regelungsbereich lediglich die Berechtigung an einem bestimmten Vermögenswert erfasst, nicht aber dessen Verhältnis zu weiteren Berechtigungen.

2. Die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens ist rechtswidrig, weil das von § 64 LwAnpG vorausgesetzte - und vom Senat in eigener Zuständigkeit zu prüfende - selbstständige Anlagen- bzw. Gebäudeeigentum an der auf den Flurstücken Nrn. und der Gemarkung errichteten Reithalle nicht vorliegt.

2.1. Ein eigenes Gebäudegrundbuchblatt für diese Halle existiert - unstreitig - nicht. Für das vom Beklagten und der Beigeladenen übereinstimmend angenommene getrennte Gebäudeeigentum an der Reithalle bietet auch das Grundbuch (zu dessen Bedeutung vgl. SächsOVG, Urt. v. 10.9.1997, SächsVBl. 1998, 111; ThürOVG, Urt. v. 5.6.2002, RdL 2003, 101 [103]) von, keinen Anhaltspunkt. Der in der mündlichen Verhandlung erörterte Grundbuchauszug vom 7.4.2003 belegt, dass die Klägerin u.a. Eigentümerin der Flurstücke und ist; ein Gebäudeeigentum zugunsten der Beigeladenen ist jedoch in dessen Zweiter Abteilung als Belastung oder Beschränkung des Grundeigentums nicht eingetragen. Aus dem Bescheid der Treuhandanstalt vom 20.12.1991 kann ein selbstständiges Gebäudeeigentum ebensowenig abgeleitet werden. Diesem Bescheid, der - insoweit unstreitig - wegen eines Formfehlers zur erneuten behördlichen Prüfung ansteht, kommt schon deshalb keine den Senat bindende Wirkung zu, weil weder das Treuhandgesetz noch das Vermögenszuordnungsgesetz eine Regelung zur Lösung des vorliegenden Konflikts bieten. Sie schließen ein Verfahren nach dem LwAnpG weder aus noch beanspruchen die in jenen Gesetzen geregelten Verfahren einen Vorrang vor dem Bodenordnungsverfahren (BVerwG, Urt. v. 2.9.1998, RdL 1999, 16 [17]; zum VZOG vgl. auch ThürOVG, Urt, v. 5.6.2002, RdL 2003, 101 [103]).

2.2. Ausgehend von diesen Erwägungen kann sich das von der Beigeladenen beanspruchte selbstständige Gebäudeeigentum nur über § 459 Abs. 1 ZGB ergeben. Da die in Rede stehende Halle nicht von einer LPG, sondern vom VEB Kombinat errichtet wurde, ist § 27 Satz 1 des Gesetz über die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften vom 2.7.1982 (GBl. I DDR S. 443), der die Entstehung von selbstständigem Eigentum an von LPG errichteten Gebäuden vorsah, von vornherein nicht anwendbar. Andere Spezialregelungen sind hier nicht einschlägig.

Nach der Regelung des § 459 Abs. 1 ZGB wurden Gebäude und Anlagen, die von volkseigenen Betrieben, staatlichen Organen oder Einrichtungen auf vertraglich genutzten Grundstücken errichtet wurden, unabhängig vom Eigentum am Boden Volkseigentum. Diese Voraussetzungen liegen ebensowenig vor. Die vom VEB Kombinat gebaute Reithalle wurde nicht "auf einem vertraglich genutzten Grundstück" i.S. der genannten Vorschrift errichtet. Zwischen der Klägerin (als Bodeneigentümerin) und dem VEB wurde kein Vertrag geschlossen. Ein solcher befindet sich nicht bei den Akten. Ein Vertragsschluss wird auch von keinem der Beteiligten behauptet. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen war ein solcher Vertragsschluss notwendige Voraussetzung für die Begründung eines gesonderten Gebäude- oder Anlageneigentums. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 1 der Verordnung über die Sicherung des Volkseigentums bei Baumaßnahmen von Betrieben auf vertraglich genutzten nichtvolkseigenen Grundstücken vom 7.4.1983 (GBl. I DDR S. 129), wonach "bei der Durchführung von Baumaßnahmen ... die Betriebe mit dem Eigentümer des nichtvolkseigenen Grundstück (die Rechte und Pflichten) zu vereinbaren" haben. Nach Abs. 2 sollte in der Vereinbarung festgelegt werden, wie der Betrieb bei der Vorbereitung und Durchführung von Erweiterungs- und Erhaltungsmaßnahmen mit dem Grundstückseigentümer zusammenwirkt. Die genannte Verordnung konkretisierte einzelne Tatbestandsmerkmale des § 459 ZGB (BVerwG, Urt v. 28.8.1997, VTZ 1999, 98).

Soweit das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 2.9.1998 (RdL 1999, 16 [18]), auf das sich der Beklagte in diesem Zusammenhang maßgeblich stützt, ohne weitere Argumentation ausführt, dass der gesetzliche Eigentumserwerb nach § 459 Abs. 1 ZGB "nicht von der Zustimmung des Grundeigentümers" abhing, sondern (nur) an "tatsächliches Handeln" anknüpfte, überzeugt dies im Hinblick auf die oben genannte Verordnung nicht. Die im Urteil vom 2.9.1998 (aaO) enthaltene Verweisung auf die vorangegangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.8.1997 (BVerwG 7 C 66.96 -, ZOV 1997, 435) ändert daran nichts, weil sich dort nur die Aussage findet, dass der gesetzliche Eigentumserwerb an tatsächliches Handeln anknüpfte. Auch soweit das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 2.9.1998 (aaO) ausführt, eine "Deckungsgleichheit von Nutzungsrecht und Sondereigentum im Sinne einer Identität von Nutzungsberechtigtem und Sondereigentümer" sei nicht erforderlich, wird dies in dem als Beleg genannten Urteil vom 9.7.1997 (RdL 1998, 158) nicht erörtert.

Anders als das Bundesverwaltungsgericht geht das OLG Brandenburg (VIZ 1995, 51 [52]) unter Hinweis auf Oefele (in Münchener Kommentar zum BGB, 2. Aufl., Anlage I zum Einigungsvertrag RdNr. 405) davon aus, dass Volkseigentum an den in § 459 Abs. 1 ZGB genannten Baulichkeiten nur dann entstehen konnte, "wenn sie in Ansehung eines wirksamen schuldrechtlichen Nutzungsvertrages, der die konkrete Bebauung ausdrücklich gestattete, errrichtet worden sind". Diese Auffassung erscheint umso vorzugswürdiger, als sich für die vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Ansicht im Schrifttum kein Beleg findet. So geht etwa Volhard (VIZ 1993, 481 [483 ff.]) davon aus, dass für die Entstehung von Volkseigentum in Fällen der vorliegenden Art eine schriftliche Vereinbarung über die Grundstücksnutzung zwischen dem VEB und dem Grundeigentümer erforderlich war. Nur für den Fall, dass Grundstückseigentümer - etwa wegen eines Aufenthalts außerhalb der DDR - in der Verfügung über ihre Grundstücke beschränkt waren, sollte in bestimmten Fällen eine Verpflichtung des Grundeigentümers auch durch Dritte möglich sein. Dass die Klägerin durch den Abschluss des Kreispachtvertrages und das dem VEG Pflanzenproduktion daraufhin zugewiesene Nutzungsrecht in der Verfügung über ihre Grundstücke eingeschränkt worden war, genügt hierfür jedenfalls nicht. Dieser Befund wird durch den einzigen Kommentar zum ZGB (2. Aufl.) bestätigt. Dort wird unter 1.1 im zweiten Absatz eine vertragliche Nutzung auch dann als vorliegend bezeichnet, wenn staatliche Land- oder Forstwirtschaftsbetriebe nicht volkseigene Bodenflächen vom Rat des Kreises zur Bewirtschaftung oder von der LPG Pflanzenproduktion für Investitionszwecke übernommen haben (Verweis auf Ziff. 28 Abs. 4 des Musterstatuts der LPG Pflanzenproduktion; diese bezieht sich jedoch nur auf eine effektive Bewirtschaftung des Waldes). Damit wurde die Nutzung eindeutig auf eine landwirtschaftliche Bodennutzung beschränkt, die bei der hier vorliegenden Mehrzweckhalle nicht mehr gegeben war, zumal sowohl die erteilte Zustimmung des Rates des Kreises als auch die vorherige Antragstellung des VEB Kombinat den "dauernden Entzug landwirtschaftlicher Nutzfläche" betraf.

Weitere Ausnahmen vom Erfordernis eines vertraglichen - und vom Grundstückseigentümer bestellten - Nutzungsrechts nennt die Kommentierung zum ZGB nicht. Da § 459 ZGB als Ausnahmeregelung zu dem in § 295 Abs. 1 ZGB enthaltenen Grundsatz anzusehen ist, dass das Eigentum an Grundstücken den Boden und die mit ihm fest verbundenen Gebäude und Anlagen erfasst, wobei gemäß § 295 Abs. 2 ZGB nur besondere Rechtsvorschriften die Entstehung von selbstständigem Gebäude- und Anlageneigentum zulassen, ist § 459 Abs. 1 ZGB eher eng auszulegen. Gemessen daran ist an der in Rede stehenden Reithalle kein Volkseigentum entstanden.

Nichts anderes ergibt sich zu Gunsten der Beigeladenen aus § 459 Abs. 2 ZGB. Soweit sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf das Urteil des OVG MV vom 4.11.1996 - 9 K 3/94 - (nur im juris enthalten) berufen hat, ist ihr offensichtlich entgangen, dass vorliegend gerade kein Versuch unternommen worden ist, zunächst eine Vereinbarung mit der Klägerin zu erzielen. Nur in einem solchen Fall kam im Anschluss daran ein hoheitliches Verfahren zur - ersatzweisen - Herbeiführung der Zustimmung des Grundeigentümers in Betracht. Alldies ist hier nicht geschehen.

Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen des § 459 ZGB ergeben sich im Übrigen auch daraus, dass sich die damaligen Einverständnis- und Zustimmungserklärungen nur auf das Flurstück Nr. bezogen, nicht aber auch auf die weiteren Flurstücke Nr. und die ebenfalls von der Baumaßnahme betroffen waren. Dies ist umso unverständlicher, als in den baurechtlichen Zustimmungsanträgen vom 12.3.1984 alle drei von dem Bauvorhaben beanspruchten Flurstücke genannt sind.

Durfte das Bodenordnungsverfahren nach alledem nicht angeordnet werden, weil kein getrenntes Gebäudeeigentum an der Reithalle vorlag bzw. vorliegt, führt dies unabhängig davon zur Aufhebung der angefochtenen Anordnungen, und zwar sowohl des Bodenordnungsbeschlusses als auch des Zustimmungsvorbehaltes gem. § 13 Satz 2 GBBerG i.V.m. § 6 Abs. 4 BoSoG, für welchen bei fehlenden Gebäudeeigentum kein Anlass besteht. Darauf, dass die übrigen Einwendungen der Klägerin gegen den angefochtenen Bescheid aus den in der mündlichen Verhandlung erörterten - und im Wesentlichen bereits im Widerspruchsbescheid des ALN vom 22.4.2002 dargelegten - Gründen nicht durchgreifen, kommt es hierbei nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 60 LwAnpG i.V.m. § 147 Abs. 1 FlurbG und § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und so ein eigenes Kostenrisiko vermieden hat, sind ihre außergerichtlichen Kosten nicht erstattungsfähig (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 3.833,75 € festgesetzt. Dabei legt der Senat hinsichtlich der angefochtenen Verfahrensanordnung einerseits die Fläche der streitgegenständlichen Flurstücke von 2,267 ha und andererseits den Satz von 1.250,00 Euro pro einbezogenen ha zugrunde, wie er nach Ziffer II. 10.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 1996, 563), dem der Senat insoweit folgt, für ein Verfahren wegen Anordnung der Regelflurbereinigung anzunehmen ist. Dem kommt für die angegriffene Anordnung eines Bodenordnungsverfahrens in gleicher Weise Bedeutung zu. Daraus errechnet sich ein Betrag von 2.833,75 €. Entsprechend § 5 ZPO ist für den zugleich angefochtenen Zustimmungsvorbehalt ein Betrag von 1.000,00 € hinzuzurechnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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