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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 13.09.2005
Aktenzeichen: 4 U 226/05
Rechtsgebiete: StPO, StGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

StPO § 111b
StPO § 111d
StPO § 111e
StGB § 73 Abs. 1
StGB § 73a
BGB § 932
BGB § 990
ZPO § 348 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 917
ZPO § 919
ZPO § 919 Alt. 1
ZPO § 944
Zum Arrestgrund wegen Beteiligung des Arrestschuldners an einer gegen das Vermögen des Arrestgläubigers gerichteten Straftat.
Tenor:

1. Auf die Berufung der Arrestbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 7. April 2005 - 4 O 67/05 - abgeändert, sein Arrestbefehl und Pfändungsbeschluss vom 28.2.2005 insgesamt aufgehoben und der Arrestantrag vom 25.02.2005 insgesamt zurückgewiesen, soweit nicht die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

2. Die Arrestklägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.

3. Das Urteil ist rechtskräftig.

Tatbestand:

I. Das klagende Speditionsunternehmen begehrt im vorliegenden Arrestverfahren die Sicherung eines gegen die Arrestbeklagten (im Folgenden: Beklagten) gerichteten Schadensersatzanspruchs für in Verlust geratene Europaletten.

In der Zeit zwischen dem 28.2.2003 und dem 28.10.2003 erwarb die Beklagte zu 1), handelnd durch die Beklagte zu 2), insgesamt 1.844 Europaletten, die zuvor von Mitarbeitern der Arrestklägerin (im Folgenden: Klägerin) bei dieser entwendet worden waren.

Mit Beschluss vom 23.12.2004 hat das Amtsgericht Lebach gem. §§ 111b, 111d, 111e StPO i. V. m. § 73 Abs. 1, § 73a StGB zur Sicherung der der Verletzten aus der Straftat erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche den dinglichen Arrest in Höhe von 12.908 EUR in das Vermögen der Beklagten angeordnet. In Vollstreckung des Arrestes hat die Staatsanwaltschaft am 10.1.2005 6.000 EUR Bargeld gepfändet und bei der Gerichtskasse Saarlouis eingezahlt.

Die Kläger hat behauptet, die Beklagte zu 2) habe die Paletten in Kenntnis des Umstandes angekauft, dass diese bei der Klägerin entwendet wurden.

Mit Beschluss vom 28.2.2005 hat das Landgericht wegen eines Schadensersatzanspruches in Höhe von 12.908 EUR sowie der auf 658,50 EUR veranschlagten Kosten den dinglichen Arrest in das Vermögen der Beklagten angeordnet und in Vollziehung dieses Arrestes die von der Staatsanwaltschaft Saarbrücken gepfändeten 6.000 EUR im Anschluss gepfändet.

Auf den Widerspruch der Beklagten hat das Landgericht mit Urteil vom 07.04.2005 den dinglichen Arrest wegen einer Schadensersatzforderung der Klägerin in Höhe von 9.101,52 EUR und einer Kostenpauschale von 562,30 EUR aufrechterhalten, den Arrestbefehl und Pfändungsbeschluss vom 28.02.2005 im Übrigen aufgehoben und den Arrestantrag insoweit zurückgewiesen.

Mit der hiergegen gerichteten Berufung erstreben die Beklagten die Aufhebung des Arrestbefehls und Pfändungsbeschlusses. Sie vertreten die Auffassung, das Landgericht sei falsch besetzt gewesen, da der Arrestbefehl vom damaligen Kammervorsitzenden als Einzelrichter erlassen worden sei. Darüber hinaus habe das Landgericht verkannt, dass sich der Schaden pro Palette lediglich auf 3,58 EUR, mithin insgesamt auf 6.601,52 EUR, belaufe. Schließlich sei es der Klägerin nicht gelungen, die Voraussetzungen eines Arrestgrundes glaubhaft zu machen. Ein Arrestgrund fehle schon mit Blick auf die erfolgreiche Vollstreckung der Staatsanwaltschaft. Übrigen habe das Landgericht nicht hinreichend beachtet, dass die Beklagten in die von ihnen betriebene Autowaschanlage seit dem 12.1.2005 eine Summe von 300.000 EUR investiert hätten und einen Fuhrpark unterhielten, der drei Sattelzüge und zwei Containerfahrzeuge umfasse. Die ~Bankbezeichnung~ habe aufgrund der Bonität der Beklagten telefonisch eine Erhöhung des Dispositionskredites um 20.000 EUR Euro bewilligt.

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Klägerin von den Beklagten in Erfüllung des Schadensersatzanspruches zwischenzeitlich 1.900 Paletten erhalten hat.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 7.4.2005 - 4 O 67/05 - den Arrestbefehl und Pfändungsbeschluss vom 28.2.2005 aufzuheben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 7.4.2005 im Hauptsacheausspruch dahingehend abzuändern, dass der Arrestbefehl und Pfändungsbeschluss mit der Maßgabe aufrechterhalten bleibt, dass wegen einer Kostenpauschale von 562,30 EUR der dingliche Arrest in das Vermögen der Arrestbeklagten angeordnet und im Übrigen der Arrestbefehl aufgehoben wird.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil, die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 26.07.2005 (Bl. 121 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

II. A. Die zulässige Berufung ist begründet, wobei in der Hauptsache nur noch über die verbliebene Kostenpauschale zu entscheiden war, nachdem die Parteien die den Arrestanspruch im Übrigen übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

1. Die angefochtene Entscheidung ist nicht bereits deshalb zu beanstanden, weil das Landgericht in falscher Besetzung entschieden hätte. Gemäß § 919 Alt. 1 ZPO war das Gericht der Hauptsache für die Anordnung des Arrestes und die Entscheidung über den Widerspruch zuständig. Angesichts der Höhe des zu sichernden Anspruchs fiel der Rechtsstreit in der Hauptsache und damit auch das Arrestverfahren in die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts, dessen Zivilkammer gemäß § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch eines ihrer Mitglieder als originärer Einzelrichter zu entscheiden hatte. Demgemäß hat der Vorsitzende der 4. Zivilkammer seine Zuständigkeit zur Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit nicht aus § 944 ZPO, sondern mit Recht aus der Regelzuständigkeit der §§ 919, 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO hergeleitet (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 944 Rdnr. 1).

2. Auch soweit das Landgericht den Verfügungsanspruch dem Grunde nach bejaht hat, begegnet das angefochtene Urteil keinen Bedenken, wozu auf seine Entscheidungsgründe Bezug genommen wird. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Beklagte zu 1) durch die Beklagte zu 2) handelnd insgesamt 1.844 Europaletten erwarb, die zuvor bei der Klägerin entwendet worden waren. Die Schlussfolgerungen des Landgerichts zur Bösgläubigkeit der Beklagten zu 2) überzeugen: In Anbetracht der großen Menge der Paletten und der Tatsache, dass die Palettendiebe weder ein eigenes Gewerbe als Palettenhändler oder Transporteure betrieben, lag der Verdacht nahe, dass die Paletten auf unlautere Weise erworben wurden, in der Terminologie der §§ 990, 932 BGB nicht dem Veräußerer gehörten.

3. Die Berufung ist jedoch deshalb begründet, weil die Klägerin einen Arrestgrund im Sinne des § 917 ZPO weder glaubhaft gemacht (§§ 920 II, 294 ZPO) nochz auch nur schlüssig dargetan hat:

a) Gemäß § 917 ZPO findet der dingliche Arrest statt, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Nach der gesetzlichen Konzeption soll der Arrest vor einem unlauteren Verhalten des Schuldners schützen, weshalb im Regelfall das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen oder die Verschleierung seiner Vermögensverhältnisse die tatsächlichen Voraussetzungen eines Arrestgrundes erfüllen (Zöller/Vollkommer, aaO., § 917 Rdnr. 5).

Ob bereits der hinreichende Verdacht einer Beteiligung des Arrestschuldners an einer gegen das Vermögen des Arrestgläubigers gerichteten Straftat zur Annahme eines Arrestgrundes ausreicht, ist umstritten (dafür: Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 917 Rdnr. 11; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 22. Aufl., § 917 Rdnr. 8; Dresden OLGR 1998, 150; dagegen: Köln OLGR 1999, 354; Saarbrücken OLGR 1999, 143; Koblenz NJW-RR 2002, 575; Zöller/Vollkommer, aaO., § 917 Rdnr. 6 mit weit. Nachweis; Musielak/Huber, ZPO, 4. Aufl., § 917 Rdnr. 3; MünchKomm(ZPO)/Heinze, § 917 Rdnr. 6; Wiezcorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 917 Rdnr. 11). Geboten ist eine differenzierte Betrachtung: Zwar mögen die Umstände der Straftat im konkreten Einzelfall den Schluss rechtfertigen, dass sich der die Straftat verübende Schuldner auch künftig nicht rechtstreu verhalten und den Versuch unternehmen wird, die ihm drohende Vollstreckung gezielt zu erschweren. Dennoch kann ein allgemeiner Erfahrungssatz nicht anerkannt werden, wonach ein Schuldner, der durch kriminelle Handlungen den Gläubiger geschädigt hat, grundsätzlich zur Vollstreckungsvereitelung bereit ist. Vielmehr kommt es auf die Umstände des konkreten Einzelfalles an.

b) Bei der gebotenen einzelfallbezogenen Betrachtung sind die Voraussetzungen des Arrestgrundes vorliegend nicht glaubhaft gemacht: Es kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte zu 1) bereits mit Schreiben vom 28.1.2005 ihre Einstandspflicht dem Grunde nach anerkannt hat. Dies zeigt, dass die Beklagten erkennbar um einen Ausgleich des entstandenen Schadens bemüht waren. Weiterhin haben die Beklagten im Schriftsatz vom 22.3.2005 durch eidesstattliche Versicherung vom 22.3.2005 (Bl. 60 d. A.) zu ihren Vermögensverhältnissen glaubhaft vorgetragen, dass die ~Bankbezeichnung~ ohne weitere Besicherung einer Erhöhung des Dispositionskredites vom 20.000 EUR zugestimmt hat.

Die von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzforderung hat überdies keine Höhe erreicht, die bei einem Geschäftsbetrieb vom Zuschnitt des Unternehmens der Beklagten eine Vollstreckungsvereitelung befürchten ließe. Denn das beklagte Unternehmen unterhält einen Fuhrpark von immerhin drei Sattelzügen und zwei Containerfahrzeugen; darüber hinaus haben die Beklagten glaubhaft vorgetragen, dass für einen am 12.1.2005 in Betrieb genommenen Waschpark eine Summe vom 300.000 EUR investiert worden sei.

Auch die Art der den Beklagten zur Last gelegten Straftat lässt keinen hinreichenden Rückschluss auf eine Vollstreckungsvereitelungsabsicht zu: Eine auf das Unternehmen der Klägerin bezogene Schädigungsabsicht wird den Beklagten nicht vorgeworfen. Da der Verdacht im vorliegenden Verfahren nicht erhärtet werden konnte, dass die Palettendiebe im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit der Beklagten zu 1) handelten, liegt der Schwerpunkt des strafbaren Verhaltens bei denjenigen Personen, die die Paletten bei der Klägerin entwendeten.

Unter Berücksichtigung aller Umstände reicht der Verdacht eines strafbaren Verhaltens der Beklagten zu 1) nach alledem nicht aus, um den Arrestgrund hinreichend zu belegen. Da die Klägerin konkrete Anhaltspunkte für eine Absicht der Beklagten, Vermögensgegenstände beiseite zu schaffen, weder glaubhaft gemacht noch auch nur hinreichend dargetan hat, war ihr Arrestantrag im vom Landgericht aufrechterhaltenen Umfang zurückzuweisen.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 91a Abs. 1 ZPO. Auch hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils hat die Klägerin die Kosten beider Rechtszüge zu tragen, da ihr Arrestantrag aus den vorgenannten Gründen auch ohne die übereinstimmende Teilerledigungserklärung erfolglos geblieben wäre. Die Feststellung der Rechtskraft folgt aus § 542 II 1 ZPO. Der Streitwert des Berufungsverfahrens bis zur übereinstimmenden Teilerledigung in der mündlichen Verhandlung am 26.07.2005 beträgt 3.000 EUR (etwa 1/3 des im angefochtenen Urteil bestätigten Arrests ohne Kostenpauschale) und für das nachfolgende Verfahren 200 EUR (etwa 1/3 der verbliebenen Kostenpauschale; vgl. Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rn 16 Stichw. "Arrestverfahren" und "Erledigung der Hauptsache" m.w.Nachw.).

Ende der Entscheidung

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