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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 03.05.2006
Aktenzeichen: 1 U 265/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 313a Abs. 1 S. 1
ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 540 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 516 Abs. 1
BGB § 868
BGB § 929 S. 2
BGB § 930
BGB § 952
BGB § 985
BGB § 1922 Abs. 1
BGB § 2032 Abs. 1
BGB § 2203
BGB § 2205
Eigentumsübertragung trotz fortbestehenden Mietbesitzes des Veräußerers.
Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26. April 2005 verkündete Urteil des Landgerichts in Saarbrücken - 16 O 173/05 - dahingehend abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

II. Die Kosten beider Rechtszüge fallen dem Kläger zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die durch diese Entscheidung begründete Beschwer des Klägers beträgt 7.000 Euro.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

A. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

B. Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung der Beklagten ist nach den §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

I. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Beklagte nicht zur Herausgabe des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugbriefes für den Subaru- 3.0 Outback an den Kläger verpflichtet. Dementsprechend ist auch eine Schadensersatzpflichtung der Beklagten wegen der Nichtherausgabe des Kraftfahrzeugbriefes nicht festzustellen.

1. Ein Anspruch des Klägers als Testamentsvollstrecker über den Nachlass seines verstorbenen Vaters, Herrn Dr. Ing. K.-H. F., auf der Grundlage der §§ 2203, 2205, 985, 1922 Abs. 1, 2032 Abs. 1 BGB muss daran scheitern, dass die Beklagte Eigentum an dem in Rede stehenden Fahrzeug erworben hat und das Eigentum an dem Kraftfahrzeugbrief in analoger Anwendung des § 952 BGB dem Eigentum an dem Fahrzeug folgt (BGH NJW 1978, 1844).

Dabei kann für die rechtliche Beurteilung zunächst dahinstehen, ob die Vereinbarung vom 07.02.2004 entgegen der durch den Erblasser gewählten ausdrücklichen Bezeichnung als "Kaufvertrag" als Schenkung im Sinne des § 516 Abs. 1 BGB zu qualifizieren ist, die zur Wirksamkeit der notariellen Beurkundung (§ 518 Abs. 1 BGB) bedurft hätte. Denn die vorbezeichnete Vereinbarung wurde jedenfalls noch zu Lebzeiten des Erblasser dadurch vollzogen, dass der Beklagten Eigentum und Besitz an dem in Rede stehenden Fahrzeug, wenn nicht gemäß § 930 BGB, so jedenfalls gemäß § 929 S. 2 BGB übertragen wurde. Nach der Wortfassung sowie unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vereinbarung vom 07.02.2004 unterliegt es aus Sicht des Senates keinen ernsthaften Zweifeln, dass der Erblasser der Beklagten noch zu Lebzeiten das Eigentum an dem Fahrzeug übertragen wollte und alle Rechtshandlungen vornehmen wollte, die nach seinem Verständnis hierfür erforderlich waren. Der Kläger hat die Echtheit der von der Beklagten vorgelegten Urkunde nicht bestritten und auch sonstige, ggf. aus einer mangelnden Geschäftsfähigkeit des Erblassers resultierende Nichtigkeitsgründe des urkundlich belegten Rechtsgeschäfts nicht geltend gemacht. Soweit der Erblasser mithin das in Rede stehende Fahrzeug der Beklagten zu einem symbolischen Euro verkaufte, den Erhalt dieses Betrages in der nämlichen Urkunde quittierte und mit dem Verkauf des Fahrzeuges den Wunsch verband, dass die Beklagte sich während seiner bevorstehenden Krankenhausaufenthalte bzw. für den Fall seines Ablebens weiterhin liebevoll um den Hund A. kümmert und diesen versorgt, tritt hierin der unzweideutige und keiner anderen Auslegung zugängliche Wille des Erblassers zutage, der Beklagten das Eigentum an dem Fahrzeug unmittelbar und zwar noch zu seinen Lebzeiten zu übertragen.

Dabei sind die Erklärung des Erblassers vom 07.02.2004 und deren Annahme durch die Beklagte bei verständiger Interpretation nicht nur als schuldrechtlicher Vertrag, sondern auch im Sinne einer dinglichen Einigung über den Eigentumsübergang gemäß § 930 BGB oder, wie noch darzulegen sein wird, gemäß § 929 S. 2 BGB zu werten. Die Einigung ist ein formfreier, abstrakter dinglicher Vertrag, für den auch stillschweigende Einigungserklärungen, insbesondere auch schlüssiges Verhalten genügend sind (Palandt/ Bassenge, BGB, 64. Aufl., § 929 Rz. 2 ff.mwN).

Dem im Rahmen der Eigentumsübertragung hinzutretenden Erfordernis der Übergabe oder eines Übergabeersatzes ist entgegen der Auffassung des Landgerichts ebenfalls genügt. Die von dem Erblasser erklärtermaßen beabsichtigte Eigentumsübertragung auf die Beklagte scheitert insbesondere nicht daran, dass das Fahrzeug weiterhin in der Garage des Erblassers verblieb, von den drei zu dem Fahrzeug gehörenden Schlüsseln ein Schlüssel im Tresor des Erblassers und ein weiterer Schlüssel in der Vitrine des Anwesens des Erblassers aufbewahrt wurde und der Beklagten offensichtlich lediglich der dritte Schlüssel ausgehändigt wurde. Es besteht weitgehend Einigkeit, dass ein beim Veräußerer verbleibender Mitbesitz eine Eigentumsübertragung nicht in jedem Falle ausschließt, insbesondere steht der Umstand, dass der Erblasser sich offensichtlich nicht gänzlich der Möglichkeit begeben wollte, das Fahrzeug - bei Bedarf - wie bisher zu nutzen, dem Vollzug der Eigentumsübertragung nicht entgegen (Palandt / Bassenge, a.a.O, § 930 Rz. 6, 8; § 929 Rz.15; Bamberger/ Roth, § 929 Rz.21 mwN).

Nach der bislang herrschenden Auffassung soll eine Eigentumsübertragung unter diesen Umständen in der Weise möglich sein, dass der weiter mitbesitzende Veräußerer seinen Mitbesitz künftig als unmittelbarer Mitfremdbesitzer, und zwar als Besitzmittler der unmittelbaren Miteigenbesitzerin, vorliegend der Beklagten, ausübt. Damit ist dem Erfordernis im Rahmen des § 930 BGB genüge getan, dass der bei dem Erblasser verbleibende Mitbesitz nur ein Fremdbesitz zugunsten der Beklagten war. Das zugrundeliegende Besitzmittlungsverhältnis im Sinne des § 868 BGB kann dabei durchaus auch stillschweigend begründet sein (Palandt/ Bassenge, a.a.O., § 930 Rz. 8 m.w.N.); es genügt der Bezug auf Umstände und Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB). Berücksichtigt man einerseits den unzweideutigen Willen des Erblassers, der Beklagten das Fahrzeug schon zu Lebzeiten zuwenden zu wollen, und andererseits die Interessenlage des Erblassers und der Beklagten, aufgrund der bestehenden Lebensgemeinschaft das Fahrzeug zukünftig bei Bedarf gemeinsam oder auch jeweils allein benutzen zu können, kann bereits aufgrund der unstreitigen Umstände von einem zumindest konkludent zwischen den Partnern der Lebensgemeinschaft vereinbarten Besitzmittlungsverhältnis ausgegangen werden.

Eine im Vordringen begriffene Auffassung sieht demgegenüber die Annahme eines Besitzmittlungsverhältnisses, insbesondere in Fällen partnerschaftlicher Beziehungen als gekünstelt an (Bamberger/ Roth, a.a.O, § 929 Rz.21 mwN). Vielmehr sei in diesen Fällen auf das Erfordernis einer Besitzübertragung gänzlich zu verzichten und müsse entsprechend dem Rechtsgedanken des § 929 S. 2 BGB eine Einigung genügen. Einigkeit besteht jedenfalls insoweit, dass im Rahmen partnerschaftlicher Verhältnisse fortbestehender Mitbesitz des Veräußerers einer Eigentumsübertragung nicht entgegensteht. Maßgeblich müsse vielmehr sein, ob eine sachenrechtliche Eigentumsübertragung tatsächlich gewollt war und dem Veräußerer lediglich eine faktische, weisungsunterworfene Zugriffsmöglichkeit verbleiben sollte. In Anwendung dieser Grundsätze ist ein Übergang des Eigentums auf die Beklagte, sei es nach § 930 BGB oder nach § 929 S. 2 BGB nicht zweifelhaft.

Dem gewonnenen Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte, nach dem Tode des Erblassers auf den Kraftfahrzeugbrief angesprochen, erklärt haben soll, sie wisse nicht, wo der Kraftfahrzeugbrief sein könne. Denn eine solche Erklärung, so sie denn tatsächlich getätigt worden war, könnte ihren Grund auch zwanglos darin gefunden haben, dass die Beklagte verhindern wollte, dass die Kinder des Erblassers die Herausgabe des Kraftfahrzeugbriefs von ihr forderten oder sie sich die weitere Vorgehensweise in Absprache mit ihrem Sohn, dem Zeugen M., vorbehalten wollte. Jedenfalls kann hieraus keinesfalls zugunsten des Klägers der Schluss gezogen werden, dass die Beklagte sich ohne Wissen des Erblassers den Kraftfahrzeugbrief angeeignet hatte und sie dessen Verbleib deshalb vor den Erben verbergen wollte. Einer solchen Annahme stehen nicht nur maßgeblich die Angaben des Zeugen M. entgegen, angesichts der Vereinbarung vom 07.02.2004 bestand für die Beklagte für eine solche Verhaltensweise auch keine Veranlassung.

2. Selbst wenn man aber entsprechend dem Rechtsstandpunkt des Klägers einen Eigentumserwerb der Beklagten an dem Fahrzeug verneinen wollte, müsste der Klage dennoch der Erfolg versagt bleiben.

Dem Herausgabeanspruch des Klägers stünde dann nämlich der Einwand aus § 242 BGB (hierzu: Palandt/ Heinrichs, a.a.O., § 242 Rz. 52 ff. mwN) entgegen, da der Kläger die Herausgabe einer Sache verlangt, die zurückzugeben er sogleich aufgrund des Kaufvertrages verpflichtet wäre. Die Vereinbarung vom 07.02.2004 stellt nämlich keinen unentgeltlichen Schenkungsvertrag, der zur Wirksamkeit der notariellen Beurkundung bedurft hätte, sondern einen entgeltlichen Vertrag dar. Dieser enthält eine konditionale Verknüpfung mit einer erwarteten Leistung der Beklagten, die die Bedingung für die Leistung des Erblassers, jedenfalls aber die Geschäftsgrundlage für diese darstellen sollte. Eine in diesem Sinne kausale Verknüpfung zwischen der eigenen Leistung (Fahrzeug) und der erwarteten Leistung des Zuwendungsempfängers (Hege und Pflege des Hundes) steht aber der Annahme einer Schenkung entgegen. Der Vertrag ist in solchen Fällen nicht auf eine unentgeltliche Zuwendung gerichtet, mag auch die erwartete "Gegenleistung" nicht in einem synallagmatischen Verhältnis zur Zuwendung stehen (Bamberger/ Roth, a.a.O, Rz. 7 zu § 516 BGB). Streitentscheidende Bedeutung kommt dieser Argumentation allerdings nicht mehr zu.

Die Berufung der Beklagten erweist sich nach alledem als begründet.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, diejenige zur Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Ausspruch zur Beschwer erfolgt im Hinblick auf § 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die hierfür von § 543 Abs. 2 ZPO geforderten Voraussetzungen ersichtlich nicht vorliegen. Die Rechtsache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch Gesichtspunkte der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat sich im Rahmen der die Entscheidung tragenden rechtlichen Erwägungen an bewährten Rechtsprechungsgrundsätzen orientiert.

Ende der Entscheidung

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