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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 21.07.2005
Aktenzeichen: 8 U 714/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 529
ZPO § 540 Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 546
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 286 Abs. 2
BGB § 288 Abs. 1
Zum Widerruf einer Stundungsvereinbarung.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

8 U 714/04

Verkündet am 21. Juli 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 8. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2005 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Gaillard, den Richter am Oberlandesgericht Barth und die Richterin am Oberlandesgericht Feltes

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 10. Dezember 2004 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 15 O 164/04 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.934,40 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.4.2004 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden der Beklagten auferlegt.

II. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 EUR nicht.

Gründe:

A.

Der Kläger macht gegen die Beklagte den Restkaufpreis aus dem Verkauf von gebrauchten Baugerüstelementen (vgl. den Kaufvertrag vom 6. Januar 2004; Blatt 6-10) geltend, nachdem er die ursprüngliche Zahlungsabrede der Parteien - Anzahlung von 500 EUR bei Übergabe; weitere 14 Monatsraten à 650 EUR ab 1.2.2004 und fortfolgend jeden Monatsersten; Schlussrate von 369,78 EUR am 1.4.2005 - (vgl. Blatt 29) nach Androhung mit Anwaltsschreiben vom 2.3.2004 (Blatt 14 f.) mit weiterem Anwaltsschreiben vom 8.4.2004 (Blatt 16 f.) wegen unterbliebener bzw. unpünktlicher Ratenzahlung seitens der Beklagten fristlos hat kündigen und den gesamten Kaufpreis hat fällig stellen lassen; außerdem verlangt er Erstattung seiner diesbezüglichen vorgerichtlichen Anwaltskosten.

Das Landgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1, Satz 1 Nr. 1 ZPO vollumfänglich Bezug genommen wird (vgl. Blatt 50-62), lediglich hinsichtlich der - ohnehin fälligen - Monatsraten für Oktober und November 2004 sowie hinsichtlich eines Teils der Anwaltskosten - berechnet nach einem Gegenstandswert von zwei Monatsraten - stattgegeben, im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe die Ratenzahlungsvereinbarung mangels außerordentlichen Kündigungsrechts und mangels Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht wirksam aufkündigen können, so dass die weiteren Kaufpreisraten ab Dezember 2004 mangels Fälligkeit und die weiteren Anwaltskosten im Hinblick auf den niedrigeren Gegenstandswert nicht zugesprochen werden könnten.

Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, der vor dem Hintergrund der Vertragsuntreue der Beklagten nach wie vor von einem wirksamen "Widerruf" der Stundungsvereinbarung ausgeht und ferner darauf hinweist, dass die Beklagte seit 12. November 2004 nichts mehr gezahlt hat, obwohl zwischenzeitlich selbst bei Zugrundelegung der Ratenzahlungsvereinbarung Gesamtfälligkeit eingetreten sei.

Der Kläger beantragt (Blatt 83, 132),

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 2.519,85 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.4.2004 zu zahlen, insgesamt 3.934,40 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.4.2004.

Die Beklagte beantragt (Blatt 104, 132),

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Hinsichtlich einer weiteren Teilzahlung der Beklagten vom 12.11.2004 in Höhe von 650 EUR haben die Parteien - wie erstinstanzlich hinsichtlich eines sukzessive gezahlten (Teil-)Betrages von 3.250 EUR - den Rechtsstreit in der Hauptsache einvernehmlich für erledigt erklärt (vgl. Blatt 91, 133).

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres früheren Vorbringens.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 7. Juli 2005 (Blatt 132/133) Bezug genommen.

B.

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig.

Sie hat auch in der Sache Erfolg. Denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen insoweit eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

Soweit der - volle - Erfolg von Klage und Berufung ausschließlich davon abhängig ist, ob die ursprüngliche Zahlungsvereinbarung der Parteien vom 6.1.2004 (vgl. Blatt 29) noch Geltung hat - die grundsätzliche Zahlungsverpflichtung der Beklagten hinsichtlich des Kaufpreises und des Verzugs- bzw. Verzögerungsschadens steht nämlich außer Streit und wird von dieser in der Berufungsinstanz auch nicht mehr angegriffen -, hat das Landgericht die fristlose Kündigung dieser Vereinbarung seitens des Klägers gemäß Anwaltsschreiben vom 8.4.2004 (Blatt 16 f.) zu Unrecht für unwirksam gehalten. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist diese Zahlungsabrede nicht als Ratenzahlungsvereinbarung, sondern als Stundungsabrede zu würdigen, da die Beteiligten hier ersichtlich nur die gesetzlich festgelegte sofortige Fälligkeit des Kaufpreises (vgl. § 271 Abs. 1 BGB) hinausschieben wollten (vgl. BGH NJW-RR 1993, 464; NJW 1998, 2060; NJW 2000, 2580/2582 sowie - für die abweichende Ausgangslage bei Fitness- und Sportstudioverträgen - NJW 1985, 1705; 2329).

In Bezug auf solche Stundungsvereinbarungen ist aber allgemein anerkannt, dass sie unter dem - dem Schuldner bekannten oder doch nach Maßgabe der Verkehrssitte unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erkennbaren - stillschweigenden Vorbehalt des Gläubigers stehen, dass der Schuldner die Gültigkeit der Forderung nicht in Frage stellt oder den Anspruch in sonstiger Weise erheblich gefährdet, sich vielmehr auch hinsichtlich der Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit der Ratenzahlungen vertragstreu verhält, und dem Gläubiger deshalb ein außerordentliches Kündigungs- bzw. ein "Widerrufsrecht" zusteht, wenn ihm im Einzelfall nach den Gesamtumständen ein Festhalten an der Stundungsvereinbarung aus diesen Gründen unzumutbar ist (vgl. BGH NJW 1981, 1666/1667; NJW 1986, 46/48; LM Nr. 2 zu § 454 BGB; OLG Celle MDR 1962, 569). Dem steht entgegen der Ansicht des Erstrichters der Umstand, dass es sich bei dem fraglichen Kaufvertrag nicht um ein Dauerschuldverhältnis handelt und diesem auch die Zahlungsabrede nicht insgesamt das Gepräge eines solchen gibt, nicht entgegen. Denn es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass in einer Stundung eine Art Kreditgewährung zu sehen ist und der Verkäufer, der selbst leistet, den Kaufpreis aber stundet, letztlich einem Kreditgläubiger gleichsteht (vgl. Larenz, Lehrbuch des SchuldR, II. Band, Besonderer Teil, 12. Aufl., § 43 I). Demgemäß ist in solchen Fällen regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass die Beteiligten ihr Rechtsverhältnis jedenfalls hinsichtlich der Kündigungsmöglichkeit - der Stundungsvereinbarung - Darlehensrecht unterstellen wollten (vgl. BGH NJW 1981, 1667).

Der Senat hat vorliegend darüber hinaus auch keine Bedenken, die fristlose Kündigung der Stundungsvereinbarung vom 8.4.2004 in der Sache als begründet anzusehen. Davon ausgehend, dass anerkanntermaßen ein wichtiger Grund zur Kündigung auch schon im - nachhaltigen - Zahlungsverzug des Schuldners liegen kann (vgl. BGH NJW 1986, 48 m.w.N.), die Beklagte hier von Anfang an und durchgängig unpünktlich und unregelmäßig Raten geleistet hat, ein solches Verhalten bei einer GmbH die Besorgnis einer Zahlungsunfähigkeit zu begründen vermag und der Kläger nach eigener - unwidersprochen gebliebener - Darstellung zudem die Gerüstteile aus Liquiditätsgründen verkauft hat und auf den regelmäßigen Zahlungseingang dringend angewiesen war (vgl. Seite 2 des Schriftsatzes vom 18.11.2004, Blatt 47, sowie Seite 5 der Berufungsbegründung, Blatt 94), war es dem Kläger unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben im Ergebnis nicht mehr zuzumuten, an der Stundungsvereinbarung festzuhalten, nachdem auch das Androhungsschreiben vom 2.3.2004 (Blatt 14 f.) nicht gefruchtet hatte.

Soweit die ursprüngliche Zahlungsvereinbarung der Parteien hiernach keinen Bestand mehr hat, war der Gesamtkaufpreis bei Klageeinreichung aber bereits fällig, sind auch die - seitens des Erstrichters ansonsten zutreffend ermittelten - vorgerichtlichen Anwaltskosten unter Zugrundelegung dieses Kaufpreises als Gegenstandswert zu berechnen und der - in Verzug befindlichen - Beklagten alle Kosten aufzuerlegen, soweit im Verlaufe des Rechtsstreits Teilzahlungen erfolgt sind und die Hauptsache insoweit einvernehmlich für erledigt erklärt wurde.

Das angefochtene Urteil war nach allem entsprechend abzuändern.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 2, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 91 a, 516 Abs. 3, Satz 1 i.V.m. 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da es an den erforderlichen Voraussetzungen fehlt (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Ziff. 1 i.V.m. Abs. 2, Satz 1 ZPO).

Der Wert der Beschwer der Beklagten war im Hinblick auf § 26 Nr. 8 EinfG ZPO festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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