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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 25.08.2006
Aktenzeichen: NC 2 E 27/06
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 114
ZPO § 118 Abs. 1 S. 3
1. An den für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten fehlt es im Falle eines vor Eintritt der Entscheidungsreife erfolgten Abschlusses eines außergerichtlichen Vergleichs, mit dem das Rechtsschutzziel der beabsichtigten Klage erreicht wurde.

2. Eine im Sinne des Prozesskostenhilferechts bedürftige Partei ist nicht allein im Hinblick darauf, dass sie zur Vermeidung der Bestandskraft eines Bescheides zumindest einen Prozesskostenhilfeantrag stellen muss, unabweisbar auf einen anwaltlichen Rechtsbeistand im Prozesskostenhilfeverfahren angewiesen. Denn die Einreichung des Prozesskostenhilfegesuchs durch einen Rechtsanwalt ist zur Ermöglichung eines gleichberechtigten Zugangs zum System der Rechtspflege nicht erforderlich.

3. Für das Prozesskostenhilfeverfahren kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden. Gleiches gilt für einen außergerichtlich und nicht in einem Erörterungstermin nach § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO abgeschlossenen Vergleich.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: NC 2 E 27/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zulassung zum Studium Verlagsherstellung, 1. FS, WS 2005/2006

hier: Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von PKH

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Munzinger und die Richterin am Verwaltungsgericht Gellner

am 25. August 2006

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Antragstellerin, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 29. Dezember 2005 - NC 7 K 15/05 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat durch ihren Prozessbevollmächtigten am 24.8.2005 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für eine noch zu erhebende und im Entwurf beigefügte Klage beantragt, die auf die Verpflichtung des Beklagten gerichtet war, sie an einem Vergabeverfahren um freie Studienplätze an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (FH) zu beteiligen und ihr einen Studienplatz nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2005/2006 im ersten Fachsemester des Studienganges Verlagsherstellung zuzuweisen, falls sie nach den Vergabekriterien des Gerichts ausgewählt wird. Zur Begründung wurde behauptet, die Hochschule habe mit der festgesetzten Zulassungszahl ihre Kapazität im Fach Verlagsherstellung nicht ausgeschöpft.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29.12.2005 wurde u.a. der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Durch den am 19.9.2005 geschlossenen außergerichtlichen Vergleich habe die Antragstellerin das Rechtsschutzziel der beabsichtigten Klage erreicht. Die Bewilligung komme auch nicht wegen Verzögerung der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag in Betracht, da eine solche nicht vorliege. Für das Prozesskostenhilfeverfahren könne Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht gewährt werden. Auch für den außergerichtlichen Vergleich könne die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht erfolgen.

II. 1. Dem Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren kann nicht entsprochen werden, weil die Beschwerde aus den nachstehend dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, §§ 114, 121 ZPO).

2. Die zulässige Beschwerde ist weder hinsichtlich des Hauptantrags noch hinsichtlich der Hilfsanträge begründet.

a) Der Hauptantrag, mit dem die Antragstellerin begehrt, ihr unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts für das aufgrund des Abschlusses eines außergerichtlichen Vergleichs vor Klageerhebung erledigte Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, bleibt ohne Erfolg.

Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ist Voraussetzung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe u.a., dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife (vgl. etwa Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 166 RdNr. 14a m.w.N. und Beschl. des Senats v. 15.2.2006 - 2 E 348/05 -) nicht der Fall. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin durch den am 19.9.2005 geschlossenen außergerichtlichen Vergleich das Rechtsschutzziel der beabsichtigten Klage erreicht hatte und die beabsichtigte Klage deshalb zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag keine hinreichenden Erfolgsaussichten mehr hatte. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hier auch nicht wegen Verzögerung der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag in Betracht kommt. Die Antragstellerin geht zwar zutreffend davon aus, dass Prozesskostenhilfe auch noch nach Beendigung der Sache gewährt werden kann. Voraussetzung hierfür ist aber, wie sich auch aus den von ihr insoweit zitierten Entscheidungen u.a. des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 16.1.2001 - 2 BvR 902/00 -) ergibt, stets, dass es das Gericht aus vom Antragsteller nicht zu vertretenden Gründen versäumt hat, rechtzeitig über einen entscheidungsreifen Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden. In diesem Falle kann Prozesskostenhilfe auch noch nach Beendigung der Sache gewährt werden, um den Antragsteller vor Nachteilen aufgrund zwischenzeitlicher Veränderungen der Sachlage zu bewahren.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die erforderliche Prognose der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage ohne eine aussagefähige Belegungsliste des 1. Fachsemesters im Studiengang Verlagsherstellung nicht möglich war. Bis zum Vergleichsschluss lag dem Verwaltungsgericht eine solche Liste nicht vor. Der Antragsgegner hatte vielmehr mit am 5.9.2005 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schreiben vom 2.9.2005 darauf hingewiesen, dass die Liste nicht vor dem 27.9.2005 vorgelegt werden könne.

Unabhängig hiervon war entgegen der Auffassung der Antragstellerin allein anhand der vom Antragsgegner vorgelegten Kapazitätsunterlagen nicht ersichtlich, dass die einzureichende Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte. Ausgehend von den verfassungsrechtlichen Vorgaben, dem Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen und die eigentliche Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern, dürfen die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Der Erfolg muss nicht gewiss sein, es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso gewiss ist wie ein Unterliegen (vgl. P. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 166 RdNr. 26). Eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen bestand vorliegend jedoch nicht. Allein aus dem Umstand, dass die Beteiligten einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen haben, lässt sich eine solche Wahrscheinlichkeit nicht herleiten. Maßgeblich ist hier, ob es das Verwaltungsgericht versäumt hat, rechtzeitig, das heißt vor dem Vergleichsschluss, über einen entscheidungsreifen Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden. Dass ein außergerichtlicher Vergleich geschlossen wurde, hat das Verwaltungsgericht jedoch erst später erfahren. Auch wusste es nichts von dem bevorstehenden Vergleich, so dass es auch den Umstand eines bevorstehenden Vergleichs bei der Prognose der Erfolgsaussichten nicht berücksichtigen konnte. Im Übrigen sind die Gründe, die zum Vergleichsschluss geführt haben, hier nicht bekannt. Unabhängig von der Frage der Erforderlichkeit der Belegungsliste lässt sich zudem allein aufgrund der Kapazitätsunterlagen nicht feststellen, dass Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Kapazität im Fach Verlagsherstellung nicht ausgeschöpft war. Es spricht zwar einiges dafür, dass die gemäß Ziff. VII.15 der Anlage zur SächsZZVO 2005/2006 für den Studiengang Verlagsherstellung an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (FH) festgesetzte Zulassungszahl von 45 den Vorgaben der Kapazitätsverordnung und damit dem Kapazitätserschöpfungsgebot nicht Rechnung trägt. Gemäß der Kapazitätsberechnung beträgt die Aufnahmekapazität für den Studiengang Verlagsherstellung ohne Berücksichtigung des Schwundes 43,56 (2 x 274 / 4,16 x 0,33). Dividiert durch die Schwundquote von 0,905 ergibt sich jedoch eine Kapazität von 48,133. Ohne Berücksichtigung der in den Kapazitätsunterlagen nicht belegten Deputatverminderungen für Selbstverwaltung (12 SWS) und Forschung (7 SWS) ergäbe sich eine jährliche Aufnahmekapazität von 51,37. Das bereinigte Lehrangebot betrüge in diesem Falle 293 (259 + 46 - 12). Die jährliche Aufnahmekapazität berechnet sich auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung des Schwundes wie folgt: 2 x 293 / 4,16 x 0,33 / 0,905. Der Umstand, dass durch die festgesetzte Zahl von 45 Studienplätzen das Kapazitätserschöpfungsgebot möglicherweise nicht erschöpft wird, ist jedoch vorliegend ohne rechtliche Auswirkungen, da die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (FH), wie sich dem von der Antragstellerin vorgelegten Ablehnungsbescheid entnehmen lässt, durch Überbuchung weitere 15 Studienplätze im Studiengang Verlagsherstellung zur Verfügung gestellt hat. Dass über die oben genannten etwaigen Korrekturen der Kapazitätsberechnung hinaus noch Ansatzpunkte für eine weitergehende Prüfung der Kapazitätsberechnung bestehen, in deren Folge sich mindestens 8 weitere Studienplätze ergeben können, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Antragstellerin trotz Übersendung der Kapazitätsunterlagen nicht geltend gemacht. Ob die 60 zu vergebenden Studienplätze vor dem Vergleichsschluss tatsächlich auch alle belegt waren, konnte das Verwaltungsgericht ohne die Belegungsliste nicht prüfen.

Die Antragstellerin war auch nicht im Hinblick darauf, dass sie zur Vermeidung der Bestandskraft des Ablehungsbescheides zumindest einen Prozesskostenhilfeantrag stellen musste, unabweisbar auf einen anwaltlichen Rechtsbeistand im Prozesskostenhilfeverfahren angewiesen. Denn die Einreichung des Prozesskostenhilfegesuchs durch einen Rechtsanwalt war zur Ermöglichung eines gleichberechtigten Zugangs zum System der Rechtspflege nicht erforderlich. Die anwaltliche Beratung über die Rechtslage wird im Falle der wirtschaftlichen Bedürftigkeit finanziell durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Beratungshilfe abgedeckt. Zu dieser anwaltlichen Beratung gehört auch eine Beratung darüber, in welcher Weise die Antragstellerin gegen den Ablehnungsbescheid vorgehen kann und wie dies am kostengünstigsten möglich ist. Es ist dem bedürftigen Bürger, der keinerlei Kostenrisiko tragen möchte, aufgrund der vorangegangenen anwaltlichen Beratung grundsätzlich auch ohne weiteres möglich und zumutbar, einen formgerechten Prozesskostenhilfeantrag allein dem Urkundsbeamten des Gerichts zu Protokoll zu erklären oder schriftlich bei Gericht einzureichen und den beizufügenden Klage- oder Antragsentwurf zumindest in laienhafter Form kurz selbst zu begründen. Eine Begründung des Prozesskostenhilfeantrags, die sich mit der Kapazitätsberechnung auseinandersetzt, ist im Übrigen auch durch die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin nicht erfolgt. Insoweit ist, wie oben bereits ausgeführt, auch zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht nicht überspannt werden dürfen, weshalb eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der Klage genügt, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso gewiss ist wie ein Unterliegen. Zudem ist vorliegend der Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.2.1965 - V ER 224.64 -, NJW 1965, 1293). Im Falle des Erfolgs des Prozesskostenhilfeantrags und der Anwaltsbeiordnung kann die bedürftige Partei ihre Rechte dann in gleicher Weise wahrnehmen wie die nichtbedürftige Partei (vgl zum Vorstehenden Beschl. des Senats v. 15.2.2006 - 2 E 348/05 -).

b) Auch die Hilfsanträge, mit denen die Antragstellerin begehrt, ihr unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für das Prozesskostenhilfeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren, hilfsweise beschränkt auf den Vergleichsabschluss, ist nicht begründet.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 30.5.1984 - VIII ZR 298/83 -, BGHZ 91, 311 und Beschl. v. 8.6.2004 - VI ZB 49/03 -, NJW 2004, 2595) davon ausgegangen, dass für das Prozesskostenhilfeverfahren Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden kann. Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren gilt gemäß § 166 VwGO nichts anderes (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.8.1990 - 5 ER 640.90 -, zitiert nach juris, und Beschl. des Senats v. 15.2.2006 - 2 E 348/05 -).

Auch für den Vergleichsabschluss war Prozesskostenhilfe nicht zu gewähren. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und unter Berücksichtigung der maßgeblichen obergerichtlichen Rechtsprechung zutreffend dargelegt, dass der Gesetzgeber eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass es für das Prozesskostenhilfeverfahren keine Prozesskostenhilfe gibt, lediglich in § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO geregelt hat. Der Vergleich ist hier jedoch außergerichtlich und nicht in einem Erörterungstermin nach § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO zustande gekommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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