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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 05.12.2006
Aktenzeichen: 2 UF 18/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, VAHRG


Vorschriften:

ZPO § 517
ZPO § 520
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3
ZPO § 629 a Abs. 2
BGB § 242
VAHRG § 5
Nur - wie hier bejahten - Nichtigkeit eines notariellen Ehevertrages betreffend den Ausschluss des Versorgungsausgleiches.
Saarländisches Oberlandesgericht Beschluss

2 UF 18/06

In der Familiensache

wegen Ehescheidung

hier: Folgesache Versorgungsausgleich

hat der 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen III - des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Kockler sowie die Richter am Oberlandesgericht Sittenauer und Neuerburg

am 5. Dezember 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen Ziffer 2) des am 1. Juni 2006 verkündeten Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - in Völklingen - 8 F 336/05 S - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

Dem Antragsteller wird die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für die Beschwerde verweigert.

Der Antragsgegnerin wird mit Wirkung ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeinstanz bewilligt und Rechtsanwältin, , beigeordnet.

Gründe:

I.

Der am Januar 1955 geborene Antragsteller und die am Januar 1965 geborene Antragsgegnerin haben am 16. Januar 1992 die Ehe geschlossen, aus der zwei Kinder - die am Januar 1992 geborene Ta. und der am November 1998 geborene To. - hervorgegangen sind. Die Antragsgegnerin hat eine am Juli 1985 geborene Tochter mit in die Ehe gebracht. Der Scheidungsantrag des Antragstellers wurde der Antragsgegnerin am 6. August 2005 zugestellt.

In einem am 14. Januar 1992 geschlossenen notariellen Ehevertrag - UR-Nr. des Notars Dr. R. in - haben die Parteien Gütertrennung vereinbart und für den Fall der Scheidung wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt - auch für den Fall der Not, Berufs- und/oder Erwerbsunfähigkeit - verzichtet sowie den Versorgungsausgleich ausgeschlossen.

Während der Ehezeit vom 1. Januar 1992 bis 31. Juli 2005 (§ 1587 Abs. 2 BGB) haben beide Parteien Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Antragsteller bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See in Höhe von 1.041,47 EUR und die Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Saarland in Höhe von 162,87 EUR - jeweils monatlich und bezogen auf den 31. Juli 2005 -, erworben.

Durch das angefochtene Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden (Ziffer 1). Den Versorgungsausgleich hat es dahin geregelt, dass es von dem Versicherungskonto des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 439,30 EUR, bezogen auf den 31. Juli 2005, auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Saarland übertragen und die Umrechnung in Entgeltpunkte angeordnet hat (Ziffer 2).

Mit seinem als Berufung bezeichneten Rechtsmittel, für das er um Bewilligung von Prozesskostenhilfe bittet, wendet sich der Antragsteller gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich. Er erstrebt die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.

Die Antragsgegnerin bittet um Zurückweisung der Beschwerde und um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug.

II.

Das als gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 Abs. 1 Nr. 6, 621 e Abs. 1 und 3, 517, 520 ZPO statthafte Beschwerde gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich zu behandelnde und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel des Antragstellers bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Dass das Familiengericht den Ausschluss des Versorgungsausgleichs in dem zwei Tage vor der Eheschließung und weitere zehn Tage vor der Geburt des gemeinsamen Kindes geschlossenen notariellen Ehevertrag als sittenwidrig und nichtig (§ 138 BGB) angesehen hat, ist nicht zu beanstanden und hält den Beschwerdeangriffen stand.

Die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen in vertraglichen Vereinbarungen findet ihre Grenze, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten - bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - unter verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint (zum ganzen BGH, FamRZ 2005, 1444; FamRZ 2005, 1452; FamRZ 2004, 601). Dabei wiegen die Belastungen des einen Ehegatten um so schwerer und bedürfen die Belange des anderen Ehegatten um so genauerer Prüfung, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift. Zu diesem Kernbereich gehört in erster Linie der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB), unterhalb dessen dem Krankheitsunterhalt (§ 1572 BGB) und dem Unterhalt wegen Alters (§ 1571 BGB) Vorrang gegenüber den anderen Unterhaltstatbeständen zukommt. Der Versorgungsausgleich, der einerseits als vorweggenommener Altersunterhalt zu werten, andererseits aber auch dem Zugewinnausgleich verwandt ist, rangiert auf der selben Stufe wie der Altersunterhalt. Dabei ist zunächst - im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle (BGH, a.a.O.) - zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der zukünftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). So liegt der Fall hier, wie das Familiengericht zu Recht und mit zutreffender Begründung, die nicht mit erheblichem Beschwerdevorbringen in Frage gestellt wird, angenommen hat.

Der im notariellen Ehevertrag der Parteien vereinbarte Globalverzicht auf den Versorgungsausgleich sowie jeglichen nachehelichen Unterhalt einschließlich des Betreuungsunterhalts (§ 1570 BGB) und des Altersvorsorgeunterhalts (§ 1578 Abs. 3 BGB), der als Bestandteil des Lebensbedarfs dann gleichen Rang mit dem jeweiligen Unterhaltstatbestand haben kann, wenn damit ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden sollen, hält einer Inhaltskontrolle im Lichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, a.a.O.) nicht stand, weil dadurch Regelungen - und zwar auch aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts - ganz oder zu erheblichen Teilen abbedungen sind, ohne dass der hierdurch bedingte Nachteil durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch besondere Umstände gerechtfertigt wird (BGH, a.a.O.). Zu Recht hat das Familiengericht in der vorzunehmenden Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss dabei insbesondere darauf abgestellt, dass nach dem geplanten Zuschnitt der Ehe der Antragsteller weiter seiner Erwerbstätigkeit nachgehen und damit als Alleinverdiener das Familieneinkommen erzielen sowie Rentenanwartschaften erwerben sollte, während eine nennenswerte Erwerbstätigkeit der im Übrigen auch nicht erkennbar über Vermögen verfügenden Antragsgegnerin - die arbeitslos und ohne abgeschlossene Berufsausbildung war und bereits das bei ihr lebende sechsjährige Kind aus einer früheren Verbindung zu betreuen hatte - wegen der von ihr zu übernehmenden Haushaltsführung und der Betreuung des erwarteten gemeinsamen Kindes zum damaligen Zeitpunkt nicht geplant war und bis auf Weiteres auch nicht erwartet werden konnte. Weder kann der gleichzeitige Verzicht des Antragstellers auf Unterhalt und Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung dieser wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Parteien zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses als derartiger Vorteil gewertet werden, noch sind anderweitige Umstände erkennbar, die der Annahme einer einseitigen Benachteiligung der Antragsgegnerin durch den Ehevertrag entgegen stehen könnten.

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Sicht. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin bei Abschluss des Ehevertrages hochschwanger war, begründet zwar für sich allein noch nicht dessen Sittenwidrigkeit, indiziert aber jedenfalls auch in subjektiver Hinsicht eine ungleiche Verhandlungsposition und damit eine Disparität bei Vertragsabschluss (BGH, FamRZ 2005, 1444). Diese wird - in Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung - auch nach Wertung des Senats im Streitfall allein dadurch, dass die Initiative zur Eheschließung von der Antragsgegnerin ausgegangen war, nicht in Frage gestellt. Dass die Antragsgegnerin ihn demgegenüber - wie der Antragsteller behauptet - unter Druck gesetzt habe und die Ehe nur unter der Prämisse "Heirat gegen gemeinsame elterliche Sorge" geschlossen worden sei, wird von der Antragsgegnerin auch zweitinstanzlich nachhaltig bestritten, ist vom Antragsteller nicht mit substantiiertem Tatsachenvortrag erhärtet und unter Beweis gestellt und findet auch in der notariellen Vereinbarung keinen Anhalt. Der von der Beschwerde betonte Umstand, dass die zehn Jahre jüngere Antragsgegnerin noch mehr als zwanzig Jahre versicherungspflichtig arbeiten und Rentenanwartschaften erwerben könne, ändert nichts daran, dass die Antragsgegnerin bei Umsetzung der ehevertraglichen Regelung dauerhaft mit der auf die Zeit der Kinderbetreuung entfallenden und durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs nebst Betreuungs- und Vorsorgeunterhalts verfestigten "Versorgungslücke" belastet würde.

Da der ehevertragliche Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach alldem keinen Bestand hat, ist für eine Ausübungskontrolle nach § 242 BGB, die sich nicht nur an den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern entscheidend vielmehr daran orientiert, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten unzumutbar ist, kein Raum. Auf den nachträglichen Erwerb eines Familienheims zu hälftigem Miteigentum kommt es bei dieser Sachlage im Ergebnis ebenso wenig entscheidend an wie auf den behaupteten Abschluss einer Lebensversicherung zu Gunsten der Antragsgegnerin - den diese auch zweitinstanzlich nachhaltig bestreitet -, wobei sich letztlich auch die Werthaltigkeit dieser Vermögensgegenstände für Zwecke der Alterssicherung der Antragsgegnerin mangels substantiierten Sachvortrages einer Beurteilung durch den Senat entziehen würde. Auch eine vom Antragsteller befürchtete, allenfalls im Rahmen der Ausübungskontrolle zu beachtende versorgungsausgleichsbedingte Rentenkürzung führt bei der gegebenen Sachlage nicht zu einer dem Antragsteller günstigeren Beurteilung, zumal sie mit Rücksicht auf die Nichtigkeit auch des Unterhaltsverzichts in Ansehung von § 5 VAHRG derzeit nicht in Betracht kommen dürfte.

Die auf der Grundlage der unangegriffenen und zu keinen Bedenken Anlass bietenden Versorgungsauskünfte der beteiligten Rentenversicherungsträger getroffene Ausgleichsentscheidung selbst wird von den Parteien nicht angegriffen und ist auch nicht zu beanstanden.

Nach alldem hat der angefochtene Beschluss Bestand.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, 49 Nr. 1 GKG.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO).

Für die nicht hinreichend aussichtsreiche Beschwerde kann dem Antragsteller die nachgesuchte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden (§ 114 ZPO).

Der Antragsgegnerin ist für die Beschwerdeinstanz ratenfreie Prozesskostenhilfe ohne Erfolgsprüfung zu bewilligen (§§ 119 Abs. 1 Satz 2, 114 ff ZPO).

Ende der Entscheidung

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