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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 09.08.2004
Aktenzeichen: 4 W 186/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 574 ff n.F.
ZPO § 574 Abs. 1
ZPO § 707 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 719 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 W 186/04

In Sachen

wegen Beschwerde gegen die Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung

hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken am 09.08.2004

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 01.07.2004 (Az. 16 O 192-04) wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

Gründe:

Auf Antrag des Beklagten hat das Landgericht die Zwangsvollstreckung gegen den im vorliegenden Rechtsstreit ergangenen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Merzig vom 23.04.2004 (Az. 19 B 325/04), gegen den der Beklagte fristgerecht Einspruch eingelegt hat, durch Beschluss vom 01.07.2004 gemäß § 719 Abs. 1 S. 2 ZPO ohne Sicherheitsleistung mit der Begründung eingestellt, dass der verfahrenseinleitende Mahnbescheid nicht wirksam zugestellt worden sei (Bl. 79 d.A.). Der vom Kläger hiergegen am 13.07.2004 eingelegten sofortigen Beschwerde (Bl. 104 d.A.) hat das Landgericht durch Beschluss vom 22.07.2004 nicht abgeholfen (Bl. 117 d.A.).

Die sofortige Beschwerde ist nicht zulässig. Zwar hat die früher wohl herrschende Rechtsprechung die sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen über Anträge auf Einstellung der Zwangsvollstreckung (§§ 707, 719 Abs. 1 ZPO) trotz der eindeutigen und gegenteiligen Regelung in § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Fällen "greifbarer Gesetzeswidrigkeit" ausnahmsweise zugelassen (Musielak/Lackmann, ZPO, 3. Auflage, § 707 Rdnr. 13; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 707 Rdnr. 22, jeweils m.w.N.). Diese Rechtsprechung ist jedoch angesichts der grundlegenden Neugestaltung des Verfahrensrechts durch das Zivilreformgesetz überholt, weil der Gesetzgeber die von der Rechtssprechung praktizierte "Ausnahmebeschwerde" nicht in die Zivilprozessordnung übernommen hat. Mit dem Inkrafttreten des Zivilreformgesetzes muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die Zulassung einer Ausnahmebeschwerde nicht (mehr) dem Willen des Gesetzgebers entspricht.

Dementsprechend hat der 9. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, dem sich auch andere Senate angeschlossen haben, mit Beschluss vom 07.03.2002 (Az. IX ZB 11/02 = BGHReport 2002, 431 [mit zust. Anmerkung Gummer] = NJW 2002, 1577 = MDR 2002, 901) entschieden, dass nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz der Bundesgerichtshof gegen Beschlüsse des Beschwerdegerichts ausschließlich in den Fällen des § 574 Abs. 1 ZPO angerufen werden kann. Ein außerordentliches Rechtsmittel zum BGH sei, so der Bundesgerichtshof weiter, auch dann nicht statthaft, wenn die Entscheidung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletze oder aus sonstigen Gründen "greifbar gesetzeswidrig" sei. In einem solchen Fall sei die angefochtene Entscheidung durch das Gericht, das sie erlassen habe, auf eine (fristgebundene) Gegenvorstellung hin zu korrigieren. Werde ein Verfassungsverstoß nicht beseitigt, komme allein eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht in Betracht, §§ 574 ff ZPO (n.F.).

Diese vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze, denen der Senat folgt, gelten sinngemäß für den vorliegenden Fall. Da ein Rechtsmittel gegen Beschlüsse, die eine Einstellung der Zwangsvollstreckung anordnen oder entsprechende Anträge ablehnen, grundsätzlich unanfechtbar sind (§ 707 Abs. 2 ZPO i.V.m. §§ 719 Abs. 1 Satz 1, 700 Abs. 1 ZPO), ist eine sofortige Beschwerde auch nicht in Fällen einer "greifbaren Gesetzeswidrigkeit" gegeben. Dies hat zur Folge, dass eine Korrektur selbst "greifbar gesetzeswidriger" Entscheidungen künftig nur noch im Wege der Gegenvorstellung oder der Verfassungsbeschwerde möglich ist (OLG Köln, OLGR 2004, 179; für die inhaltlich gleich gelagerten Fälle der Unzulässigkeit von Rechtsmitteln nach § 769 ZPO, in denen nach überwiegender Rechtsprechung § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO entsprechend anzuwenden ist, vgl. ausdrücklich BGH, NJW 2004, 2224; OLG Frankfurt, NJW-RR 2003, 140; OLG Koblenz, OLGR 2003, 332; OLG Stuttgart, OLGR 2004, 168; OLG Karlsruhe, OLGR 2004, 256; OLG Saarbrücken, OLGR 2004, 415; a.A. OLG Dresden, JurBüro 2003, 107; OLG Schleswig, OLGR 2004, 130).

Im Übrigen wäre die sofortige Beschwerde auch nicht begründet. Das Landgericht ist nämlich zutreffend davon ausgegangen, dass der Vollstreckungsbescheid vom 23.04.2004 nicht in gesetzlicher Weise i.S.v. § 719 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergangen ist, weil der Beklagte durch Vorlage von zwei eidesstattlichen Versicherungen sowie der Meldebescheinigung vom 28.01.2004 (Bl. 76 - 78 d.A.) glaubhaft gemacht hat, dass er im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides nicht mehr unter der im Mahnbescheid angegebenen Anschrift " ", sondern unter der Anschrift " ", jeweils in, wohnhaft war und auch seine Firma nach dort verlegt hatte. Das im Bereich des früheren Anwesens noch aufgestellte Reklameschild der Firma des Beklagten mit der alten Anschrift (vgl. hierzu das Foto Bl. 108 d.A.) diente nach dem Vortrag des Beklagten allein Werbezwecken und ist zur Widerlegung des behaupteten und glaubhaft gemachten Wohnsitzwechsels nicht geeignet, zumal der Beklagte zusätzlich vorgetragen hat, dass das Klingelschild im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides ausgewechselt war und dass das früher im Anwesen " " betriebene Büro von den neuen Mietern genutzt wurde und wird (Schriftsatz vom 21.07.2004, Bl. 113 f d.A.). Wohnte aber der Beklagte im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides nicht mehr unter der im Mahnbescheid angegebenen Adresse, ist die unter dieser Anschrift erfolgte Zustellung unwirksam mit der Folge, dass der Vollstreckungsbescheid nicht hätte erlassen werden dürfen und die Zwangsvollstreckung deshalb ohne Sicherheitsleistung einzustellen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wir auf 1.200,- € festgesetzt (das entspricht etwa 1/5 des Wertes der Hauptsache, vgl. BGH, NJW 1991, 2280 [2282]).

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung (§ 574 Abs. 3 Satz 1 i.V. mit Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen.

Alternativ-Gründe, wenn der Senat dem Vorschlag nicht folgt.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Zwar sind Beschlüsse, die eine Einstellung der Zwangsvollstreckung anordnen oder entsprechende Anträge ablehnen, grundsätzlich unanfechtbar, § 707 Abs. 2 ZPO i.V.m. §§ 719 Abs. 1 Satz 1, 700 Abs. 1 ZPO. Dies gilt nach h.M. allerdings nicht, wenn der Beschwerdeführer einen Ermessensfehl- oder -nichtgebrauch rügt bzw. - wie im vorliegenden Fall - geltend macht, dass die Voraussetzungen der zuvor genannten Vorschriften zu Unrecht bejaht oder verneint worden seien (OLG Dresden, JurBüro 2003, 107 [108 m.w.N.]; Musielak/Lackmann, ZPO, 3. Auflage, § 707 Rdnr. 13; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 707 Rdnr. 22, jeweils m.w.N.).

Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Vollstreckungsbescheid vom 23.04.2004 nicht in gesetzlicher Weise i.S.v. § 719 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergangen ist, nachdem der Beklagte durch Vorlage von zwei eidesstattlichen Versicherungen sowie der Meldebescheinigung vom 28.01.2004 (Bl. 76 - 78 d.A.) glaubhaft gemacht hat, dass er im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides nicht mehr unter der im Mahnbescheid angegebenen Anschrift "Am Jungwäldchen 33 a", sondern unter der Anschrift "Hausbacher Straße 85", jeweils in Merzig-Brotdorf, wohnhaft war und auch seine Firma nach dort verlegt hatte. Das im Bereich des früheren Anwesens noch aufgestellte Reklameschild der Firma des Beklagten mit der alten Anschrift (vgl. hierzu das Foto Bl. 108 d.A.) diente nach dem Vortrag des Beklagten allein Werbezwecken und ist zur Widerlegung des behaupteten und glaubhaft gemachten Wohnsitzwechsels nicht geeignet, zumal der Beklagte zusätzlich vorgetragen hat, dass das Klingelschild im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides ausgewechselt war und dass das früher im Anwesen "Am Jungwäldchen 33 a" betriebene Büro von den neuen Mietern genutzt wurde und wird (Schriftsatz vom 21.07.2004, Bl. 113 f d.A.). Wohnte aber der Beklagte im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides nicht mehr unter der im Mahnbescheid angegebenen Adresse, ist die unter dieser Anschrift erfolgte Zustellung unwirksam mit der Folge, dass der Vollstreckungsbescheid nicht hätte erlassen werden dürfen und die Zwangsvollstreckung deshalb ohne Sicherheitsleistung einzustellen war.

Ende der Entscheidung

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