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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 16.06.2006
Aktenzeichen: 6 UF 105/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB §§ 1601 ff
ZPO § 323 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 7. Oktober 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Homburg - 9 F 202/05 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.

In Abänderung des Teilanerkenntnis- und Schlussurteils des Amtsgerichts - Familiengericht - in Sulzbach vom 2. Dezember 1992 - 8 F 137/92 UK, UE - wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin monatlich Kindesunterhalt in Höhe von 205 EUR für Juni 2005 und in Höhe von 216 EUR ab Juli 2005 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 84/100, der Beklagte 16/100, von den Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin 82/100 und dem Beklagten 18/100 auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

I.

Die am März 1987 geborene Klägerin ist aus der rechtskräftig geschiedenen Ehe des Beklagten mit ihrer Mutter hervorgegangen. Sie lebt im Haushalt ihrer Mutter und besucht die Fachoberschule, die sie Mitte 2006 mit dem Fachabitur abschließen will.

Der am Oktober 1958 geborene Beklagte ist wieder verheiratet. Aus der neuen Ehe sind die Kinder A., geboren am ... Mai 1993, und N., geboren am ... November 1996, hervorgegangen. Der Beklagte ist bei der ... klinik in beschäftigt. Er zahlt monatlichen Kindesunterhalt an die Klägerin in Höhe von 190 EUR.

Die am ... April 1962 geborene Mutter der Klägerin ist bei der A., , beschäftigt.

Durch Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Sulzbach vom 2. Dezember 1992 - 8 F 137/92 UK, UE - wurde der Beklagte u.a. verurteilt, an die Klägerin monatlichen Unterhalt in Höhe von 360 DM (= 184,07 EUR) ab September 1992 zu zahlen.

Mit ihrer am 11. Juni 2005 eingereichten Klage hat die Klägerin vom Beklagten rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 465 EUR sowie ab Juli 2005 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 345 EUR - nebst Zinsen auf die Rückstände - geltend gemacht. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2005 hat die Klägerin ihren Klageantrag dahingehend abgeändert, dass die vorgenannten Unterhaltsbeträge in Abänderung des Urteils vom 2. Dezember 1992 verlangt werden. Die Klägerin hat vorgetragen, dass sich das - um berufsbedingte Fahrtkosten - bereinigte Nettoeinkommen des Beklagten auf monatlich 2.405 EUR belaufe. Die Mutter der Klägerin verfüge über ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.613 EUR

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, dass die Mutter der Klägerin monatlich mindestens 2.500 EUR netto verdiene und zudem die Eigenheimzulage in Höhe von monatlich 300 EUR beziehe. Der Beklagte selbst habe im Jahr 2004 monatlich durchschnittlich 2.454,62 EUR netto verdient. Hiervon abzuziehen seien - bei einer Fahrtstrecke von unstreitig 8 km - Fahrtkosten in Höhe von monatlich 82,33 EUR. Bei der zur Ermittlung seines Haftungsanteils zu bildenden Quote müssten seine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen beiden minderjährigen Kindern vorrangig berücksichtigt werden.

Durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Familiengericht den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts in Sulzbach vom 2. Dezember 1992 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 342 EUR für Juni 2005 und in Höhe von 345 EUR ab Juli 2005 zu zahlen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, mit der er den erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter verfolgt. Der Beklagte trägt vor, dass bei der Quotenbildung vorab seine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen beiden minderjährigen Kinder zu berücksichtigen seien.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, dass das Einkommen ihrer Mutter ab Januar 2006 nach der Einkommensteuerklasse I - statt wie bisher nach der Einkommensteuerklasse II - versteuert werde.

Entscheidungsgründe:

II.

Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet.

Der geltend gemachte Unterhaltsanspruch beruht auf §§ 1601 ff BGB. Die Klägerin befindet sich noch in der allgemeinen Schulausbildung und hat keinerlei Einkünfte. Hierüber besteht dem Grunde nach zwischen den Parteien auch kein Streit. Gleiches gilt für das Vorliegen der Abänderungsvoraussetzungen (§ 323 ZPO).

Der Bedarf der seit März 2005 volljährigen Klägerin ist nunmehr nach den zusammengerechneten Einkünften der Kindeseltern zu ermitteln. Dabei ist auf Seiten des Beklagten von einem bereinigten monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 2.405 EUR auszugehen. Dies entspricht der Handhabung des Familiengerichts, die sich an den Berechnungen der Klägerin im Schriftsatz vom 19. September 2005 orientiert und letztlich keinen Anlass zu Bedenken gibt, zumal der Beklagte diesbezüglich auch keine Einwände mehr erhoben hat.

Auf Seiten der Mutter der Klägerin ist für das Jahr 2005 von einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 1.795 EUR abzüglich berufsbedingter Fahrtkosten in Höhe von 183 EUR, mithin von einem bereinigten monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 1.612 EUR auszugehen. Auch dieses entspricht der mit der Berufung nicht angegriffenen Handhabung des Familiengerichts und beruht im Übrigen auf dem Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 19. September 2005. Dieser Betrag ist auch für die Zeit ab 2006 zu Grunde zu legen; dass die Mutter der Klägerin nunmehr nach der Einkommensteuerklasse I (statt wie bisher nach der Einkommensteuerklasse II) versteuert wird, ändert daran nichts, da nicht nachvollziehbar dargetan ist, wie sich der Wechsel der Steuerklasse im Ergebnis auswirkt. Denn es kann letztlich nicht nachvollzogen werden, auf welcher Grundlage die Klägerin das Einkommen ihrer Mutter berechnet hat, da insoweit hinreichende Angaben fehlen, nachdem hierzu lediglich Gehaltsabrechnungen für März 2005 (Bl. 2 PKH-Heft) und für Januar 2006 (Bl. 94 d.A.) vorgelegt worden sind. Daraus lässt sich jedoch weder das jährliche Bruttoeinkommen exakt ermitteln, zumal zu der Frage, ob und inwieweit Weihnachtsgeld beziehungsweise Urlaubsgeld gezahlt werden, nichts vorgetragen ist, noch kann damit das von der Klägerin selbst angegebene Nettoeinkommen rechnerisch nachvollzogen werden. Demzufolge kann auch die Auswirkung der Änderung der Steuerklasse nicht genau errechnet werden, was zu Lasten der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin geht.

Aus den zusammengerechneten Einkünften der Eltern der Klägerin in Höhe von insgesamt 4.017 EUR (= Einkommen der Mutter der Klägerin: 1.612 EUR + Einkommen des Beklagten: 2.405 EUR) ergibt sich entsprechend der Handhabung des Familiengerichts nach der Altersstufe IV, Einkommensgruppe 12 der Düsseldorfer Tabelle ein monatlicher Bedarf in Höhe von 622 EUR für Juni 2005 und in Höhe von 637 EUR ab Juli 2005.

Hierauf anzurechnen ist entgegen der Handhabung des Familiengerichts das volle Kindergeld, weil dieses bei volljährigen Kindern insgesamt bedarfsdeckend einzusetzen ist (vgl. BGH, FamRZ 2006, 57), so dass ein Bedarf von monatlich 468 EUR bzw. 483 EUR verbleibt.

Diesen Bedarf haben die Mutter der Klägerin und der Beklagte anteilig aufzubringen. Dabei ist das jeweilige Einkommen nach Abzug des notwendigen - nicht des angemessenen - Selbstbehalts (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht, 9. Zivilsenat, Urteil vom 19. Oktober 2005 - 9 UF 69/05 -; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 151, m.w.N.; Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl., Teil V, Rz. 167) zur Berechnung der Quote heranzuziehen. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist sein Einkommen nicht vorab um die vollen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Töchtern A. und N. zu bereinigen, da der Bundesgerichtshof den Vorwegabzug dieser weiteren Unterhaltsverpflichtungen als keine billigenswerte Methode angesehen hat, um eine ungleiche Belastung der Eltern zu vermeiden, weil dies zu einem unangemessenen Ergebnis führen würde. Denn ein Vorwegabzug hätte dann, wenn der eine Elternteil hinreichend leistungsfähig ist, zur Folge, dass dieser übermäßig belastet würde, während der andere zugunsten der weiteren Unterhaltsberechtigten entlastet würde. Könnte beispielsweise vorliegend die Mutter der Klägerin ihren so ermittelten Anteil nicht in vollem Umfang aufbringen, so bliebe deren Unterhaltsbedarf - im Gegensatz zu demjenigen der weiteren Unterhaltsberechtigten des Beklagten - teilweise ungedeckt (vgl. BGH, FamRZ 2002, 818; Saarländisches Oberlandesgericht, a.a.O.; OLG Koblenz, FamRZ 2004, 839; Schwab/Borth, a.a.O., Rz. 168; FA-FamR/Gerhardt, 5. Aufl., Kap. 6, Rz. 159, 160 b).

Vielmehr ist die gleichrangige Barunterhaltspflicht in der Weise zu berücksichtigen, dass der Einsatzbetrag für die Anteilsberechnung desjenigen Elternteils, der Barunterhalt für minderjährige und privilegierte volljährige Kinder zu erbringen hat, im Verhältnis des Bedarfs aller unterhaltsberechtigten Kinder zu dem für die Anteilsberechnung insgesamt zur Verfügung stehenden Einkommen aufgeteilt wird (BGH, a.a.O.; Saarländisches Oberlandesgericht, a.a.O.; OLG Koblenz, a.a.O., Schwab/Borth, a.a.O.; FA-FamR, a.a.O.). Die Ermittlung der Haftungsquote geschieht dann in der Weise, dass auf Seiten des Beklagten in die Anteilsberechnung nur der prozentuale Anteil seines (nach Abzug des Selbstbehalts verbleibenden) Einkommens eingestellt wird, der dem Anteil des auf die Klägerin entfallenden Bedarfs am Gesamtunterhaltsbedarf aller gleichrangiger Kinder entspricht (vgl. BGH, a.a.O.; Saarländisches Oberlandesgericht a.a.O.; OLG Koblenz, FamRZ 2004, 829; Schwab/Borth, a.a.O., Rz. 169).

Daraus ergibt sich folgende Berechnung:

Juni 2005:

Gesamtbedarf:

Klägerin (DT 2003, IV, 12 - 154 EUR) 468,00 EUR

A. (DT 2003, III, 7) 404,00 EUR

N. (DT 2003, II, 7) 343,00 EUR

gesamt 1.215,00 EUR

Der Anteil der Klägerin am Gesamtbedarf beläuft sich auf 38,52 % (= Bedarf der Klägerin: 468 EUR / Gesamtbedarf: 1.215 EUR). In die Anteilsberechnung wird vom frei verfügbaren Einkommen des Beklagten nur der ratierliche Betrag aus dem Bedarf des volljährigen Kindes im Verhältnis zu allen gleichrangigen Kindern eingestellt. Das freie, zu Unterhaltszwecken einzusetzende Einkommen des Beklagten beläuft sich vorliegend auf 1.565 EUR (= Einkommen des Beklagten: 2.405 EUR - notwendiger Selbstbehalt: 840 EUR). Hiervon sind auf Seiten des Beklagten für die Anteilsberechnung 38,52 %, also 602,84 EUR in Ansatz zu bringen. Auf Seiten der Mutter der Klägerin sind dies 772 EUR (Einkommen der Mutter: 1.612 EUR - notwendiger Selbstbehalt: 840 EUR). Zusammen ergibt dies einen Betrag von 1.374,84 EUR (= 602,84 EUR + 772 EUR); daraus ergibt sich in Bezug auf den Beklagten eine Quote von 43,85 % (= 602,84 EUR / 1.374,84 EUR). Der Anteil des Beklagten am Bedarf der Klägerin beläuft sich mithin auf 205,22 EUR, so dass der Beklagte Unterhalt in Höhe von rund 205 EUR schuldet.

Würde der Beklagte alleine haften, so errechnete sich der Bedarf der Klägerin nach der Einkommensgruppe 7 der Düsseldorfer Tabelle und der Beklagte hätte nach Abzug des Kindergeldes 311 EUR (= 465 EUR - 154 EUR) zu zahlen.

Für die Zeit ab Juli 2005 ergibt sich unter Anwendung der von da an geltenden Düsseldorfer Tabelle folgendes:

Gesamtbedarf:

Klägerin (DT 2005, IV, 12 - 154 EUR) 483,00 EUR

A. (DT 2005, III, 7) 414,00 EUR

N. (DT 2005, II, 7) 351,00 EUR

gesamt 1.248,00 EUR

Das verfügbare Einkommen des Beklagten beläuft sich auf 1.515 EUR (= Nettoeinkommen: 2.405 EUR - notwendiger Selbstbehalt: 890 EUR). Der Anteil der Klägerin am Gesamtbedarf beträgt 38,70 % (= Bedarf der Klägerin: 483 EUR / Gesamtbedarf: 1.248 EUR). Vom zu Unterhaltszwecken verfügbaren Einkommen des Beklagten sind mithin 586,31 EUR in die Quotenberechnung einzubeziehen. Auf Seiten der Mutter der Klägerin sind dies 722 EUR (= Einkommen der Mutter: 1.612 EUR - notwendiger Selbstbehalt: 890 EUR). Zusammen ergibt dies einen Betrag von 1.308,31 EUR (= 586,31 EUR + 722 EUR); daraus ergibt sich in Bezug auf den Beklagten eine Quote von 44,81 % (= 586,31 EUR / 1.308,31 EUR). Der Anteil des Beklagten am Bedarf der Klägerin beläuft sich mithin auf 216,43 EUR, so dass der Beklagte einen monatlichen Unterhalt in Höhe von rund 216 EUR schuldet.

Unter Zugrundelegung allein des Einkommens des Beklagten ergäbe sich ein Unterhaltsanspruch von 322 EUR (= 476 EUR - 154 EUR).

Nach alledem steht der Klägerin ein höherer Unterhalt zu, als im Urteil vom 2. Dezember 1992 tituliert ist. Dieses ist entsprechend abzuändern, nachdem auch die Wesentlichkeitsgrenze des § 323 Abs. 1 ZPO unter den gegebenen Umständen überschritten ist. In Bezug auf die darüber hinausgehenden vom Familiengericht zuerkannten Beträge führt die Berufung zur Abweisung der Klage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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