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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 06.02.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 18/07
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 57 Abs. 1
StPO § 28 Abs. 2 S. 2
StPO § 454
Die an Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern gemäß § 57 Abs. 1 StGB i.V.m. § 454 StPO mitwirkenden Richter sind nicht "erkennende Richter" im Sinne der ihrem Zweck nach auf die strafrechtliche Hauptverhandlung beschränkten Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung eines Mitglieds der Strafvollstreckungskammer als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, ist daher zulässig.

Dem Fehlen der Begründung für die Ablehnung (§ 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO) steht der Fall gleich, dass die Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist.


SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

1 Ws 18/07

Strafvollstreckungssache

wegen Vergewaltigung Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten vom 23. Januar 2007 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer II des Landgerichts Saarbrücken vom 12. Januar 2007 hat der 1. Strafsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken am 6. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Balbier die Richterin am Oberlandesgericht Burmeister den Richter am Oberlandesgericht Wiesen nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Landgericht Saarbrücken - 1. Strafkammer - hatte den Beschwerdeführer am 12. Februar 2003 wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person sowie wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Nach Anrechnung von Untersuchungshaft waren 2/3 dieser Strafe am 12. Januar 2007 verbüßt. Im Verfahren zur Überprüfung der Aussetzungsreife gemäß § 57 Abs. 1 StGB i.V.m. § 454 StPO war Termin zur mündlichen Anhörung des Untergebrachten vor der Strafvollstreckungskammer bestimmt auf den 12. Januar 2007. In diesem Termin hat der Beschwerdeführer die zur Mitwirkung berufene Richterin am Landgericht S.- B. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Kammer den Befangenheitsantrag unter Mitwirkung der abgelehnten Richterin als unzulässig zurückgewiesen. Gegen den ihm am 17. Januar 2007 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte mit am 24. Januar 2007 eingegangenem Schreiben vom 23. Januar 2007 sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 28 Abs. 2 S. 1, 311 Abs. 1, 2 StPO).

Dem steht § 28 Abs. 2 S. 2 StPO nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 2. Februar 2006 - 1 Ws 20/06 - und 24. Oktober 2006 - 1 Ws 234/06 -) nicht entgegen.

Nach dieser Vorschrift kann der Beschluss, durch den die Ablehnung als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden, wenn die Entscheidung einen erkennenden Richter betrifft. Erkennender Richter i. S. dieser Bestimmung ist der zur Mitwirkung in der Hauptverhandlung berufene Richter (vgl. LR-Siolek, StPO, 26.A., § 28 Rn. 12; Meyer-Goßner, StPO, 49. A., § 28 Rn. 6; LR-Wendisch, StPO, 25. A., § 28 Rn. 12; m.w.N). Diese Regelung, die eine Ausnahme von der in § 28 Abs. 2 S. 1 StPO für den Regelfall normierten isolierten Anfechtbarkeit vorsieht, dient der Prozesswirtschaftlichkeit (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 28 Rn. 5). Es soll verhindert werden, dass eine anberaumte oder begonnene Hauptverhandlung infolge eines Ablehnungsverfahrens mit sich anschließendem Beschwerdeverfahren nicht durchgeführt werden kann.

Eine vergleichbare Interessenlage ist bei einem Verfahren nach § 57 StGB i.V.m. § 454 Abs. 1 StPO nicht gegeben. Anders als im Hauptverfahren gibt es kein staatliches Interesse an zügiger Erledigung des Vollstreckungsverfahrens auch gegen den Willen des Verurteilten. Von daher besteht schon kein Anlass, die Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO in Vollstreckungsverfahren entsprechend anzuwenden, wie dies in der Rechtsprechung zum Teil geschieht (vgl. die Nachweise bei LR-Siolek, a.a.O., Rn. 16 sowie OLG Düsseldorf NStZ 1987, 290 mit ablehnender, nach Auffassung des Senats aber zutreffender Anmerkung Chlosta; Brandenburgisches OLG NStZ 2005, 296; KG Beschl. vom 22. Januar 2003 - 1 AR 63/03 pp. - zit. nach juris, jeweils m.w.N.).

Gegen eine ausdehnende Anwendung des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO sprechen überdies der Wortlaut und die gesetzliche Systematik des Regel- und Ausnahmetatbestandes.

Auch die Frage, ob § 28 Abs. 2 S. 2 StPO wegen der Ausgestaltung des dortigen Rechtsbeschwerdeverfahrens auf Beschlüsse der Strafvollstreckungskammern in Strafvollzugssachen anzuwenden ist (vgl. OLG Hamburg ZfStrVo 2005, 245; OLG Celle NStZ-RR 1999, 62; OLG Koblenz NStZ 1986, 384; OLG Stuttgart NStZ 1985, 524; OLG Hamm NStZ 1982, 352; a.A. OLG Nürnberg NStZ 1988, 476), die der Senat vorliegend nicht zu entscheiden braucht, besagt nichts für dessen Anwendungsbereich im Rahmen der Strafprozessordnung.

Dasselbe gilt für die Gründe, aus denen § 305 S. 1 StPO in Verfahren der Strafvollstreckungskammern nach §§ 463 Abs. 3, 454 Abs. 1 StPO oder nach §§ 109, 120 StVollzG für anwendbar gehalten wird (vgl. OLG Hamm NStZ 1987, 93; KG NStZ 2001, 448), denn § 28 Abs. 2 S. 2 und § 305 S. 1 StPO verfolgen verschiedene Zwecke und haben unterschiedliche Regelungsinhalte. Bei § 305 S. 1 StPO geht es um die Wahrung der Entscheidungssouveränität des erkennenden Gerichts (vgl. KK-Engelhardt, StPO, 5. A., § 305 Rn. 1), während § 28 Abs. 2 S. 2 StPO ausschließlich der Abwehr von Verfahrensverzögerungen gilt. Ob ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen, lässt sich grundsätzlich in jeder Lage des Verfahrens überprüfen, ohne dass damit ein Eingriff in die Befugnisse des erkennenden Gerichts verbunden ist (vgl. Chlosta, NStZ 1987, 291, 292). Diese Überprüfung dient allein der Feststellung, ob die Richterbank ordnungsgemäß besetzt ist und sollte im Interesse der Verfahrensförderung nur ausnahmsweise zurückgestellt werden können. Nach Auffassung des Senats hat es daher für das Vollstreckungsverfahren bei der isolierten Anfechtbarkeit des Beschlusses nach § 28 Abs. 1 S. 1 StPO zu verbleiben.

2. Die danach zulässige sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Die Strafvollstreckungskammer hat den Befangenheitsantrag unter Mitwirkung der abgelehnten Richterin zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, weil seine Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist.

Nach § 26a StPO hat das Gericht die Ablehnung eines Richters u.a. dann als unzulässig zu verwerfen (§ 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO), wenn ein Grund zur Ablehnung nicht angegeben wird. Dem Fehlen der Begründung steht der Fall gleich, dass die Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist (BGH NStZ 1999, 311; NStZ-RR 2002, 66; BGHSt 50, 216, 220; StraFo 2006, 452; BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 2, 3; als verfassungsrechtlich unbedenklich bewertet von BVerfG NJW 1995, 2912, 2913; NJW 2005, 3410).

Das ist hier - auch bei Anlegung der gebotenen strengen Maßstäbe bei der Abgrenzung zu "offensichtlich unbegründeten Ablehnungsgesuchen", die von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht erfasst werden, sondern nach § 27 StPO zu behandeln sind, und nach vollständiger Erfassung und wohlwollender Auslegung des Antragsvorbringens (vgl. BVerfG - Kammer - StraFo 2006, 232, 235) - der Fall.

Der Verurteilte begründet sein Gesuch, wegen dessen Einzelheiten auf das Protokoll Bl. 213 f. und die Beschwerdebegründung Bl. 220 d.A. verwiesen wird, in allgemeiner Form mit einer Entscheidung der abgelehnten Richterin in einer - mit der hiesigen Strafvollstreckungssache in keiner Weise zusammenhängenden - Strafvollzugssache, in der diese einen von ihm gestellten Antrag zurückgewiesen habe. Im übrigen hält er das Urteil des Landgerichts vom 12. Februar 2003 für "rechtsunwirksam" und wirft jedem Justizbediensteten, der sich auf dieses Urteil beruft, strafbare Handlungen vor (vgl. die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 10. August 2006, B. 193 ff. d.A.).

Diesem Vorbringen ist kein Umstand zu entnehmen, der nach § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO geeignet wäre, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Bei der Entscheidung über einen an die Strafvollstreckungskammer gerichteten Antrag gemäß § 109 StVollzG handelt es sich bereits nach dem Antragsvorbringen nicht um richterliche Vortätigkeit in derselben Sache, die überdies nur nach den eng auszulegenden Ausnahmevorschriften der §§ 22 Nr. 4, 23, 148a Abs. 2 S. 1 StPO zum Ausschluss des Richters kraft Gesetzes führen würden. An dem die Grundlage der Strafvollstreckung bildenden Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 12. Februar 2003 hat die abgelehnte Richterin nicht mitgewirkt. Von dem Verurteilten gestellte Wiederaufnahmeanträge sind ohne Erfolg geblieben.

Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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