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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 31.05.2006
Aktenzeichen: 5 U 267/04
Rechtsgebiete: VVG, MB/KT 78, ZPO, BGB


Vorschriften:

VVG § 6 Abs. 1
VVG § 178 Abs.2 Satz 2
MB/KT 78 § 1 Abs. 3
MB/KT 78 § 4
MB/KT 78 § 9
MB/KT 78 § 9 Abs. 2
MB/KT 78 § 9 Abs. 5
MB/KT 78 § 9 Nr. 5
MB/KT 78 § 9 Abs. 6
MB/KT 78 § 10 Abs. 2
MB/KT 78 § 11
ZPO § 116 Abs. 1 S. 1
ZPO § 233
ZPO § 296a
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 812 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Dem Kläger wird gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2. Die Berufung des Klägers gegen das am 07.04.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 12 O 239/03 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 26.188,63 EUR festgesetzt.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Krankentagegeld in Anspruch und begehrt weiterhin die Feststellung, dass er zur Rückzahlung der bereits in Höhe von 7.825,82 EUR erbrachten Versicherungsleistungen nicht verpflichtet sei.

Der Kläger unterhielt seit 1.5.1991 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten und bei der Beklagten eine Krankentagegeldversicherung nach dem Tarif KT 43 (Versicherungsschein Nr. ...; Bl. 16, 118 d.A.). Nach diesem Tarif sind versicherungsfähig alle gesunden Personen, die in einem ständigen Dienst- oder Arbeitsverhältnis gegen Entgelt stehen oder ihr Einkommen aus selbständiger Tätigkeit beziehen. Dem Versicherungsvertrag lagen - unter anderem - die MB/KT 78 (Bl. 17 ff d.A.) zu Grunde. Deren § 9 Abs. 5 lautet: "Jeder Berufswechsel der versicherten Person ist unverzüglich anzuzeigen." Ferner heißt es in § 10 Abs. 2 der Bedingungen: "Wird eine der in § 9 Abs. 5 und 6 genannten Obliegenheiten verletzt, so ist der Versicherer nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn er von seinem Kündigungsrecht innerhalb eines Monats nach dem Bekanntwerden Gebrauch macht."

Bei Abschluss des Versicherungsvertrags hatte der Kläger ein Gewerbe des Lebensmittelhandels angemeldet. Während er nach seinem ursprünglichen Vortrag in erster Instanz in diesem Lebensmittelgeschäft bis zu dessen rückwirkender gewerbepolizeilicher Abmeldung am 7.1.2002 zum 31.12.2001 tätig gewesen sein will, hat er nach seinen späteren Angaben ab Mitte 1999 - auch - als Versicherungsvermittler gearbeitet. Nach Angaben der V. Versicherung Aktiengesellschaft war der Kläger vom 1.11.1998 bis 30.4.1999 als nebenberuflicher, vom 1.5.1999 bis 31.8.2000 als hauptberuflicher und, weil er seine Ausbildung zum Versicherungsfachwirt nicht abschloss, seit dem 1.11.2000 wieder als nebenberuflicher Agenturpartner für sie tätig. Folgt man seinem ersten Vortrag in zweiter Instanz, so übte der Kläger zum 2.1.2000 einen Doppelberuf aus, nach seinen Angaben in seiner Anhörung arbeitete er indessen nur bis Mai 1999 in seinem Lebensmittelgeschäft und war von da an - ganztags - als Versicherungsvermittler unterwegs. In einem ihm nicht nachgelassenen Schriftsatz nach der letzten mündlichen Verhandlung hat er sich dahin korrigiert, er habe ab Januar 2001 die Führung des Lebensmittelgeschäfts von seiner Tochter wieder übernommen und im Jahr 2001 nur in sehr geringem Umfang - sein Gewinn im Jahr 2001 soll rund 2350EUR betragen haben - als Agent gearbeitet.

In der Zeit vom 02.01.2002 bis 28.01.2003 war der Kläger arbeitsunfähig krank geschrieben. Für den Zeitraum 28.02.2002 bis 13.06.2002 leistete die Beklagte Krankentagegeld in der vertraglich vereinbarten Höhe von 150,--DM (= 76,79 EUR) / Kalendertag (insgesamt: 8.129,14 EUR). Am 02.08.2002 erhielt die Beklagte auf Grund einer routinemäßig gehaltenen Abfrage die Mitteilung, dass der Kläger sein Lebensmittelgewerbe zum 31.12.2001 abgemeldet hat.

Der Kläger hat behauptet, er habe der Beklagten mit Schreiben vom 30.07.1999 (Bl. 74 d.A.) angezeigt, dass er ab dem 02.07.1999 zusätzlich zu seinem Geschäft ein Gewerbe als Handelsvertreter angemeldet habe.

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte gemäß §§ 9 Abs. 5, 10 Abs. 2 MB/KT 78, § 6 Abs. 1 VVG wegen Verletzung der Obliegenheit der Anzeige eines Berufswechsels von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nämlich nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger seinen Berufswechsel der Beklagten unverzüglich angezeigt habe. Die Anzeigeobliegenheitsverletzung berühre auch die Interessen der Beklagten. Denn diese habe von dem Berufswechsel des Klägers erst nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit erfahren und daher dessen Arbeitsunfähigkeit nicht mehr unter dem Aspekt der Handelsvertretertätigkeit prüfen können.

Mit am 17.05.2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte, gegen das landgerichtliche Urteil gerichtete Berufung beantragt. Diesem Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 28.07.2004 (Bl. 189 f d.A.), dem Kläger am 05.08.2004 zugestellt (Bl. 192 d.A.), stattgegeben. Mit am 11.08.2004 bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen hat der Kläger gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, Berufung eingelegt und diese begründet.

Der Kläger erachtet die rechtliche Würdigung des Landgerichts als rechtsfehlerhaft, da eine Verletzung der Obliegenheit zur Anzeige des Berufswechsels nur zur Leistungsfreiheit führe, wenn die Obliegenheitsverletzung die Leistungsprüfung des Versicherers beeinflusst habe und es an dieser Ursächlichkeit hier fehle. Weiterhin rügt er die erstinstanzliche Beweiswürdigung. Ergänzend behauptet er, er sei in der Zeit vom 02.01.2002 bis zum 28.01.2003 - auch - in seiner Tätigkeit als Versicherungsvermittler vollständig arbeitsunfähig gewesen.

Der Kläger beantragt,

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

2. das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 07.04.2004 - 12 O 239/03 - aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,

2.1. an ihn 18.362,81 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.03.2003 zu zahlen,

2.2. festzustellen, dass er nicht verpflichtet sei, der Beklagten einen Betrag von 7.825,82 EUR zurückzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die Entscheidung des Landgerichts.

Der Senat hat, da er bis zur letzten mündlichen Verhandlung auf Grund des von dem Kläger unterbreiteten Sachverhalts davon ausgehen musste, dass dieser bis zum 02.01.2002 neben dem Beruf des Versicherungsvermittlers auch den Beruf des Lebensmittelhändlers ausgeübt hat, - wobei dies trotz Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2004 von dem anwesenden Kläger nicht richtig gestellt wurde - , Beweis erhoben über die Frage, ob der Kläger in der Zeit vom 02.01.2002 bis zum 28.01.2003 - auch - in seiner Tätigkeit als Versicherungsvermittler vollständig arbeitsunfähig war, durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. B. vom 24.11.2005 (Bl. 279 ff d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

A.

Die Berufung ist zulässig.

1. Dem Kläger ist auf seinen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 Abs. 1, 2 ZPO) gestellten Antrag Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist zu gewähren, da er durch seine zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe führenden - gemäß § 116 Abs. 1 S. 1 ZPO maßgeblichen - wirtschaftlichen Verhältnisse nach Maßgabe des § 233 ZPO schuldlos (BGH, Beschl. v. 04.10.2990 - IV ZB 5/90 - NJW 1991, 109) an der Einhaltung der Rechtsmittelfrist (§ 517 ZPO) gehindert und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe innerhalb der Berufungsfrist bei Gericht eingegangen war (§ 222 Abs. 1, 2 ZPO).

2. Gegen die Zulässigkeit des von dem Kläger gestellten Feststellungsantrags (Antrag 2.2.) bestehen keine Bedenken. Der Kläger hat ein schutzwürdiges rechtliches Interesse daran, seine Rückzahlungsverpflichtung alsbald gerichtlich klären zu lassen (§ 256 ZPO), nachdem die Beklagte ihn mehrfach - auch unter Klageandrohung - zur Rückzahlung der geleisteten Zahlungen aufgefordert hat.

B.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Denn auf der Grundlage des sich nunmehr im Berufungsverfahren darstellenden Sach- und Streitstands kann nicht festgestellt werden, dass dem Kläger gegen die Beklagte Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag Nr. ... zustehen.

1. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Krankentagegeld für die Zeit vom 01.07.2002 bis zum 28.01.2003 scheitert bereits am fehlenden Nachweis der Arbeitsunfähigkeit.

Nach § 1 Abs. 3 MB/KT 78 setzt Arbeitsunfähigkeit der versicherten Person - unter anderem - voraus, dass sie ihre berufliche Tätigkeit - allein auf den von ihr tatsächlich ausgeübten Beruf kommt es an (BGH, Urt. v. 09.07.1997 - IV ZR 253/96 - VersR 1997, 1133; Prölss/Martin/Prölss, VVG, 27. Aufl., § 1 MB/KT 94, Rdnr. 6) - in keiner Weise ausüben kann. Der Kläger war zu dem Zeitpunkt, zu dem nach seinen Angaben der Versicherungsfall eintrat, also Anfang des Jahres 2002 - ausschließlich - als Versicherungsvermittler vollschichtig tätig.

Allerdings hat der Kläger in erster Instanz Anderes vorgetragen. Seine eigenen Angaben in seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat haben insoweit "neue" Tatsachen zum Inhalt. Das steht ihrer Zulassung jedoch nicht entgegen, weil sie unstreitig sind (BGH, Urt. v. 18.11.2004 - IX ZR 229/03 - NJW 05, 291-293; Senat, Urt. v. 18.01.2006 - 5 U 197/05-16 - ). Das dem entgegenstehende Vorbringen des Klägers im - nicht nachgelassenen - Schriftsatz vom 28.04.2006 ist - unabhängig davon, dass erhebliche Zweifel an seinem Wahrheitsgehalt bestehen - gemäß § 296a ZPO nicht berücksichtigungsfähig. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung klar, deutlich und unmissverständlich erklärt, dass er seine Tätigkeit als Lebensmittelhändler nur bis Mai 1999 ausgeübt hat und er von diesem Zeitpunkt an ausschließlich für die V. Versicherung AG tätig war. Das entspricht im übrigen seinen Angaben gegenüber der Sachverständigen, der er, anders als er in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz behauptet, berichtet hat, seine Tochter (wegen deren Schwangerschaft er in dem Lebensmittelgeschäft wieder ausgeholfen haben will) habe dort wieder ab Ende 2000 gearbeitet.

Dass der Kläger in diesem von ihm ausgeübten Beruf während des Zeitraumes 01.07.2002 bis 28.01.2003 zu 100% arbeitsunfähig erkrankt war, ist nicht erwiesen. Die Sachverständige Dr. B. hat die Behauptung des Klägers nicht bestätigt. Der Kläger hat ihre Feststellungen nicht angegriffen. Sie sind ausführlich begründet und in sich schlüssig. Dies geht zu Lasten des Klägers, da er die Beweislast für die Arbeitsunfähigkeit trägt (Prölls/Martin/Prölss, VVG, 27. Aufl., § 6 MB/KT 94, Rdnr. 8).

2. Eine Leistungspflicht der Beklagten besteht aber auch für den Zeitraum 02.01.2002 bis 30.06.2002 nicht.

a. Es kann dahinstehen, ob das schon daraus folgt, dass die Versicherungsfähigkeit des Klägers zum Ende des Jahres 2001, also unmittelbar vor dem behaupteten Versicherungsfall, nicht mehr bestand. Im Tarif bestimmte Voraussetzung, von der die Fortdauer der Krankenhaustagegelddeckung abhängt, ist, dass die versicherte Person ihr "Einkommen aus selbständiger Tätigkeit" bezieht. Das entspricht dem Schutzzweck der Krankentagegeldversicherung, die versicherte Person gegen Verdienstausfall zu sichern. Nicht nur aus seinem - prozessrechtlich nicht zu berücksichtigenden - Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung folgen aber gewichtige Zweifel daran, ob der Kläger gegen Ende des Jahres überhaupt noch selbständig Einkommen aus einer Tätigkeit als Versicherungsvermittler bezogen hat; immerhin weist der von ihm jetzt vorgelegte "Kontennachweis" Bruttoprovisionseinnahmen für das ganze Jahr 2001 von gerade noch 2611,78 EUR aus. Die V. Versicherung hat davon abgesehen mitgeteilt, der Kläger sei ihr ab Ende 2000 nur noch als "nebenberuflicher Außendienstpartner" verbunden gewesen. Darüber hinaus hat der Kläger der Sachverständigen gegenüber erklärt, er sei "von 2001 bis 2004 ... gar keiner Versicherungstätigkeit" mehr nachgegangen. Von einem Bezug von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit - als der im Tarif bestimmten Voraussetzung der Versicherungsfähigkeit - kann aber regelmäßig nur dann gesprochen werden, wenn eine versicherte Person ihr bisheriges berufliches Wirken nachhaltig (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG) und auf Wiederholungsabsicht angelegt fortsetzt, wenn also der Kläger seine Dienstleistung als Versicherungsvermittler vor Eintritt des behaupteten Versicherungsfalls zumindest weiter vorhielt, um sich eine Lebensgrundlage zu verdienen, nicht aber, wenn es aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen zu einer stillen Beendigung seines "Gewerbes" gekommen ist.

Die tatsächliche Einstellung selbständigen Erwerbs durch den Kläger schon gegen Ende des Jahres 2001, für die vieles spricht, muss allerdings die Beklagte als Versicherer beweisen. Ob ihr dies angesichts des in ungewöhnlichem Maße widersprüchlichen Verhaltens des Klägers gelungen ist oder erneuter weiterer Aufklärung bedürfte, kann jedoch dahinstehen.

b. Denn die Beklagte ist gemäß §§ 9 Abs. 5, 10 Abs. 2 MB/KT 78, 6 Abs. 1 VVG leistungsfrei.

aa. Von seiner Verpflichtung zur Leistung von Krankentagegeld ist der Versicherer frei, wenn der Versicherungsnehmer einen Berufswechsel nicht unverzüglich anzeigt, diese Obliegenheitsverletzung nicht als unverschuldet im Sinne des § 6 Abs. 1 VVG anzusehen ist und der Versicherer - wie hier - das Vertragsverhältnis innerhalb eines Monats nach dem Bekanntwerden der Obliegenheitsverletzung kündigt. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Der Kläger hat gegen die ihm gemäß § 9 Abs. 5 MB/KT 78 obliegende Verpflichtung, einen Berufswechsel anzuzeigen, verstoßen. Eine solche Obliegenheitsverletzung könnte zwar noch nicht angenommen werden, wenn der Kläger - wovon der Senat aufgrund seines Vortrags zunächst ausgehen musste - lediglich eine "weitere" Tätigkeit als Versicherungsvermittler neben einem fortbestehenden beruflichen Einsatz als Lebensmittelhändler übernommen hätte. Von einem "Berufswechsel" kann dem maßgeblichen Wortlaut der Bedingungen nach nicht gesprochen werden, wenn eine versicherte Person ihren beruflichen Wirkungskreis - wenn auch heterogen - erweitert.

Nach seinem prozessrechtlich ausschließlich zu berücksichtigenden Vortrag hat der Kläger jedoch seine Tätigkeit als Lebensmittelhändler Ende April 1999 vollständig aufgegeben und war von diesem Zeitpunkt an ausschließlich als Versicherungsvermittler tätig. Damit hat er einen Berufswechsel zum 01.05.1999 vollzogen. Diesen Wechsel hat er der Beklagten nicht unverzüglich angezeigt. Das hat er zwar behauptet, die Beklagte hat jedoch. wie ihr obliegt, das Gegenteil bewiesen (§ 286 ZPO).

Das Landgericht hat auf der Grundlage der vorgenommenen Beweisaufnahme nämlich festgestellt, dass der Kläger der Beklagten diesen Wechsel der Berufstätigkeit erstmals am 31.01.2003 - und damit fast vier Jahre später, also nicht unverzüglich - angezeigt hat. An diese Feststellung ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Denn es liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser entscheidungserheblichen Feststellung begründen und daher eine neue Feststellung gebieten.

Insoweit kann dahinstehen, dass das - angebliche - Schreiben vom 30.7.1999 keine Anzeige eines "Berufswechsels" enthält, weil der Kläger nach dem Inhalt des Schreibens eine "zusätzliche" Tätigkeit angezeigt haben will - also gerade keinen Berufs"wechsel" -, obwohl er nach seinen eigenen und durch den Senat zugrunde zu legenden Angaben das Lebensmittelgeschäft zu diesem Zeitpunkt aufgegeben hatte.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nämlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat sich mit den Bekundungen der Zeugen I.K. und In. K. intensiv auseinandergesetzt und diese umfassend gewürdigt. Seine Ausführungen sind für den Senat in jeder Hinsicht nachvollziehbar, folgerichtig und überzeugend. Es ist in der Tat auszuschließen, dass der Kläger seine damals (1999) 13jährige und die 8. Schulklasse besuchende Tochter, die erst in der 9. Schulklasse (2000) einen Schreibmaschinenkurs besucht hat, auf seinem dienstlichen Laptop ein solches Schreiben fertigen ließ. Der von der Zeugin In. K. als "in jedem Fall" in der Korrespondenz verwendete Name "M." ist in dem Schreiben nicht enthalten. Die Zeugin In. K. will dann das Schreiben ein zweites Mal ausgedruckt haben, als die Rückmeldung gekommen sei, es sei nicht angekommen. Warum der Kläger das gespeicherte Schreiben dann erneut unterzeichnet hat - die Kopie trägt seine Unterschrift - ist unerfindlich. Die Zeugin In. K. hat im übrigen vom Vortrag des Klägers (Schriftsatz vom 22.10.2003, Bl. 79) abweichend bestritten, das Schreiben zur Post gegeben zu haben. Die Aussage der Zeugin I.K., die nicht einmal im Ansatz schlüssig ist, bestätigt die Behauptungen des Klägers in keiner Hinsicht. Sie ist auch in der Sache völlig unglaubhaft - das Schreiben vom 30.7.1999 sei schon kuvertiert gewesen, als sie es gesehen habe, sie habe es aber dennoch gelesen, es sei auf ein Schreiben der Beklagten hin formuliert worden. Der Einwand des Klägers, entgegen den Ausführungen des Landgerichts könne es sich bei dem von der Zeugin In. K. geschilderten "1. Schreiben" nur um sein Schreiben vom 30.07.1999 handeln, greift nicht durch. Denn diese Zeugin hat ausgesagt, dass zwischen dem Aufsetzen des Schreibens und - nachdem es zum Konflikt mit der Versicherung gekommen sei - dem nochmaligen Ausdrucken dieses Schreibens nur ein paar Monate vergangen seien, auf keinen Fall mehrere Jahre. Da aber nach der Behauptung des Klägers das erste Schreiben bereits 1999 versandt wurde und der Konflikt zwischen den Parteien erst Mitte des Jahres 2002 ausbrach, lässt die Aussage der Zeugin gerade nicht den Rückschluss zu, dass es sich bei dem von ihr geschilderten Schreiben um das Schreiben mit dem Datum "30.07.1999" gehandelt hat. Gerechtfertigt ist vielmehr allein der - von dem Landgericht auch gezogene - Rückschluss, dass die Zeugin von einem anderen als dem streitgegenständlichen Schreiben gesprochen hat.

Einer erneuten Vernehmung der Zeugin I.K. bedurfte es nicht. Abgesehen davon, dass eine Behauptung schwerlich dadurch an Überzeugungskraft gewinnt, wenn für sie eine Zeugin angeboten wird, die an einer Gedächtnis- und Konzentrationsstörung leiden soll, die ihrerseits zur Folge haben soll, dass ihr aktuelle und auch zurückliegende Erinnerungen nicht bewusst würden, hat die Zeugin erstinstanzlich unmissverständlich und eindeutig bekundet, dass es nicht sein könne, dass ein Schreiben, in dem ihr Ehemann der Beklagten eine Tätigkeit als Handelsvertreter angezeigt habe, bereits im Jahre 1999 versandt wurde. Eine Erinnerungslücke ist daher nicht feststellbar.

bb. Gegen die Wirksamkeit des § 9 Nr. 5 MB/KT 78 bestehen keine Bedenken. Im Hinblick auf das System der §§ 4, 9, 11 MB/KT besteht der Sinn der Obliegenheit im Wesentlichen darin, dem Versicherer zu ermöglichen, die Arbeits- und Berufsunfähigkeit der versicherten Person zu prüfen (Prölss/Martin, § 9 MB/KT Rdnr. 7); ihre Erfüllung kann dem Versicherer aber auch - ungeachtet der §§ 4 und 11 MB/KT - dazu dienen, die Parität von Prämie und Versicherungsleistung zu gewährleisten und das subjektive Risiko zu vermindern sowie den Fortbestand der Versicherungsfähigkeit, dessen Wegfall er beweisen muss, festzustellen (Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 3. Aufl., §§ 9, 10 MB/KT Rdnr. 28). Um berufswechselbedingte Gefahrerhöhungen geht es demgegenüber - schon im Hinblick auf § 178 Abs.2 Satz 2 VVG - nicht., Mit dieser Zielsetzung stellt die klar und verständlich formulierte Klausel keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar.

cc. Der Kläger hat den Nachweis, dass die Obliegenheitsverletzung unverschuldet war, nicht geführt (§§ 10 Abs. 2 MB/KT 78, 6 Abs. 1 VVG). Seine Behauptung, er habe der Beklagten seine Tätigkeit als Handelsvertreter unverzüglich angezeigt, ist durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt. Sonstige Gründe, weshalb die Anzeige unverschuldet unterblieb, sind nicht dargelegt und auch den Gesamtumständen nicht zu entnehmen.

dd. Allerdings wird in der Rechtsprechung - wenn auch im Hinblick auf die in § 9 Abs. 6 MB/KT geregelte Obliegenheit, eine "Doppelversicherung" nur mit Einwilligung des Versicherers abzuschließen oder zu erhöhen - erörtert, ob ungeachtet des § 6 Abs. 1 VVG, der die Leistungsfreiheit des Versicherers bei der Verletzung von anderen als gefahrsteuernden Obliegenheiten nicht von Kausalitäts- oder Relevanzüberlegungen abhängig macht, der Krankentagegeldversicherer sich nicht auf Leistungsfreiheit berufen darf, wenn den Versicherungsnehmer kein schweres Verschulden trifft oder die Obliegenheitsverletzung für den Eintritt des Versicherungsfalls oder die Höhe der zu erbringenden Leistung keinerlei Bedeutung hatte (vgl. BGH, Urt. v. 28.04.1971 - IV ZR 174/69 - VersR 71, 662 ff ; Urt. v. 13.11.1980 - IVa ZR 23/80 - NJW 81, 746; Urt. v. 05.03.1986 - IVa ZR 63/84 - VersR 86, 380; insgesamt bejahend: Prölss/Martin/Prölss, a.a.O., § 6 Rdnr. 95; insgesamt ablehnend: Römer/Langheid/Römer, VVG, § 6 Rdnr. 28 ff). In einem solchen Fall kann jedenfalls die Berufung des Versicherers auf Leistungsfreiheit gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen.

Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Die Beklagte war durch die Nichtanzeige des Berufswechsels bis zu dem Eintritt des Versicherungsfalls gehindert zu überprüfen, ob der Kläger überhaupt noch versicherungsfähig war und ob er in dem von ihm zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls ausgeübten Beruf vollständig arbeitsunfähig war. Sie war ferner gehindert festzustellen, ob das vereinbarte Krankentagegeld entsprechend einem geminderten Nettoeinkommen herabgesetzt werden kann. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass ein hohes Interesse eines Krankentagegeldversicherers bestehen kann, rechtzeitig von dem Berufswechsel eines Selbständigen zu erfahren. Dass weiterhin erhebliche Zweifel daran bestehen und letztlich nicht zuverlässig geklärt werden können, ob der Kläger gegen Ende des Jahres 2001 überhaupt noch selbständig berufstätig war, beruht nicht zuletzt darin, dass der Kläger die Beklagte über seine berufliche Entwicklung vor Eintritt des Versicherungsfalls im Unklaren gelassen hat. Die von dem Kläger gleichfalls verletzte Obliegenheit des § 9 Abs.2 MB/KT, auf die sich die Beklagte vor Ablehnung von Leistungen nicht berufen hat, schützt einen Krankentagegeldversicherer vor dem möglichen Risiko von Unredlichkeiten einer selbständig tätigen versicherten Person, deren Einkommen rückläufig ist und bei der das Fortbestehen eines Unternehmens unklar ist, nur unzulänglich.

3. Dem Feststellungsantrag des Klägers ist nicht stattzugeben. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht ausgeführt, dass der Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung erbrachter Krankentagegeldleistungen in Höhe von - zumindest - 7.825,86 EUR gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zusteht. Denn da dem Kläger ein Anspruch auf Krankentagegeld nicht zusteht, sind die Zahlungen der Beklagten ohne Rechtsgrund erfolgt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO, wobei bei dem Feststellungsantrag wegen der grundsätzlich vernichtenden Wirkung eines obsiegenden Urteils der Streitwert in der Höhe, in der sich die Beklagte eines Rückzahlungsanspruch berühmt (hier: 7.825,86 EUR), festzusetzen war (vgl.: Zöller/Herget, ZPO, 25. Auflage, § 3 Rdnr. 16 "Feststellungsklage").

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Denn die Rechtssache besitzt weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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