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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 24.07.2001
Aktenzeichen: 1 U 901/01
Rechtsgebiete: UWG, BGB, HGB, ZPO


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 17 Abs. 2
BGB § 823
BGB § 826
BGB § 1004 Abs. 1
HGB § 90
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 901/01

Verkündet am 24. Juli 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 12 Juni 2002 unter Mitwirkung des Richters am Oberlandesgericht Dr. Gehrlein als Vorsitzenden, des Richters am Oberlandesgericht Schmidt sowie der Richterin am Oberlandesgericht Fritsch-Scherer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 17. Oktober 2001 verkündete Teilurteil des Landgerichts in Saarbrücken - 7 I O 156/00 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 EURO vorläufig vollstreckbar.

4. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer der Klägerin wird auf 20.451,68 EURO (= 40 000 DM) festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin und weitere Schwestergesellschaften befassten sich mit dem Vertrieb von Weinen, Schaumweinen, Spirituosen und Fruchtsäften. Die Beklagten zu 1. und 2. betrieben mit dem inzwischen verstorbenen Beklagten zu 3., gegen den das Verfahren unterbrochen ist, in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts das. In einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Saarbrücken (33 Js 1038/98) wurden die Geschäftsräume des und der Beklagten zu 1. und 3. durchsucht. Beim Beklagten zu 1. wurden Kundenlisten der Firma und dem Beklagten zu 3. Kundenlisten der Firma aufgefunden. Beide Gesellschaften haben die Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits auf Unterlassung der Verwertung ihrer Kundenlisten, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.

Mit der Behauptung, die Beklagten verwerteten auch ihre eigene Kundenliste, hat die Klägerin die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat beantragt (Bl. 103, 74, 2 d.A),

den Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu untersagen, Kundenanschriften der Klägerin zwecks Verkauf von Wein, Schaumwein, Spirituosen und Fruchtsäften zu verwerten oder verwerten zu lassen oder an Dritte weiterzugeben, die sich auf Originalkundenaufträgen auf Bestellformularen der Klägerin oder in Form von Kundenlisten im Jahre 1998 und 1999 im Besitz des nunmehr befanden bzw. noch befinden.

Durch das angefochtene Teilurteil (Bl. 106-111 d.A.), auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Landgerichts ist weder eine Wiederholungsgefahr noch eine Erstbegehungsgefahr gegeben, weil nicht nachgewiesen sei, dass die Beklagten in der Vergangenheit Kundenanschriften der Klägerin verwendet hätten oder die Absicht hegten, künftig Kundenanschriften der Klägerin zu verwerten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die im Blick auf die in dem Parallelverfahren gewonnenen Beweisergebnisse eine Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr als begründet erachtet.

Die Klägerin beantragt (Bl. 220, 150 d.A.),

den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Teilurteils bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 255.646,94 EURO, ersatzweise Ordnunghaft von bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu untersagen, Kundenanschriften der Klägerin zwecks Verkauf von Wein, Schaumwein, Spirituosen und Fruchtsäften zu verwerten oder verwerten zu lassen oder an Dritte weiterzugeben, die sich auf Originalkundenaufträgen, auf Bestellformularen der Klägerin oder in Form von Kundenlisten im Jahre 1998 und 1999 im Besitz des nunmehr befanden bzw. befinden.

Die Beklagten treten dem Berufungsvorbringen entgegen und beantragen

die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung der Klägerin ist zulässig, bleibt aber aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung in der Sache ohne Erfolg.

I.

Die Ansprüche der Klägerin auf Unterlassung der Verwertung ihrer Kundendaten (§§ 1, 17 UWG) sind unbegründet, weil konkrete Verwertungshandlungen als Voraussetzung einer Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr nicht erwiesen sind.

1. Eine Verletzung der Strafvorschrift des § 17 Abs. 2 UWG verstößt immer gegen die guten Sitten, so dass ein Anspruch unmittelbar aus § 1 UWG, aber auch aus §§ 823, 826 BGB in Betracht kommt. Überdies widerspricht es ohne weiteres der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns, wenn sich der Handelsvertreter unter Verstoß gegen § 17 Abs. 2 UWG Aufzeichnungen aus der ihm von seinem Unternehmen überlassenen Kundenkartei zum Zwecke der Verwertung im Wettbewerb für ein Konkurrenzunternehmen gemacht hat (BGH NJW-RR 1999, 1131 f.). Der durch § 17 Abs. 2 UWG und nicht § 90 HGB eröffnete Anspruch ist hinsichtlich sämtlicher Kunden begründet, gleich ob es sich um Stammkunden oder sonstige Kunden der Klägerin handelt. Dem Handelsvertreter ist es nach der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs versagt, unter Verstoß gegen § 17 Abs. 2 UWG Aufzeichnungen aus der Kundenkartei seines Unternehmens zum Zwecke der Verwertung im Wettbewerb zu machen (BGH NJW-RR 1999, 1131 f). Dabei geht es nämlich nicht um die Verwertung von Kundenadressen, die dem Handelsvertreter bei seinem Ausscheiden im Gedächtnis geblieben waren. Greift der Handelsvertreter unter Verstoß gegen § 17 Abs. 2 UWG auf Kundenlisten seines früheren Unternehmens zurück, so ist ihm jegliche Verwertung untersagt (BGH a.a.O.).

2. Jedoch ist nicht nachgewiesen, dass die Beklagten in rechtswidriger Weise erlangte Kundenlisten auch tatsächlich verwertet haben oder aber eine Verwertung unmittelbar bevorsteht.

a) Die Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr ist sowohl beim wettbewerbsrechtlichen als auch beim bürgerlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., UWG Einl. Rn. 206 f.). Während die Wiederholungsgefahr an eine bereits erfolgte Verletzungshandlung anknüpft, setzt eine Erstbegehungsgefahr voraus, dass tatsächliche Umstände die Annahme einer ernstlich drohenden unmittelbar bevorstehenden Gefahr begründen. Die bloß theoretische Möglichkeit der Begehung genügt indes nicht. Vielmehr müssen greifbare Anhaltspunkte für eine in naher Zukunft bevorstehende Verletzungshandlung vorliegen (BGH GRUR 1994, 57; 1991, 607).

b) Unter einer Verwertung ist mehr als das bloße Innehaben des Geheimnisses zu verstehen (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 17 UWG Rn. 37). Verwertung umfasst jede wirtschaftliche Nutzung zur Gewinnerzielung oder Kostensenkung (Köhler in: Köhler/Piper, UWG 2. Aufl., § 17 Rn. 34). Eine Nutzung zwecks Gewinnerzielung setzt zumindest voraus, dass die Kundendaten in die eigene Kundenliste der Beklagten eingespeist oder konkrete Kontakte mit den Kunden zwecks Abschluss von Geschäften angebahnt wurden. Entsprechende Feststellungen für die Annahme einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr konnten jedoch im Blick auf die Klägerin nicht getroffen werden.

c) Der Senat ist der Überzeugung, dass die Beklagten Kundenanschriften von Schwesterunternehmen der Klägerin verwertet haben. Deswegen wurde in dem Verfahren 1 UH 836/01-191-, in dem das Landgericht die Beklagten zur Unterlassung und Auskunftserteilung verurteilt sowie ihre Schadensersatzpflicht festgestellt hat, der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt. Sicherlich besteht auf Grund des dolosen Verhaltens gegenüber den Schwestegesellschaften der naheliegende Verdacht, dass sich die Beklagten auch Kundenanschriften der Klägerin angeeignet und verwertet haben. Der bloße Verdacht hat sich indes nicht zur notwendigen Überzeugung des Senats erhärtet. Selbst wenn man die Aussage des Zeugen als zutreffend zu Grunde legt, verfügten die Beklagten lediglich über drei Originalaufträge der Klägerin (Bl. 63-65 d.A.), die dem Zeugen zwecks Vernichtung übergeben wurden. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Beklagten über die Innehabung dieses Geheimnisses hinaus die Kundenanschriften tatsächlich verwertet, also zum Zwecke der Gewinnerzielung eingesetzt haben. Dies würde zumindest voraussetzen, dass die Kundendaten in die eigene Datei der Beklagten und die des zur Vorbereitung einer Kontaktaufnahme eingegeben oder weitergehend mit ihrer Hufe Kontakte zwecks Abschluss von Geschäften aufgenommen wurden.

d) Davon kann indes nicht ausgegangen werden.

aa)

Zum einen ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten ihre Kundendatei aufgrund der ihnen bekannt gewordenen Aufträge um Kundennamen der Klägerin ergänzt haben. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die drei konkret von der Klägerin stammenden Kundenaufträge (Bl. 63 ff. d.A.) durch Übernahme der Kundennamen Eingang in die Kundenliste der Beklagten gefunden haben. Ferner konnten die insoweit vernommenen Zeugen und nicht bestätigen, dass sonstige Kundenlisten der Klägerin beim Aufbau der eigenen Kundendatei durch die Beklagten verwendet wurden. Gewisse Übereinstimmungen der Kundenlisten können zufällig sein und ermöglichen, weil es insoweit am Nachweis der Übernahme konkreter Auftragsschreiben fehlt, nicht den hinreichend sicheren Schluss auf tatsächliche Verwertungshandlungen.

bb)

Ebenso ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten an ihnen auf unlautere Weise mitgeteilte Kunden der Klägerin zwecks Anbahnung von Geschäftskontakten herangetreten sind. Im Unterschied zu einzelnen Parallelverfahren ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit Werbeschreiben an die ihnen durch die Auftragsformulare der Klägerin bekannt gewordenen Kunden gerichtet haben. Insoweit haben die Beklagten unwiderlegt vorgetragen, sich außerhalb des Saarlandes nicht mit Weinhandel zu befassen.

cc)

Mithin fehlt es an konkreten Verwertungshandlungen als Anknüpfungspunkt; für eine Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagten die drei Kundenadressen der Klägerin ausgesondert haben, weil sie im Bereich von Sachsen-Anhalt keine gewerblichen Tätigkeiten entfalten.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, während die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO beruht.

Von einer Zulassung der Revision wurde abgesehen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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