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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 13.09.2004
Aktenzeichen: 4 W 166/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 839
BGB § 839a
ZPO § 485 Abs. 2
ZPO § 567 Abs. 1 Ziff. 2
ZPO § 568 Satz 1
EGBGB Art. 229 § 8 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

4 W 166/04

In dem selbständigen Beweisverfahren

hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Dörr als Einzelrichter

am 13. September 2004

beschlossen:

Tenor:

1. Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird der Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 9.6.2004 - Az. 15 OH 8/04 - auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin mit folgender Maßgabe abgeändert:

Es soll im Wege des selbständigen Beweisverfahrens ein Sachverständigengutachten zu folgenden Fragen eingeholt werden:

1. Befindet sich in dem Hausanwesen in, Grundbuch von, Gemarkung, Flur, Flurstück Nr.: ein Wasserschaden, insbesondere in den Kellerräumen/Erdgeschoßräumen?

2. Befindet sich in dem unter 1. angegebenen Hausanwesen im Heizungskeller ein Riß, der quer über die Außenwand in der gesamten Breite des Hauses verläuft? Ist dieser Riß Folge oder Ursache für den Wasserschaden?

3. Befanden sich im Fußboden des Keller/Erdgeschosses Bohrungen im Fußboden, die auf einen vorangegangenen Wasserschaden schließen lassen, insbesondere auf eine, ggf. erfolglose Trockenlegung?

4. Welches ist die Ursache für den Wasserschaden? Welche Maßnahmen sind zur Beseitigung des Wasserschadens erforderlich; Wie hoch ist der Kostenaufwand, um den Wasserschaden zu beseitigen?

5. Hätte die Erkenntnis, dass ein Wasserschaden in der unter 1.-3. geschilderten Art den Wert des Hausanwesens, welcher durch den Antragsgegner auf 170.629,00 EUR geschätzt wurde, gemindert? Wenn ja, in welcher Höhe?

6. Ist die Dachkonstruktion an dem oben näher bezeichneten Hausanwesen schadhaft? Wie stellt sich der Schaden dar? Wie hoch ist der Kostenaufwand zur Beseitigung des Schadens?

Die Auswahl des Sachverständigen und die Festsetzung eines Kosten- und Auslagenvorschusses bleibt dem Landgericht vorbehalten.

2. Der Antragsgegner trägt 6/7, die Antragstellerin 1/7 der Kosten der sofortigen Beschwerde.

3. Der Streitwert des Verfahrens der sofortigen Beschwerde wird auf 18.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Im vorliegenden selbständigen Beweisverfahren begehrt die Antragstellerin Beweissicherung über Umfang und Ursache von Feuchtigkeitsschäden in einem Hausanwesen, das die Antragstellerin im Frühjahr 2003 in einem Zwangsvollstreckungsverfahren vor dem Amtsgericht Merzig (Az.: 11 K 18/02) ersteigerte.

Der Antragsgegner wurde im Zwangsvollstreckungsverfahren damit beauftragt, ein Wertgutachten zu erstellen, welches der Antragsgegner unter der Datumsangabe des 29.7.2002 erstattete. In dem Gutachten werden keine Schäden angesprochen.

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, ihr stünde gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Schadensersatz zu, da der Antragsgegner das Gutachten grob fahrlässig falsch erstellt habe.

Mit Beschluss vom 9.6.2004 hat das Landgericht den Antrag auf Beweissicherung zurückgewiesen. Es hat hierzu ausgeführt: Der Antrag sei bereits nicht zulässig, da das erforderliche Feststellungsinteresse fehle. Es liege auf der Hand, dass der behauptete Anspruch nicht bestehen könne. Insbesondere könne die Antragstellerin aus der Vorschrift des § 839 BGB keine Ansprüche herleiten, da diese Vorschrift erst am 1.8.2002 in Kraft getreten sei. Auch Ansprüche aus einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung stünden der Antragstellerin ersichtlich nicht zu, weil es jedenfalls am Schädigungsvorsatz fehle.

Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Die Antragstellerin trägt vor, das schädigende Ereignis könne nicht in der Gutachtenerstellung selbst gesehen werden. Da die Antragstellerin das Gutachten erstmals zirka vier Wochen vor dem Versteigerungstermin gesehen habe, könne zuvor kein schädigendes Ereignis eingetreten gewesen seien. Frühestens sei das schädigende Ereignis in der Einreichung des Gutachtens zu erblicken, die deutlich nach dem 3.7.2002 erfolgt sei.

Der Antragsgegner verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Das Landgericht hat der Entscheidung nicht abgeholfen.

II.

A. Die gem. § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde, deren Entscheidung gem. § 568 Satz 1 ZPO dem Einzelrichter übertragen ist, hat in der Sache zum überwiegenden Teil Erfolg.

Gemäß § 485 Abs. 2 ZPO kann, solange ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, im Wege des selbständigen Beweisverfahrens die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn eine Partei ein rechtliches Interesse daran hat, den Zustand oder den Wert einer Sache, sowie die Ursache oder den Aufwand zur Beseitigung eines Schadens durch einen Sachverständigen schriftlich begutachten zu lassen.

1. Die sachlichen Voraussetzungen des § 485 Abs. 2 ZPO liegen im Umfang der angeordneten Beweisaufnahme vor, da die Antragstellerin mit Ausnahme der Beweisfrage Ziff. 5 den Zustand, den Wert des Hauses und die Kosten der Mängelbeseitigung feststellen lassen will. Hinsichtlich der Beweisfrage Ziff. 5 verlässt die Antragstellerin den gesetzlichen Rahmen des § 485 Abs. 2 ZPO, da die Antragstellerin letztlich normative Schlussfolgerungen des Sachverständigen hinsichtlich der Sorgfaltspflichten eines Architekten erfragen will und Ausforschung betreibt, soweit sie den Sachverständigen über den Grund befragen will, weshalb der Antragsgegner die behaupteten Mängel übersehen haben mag.

2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts entfällt das rechtliche Interesse an der Begutachtung nicht bereits deshalb, weil eine materiellrechtliche Anspruchsgrundlage für eine Inanspruchnahme des Sachverständigen nicht erkennbar ist.

a) Nach richtiger Auffassung hängt die Eröffnung des selbständigen Beweisverfahrens nicht von der Schlüssigkeit des Vorbringens oder von den Erfolgsaussichten einer auf die zu beweisende Tatsache gestützte mögliche Prozessführung ab. Denn es kann nicht Aufgabe des selbständigen Beweisverfahrens sein, der Entscheidung einer zwischen den Parteien entstandenen Rechtsfrage unter Umgehung des vorgesehenen Instanzenzugs vorzugreifen. Demgemäß kommt unter Beachtung des Gebots, prozessökonomisch zu verfahren, eine Beschränkung des Zugangs zur selbständigen Beweiserhebung allenfalls dann in Betracht, wenn es im Rahmen einer kursorischen Überprüfung gewissermaßen mit Händen zu greifen ist, dass der behauptete Anspruch unter keinen Umständen bestehen kann. Denn nur dann, wenn die Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung für jeden vernünftigen Betrachter evident auf der Hand liegt, ist das Gericht gehalten, zur Schonung der Ressourcen von einer sinnlosen Beweiserhebung abzusehen (OLG Celle, NJW-RR 2000,1100; OLG Köln, NJW-RR 1996, 573, 774; OLG Bamberg, NJW-RR 1995, 893; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 485 Rdn. 7a; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 485 Rdn. 7a; vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 485 Rdn. 9, 22). Diese qualifizierten Voraussetzungen der fehlenden Erfolgsaussicht liegen nicht vor.

b) Zutreffend hat das Landgericht dargelegt, dass sich die Rechtsgrundlage für den von der Antragstellerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch im vorliegenden Fall aus der durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften normierten Vorschrift des § 839a BGB ergeben kann. Mithin hängen die Erfolgsaussichten einer Klage entscheidend davon ab, ob das schädigende Ereignis gem. Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB nach dem 31.7.2002 eingetreten ist. Die Frage nach dem Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ist im vorliegenden Fall nicht eindeutig und leicht zu beantworten. Denn als schädigendes Ereignis kommt nicht nur die auf den 29.7.2002 datierte Erstellung des Gutachtens in Betracht. Vielmehr erscheint es keineswegs abwegig, das schädigende Ereignis mit den Argumenten der Antragstellerin erst in der offensichtlich nach dem 31.7.2002 erfolgten Einreichung des Gutachtens bei Gericht zu erblicken. Nicht unerwähnt kann bleiben, dass der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 20.5.2003 - VI ZR 312/02, NJW 2003, 2825 bei der Beantwortung der Frage nach dem Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses - ohne dass es im dort entschiedenen Fall auf die hier streitentscheidende zeitliche Differenzierung ankam - auf den Zeitpunkt des Zuschlags abgestellt hat. Die Beantwortung dieser Rechtsfrage liegt nicht auf der Hand; sie ist dem Klageverfahren vorbehalten.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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