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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 12.07.2006
Aktenzeichen: 5 U 610/05
Rechtsgebiete: VVG, AUB, ZPO


Vorschriften:

VVG § 1 Abs. 1 S. 1
VVG § 49
VVG § 61
AUB § 5 Nr. 2
ZPO § 286
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 28.09.2005, Az.: 14 O 163/05, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für den Schadensfall vom 09./10.08.2005 - Entwendung eines Kundenfahrzeugs mit dem amtl. Kennzeichen NK-... von dem Hofgelände der Kfz-Werkstatt - in der S. Straße in R. Versicherungsschutz zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.000,--EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten wegen einer auf ihrem Betriebsgelände erfolgten Entwendung eines Kundenfahrzeugs.

Die Klägerin betreibt eine Karosserie- und Lackierwerkstatt. Seit November 1993 unterhält sie bei der Beklagten eine Kraftfahrtversicherung für Kraftfahrzeug-Handel und Kraftfahrzeug-Handwerk, die eine Fahrzeugteilkaskoversicherung mit 300,--DM Selbstbeteiligung umfasst (Versicherungsschein-Nr.: ...1; Bl. 46 d.A.). Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) in ihrer jeweils neuesten Fassung sowie die Sonderbedingungen zur Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung für Kraftfahrzeug-Handel und -Handwerk, Stand November 1980 (Bl. 48 d.A.), zu Grunde. In der Anlage zum Versicherungsschein (Bl. 49 d.A.) heißt es:

Zur Handel- und Handwerkversicherung gilt zusätzliches folgendes vereinbart:

(x) Außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten sind fremde zugelassene Fahrzeuge, die sich in Werkstatt- bzw. Händlerobhut befinden sowie eigene und fremde nicht zugelassene Fahrzeuge nur in der verschlossenen Halle oder auf dem eingefriedeten und abgeschlossenen Betriebshof versichert.

Ende Juli 2002 beauftragte das Saarland (Landesbetrieb für Straßenbau) die Klägerin, Unfallschäden an einem PKW der Marke Peugeot, Typ 406 Kombi, amtl. Kennzeichen NK-..., zu beseitigen. Nach der Durchführung der Reparaturarbeiten wurde das Fahrzeug auf dem Innenhof des Betriebsgeländes hinter der Werkstatthalle in verschlossenem Zustand abgestellt. Dieser Innenhof wird nach Feierabend durch ein Klapptor geschlossen. Seit dem 07.08.2002 vermisste die Klägerin den Zündschlüssel des Pkws. Hierüber informierte sie die Fahrzeughalterin. Ferner bat sie diese um die Übermittlung eines Ersatzschlüssels. In der Nacht vom 09.08.2002 auf den 10.08.2002 wurde der Peugeot gestohlen. Täter war ein ehemaliger Praktikant der Klägerin. Dieser hatte auch den Zündschlüssel entwendet. Während sich dieser Zündschlüssel nach dem Vortrag der Klägerin in der Klageschrift in einem Büroraum befunden haben soll, hat der Geschäftsführer der Klägerin bei seiner Anhörung durch das Landgericht bekundet, dass sich der Schlüssel in einem Schlüsselkasten in der Werkshalle befunden habe. Nach dem von dem Zeugen H.N. gefertigten Tatortbericht (Bl. 58, 59 d.A.), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2005 war, hat der Geschäftsführer nach der Entwendung des Peugeots erklärt, der Schlüssel habe zusammen mit dem Kfz-Schein auf dem Schreibtisch des kleinen Büroraums gelegen. Bei seiner Anhörung durch den Senat hat der Geschäftsführer der Klägerin erklärt, er könne nicht mehr sagen wo sich der Schlüssel befunden habe, bevor man diesen vermisst habe. Der Täter selbst hat bei seiner Beschuldigtenvernehmung angegeben, er habe den entweder am Schlüsselbrett hängenden oder in einem Körbchen liegenden Zündschlüssel entwendet und sei dann mit dem Fahrzeug vom Hofgelände weggefahren. Am 11.08.2002 verursachte der Straftäter mit dem entwendeten PKW einen Verkehrsunfall bei dem der Peugeot wirtschaftlichen Totalschaden erlitt. Zwischen dem 25.08.2002 und dem 09.09.2002 entwendete derselbe Täter weitere zwei Fahrzeuge von dem klägerischen Firmengelände. Wegen sämtlicher Fahrzeugdiebstähle ist er rechtskräftig verurteilt (Verfahren 21 Js 1882/02, 21 Js 1886/02, 21 Js 1887/02 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken).

Zur Zeit der Diebstahlereignisse fanden auf dem Gelände der Klägerin Erdarbeiten statt. In dem Tatortbericht ist insoweit festgehalten, dass man wegen dieser Erdarbeiten auf Umwegen auch aus dem Hofgelände herausfahren kann, wenn das Tor geschlossen ist. Weiter heißt es: "Als Besonderheit gibt der Werkstattinhaber V. an, dass im Laufe des vergangenen Mittwoch, also am 07.08.2002 tagsüber, die letzten Reparaturarbeiten an dem PKW durchgeführt wurden. Danach lagen sowohl der Kfz-Schein als auch der Schlüssel hinter dem Tresen auf dem Schreibtisch des kleinen Büroraumes. Während der Kfz-Schein noch liegen bleibt, wird seit diesem Mittwoch der Zündschlüssel vermisst. Man kann sich nicht erklären, wo der Schlüssel hingelangt sein könnte. Da man zunächst davon ausgeht, dass vielleicht einer der Kunden den Schlüssel versehentlich mit gegriffen haben könnte, wird kein Schlüsseldiebstahl in Erwägung gezogen."

Mit Schreiben vom 28.04.2004 lehnte die Beklagte - letztmalig - Deckung aus dem Handel-Handwerk-Kaskovertrag für den Diebstahlschaden vom 09.08.2002 wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls ab.

Ende Juli 2005 erhob die Fahrzeugeigentümerin vor dem Landgericht Saarbrücken Schadensersatzklage gegen die Klägerin dieses Rechtsstreits sowie den Straftäter. In diesem - unter dem Aktenzeichen 4 O 271/05 - geführten Verfahren erging am 15.11.2005 gegen den Straftäter ein Teilversäumnisurteil (Bl. 73, 74 der Beiakte 4 O 271/05). Im Übrigen hat das Landgericht - unter Hinweis auf das gegenwärtige Verfahren - auf den Antrag der Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet (Bl. 71 der Beiakte 4 O 271/05).

Die Klägerin hat behauptet, der Betriebshof sei zum Schadenszeitpunkt durch den Bauzaun vollständig abgeschlossen gewesen. Das Betreten des Innenhofes außerhalb der Öffnungszeiten sei daher nur unter Einsatz krimineller Energie (Abbau des Bauzauns) möglich gewesen. Auch hätte - wie die späteren Diebstähle zeigten - das Fahrzeug in der Werkstatthalle nicht sicherer gestanden. Sie hat ferner die Ansicht vertreten, dass die Beklagte sich nicht auf Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls berufen könne. Es hätten keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Fahrzeugschlüssel auf Grund einer Straftat aus dem Büro entwendet worden sei. Sie sei daher zunächst davon ausgegangen, dass der Schlüssel verlegt worden sei.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für den Schadensfall vom 9./10. August 2002 (Entwendung eines Kundenfahrzeugs mit dem Kennzeichen NK-... von dem Hofgelände der Kfz-Werkstatt) in der S. Straße in R., Versicherungsschutz zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, dass das Fahrzeug nicht versichert sei. Der Werkstattinnenhof habe zur Zeit des Fahrzeugdiebstahls nicht die Voraussetzungen eines abgeschlossenen und eingefriedeten Betriebshofs erfüllt. Zudem sei sie nicht leistungspflichtig, weil die Klägerin den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Diese habe sich nämlich äußerst sorgfaltswidrig verhalten, indem sie trotz des Schlüsselverlustes den Peugeot auf dem Hofplatz stehen gelassen und auch keinerlei Maßnahmen zur Sicherung des Fahrzeugs ergriffen habe.

Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung eines Zeugen sowie der Verwertung der Strafakten abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte jedenfalls wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls gemäß § 61 VVG von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie meint, der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens sei nicht gerechtfertigt. Zur Ergreifung zusätzlicher Sicherungsmaßnahmen habe kein Anlass bestanden. Das Gebäude sei rückwärtig durch einen Bauzaun gesichert gewesen. Bei diesem Bauzaun habe es sich um einen Steckzaun gehandelt, der in Betonfüßen gesteckt habe und an den einzelnen Elementen mit Schrauben und Schellen zusammengesteckt gewesen sei. Die Schrauben seien an der Außenseite angebracht gewesen, so dass das Öffnen von innen heraus nur mit kaum vertretbarem Aufwand möglich gewesen sei. Auf Grund dieser Qualität habe der Bauzaun ein wesentliches Hindernis dargestellt. Im Übrigen habe sich der Täter auch durch erheblichere Hindernisse nicht von einem Diebstahl abbringen lassen, was die nachfolgenden Diebstähle gezeigt hätten. Ein objektiver Pflichtenverstoß liege auch deshalb nicht vor, weil es sich ihr nicht ohne weiteres aufdrängen musste, dass sich infolge des Verschwindens des Schlüssels das Risiko eines Fahrzeugdiebstahls wesentlich erhöht habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Kfz-Schein, der zusammen mit dem Zündschlüssel auf dem Schreibtisch im Büro gelegen habe, nicht gestohlen worden sei. Ferner habe sich wegen des Fahrzeugtyps ein Diebstahl nicht aufgedrängt. Keinesfalls habe sie sich gleichgültig gegenüber dem versicherten Gut verhalten. Unmittelbar nach dem Verschwinden des Schlüssels habe sie bei der Fahrzeughalterin einen Ersatzschlüssel angefordert. Zu Unrecht sei das Landgericht auch davon ausgegangen, dass zwischen ihrem Verhalten und dem Eintritt des Versicherungsfalls ein Kausalzusammenhang bestehe. In der Nacht vom 25.08. auf den 26.08.2002 habe sich der Straftäter zur Durchführung eines weiteren Diebstahls gewaltsam Zutritt zum verschlossenen Werkstattbereich verschafft. Von dort aus sei es problemlos möglich das Hallentor zu öffnen und das Betriebsgelände zu verlassen. Das Nichtverbringen des Fahrzeugs in die Werkstatthalle sei daher nicht notwendige Bedingung für den eingetretenen Schaden. Ein Fahrlässigkeitsvorwurf könne auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Peugeot nicht zugeparkt worden sei. Denn bei dem am 08.09.2002 erfolgten Einbruch habe der Täter einen durch einen Radlader gegen Wegfahren blockierten Pkw entwendet. Im Übrigen habe die Beklagte sie angewiesen Fahrzeugschlüssel nicht wegzusperren, damit die Fahrzeuge im Falle eines Brandes leichter entfernt werden könnten. Schließlich sei Leistungsfreiheit deshalb nicht eingetreten, weil der Versicherungsfall auch bei der Wahl einer nicht grob fahrlässigen Verhaltensalternative eingetreten wäre. Dies ergebe sich aus den nachfolgenden Diebstahlgeschehen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 28.09.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken, Az.: 14 O 163/05, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für den Schadensfall vom 9./10. August 2002 (Entwendung eines Kundenfahrzeugs mit dem Kennzeichen NK-... von dem Hofgelände der Kfz-Werkstatt) in der S. Straße in R., Versicherungsschutz zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Entscheidungsgründe:

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1 Alt. 1, 546 ZPO). Die Beklagte hat der Klägerin gemäß §§ 1 Abs. 1 S. 1, 49 VVG i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag -Versicherungsscheinnummer ... Deckung für das Schadensereignis vom 09./10.08.2002 zu gewähren.

1. Für den streitgegenständlichen Schadensfall besteht Versicherungsschutz.

Nach der in den Versicherungsvertrag einbezogenen Anlage zur KfzHH- Versicherung sind fremde zugelassene Fahrzeuge, die sich in Werkstattobhut befinden, außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten nur in der verschlossenen Halle oder auf dem eingefriedeten und abgeschlossenen Betriebshof versichert (Einfriedungsklausel). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Versicherungsnehmer zu beweisen, da die Klausel eine primäre Risikobeschreibung beinhaltet. Diesen Nachweis hat die Klägerin geführt.

1.1. Bei der vereinbarten Einfriedungsklausel handelt es sich um eine rechtlich unbedenkliche objektive primäre Risikobeschreibung (gleichbedeutend mit Risikobegrenzung; vgl.: Neuhaus/ Effelsberg, MDR 05, 1211) und nicht um einen Risikoausschluss oder um eine verhüllte Obliegenheit. Bei der Unterscheidung zwischen einer Risikobeschreibung und einer Obliegenheit kommt es nicht nur auf den Wortlaut und die Stellung der Klausel an. Entscheidend ist vielmehr der materielle Gehalt der Klausel. Es kommt darauf an, ob die Klausel eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das der Versicherer Versicherungsschutz gewähren will (Risikobegrenzung) oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder ob er ihn verliert (verhüllte Obliegenheit; vgl.: BGH, Urt. v. 16.11.2005 - IV ZR 120/04 - VersR 2006, 215; VersR 2000, 969 unter 1.a). Wird durch die von vornherein erkennbar zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung nur ausschnittsweise Deckung gewährt, handelt es sich um eine Risikobeschränkung. In der Form eines Ausschlusses - mit seinen beweisrechtlichen Folgen - erfolgt die Begrenzung des Risikos dann, wenn von einem zunächst uneingeschränkt übernommenen Risiko durch weitere vertragliche Regelungen bestimmte Teile der Deckungszusage zurückgenommen werden (BK/Schauerz, vor §§ 49 ff. Rdnr. 7,8).

Ob die durch die Anlage zum Versicherungsschein erfolgte Begrenzung des Versicherungsschutzes außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten, die das an sich weitergehende Versprechen der Sonderbedingungen Kraftfahrzeug-Handel + Handwerk inhaltlich beschränkt, dann als Risikoausschluss zu betrachten ist oder, wofür manches spricht, sich aus der Zusammenschau aller Bedingungen eine von vornherein bestehende und dem verständigen Versicherungsnehmer erkennbare und einleuchtende abschließende Beschreibung des zugesagten Versicherungsumfangs vorliegt, kann dahinstehen.

1.2. Der Kläger hat nämlich nachgewiesen, dass die Voraussetzungen der Einfriedungsklausel vorliegen. Der Betriebshof war durch das Werktor "abgeschlossen". Darüber streiten die Parteien nicht. Er war auch eingefriedet. Von einer Einfriedung ist - nicht anders als von einer Umfriedung i.S.v. § 5 Nr. 2 AUB - auszugehen, wenn der Betriebshof von der öffentlichen Straße nicht frei zugänglich sondern durch Schutzeinrichtungen wie Zäune, Gitter, Mauern, Gräben oder Hecken gegenüber Dritten abgegrenzt ist (vgl. OlG Köln zfs 2005, 610 zu § 5 Nr. 2 AUB m.w.N.). Ob es erforderlich ist, dass dieser Schutz lückenlos ist (anders als OLG Frankfurt Schaden Praxis 1994, 90; Prölss/Martin/Knappmann, § 5 AUB Rdnr. 9), kann dahinstehen. Der Betriebshof der Klägerin war vollständig eingefriedet.

Hiervon ist der Senat mit der gemäß § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit auf Grund der glaubhaften Angaben des Geschäftsführers der Klägerin bei seiner Anhörung durch den Senat, die dieser durch Vorlage einer Skizze und eines Luftbildes von dem Firmengelände verdeutlicht hat und die von der Beklagten auch nicht angegriffen werden, überzeugt. Danach war der vollständige Abschluss des Innenhofs durch einen Bauzaun gewährleistet. Auch ein Bauzaun ist - wie der Name bereits sagt - ein Zaun. Die Frage, ob der Bauzaun durch Schellen und Schrauben gesichert war, ist nicht entscheidungserheblich; sie kann daher offen bleiben. Selbst ein leicht zu überwindendes physisches Hindernis begründet nämlich befriedetes Besitztum (vgl.: Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl, § 123 StGB, mit zahlreichen Beispielen).

Die Überzeugung des Senats wird auch nicht durch das Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme erschüttert. Der Zeuge H.N. hat in dem von ihm gefertigten Tatortbericht zwar festgehalten, dass zur Zeit des Diebstahls auf dem Gelände der Klägerin Erdarbeiten stattfanden, so dass man auf Umwegen auch aus dem Hofgelände herausfahren konnte, wenn das Klapptor geschlossen war. Bei seiner Vernehmung durch das Landgericht hat er aber das Vorhandensein des Bauzauns ausdrücklich bestätigt. Anhaltspunkte dafür, dass vor der Entwendung des Kraftfahrzeugs Teile der Vergitterung aus ihrer Verankerung gehoben und beiseite gestellt oder Zaunabschnitte verschoben gewesen seien, liegen nicht vor.

2. Die Beklagte ist nicht gemäß § 61 VVG leistungsfrei. Der Feststellung des Landgerichts, die Klägerin habe den Versicherungsfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt, vermag der Senat in rechtlicher Hinsicht nicht zu folgen.

Nach § 61 VVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich - was von der Beklagten nicht behauptet wird und wofür der Sach- und Streitstand auch im Übrigen nichts hergibt - oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Ein Herbeiführen in Sinne dieser Norm liegt vor, wenn die dringende Gefahr des Eintritts des Versicherungsfalls - hier also des Diebstahls - entsteht. Der Versicherungsnehmer muss durch sein Verhalten - Tun oder Unterlassen - den als vertragsgemäß vorausgesetzten Standard an Sicherheit gegenüber der Diebstahlgefahr deutlich unterschritten haben (BGH, Urt. v. 05.10.1983 - IVa ZR 19/82 -, VersR 84, 29). Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen objektiv in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet lässt, was im gegebenem Fall jedem hätte einleuchten müssen. Darüber hinaus muss es sich um ein auch in subjektiver Hinsicht schlechthin unentschuldbares Fehlverhalten handeln (BGH, Urt. v. 29.01.03 - IV ZR 173/01 - NJW 03, 364). Diese Voraussetzungen liegen bei keiner der in Betracht kommenden Sachverhaltsvarianten vor.

a) Der Täter selbst hat bei seiner Beschuldigtenvernehmung angegeben, er sei in der Nacht vom 09.08.2002 auf den 10.08.2002 in die klägerische Werkstätte eingebrochen, habe dort den Zündschlüssel des Peugeots 406 an sich genommen und sei dann mit diesem Fahrzeug von dem Hofgelände weggefahren. Dieses Vorbringen stellt nicht nur Parteivortrag sondern zugleich urkundlich bewiesene Darstellung des Täters dar, da das Vernehmungsprotokoll Inhalt der antragsgemäß bei gezogenen und zu Beweiszwecken zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Strafakte 21 Js 1882/02 ist. Wird dieser Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt, kann eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls von vornherein nicht festgestellt werden. Denn der Straftäter gelangte in der Tatnacht durch einen Einbruch in die Werkhalle in den Besitz des Fahrzeugschlüssels. Das Aufbewahren eines Schlüssels in einer verschlossenen Werkhalle ist aber ebenso wenig grob fahrlässig wie das Zurücklassen eines Schlüssels in einer verschlossenen Wohnung.

b) Grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls ist der Klägerin auch dann nicht vorzuwerfen, wenn der Schlüssel sich nach dem Vorbringen der Parteien in dem sich in der Werkhalle befindenden Schlüsselkasten aufbewahrt war und aus diesem von dem Täter im Laufe des 07.08.2002 entwendet wurde.

Zu den von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer zu erwartenden Sicherungsvorkehrungen gegen einen Fahrzeugdiebstahl gehört es, die Fahrzeugschlüssel so aufzubewahren, dass diese vor unbefugten Zugriffen Dritter geschützt sind. Maßgebend ist, ob in der konkreten Situation ein erheblich erleichterter Zugriff für unbefugte Dritte bestand, was für den Versicherungsnehmer auch ohne weiteres ersichtlich war. Dagegen liegt keine grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Versicherungsnehmer nicht ohne weiteres mit einem Diebstahl des Schlüssels rechnen konnte (OLG Celle, NJW-RR 05, 1345, mit zahlreichen Beispielsfällen aus der Rechtsprechung). Hat die Klägerin den Zündschlüssel vor dem Zugriff beliebiger Dritter geschützt, indem sie diesen in einem Schlüsselkasten aufbewahrt hat, der sich in der Werkhalle und damit in einem regelmäßig nicht dem freien Publikumsverkehr zugänglichen Bereich befindet, so musste sie nicht damit rechnen, dass sich jemand unter den Blicken der Mitarbeiter oder nach Arbeitsschluss durch Einbruch in die Werkhalle begibt und dort gezielt nach Fahrzeugschlüsseln sucht.

c) Auch für den Fall, dass der Fahrzeugschlüssel im Verlauf des 07.08.2002 aus dem Büroraum entwendet wurde, liegen die Voraussetzungen des § 61 VVG nicht vor. Fraglich ist bereits, ob dieser Büroraum für Dritte frei zugänglich war. Dies bedarf aber keiner weiteren Aufklärung. Denn der Zündschlüssel lag dort nicht offen und für jedermann griffbereit herum, sondern war - Anderes hat die Beklagte nicht behauptet- hinter einem Tresen auf einem Schreibtisch abgelegt. Damit aber war eine physische Sperre vorhanden, die die unmittelbare Zugriffsmöglichkeit ausschloss. Bei dieser Sachlage musste die Klägerin auch nicht ohne weiteres mit einem Diebstahl des Schlüssels rechnen. Denn ein potenzieller Dieb musste ernsthaft befürchten entdeckt zu werden, da mit einem jederzeitigen Betreten des Büroraums durch einen Mitarbeiter der Klägerin zu rechnen war und das Ergreifen eines Schlüssels über einen Tresen hinweg ein höchst verdächtiger Vorgang ist.

d) Der Vorwurf grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls ist schließlich nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Klägerin seit dem 07.08.2002 den Zündschlüssel des entwendeten Fahrzeugs vermisst und dennoch keine Sicherungsmaßnahmen ergriffen hat, um eine Entwendung des Peugeots zu verhindern.

Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Versicherungsfall grob fahrlässig auch durch ein Unterlassen möglichst geeignet und zumutbarer Maßnahmen zum Schutz des versicherten Objekts herbeigeführt werden kann (BGH, Urt. v. 23.6.2004 - IV ZR 219/03 - VersR 2005, 218; VersR 76, 649). Voraussetzung ist allerdings, dass der Versicherungsnehmer die gefahrbegründenden Umstände gekannt hat (BGH a.a.O.).

Ausreichend aber auch notwendig ist insoweit die Kenntnis von Umständen, aus denen sich ergibt, dass der Eintritt des Versicherungsfalls in den Bereich der praktisch unmittelbar in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten gerückt ist (BGH, VersR 1986, 962).

Unter Anwendung dieser Maßstäbe kann die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls durch Unterlassen nicht festgestellt werden. Die Entwendung eines Fahrzeugschlüssels mit - wie hier - konkret gegebener Möglichkeit der Zuordnung des Schlüssels zum Fahrzeug rechtfertigt zwar in der Regel die Annahme der Herbeiführung des Versicherungsfalls durch Unterlassen (vgl.: OLG Celle, a.a.O., m.w.N.). Der Klägerin musste sich die Möglichkeit des Eintritts des Versicherungsfalls - also die spätere Fahrzeugentwendung - aber nicht aufdrängen. Zwar vermisste sie den Fahrzeugschlüssel. Dass dieser entwendet wurde, hat sie aber - nach ihrer ihr nicht zu widerlegenden Einlassung - nicht als einen möglichen Geschehensablauf in Betracht gezogen. Dies musste sie auch nicht. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass die Klägerin an dem dem Zündschlüssel zuordbaren Fahrzeug, Reparaturarbeiten ausgeführt hat. Die Möglichkeit, dass einer der Mitarbeiter der Klägerin den Schlüssel versehentlich eingesteckt oder aber verlegt hatte, war daher nahe liegend. Die Entwendung des Zündschlüssels zur Vorbereitung eines späteren Diebstahls lag hingegen fern. Auch die Fahrzeugmarke (Peugeot), der Fahrzeugtyp (406 Kombi) und der Wert des Fahrzeugs (der Wiederbeschaffungswert liegt unter 15.000,--EUR) mussten die Klägerin nicht veranlassen anzunehmen, dass der Schlüssel für einen späteren Diebstahl entwendet wurde. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug nicht im öffentlichen Verkehrsraum oder einer anderen für jedermann frei zugänglichen Örtlichkeit abgestellt war. Vielmehr befand es sich auf dem eingefriedeten und abgeschlossenen Betriebshof der Klägerin. Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände ist das Unterlassen von Sicherungsvorkehrungen schon nicht als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzend und subjektiv schlechthin unentschuldbar handelnd zu qualifizieren.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713.

Die Revision wird mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht zugelassen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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