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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 25.02.2003
Aktenzeichen: 3 U 514/02
Rechtsgebiete: StGB, ZPO, StVG, BGB, PflVG, StVO


Vorschriften:

StGB § 315 c
ZPO § 516 Abs. 1
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 17
StVG § 17 Abs. 1
StVG § 18 Abs. 1 Satz 1
BGB § 823
BGB § 1006
PflVG § 3 Nr. 1
PflVG § 3 Nr. 2
StVO § 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 514/02

verkündet am 25.02.2003

In dem Rechtsstreit

wegen Schadenersatzes aus einem Verkehrsunfall

hat der 3. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11.02.2003 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Gaillard und die Richter am Oberlandesgericht Brach und Göler

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 13.08.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - Az. 9 O 148/01 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien wie folgt:

1. Gerichtskosten: Die Klägerin 3 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 97 %;

2. außergerichtliche Kosten der Parteien: die Klägerin 9 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch 91 %.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Gegenstand der Berufung sind Ansprüche wegen der Beschädigung eines - nach der Behauptung der Klägerin ihr gehörenden - BMW 320i mit dem amtlichen Kennzeichen bei einem Verkehrsunfall, der sich nach den Feststellungen des Landgerichts am 23.10.2000 gegen 18.30 Uhr auf der ... in ... ereignet hat, als der Zeuge ... mit dem BMW der Klägerin aus Richtung Ortsmitte ... in Richtung fuhr und mit dem Pkw Mitsubishi des Beklagten zu 1) mit dem amtlichen Kennzeichen ... kollidierte, der von dem Beklagten zu 2) gefahren wurde und bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert war. Zur Kollision kam es, als der Beklagte zu 2) rückwärts aus dem Grundstück ... auf die ... fuhr, um in Richtung ... weiterzufahren. Der Zeuge ... hatte vor dem Unfall Alkohol getrunken. Eine ihm um 20.14 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von 0,87 0/oo im Mittelwert. Er wurde durch Strafbefehl des Amtsgerichts Ottweiler vom 17.01.2001 wegen eines Vergehens nach § 315 c StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt (Az. 68 Js 2168/00 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken, vgl. Bl. 36 ff d.A.).

Die Klägerin hat behauptet, dass das vom Zeugen ... geführte Fahrzeug in ihrem Eigentum gestanden habe. Der Zeuge ... habe den Unfall nicht vermeiden können, weil er das Fahrzeug des Beklagten zu 1) erst aus einer Entfernung von 10m habe wahrnehmen können und weil das Fahrzeug in diesem Augenblick noch zurückgerollt sei. Die Klägerin hat den ihr entstandenen Schaden auf 12.390,64 DM beziffert und nebst 4 % Zinsen seit dem 04.04.2001 mit der vorliegenden Klage geltend gemacht (= 10.714,35 DM Reparaturkosten + 924,29 DM Sachverständigenkosten + 702,- DM Nutzungsausfall [= 6 Tage zu je 117,- DM] + 50,- DM allgemeine Kosten, Bl. 2 d.A.).

Die Beklagten haben die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und behauptet, dass sich der Beklagte zu 2), bevor er rückwärts aus dem Grundstück herausgefahren sei, vergewissert habe, dass sich kein Fahrzeug aus Richtung Ortsmitte genähert habe. Da dies nicht der Fall gewesen sei, sei er rückwärts auf die ... gefahren und habe den Vorwärtsgang eingelegt. Er habe im Vorwärtsgang bereits eine Strecke von etwa 20 bis 40 m zurückgelegt gehabt und gerade in den dritten Gang hochschalten wollen, als sich der Zeuge ... mit überhöhter Geschwindigkeit von mindestens 60 km/h statt erlaubter 50 km/h genähert habe und auf das Fahrzeug des Beklagten zu 1) aufgefahren sei.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung (Bl. 141 ff d.A.) und durch Einholung des Gutachtens des Sachverständigen ... vom 13.05.2002 (Bl. 174 ff d.A.). Es hat sodann die Beklagten durch das am 13.08.2002 verkündete Urteil - Az. 9 O 148/01 - unter Abweisung der Klage im Übrigen als Gesamtschuldner zur Zahlung von 2.984,39 € nebst 4 % Zinsen seit dem 04.04.2001 verurteilt. Es hat als erwiesen angesehen, dass die Klägerin Eigentümerin des streitgegenständlichen BMW gewesen sei. Es ist von einer Haftungsverteilung von 67 % zum Nachteil der Beklagten ausgegangen. Es hat dies damit begründet, dass die Führer beider Kraftfahrzeuge den Unfall verschuldet hätten. Der Zeuge ... habe die zulässige Geschwindigkeit um 10 km/h überschritten, was nachweislich unfallursächlich geworden sei. Der Beklagte zu 2) habe die Sorgfaltspflichten beim Herausfahren aus einem Grundstück verletzt (§§ 9 Abs. 5, 10 Satz 1 StVO). Da das Rückwärtsfahren aus einem Grundstück ein besonders hohes Maß an Rücksicht und Sorgfalt erfordere, seien die Beklagten zum Ersatz von 67 % des der Klägerin entstandenen Schadens verpflichtet. Der Höhe nach belaufe sich der Anspruch jedoch nur auf 4.454,31 € (= 3.956,16 € Reparaturkosten + 472,58 € Sachverständigenkosten + 25,56 € Kosten), so dass gemäß der Haftungsquote von 67 % ein Betrag von 2.984,39 € zu ersetzen sei. Hinsichtlich des Nutzungsausfalls sei die Klage unbegründet, weil eine Reparatur nicht nachgewiesen worden sei. Außerdem hätte es der Darlegung der Nutzungsmöglichkeit bedurft, die fraglich sei, weil dem Zeugen ... die Fahrerlaubnis entzogen gewesen sei.

Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung und die Klägerin Anschlussberufung eingelegt. Die Klägerin hat ihre Anschlussberufung nach Hinweis des Senates im Termin vom 11.02.2003 wieder zurückgenommen. Mit ihrer Berufung möchten die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen. Sie rügen, dass das Landgericht die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht habe, obwohl diese nicht nachgewiesen worden sei. Außerdem habe das Landgericht die Verursachungsanteile am Zustandekommen des streitgegenständlichen Unfalles falsch gewichtet. Eine zutreffende Abwägung hätte zur vollen Haftung der Klägerin führen müssen (Bl. 282 ff d.A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das angefochtene Urteil Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 546 ZPO) noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zu Grunde zu legenden Tatsachen (§§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, 529 Abs. 1 ZPO) eine andere Entscheidung. Über die Anschlussberufung der Klägerin war nicht mehr zu entscheiden, da diese rechtswirksam zurückgenommen worden ist, § 516 Abs. 1 ZPO.

Zutreffend ist das Landgericht nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass die Klägerin Eigentümerin des hier streitgegenständlichen BMW war, dass die Fahrer beider Fahrzeuge ein unfallursächliches Verschulden an dem Verkehrsunfall vom 23.10.2000 trifft, dass die Schadensabwägung nach § 17 Abs. 1 StVG zu einer Haftung von 67 % zum Nachteil der Beklagten führt und dass diese deshalb als Gesamtschuldner gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 823 BGB, § 3 Nr. 1 und Nr. 2 PflVG verpflichtet sind, der Klägerin 67 % des ihr entstandenen Schadens zu ersetzen. Die Angriffe der Beklagten hiergegen sind nicht begründet:

1. Ohne Erfolg wenden sich die Beklagten gegen die Annahme des Landgerichts, dass die Klägerin Eigentümerin des streitgegenständlichen BMW gewesen sei. Die Beklagten haben zunächst selbst eingeräumt, dass die Klägerin Halterin dieses Fahrzeugs war und dass es auf sie zugelassen war (Bl. 30 d.A.). Dass die Klägerin auch Eigentümerin war, hat sie durch Vorlage der Kaufvertragsurkunde nachgewiesen.

Danach hat sie das Fahrzeug am 04.04.1998 zum Preis von 28.900,- DM gekauft (Bl. 237 d.A.). Der Einwand der Beklagten, dass die Klägerin lediglich eine Kopie der Kaufvertragsurkunde vorgelegt habe und dass diese teilweise überdeckt gewesen sei (Bl. 240 f d.A.), ist nicht zutreffend. Die Klägerin hat zwar eine Kopie (Bl. 236 d.A.), zusätzlich aber auch die Originalurkunde zu den Akten gereicht (Bl. 237 d.A.). Auf der Originalurkunde ist ein Kartellen in der Größe einer Kreditkarte mit dem Aufdruck "Radiopass" aufgeklebt, das ablösbar ist. Nach Ablösung des "Radiopasses" kann festgestellt werden, dass der auf der Kaufvertragsurkunde vorgedruckte Text "Verbindliche Bestellung" gestrichen und handschriftlich durch "Kaufvertrag" ersetzt ist. Die in der Urkunde angegebene Identifikationsnummer ... stimmt mit der im Gutachten des Sachverständigen ... angegebenen (Bl. 176 d.A.) überein. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, dass das Eigentum der Klägerin nachgewiesen ist (§ 286 ZPO), ist deshalb nicht zu beanstanden.

Dieses Beweisergebnis wird entgegen der Auffassung der Beklagten (Bl. 282 d.A.) nicht durch die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB in Frage gestellt. Die Vermutung des § 1006 BGB gilt nämlich, wie sich aus dem Gesetzestext ergibt, nur zu Gunsten des Besitzers einer beweglichen Sache oder einer Person, die ihr Recht von einem nach § 1006 BGB geschützten Besitzer ableitet. Nur deren Darlegungs- und Beweislast soll erleichtert werden (Palandt/Bassenge, Kommentar zum BGB, 60. Aufl., § 1006 Rdnr. 1 m.w.N). Im Übrigen haben selbst die Beklagten nicht behauptet, dass der Fahrer des streitgegenständlichen BMW Eigentümerrechte geltend gemacht oder sich auf die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB berufen hat.

2. Hinsichtlich der Schadensabwägung nach § 17 Abs. 1 StVG ist das angefochtene Urteil ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch insoweit beruht die angefochtene Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung:

a. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts trifft den Zeugen ... als Fahrer des klägerischen Fahrzeugs ein ursächliches Verschulden, weil er die höchstzulässige Geschwindigkeit von 50 km/h um 10 km/h überschritten hat, was unfallursächlich geworden ist. Eine höhere Ausgangsgeschwindigkeit als 60 km/h, die der Zeuge ... eingeräumt hat (Bl. 142 d.A.), ist nicht bewiesen worden. Die Zeugin ... die im Unfallzeitpunkt Beifahrerin im Fahrzeug der Klägerin war, hat die Ausgangsgeschwindigkeit von 60 km/h bestätigt (Bl. 143 d.A.). Dieselben Angaben hat sie in ihrer Vernehmung im Parallelrechtsstreit vor dem Amtsgericht Ottweiler gemacht (Az. 2 C 122/01 = Bl. 104 d.A.). In Einklang hiermit stehen die Ergebnisse des im Parallelrechtsstreit erstatteten Gutachtens des Sachverständigen (Bl. 69 ff = 108 ff d.A.) sowie des vom Landgericht eingeholten Gutachtens des Sachverständigen ... (Bl. 174 ff d.A.). Der Sachverständige ... hat die Kollisionsgeschwindigkeit mit 25 - 40 km/h errechnet und ausgeführt, dass eine über 50 km/h liegende Ausgangsgeschwindigkeit nicht nachzuweisen sei, dass sie jedoch bei Zugrundelegung einer normalen Reaktionsbereitschaft sowie der Kollisionsgeschwindigkeit von 40 km/h bei etwa 60 km/h gelegen habe (Bl. 131 ff d.A.). Der Sachverständige ... ist zu ähnlichen Ergebnissen gelangt und hat das Gutachten des Sachverständigen ... als zutreffend bezeichnet (Bl. 208 d.A.).

Ob der Zeuge ... zusätzlich alkoholbedingt unaufmerksam war bzw. falsch oder zu spät reagiert hat, wie die Beklagten einwenden, ist nicht bewiesen. Hierzu hätte es der Feststellung bedurft, aus welcher Entfernung der Zeuge ... die durch das Rückwärtsfahren des Beklagten entstehende Gefahr hätte erkennen können und ob er in diesem Zeitpunkt noch unfallverhütend hätte reagieren können. In diesem Zusammenhang ist nicht die Erkennbarkeit der Rückfahrtbewegung des Beklagten zu 2), sondern der Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung an den Zeugen ... von entscheidender Bedeutung. Das ist der Zeitpunkt, in dem der Zeuge bei entsprechender Aufmerksamkeit und Fahrtüchtigkeit hätte erkennen können und müssen, dass der Beklagte zu 2) auf seine, des Zeugen, Fahrspur fahren werde. Dieser Zeitpunkt lag nach den Feststellungen des Sachverständigen ... (je nach Kollisionsort) etwa 1,2 bis 1,6 Sekunden vor der Kollision (Bl. 137 d.A.). Unter Berücksichtigung der vom Landgericht festgestellten Ausgangsgeschwindigkeit des Zeugen ... von 60 km/h war er im Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Gefahr noch etwa 20 m bis 27 m entfernt. Der Bremsweg aus einer Geschwindigkeit von 60 km/h beträgt aber bei Zugrundelegung einer Reaktions- und Bremsschwellzeit von 1 sec und einer Bremsverzögerung von 8,0 m/sec2 bereits mehr als 32 m. In diesem Zusammenhang ist nicht einmal berücksichtigt, dass sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) im Augenblick der Kollision noch in Rückwärtsbewegung befunden haben kann, was den Bremsweg des Zeugen ... weiter verkürzt hätte. Diese Berechnung zeigt, dass eine (alkoholbedingte) Unaufmerksamkeit bzw. zu späte Reaktion des Zeugen ... nicht festgestellt werden kann.

Gegen den Zeugen ... spricht auch nicht der Anscheinsbeweis dafür, dass er auf Grund seiner alkoholischen Beeinflussung nicht mehr in der Lage war, rechtzeitig oder situationsangepasst zu reagieren. Aus dem bei ihm festgestellten Blutalkoholgehalt von 0,87 0/oo (Bl. 36 d.A.) lässt sich nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, dass der Unfall auf einen alkoholbedingten Fahrfehler zurückzuführen ist. Ein Beweis des ersten Anscheins kommt bei relativer Fahruntüchtigkeit, wie sie hier gegeben war, nur dann in Betracht, wenn sich der Unfall in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet hat, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können (BGH, VersR 1955, 732; BGH, VersR 1965, 81; KG VersR 1975, 52; OLG Saarbrücken, Urteil vom 11.12.1992, Az. 3 U 90/92; Geigel/Rixecker, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl., Kap. 37 Rdnr. 40). Dass diese Voraussetzungen vorliegen und dass die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit zum Unfall beigetragen hat, bedarf des besonderen Nachweises (BGH, VersR 1966, 585). Dieser Nachweis ist aus den dargelegten Gründen nicht geführt.

Auch nach dem Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen ... ist eine (alkoholbedingte) Unaufmerksamkeit oder zu späte Reaktion des Zeugen ... weder bewiesen noch auszuschließen (BL 205 ff d.A.). Dasselbe gilt hinsichtlich des Gutachtens des Sachverständigen ...

b. Zu Recht hat das Landgericht ein unfallursächliches Verschulden des Beklagten zu 2) bejaht. Gegen ihn spricht der Anscheinsbeweis für ein Fehlverhalten nach § 10 StVO, weil er beim Herausfahren aus einem Grundstück und Hineinfahren in die Fahrbahn mit einem Fahrzeug des fließenden Verkehrs zusammengestoßen ist (OLG Saarbrücken, Urteil vom 11.12.1992, Az. 3 U 90/92; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 10 StVO, Rdnr. 11 m.w.N.). Dieser Anscheinsbeweis ist nicht entkräftet worden, was nur durch den Nachweis einer realen Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes geschehen kann (BGH, NJW-RR 1986, 323 m.w.N.; Geigel/Rixecker, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl., Kap. 37, Rdnr. 39). Einen solchen Geschehensablauf haben die Beklagten nicht nachzuweisen vermocht.

Zutreffend hat das Landgericht die Behauptung der Beklagten als widerlegt angesehen, dass es zu dem Unfall erst gekommen sei, als sich der Beklagte zu 2) nach dem Rückwärtsfahren bereits wieder in Vorwärtsbewegung befunden habe und vom 2. in den 3. Gang habe hochschalten wollen. Zwar hat die Zeugin ... diese Angaben teilweise bestätigt, wonach der Beklagte zu 2) vor der Kollision noch "ein Stückchen" vorgefahren sei (Bl. 144 d.A.). Das übrige Beweisergebnis spricht jedoch eindeutig gegen die Richtigkeit dieser Unfallschilderung. Abgesehen davon, dass sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) nach den übereinstimmenden Bekundungen der beiden Zeugen ... im Augenblick der Kollision noch in Rückwärtsbewegung befunden hat (Bl. 142, 143 d.A.), folgt dies insbesondere aus den Gutachten der Sachverständigen ... und .... Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die von dem Beklagten zu 2) und der Zeugin behauptete Vorwärtsbewegung nicht nachvollziehbar sei und gegen die festgestellten Tatsachen, insbesondere die Winkelstellung der Fahrzeuge im Kollisionszeitpunkt, spreche. Diese Winkelstellung (vgl. hierzu die Skizze Bl. 196 d.A.) sei nur erreichbar bzw. erklärbar, wenn sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) noch relativ schräg auf der Fahrbahn befunden habe. Die Behauptung des Beklagten zu 2), bereits 20 bis 40 m vorwärts gefahren zu sein, sei deshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit sei vielmehr von einer leichten Rückwärtsbewegung zum Kollisionszeitpunkt auszugehen (Bl. 200 d.A.). Mit dieser Beurteilung in Einklang stehen die Ausführungen des Sachverständigen ... wonach eine Vorwärtsbewegung des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) auf die von dem Beklagten zu 2) behauptete Wegstrecke angesichts der Kollisionswinkelstellung nicht nachzuvollziehen sei und die Schadenscharakteristik, insbesondere die Eindringtiefe am Fahrzeug des Beklagten zu 1), nur den Rückschluss zulasse, dass sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) zum Anstoßzeitpunkt entweder im Stillstand oder sogar noch in einer langsamen Rückwärtsbewegung befunden habe (Bl. 130 d.A.). Beide Gutachten bestätigen damit übereinstimmend die Richtigkeit der Bekundungen der beiden Zeugen ....

Hat sich somit das Fahrzeug des Beklagten zu 1) im Unfallzeit noch in Rückwärtsbewegung bzw. allenfalls im Stillstand befunden, hätte der Beklagte zu 2), dessen Sichtweite etwa 75 bis 85 m betrug (GA Bl. 178 d.A.), das sich nähernde Fahrzeug der Klägerin wahrnehmen müssen, wenn er vor dem Hineinfahren in die Richtungsfahrbahn Merchweiler auf den rückwärtigen Verkehr geachtet hätte. Nach den Berechnungen des Sachverständigen ... war das Fahrzeug der Klägerin bei Zugrundelegung der Geschwindigkeit des Zeugen von 60 km/h nur noch rund 28 bis 42 m entfernt, als das Fahrzeug des Beklagten zu 1) mit dem Heck die Gehwegkante überfuhr (Bl. 201 d.A.). Der Zeuge ... befand sich damit in Sichtweite und hätte von dem Beklagten zu 2) bei entsprechender Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können und müssen. Sollte der Beklagte zu 2) eine längere als die vom Sachverständigen angenommene Zeit für das Rückwärtsfahren benötigt oder noch kurze Zeit auf der Richtungsfahrbahn Merchweiler gestanden haben, könnte zwar fraglich sein, ob er das Fahrzeug der Klägerin beim Hineinfahren in die Fahrbahn bereits hätte sehen können. In diesem Falle läge sein Verschulden jedoch darin, dass er den für den fließenden Verkehr gefährlichen Rückwärtsfahrvorgang nicht mit der gebotenen Zügigkeit durchgeführt hat.

c. Die nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Schadensabwägung führt in Übereinstimmung mit dem Landgericht zu keiner für die Beklagten günstigeren Haftungsquote als 67 % zu ihren Lasten. Die deutlich überwiegende Schadensursache hat nämlich der Beklagte zu 2) gesetzt. Das Rückwärtsfahren aus einer Grundstückseinfahrt auf die Fahrbahn ist ein für den fließenden Verkehr besonders gefährlicher Fahrvorgang, der äußerste Sorgfalt erfordert (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 10 StVO, Rdnr. 10). Diese hat der Beklagte zu 2) nicht walten lassen. Er hat sich nicht so verhalten, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen war. Dies führt zu einer erheblich gesteigerten Betriebsgefahr des von ihm geführten Fahrzeugs und hat auch angesichts der Geschwindigkeitsüberschreitung des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs die überwiegende Haftung zur Folge, die mit 67 % zu Lasten der Beklagten angemessen bewertet erscheint.

Der Umstand, dass der Zeuge ... unter Alkoholeinfluss stand, war bei der Abwägung nach § 17 StVG nicht zu berücksichtigen, weil sich die Fahruntüchtigkeit nicht nachweislich unfallursächlich ausgewirkt hat. Die bloße Möglichkeit der Ursächlichkeit genügt nicht. Erforderlich ist nach überwiegender und zutreffender Ansicht vielmehr ein entsprechender Nachweis (BGH, NZV 1995, 145; KG VersR 75, 52 [53]; OLG Schleswig, VersR 75, 290; OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.04.1992, Az. 3 U 164/90 = NZV 1995,23; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 17 StVG, Rdnr. 31 m.w.N.; Hentschel/Born, Trunkenheit im Straßenverkehr, 6. Aufl., Rdnr. 675, 682 m.w.N.; Berger, VersR 1992, 168). Die gegenteilige Ansicht des OLG Celle (VersR 1988, 608) und ihm folgend des OLG Hamm (NZV 1990, 393) ist vom Bundesgerichtshof nicht gebilligt worden (BGH, NZV 1995, 145). Sie berücksichtigt nicht genügend, dass bei der Schadensabwägung nach § 17 StVG nur ein feststehender Verursachungs- bzw. Verschuldensbeitrag betriebsgefahrerhöhend herangezogen werden darf. Der Gesetzgeber hat in § 17 Abs. 1 StVG allein darauf abgestellt, inwieweit der Schaden von dem einem oder anderen Teil verursacht worden ist. Auch ein etwaiger Verursachungsbeitrag eines absolut fahruntüchtigen Kraftfahrers muss festgestellt werden. Die bloße Tatsache erheblichen Alkoholgenusses mit der bloßen Möglichkeit eines alkoholbedingten Fahrfehlers ist nicht ausreichend. Entsprechend ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, dass die fehlende Fahrerlaubnis eines unfallbeteiligten Kraftfahrers ohne den Nachweis einer Auswirkung auf den Unfall die Betriebsgefahr nicht erhöht (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 1 StVG, Rdnr. 46 und § 17 Rdnr. 5 m.w.N.). Ebenso wenig ist es gerechtfertigt, die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit ohne die Feststellung ihrer Ursächlichkeit für das Unfallgeschehen betriebsgefahrerhöhend zu berücksichtigen.

Die Berufung der Beklagten war deshalb zurückzuweisen.

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4, 516 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Berufungsstreitwert wird bis einschließlich der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2003 auf 3.281,96 € (= 2.984,39 € +297,57 €) und ab diesem Zeitpunkt auf 2.984,39 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO (n.F.). Gegen die Nichtzulassung der Revision ist die Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 544 Abs. 1 ZPO nicht statthaft, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000,- € nicht übersteigt, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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