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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 16.08.2006
Aktenzeichen: 1 U 620/05
Rechtsgebiete: ZPO, VOB/B


Vorschriften:

ZPO § 301 Abs. 1 S. 2
ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7
VOB/B § 12 Nr. 4 Abs. 1
VOB/B § 12 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

1 U 620/05

Verkündet am 16.8.2006

In dem Rechtsstreit

wegen Werklohnforderung

hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 26.7.2006 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Theis, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Kuhn-Krüger und des Richters am Oberlandesgericht Schmidt

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Landgerichts Saarbrücken vom 5.10.2005 - Az.: 7 O 88/02 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Saarbrücken zurückverwiesen.

II.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen des Teilurteils des Landgerichts vom 5.10.2005 (Bl. 133 ff. d. A.) Bezug genommen. Durch dieses Teilurteil hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 677.615,00 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Der Zahlungsantrag sei in Höhe des zuerkannten Betrages begründet. Die Beklagte sei verpflichtet, den Sicherheitseinbehalt an die Klägerin auszuzahlen. Mit Stellung der Gewährleistungsbürgschaft habe die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes erlangt. Behauptete Gewährleistungsansprüche berechtigten nicht zum Einbehalt der Barsicherheit; dies folge aus der zwischen den Parteien getroffenen Sicherungsabrede.

Mache der Auftragnehmer von seinem Recht auf Austausch der Sicherheit zu einem Zeitpunkt Gebrauch, in dem der Sicherungsfall noch nicht eingetreten sei, sei der Auftraggeber verpflichtet, die Bürgschaft entgegenzunehmen und den Sicherheitseinbehalt auszuzahlen. Liege der Sicherungsfall bei Stellung der Bürgschaft bereits vor, müsse der Auftraggeber wählen zwischen Sicherheitseinbehalt und Bürgschaft. Wähle er die Verwertung des Sicherheitseinbehalts, sei für einen Austausch kein Raum mehr. In diesem Fall dürfe er die Bürgschaft nicht entgegennehmen. Entscheide sich der Auftraggeber dagegen für die Bürgschaft, müsse er den Sicherheitseinbehalt auszahlen. Da vorliegend die Beklagte die Bürgschaft entgegengenommen und sich trotzdem geweigert habe, den Bareinbehalt auszuzahlen, bleibe es bei dem Austauschrecht der Klägerin. Die Beklagte sei daher verpflichtet, den Bareinbehalt auszuzahlen.

Gegen dieses ihr am 10.10.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 8.11.2005 Berufung eingelegt und diese mit einem am 8.12.2005 eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie trägt vor:

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils, insbesondere diejenigen des § 301 Abs. 1 S. 2 ZPO seien nicht gegeben. Ein Teilurteil sei nur dann zulässig, wenn ein teilbarer Anspruch vorliege. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor.

Der Klägerin stehe auch der zuerkannte Anspruch nicht zu, da nicht die Beklagte der Klägerin irgend etwas schulde, sondern vielmehr die Beklagte wegen der vorhandenen Mängel gegen die Klägerin einen Anspruch in Höhe von 81.671,62 € habe.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Teilurteil vom 5.10.2005 aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

B.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig gemäß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO; sie hat auch insoweit Erfolg, als das Teilurteil des Landgerichts vom 5.10.2005 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen war.

Das angefochtene Teilurteil ist unzulässig.

Ausgehend von dem Gebot der Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussurteil ist der Erlass eines Teilurteils nur zulässig, wenn die Entscheidung über den Teil unabhängig davon ist, wie das Schlussurteil über den Rest des noch anhängigen Streitgegenstandes entscheidet (stRspr, vgl. BGHZ 107, 242, 244; NJW 1997,1710; NJW 1999, 1035; NJW 2000, 3716; NJW 2001, 79); es darf nicht die Gefahr bestehen, dass es im Teil- und Schlussurteil zu widersprüchlichen Entscheidungen kommt (vgl. BGHZ 107, 242; 120, 380; 139, 117; NJW 2000, 958; NJW 2001, 79, 760; NJW 2002, 302). Hierbei ist Widersprüchlichkeit nicht als Rechtskraftkonflikt zu verstehen; Widersprüchlichkeit ist vielmehr im weiteren Sinne zu sehen. So darf die Entscheidung des Rechtsstreits nicht eine Vorfrage für den erledigten Teil umfassen (vgl. BGH NJW 1997, 454; NJW-RR 2003, 303; FamRZ 2002, 1097). In die Beurteilung der Widerspruchsfreiheit ist die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung im Instanzenzug einzubeziehen (vgl. BGH NJW 1991, 2699; NJW 1996, 1478; NJW 1999, 1035, 1719; FamRZ 2002, 1097, vgl. auch insgesamt Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 301 Rdnr. 7).

Unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze ist das Teilurteil vom 5.10. 2005 unzulässig. Der Sicherheitseinbehalt, den das Landgericht der Klägerin zuerkannt hat, ist Teil der insgesamt verlangten (Rest-) Werklohnforderung. Voraussetzung für die Fälligkeit einer Werklohnforderung ist sowohl beim BGB- Werkvertrag als auch beim - hier vorliegenden - VOB-Vertrag (vgl. Anlage K 4) die Abnahme der Leistung (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Auflage, B § 12 Rdnr. 10). Gemäß C II Ziffer 23.1 der Besonderen Vertragsbedingungen (vgl. Anlage K 1) war zwischen den Parteien eine förmliche Abnahme vereinbart; § 12 Nr. 5 VOB/B ist dort ausdrücklich ausgeschlossen. Da unstreitig eine förmliche Abnahme im Sinne des § 12 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B nicht stattgefunden hat, stellt sich insoweit die Frage, ob Umstände vorliegen, die gleichwohl die Abnahmewirkungen herbeigeführt haben bzw. ob die Durchführung der vertraglich vorgesehenen förmlichen Abnahme aus sonstigen Gründen womöglich entbehrlich ist. Dieser Punkt stellt sich als Vorfrage sowohl im Hinblick auf die Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes als auch der Werklohnforderung im übrigen. Da nämlich der Sicherheitseinbehalt Teil der Werklohnforderung insgesamt ist, ist er an die gleichen Voraussetzungen geknüpft wie die Forderung im übrigen. Lediglich die Berechtigung des Auftraggebers, diesen Teil der Werklohnforderung aufgrund der Sicherungsabrede einzubehalten, ist wegen der Stellung der Gewährleistungsbürgschaft entfallen. Die Fälligkeitsvoraussetzungen sind jedoch für den Werklohnanspruch insgesamt einheitlich festzustellen (vgl. speziell zur Frage der Abnahme BGH NJW 1997, 453).

Durch die Aufspaltung der Werklohnforderung aufgrund des Teilurteils besteht vorliegend die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen in dem Sinne, dass Fälligkeit einmal bejaht, einmal verneint werden kann. Insoweit ist unerheblich, dass die erkennende Richterin am Landgericht auf dem Standpunkt steht, eine Abnahme habe stattgefunden (vgl. dazu Ziffer II des Beschlusses vom 5.10.2005 = Bl. 1152 d. A.). Dies ist vorliegend nicht entscheidend, da damit die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen nicht ausgeräumt ist. So kann die Zuständigkeit wechseln, die Rechtsauffassung des Gerichts ebenso, es kann neuer Sachvortrag erfolgen etc.. Zudem ist, wie bereits dargestellt, auch die Möglichkeit widersprüchlicher Entscheidungen im Instanzenzug zu berücksichtigen.

Es kann dahinstehen, ob eine abweichende Beurteilung dann gerechtfertigt wäre, wenn die Parteien im Hinblick auf die Abnahme klare, in der rechtlichen Bewertung übereinstimmende, Standpunkte einnähmen (so offenbar in dem der Entscheidung BGH NJW 2001, 3629 zu Grunde liegenden Sachverhalt). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Insoweit kann auf die diesbezügliche Darstellung des Landgerichts im Tatbestand des angefochtenen Teilurteils (Seite 6 = Bl. 1138 d. A., Seite 12 = Bl. 1144 d. A.) verwiesen werden. Der Klägerin ist zuzugeben, dass die Beklagte auch, nämlich im Schriftsatz vom 7.9.2005, erklärt hat, es sei "nur im Rahmen des Abnahmeschreibens B 13 vom 14.9. 2001" abgenommen worden (vgl. Bl. 1067 d. A.). Dies allein ist noch nicht geeignet, vorliegend die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen auszuschließen. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine wirksame Abnahme vorliegt oder nicht, hat, vor allem, wenn - wie hier - förmliche Abnahme vereinbart ist, eine rechtliche Bewertung zu erfolgen; dieser Punkt unterliegt daher nur eingeschränkt der Dispositionsbefugnis der Parteien und ist von daher auch nicht ohne Weiteres einem Geständnis (§ 288 ZPO) zugänglich. Zudem war der Standpunkt, den die Beklagte insoweit im Laufe des Rechtsstreits eingenommen hat, durchaus nicht einheitlich, wie die oben erwähnte Darstellung im Tatbestand des Teilurteils einerseits und der oben in Bezug genommene Schriftsatz andederseits zeigen. Insoweit ist auch auf den Schriftsatz der Beklagten vom 2.8.2006 zu verweisen. Dort vertritt die Beklagte die Ansicht, die Beweislast für die Mängelfreiheit treffe die Klägerin; dies aber wäre nur dann richtig, wenn gerade keine Abnahme im Rechtssinne erfolgt ist. Dies lässt den Eindruck entstehen, als wolle die Beklagte ihren im Schriftsatz vom 7.9.2005 vertretenen Standpunkt erneut revidieren. Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ist somit auch durch den Schriftsatz der Beklagten vom 7.9.2005 nicht ausgeräumt.

Hiernach war gemäß § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO das Teilurteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

C.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens war dem Landgericht vorzubehalten (vgl. dazu Zöller - Gummer/Heßler, aaO, § 539 Rdnr. 58).

Aufhebende und zurückverweisende Urteile sind für vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. Zöller - Gummer/Heßler, aaO, § 538 Rdnr. 59, § 708 Rdnr. 12). Mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen war die Revision nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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