Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 30.04.2003
Aktenzeichen: 5 U 616/02
Rechtsgebiete: BGB, VVG, ZPO, AKB


Vorschriften:

BGB § 174
BGB § 174 S. 2
BGB § 242
VVG § 6 Abs. 1 S. 3
VVG § 10
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
AKB § 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

5 U 616/02

verkündet am 30.4.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker und die Richter am Oberlandesgericht Geib und Dr. Dörr auf die mündliche Verhandlung vom 26. 03. 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung der Klägerin gegen das am 02.10.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (Az.: 12 O 133/02) werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 2 % und die Beklagte 98%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Gebührenberechnung in der Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 5.197, 95 Euro.

Gründe:

I.

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung. Hinsichtlich der Einzelheiten des Versicherungsvertrages, dem die AKB in der Fassung 01. 05. 2000 zugrunde lagen, wird auf den Versicherungsschein verwiesen (Bl. 51).

Am 27. 09. 2001 verursachte die Klägerin im Zustand alkoholbedingter Fahruntauglichkeit einen Verkehrsunfall; das versicherte Kraftfahrzeug wurde zwar wirtschaftlich, nicht aber technisch total beschädigt. Die Klägerin informierte hierüber am 05.11. 2001 die sie betreuende Versicherungsagentur. Eine entsprechende Mitteilung ging am 08.10.2001 in der zuständigen S. Bezirksdirektion der Beklagten ein.

Die Beklagte beabsichtigte, mit einem Schreiben vom 05. 10. 2001 den Versicherungsvertrag wegen einer Obliegenheitsverletzung durch die Klägerin fristlos zu kündigen und die Klägerin bis zu einem Betrag in Höhe von 10.000 DM in Regress zu nehmen. Dieses Schreiben, welches von einem Gruppenleiter der Beklagten, Herrn B., unterzeichnet war, ging der Klägerin zunächst nicht zu. Es wurde darauf hin mit einem ergänzenden Anschreiben vom 06. 11. 2001 (Bl. 48) erneut zugestellt. Die Klägerin widersprach mit Anwaltsschreiben vom 09. 11. 2001 Kündigung und Regressandrohung, wobei sie die Erklärungen gem. § 174 BGB wegen fehlender Beifügung einer Vollmachtsurkunde zurückwies.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage einerseits die Feststellung, dass die Beklagte nicht befugt sei, sie wegen des Verkehrsunfalles vom 27. 09. 2001 in Regress zu nehmen und verlangt andererseits Ersatz der ihr vorgerichtlich durch die Inanspruchnahme ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten in Höhe von 65,03 €. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe die Frist des § 6 Abs. 1 S. 3 VVG versäumt.

Die Beklagte hielt die von ihr ausgesprochene Kündigung für wirksam. Ihre Kündigung sei fristgerecht innerhalb eines Monats nach Kenntnisnahme von der Obliegenheitsverletzung zugegangen. Die Klägerin habe arglistig den Zugang des Kündigungsschreibens vereitelt, da sie - obwohl ein Benachrichtigungszettel in ihren Briefkasten eingeworfen worden sei - das Schriftstück nicht abgeholt habe. Nachdem sie im Zustand der Fahruntüchtigkeit einen Verkehrsunfall verursacht habe, habe sie mit dem Eingang rechtserheblicher Schreiben von Seiten ihrer Versicherung rechnen müssen. Jedenfalls wirke aber der Zugang des Schreibens vom 06. 11. 2001 zurück. Auf § 174 BGB könne sich die Klägerin nicht berufen, weil infolge der Rückwirkung die Rüge der mangelnden Vorlage einer Vollmachtsurkunde verspätet erfolgt sei. Im übrigen sei der Zeuge B. schon aufgrund seiner betriebsinternen Stellung als Gruppenleiter befugt, die Beklagte bei der Kündigung von Versicherungsverträgen zu vertreten. Dies könne in Anbetracht des Umstandes, dass es sich hierbei um ein Massengeschäft handele, auch gar nicht anders gehandhabt werden. Schließlich verstoße es auch gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, wenn sich die Klägerin auf § 174 BGB berufe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlich vorgetragenen Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagte nicht befugt ist, die Klägerin wegen des Verkehrsunfalles vom 27. 09. 2001 in Regress zu nehmen und die Klage im übrigen, also soweit die Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten geltend gemacht wurde, abgewiesen. Es hat ausgeführt, infolge des Unfalles sei das versicherte Interesse nicht weggefallen sei, da - technisch - das Kraftfahrzeug repariert werden könne. Die Kündigungserklärung der Beklagten sei nicht fristgerecht erfolgt, da die Klägerin diese gemäß § 174 BGB wirksam habe zurückweisen können. Dies sei unverzüglich, nämlich binnen zwei Tagen nach Zugang, erfolgt, wobei hier auf den 11. 10. 2001 abzustellen sei. Ungeachtet der Frage, ob eine Rückwirkung der Zustellung hier wegen Arglist der Klägerin fingiert werden könne - dies könne dahinstehen - habe für die Klägerin erst ab diesem Zeitpunkt die tatsächliche Möglichkeit bestanden, das Fehlen der Vollmachtsurkunde festzustellen und zu rügen. Der Klägerin sei auch aus Billigkeitsgründen nicht verwehrt, sich auf § 174 BGB zu berufen, da die innerbetriebliche Stellung des Gruppenleiters B. aus dem Schreiben nicht ersichtlich und auch kein durch ständige geschäftliche Korrespondenz gewachsenes Vertrauensverhältnis entstanden sei.

Ein Schadensersatzanspruch stehe der Klägerin demgegenüber nicht zu. Die Beklagte habe keine ihr obliegende Pflicht schuldhaft verletzt. Die von ihr ausgesprochene Kündigung sei nicht ungerechtfertigt erfolgt, sondern lediglich infolge der Verfristung unwirksam.

Gegen das Urteil hat die Beklagte frist- und formgerecht (Bl. 133) Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe zu Unrecht dahinstehen lassen, ob der Zugang der Kündigung fingiert werden könne; dies sei zu bejahen, da die Klägerin den Zugang vereitelt habe. Sie bestreite wahrheitswidrig, dass ihr der Benachrichtigungszettel zugegangen sei. Nach dessen Zugang hätte sie - angesichts des von ihr im Zustand der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit verursachten Unfalles - davon ausgehen müssen, dass seitens der Versicherung keine "guten Nachrichten" auf sie warten. Die Klägerin dürfe sich nach Treu und Glauben nicht auf § 174 BGB berufen, da sie zuvor nie die Vorlage einer Vollmachtsurkunde verlangt habe. Im übrigen bestehe kein Anlass, anzunehmen, dass die handelnde Person nicht bevollmächtigt sei.

Die Beklagte beantragt.

die Klage unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie legt Anschlussberufung ein und beantragt insoweit

die Beklagte über das Feststellungsurteil hinaus zur Zahlung von 65, 03 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz sei Rechtshängigkeit hieraus an die Klägern zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

Die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Zwar habe das Landgericht die Fiktion des Zugangs nicht dahinstehen lassen dürfen, jedoch sei das Urteil gleichwohl im Ergebnis richtig. Selbst wenn man - was bestritten werde - davon ausgehe, dass der Benachrichtigungszettel tatsächlich zugegangen sei, führe dies allenfalls zu einer fahrlässigen, nicht aber einer vorsätzlichen Zugangsvereitelung. Die Klägerin weist - wie bereits erster Instanz unbestritten vorgetragen worden war - erneut darauf hin, dass in keinem einzigen Fall mit einem Vertreter der Beklagten korrespondiert worden sei, weshalb es auch nicht treuwidrig sei, sich auf das Fehlen einer Vollmachtsurkunde zu berufen. Auch der Versicherungsschein - die einzige mit der Beklagten geführte Korrespondenz - sei nicht von "diesem Herrn B." unterschrieben gewesen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Landgericht habe die geltend gemachten Anwaltskosten zu Unrecht abgewiesen; immerhin habe die Beklagte auf ihre fehlerhafte Rechtsauffassung beharrt, der Zugang des Kündigungsschreibens werde gemäß § 10 VVG fingiert. Weiterhin habe die Beklagte auch Regressforderungen gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Schließlich stehe es einem Versicherungsnehmer auch zu, sich gegen eine "nur" formunwirksame Kündigung zur Wehr zu setzen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist ebenso zulässig, wie die Anschlussberufung der Beklagten. In der Sache haben beide Rechtsmittel keinen Erfolg.

1.

Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Beklagte nicht befugt ist, die Klägerin wegen des Schadensereignisses vom 27. 09. 2001 in Regress zu nehmen.

Gem. § 6 Abs. 1 S. 3 VVG entfällt das Recht der Beklagten, die Klägerin in Regress zu nehmen, wenn sie nicht binnen eines Monats nach der Obliegenheitsverletzung, die zur Leistungsfreiheit führt, kündigt. Daran fehlt es in vorliegendem Fall.

a)

Die Obliegenheit zur Kündigung entfällt nicht schon, weil der Versicherungsvertrag durch den dauernden und vollständigen Wegfall des versicherten Interesses vor Ablauf der Kündigungsfrist gegenstandslos geworden ist (vgl. hierzu BGH VersR 1992, 1098, 1090; BK-Schwintowski § 6 Rn. 94). Dies ist in der Kfz.- Haftpflichtversicherung erst dann der Fall ist, wenn bei dem versicherten Fahrzeug wirtschaftlicher und technischer Totalschaden eingetreten ist (OLG Hamm VersR 1994, 802, BK a.a.O. Rn. 96); ein technischer Totalschaden ist nach den (bindenden) Feststellungen in dem angefochtenen Urteil hier nicht gegeben.

b)

Der Klägerin ist eine wirksame und fristgerechte Kündigung innerhalb der Frist des § 6 Abs. 1 S. 3 VVG nicht zugegangen.

aa)

Die Monatsfrist des § 6 Abs. 1 S. 3 VVG lief in vorliegendem Fall bereits ab dem 05.10.2001, nämlich ab dem Zeitpunkt, als die Klägerin die Agentur B. in V. - per Fax - über die Umstände des Unfalles informierte. Nach § 9 AKB sollen Anzeigen und Erklärungen des Versicherungsnehmer an die "im Versicherungsschein als zuständig bezeichnete Stelle" gerichtet werden. Eine ausdrückliche Bezeichnung einer solchen Stelle findet sich im Versicherungsschein nicht. Für Schadenmeldungen - nicht für die Entgegennahme schriftlicher Anzeigen - ist allerdings eine Telefon- Nr. angegeben (Bl. 53), unter welcher - unter der Überschrift "es berät Sie gern" - die Agentur B. genannt ist. Dementsprechend ist zumindest unklar, ob die Agentur B. nicht auch zur Entgegennahme der Schadensanzeige befugt ist, was zu Lasten des Versicherers gehen muß (§ 5 AGBG). Ungeachtet dessen lief die Frist spätestens ab dem 08. 10. 2001, als die Anzeige in der Bezirksdirektion einging. Letzteres hat das Landgericht (bindend) festgestellt.

bb)

Die Kündigungserklärung in dem Schreiben vom 11. 10. 2001 ist der Klägerin nicht zugegangen, bevor sie mit Schreiben vom 06. 11. 2001 erneut übersandt wurde; dieses ging erst nach dem 05. 11. 2001 und damit verspätet zu.

Zugegangen ist eine Willenserklärung, sobald sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, daß bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihr Kenntnis erlangen (BGHZ 67, 271, 275). Hier ist der Klägerin fristgerecht allenfalls (sie selbst bestreitet auch das) der von dem Postzusteller gefertigte Benachrichtigungsschein zugegangen. Zwar wird in der Literatur teilweise vertreten, dass dies für einen Zugang ausreiche, wenn der Brief nicht spätestens am nächsten Werktag abgeholt werde, weil aus der Sicht der Risikoverteilung der Erklärende alles getan habe, um den Brief in den Bereich des Empfängers zu bringen und von diesem nach den Gepflogenheiten des Verkehrs erwartet werden könne, das er den Brief innerhalb objektiv angemessener Frist abhole (vgl. hierzu die Nachweise bei Soergel-Hefermehl, BGB, 14. Aufl., § 130 Rn. 10). Die Rechtsprechung sieht dies zu Recht anders (BGHZ 137, 205 ff): Es gibt keine allgemeine Obliegenheit, auf die Benachrichtigung hin den bei der Post befindlichen Brief abzuholen (Soergel a.a.O.).

Auch eine Rückwirkung der Zustellung gem. § 242 BGB ist nicht anzunehmen. Selbst wenn man aufgrund des erwarteten Zuganges rechtserheblicher Erklärungen Vorsorge dafür zu treffen hat, dass diese Erklärungen den Empfänger auch erreichen, rechtfertigt ein entsprechender Sorgfaltsverstoß nicht ohne weiteres, den Adressaten nach Treu und Glauben so zu behandeln, als habe ihn die infolge seiner Sorgfaltsverletzung nicht zugegangene Willenserklärung doch erreicht (BGHZ 137, 205 ff). Ansonsten würde der Zugang des Benachrichtigungsscheines - wenn auch nicht unmittelbar, so doch über § 242 BGB - letztlich doch dem Zugang des Briefes selbst gleichstehen, was mit der obengenannten Wertung nicht vereinbar wäre. Ein arglistiges Verhalten, bei dem eine solche Sanktion gerechtfertigt ist (vgl. Soergel a.a.O.), ergibt sich aus dem von der Beklagten vorgetragenen Sachverhalt nicht. Sie stellt lediglich unter Beweis, dass der Benachrichtigungszettel in den Briefkasten eingeworfen wurde. Dies reicht auch im Zusammenhang mit dem Argument, die Klägerin habe angesichts des zuvor angezeigten Unfalles "nichts Gutes von der Versicherung zu erwarten" gehabt, nicht aus. Derartige Erwägungen sind zu unscharf und undifferenziert, um den gravierenden Vorwurf der Arglist darauf zu stützen. Dies gilt insbesondere in Fällen wie dem Vorliegenden, in dem noch nicht einmal vorgetragen ist, dass aus dem Benachrichtigungsschein hinreichende Informationen über den Inhalt des niedergelegten Schriftstückes ersichtlich waren.

c)

Ungeachtet dessen ist die Kündigung selbst dann nicht wirksam, wenn man von einem fristgemäßen Zugang ausgeht. Die Klägerin hat die Kündigung wirksam gemäß § 174 BGB zurückgewiesen.

aa)

Eine Kündigung fällt - als einseitiges Rechtsgeschäft - unter die Vorschrift des § 174 BGB. Eine Vollmachtsurkunde war der Kündigungserklärung nicht beigefügt.

bb)

Die Rüge ist auch unverzüglich erfolgt, nämlich binnen zwei Tagen nach Zugang des Schreibens vom 06. 11. 2000. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Zustellung dieses Schreibens über § 242 BGB zu einem (fiktiven) Zugang zum Zeitpunkt des ersten Zustellversuches führt, ergäbe sich nichts anderes. Die Frage, ob die Versäumung der Frist des § 6 Abs. 1 S. 3 VVG über § 242 BGB geheilt wird ist von der Frage, ab wann der Erklärungsempfänger Anlass hatte, die fehlende Beifügung der Vollmachtsurkunde zu rügen, zu trennen. Letzteres ist erst dann der Fall, wenn er tatsächlich in die Lage versetzt wird, zu prüfen, wer die Willenserklärung abgegeben hat und ob bzw. inwieweit die handelnde Person vertretungsberechtigt ist. Dem könnte man zwar entgegenhalten, dass ein arglistig handelnder Erklärungsempfänger besser dastünde als ein redlicher Erklärungsempfänger, weil nunmehr dem Erklärenden die Möglichkeit genommen ist, fristgerecht "nachzubessern". Ob in derartigen Fällen gem. § 242 BGB geboten ist, auch die "Nachbesserung" noch zuzulassen, kann indes dahinstehen, da die Beklagte hier tatsächlich keinen "Nachbesserungsversuch" unternommen hat.

cc)

Die Beifügung einer Vollmachtsurkunde war auch nicht gemäß § 174 S. 2 BGB entbehrlich. Dies kommt in Betracht, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat, was auch konkludent erfolgen kann, wenn der Vertreter eine Stellung bekleidet, mit der eine Vollmacht verbunden zu sein pflegt, die auch das konkrete einseitige Rechtsgeschäft erfasst (Schramm in MK, 4. Aufl., § 174 Rn. 8). Das mag man beispielsweise annehmen, wenn ein Prokurist unter dieser Bezeichnung gehandelt hat oder ein Hausverwalter einen Mietvertrag oder der Leiter der Personalabteilung ein Arbeitsverhältnis kündigt. Eine vergleichbare Konstellation ist hier nicht gegeben. Der Zeuge B., der in dem Schreiben selbst nur als "Ansprechpartner" bezeichnet ist (vgl. Bl. 49) mag zwar vertretungsberechtigter Gruppenleiter sein. Dies war für die Klägerin indes nicht erkennbar. Es gibt darüber hinaus keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass ein "Gruppenleiter" regelmäßig befugt ist, Versicherungsverträge zu kündigen. Im Lichte des § 174 S. 2 BGB ist das Kündigungsschreiben völlig unzureichend, wie bereits durch einen Vergleich mit dem Schreiben der (zu einer Kündigung nicht befugten) Sachbearbeiterin Bach vom 06. 11. 2001 (Bl. 48) deutlich wird. Sachbearbeiterin und Gruppenleiter sind in beiden Fällen gleich, nämlich wie oben bereits ausgeführt als "Ansprechpartner" bezeichnet. Funktion und Umfang der Vertretungsmacht des "Ansprechpartners" bleiben dagegen völlig im Dunkeln.

dd)

Der Klägerin ist auch nicht gem. § 242 BGB die Berufung auf § 174 BGB verwehrt. Dass es ggf. treuwidrig ist, das Auftreten eines Vertreters zurückzuweisen, dessen Vertretungsmacht während einer längeren Geschäftsverbindung nie beanstandet wurde, war auch vor der von der Beklagten mehrfach zitierten Entscheidung des 1. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts (OLG-Report 2002, 143) anerkannt (vgl. Leptien in Soergel, BGB, § 174 Rn. 5). Vorliegend weist die Klägerin allerdings zu Recht darauf hin, dass derartige Überlegungen für den vorliegenden Fall schon deshalb fruchtlos sind, weil der handelnde Herr B. noch keinerlei Kontakt zu der Klägerin hatte.

2.

Die Anschlussberufung ist zulässig (§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO), bleibt in der Sache jedoch ebenfalls erfolglos. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, die sich der Senat zu eigen macht, ausgeführt, dass die Beklagte zwar nicht wirksam gekündigt, aber hierdurch keine Verletzung vertraglicher Pflichten begangen hat. Die Klägerin verkennt, dass die Beklagte nicht "verpflichtet" war, fristgemäß und unter Vorlage einer Vollmachtsurkunde zu kündigen, sondern dass es sich hier nur um eine Obliegenheit handelte, deren Nichtbeachtung zu Rechtsnachteilen führte.

Die im Rahmen der Berufung zusätzlich vorgebrachte Erwägung, der Klägerin müsse es schon im Hinblick auf die angedrohte Regressforderung möglich sein, vorgerichtlich einen Rechtsanwalt einzuschalten, verkennt, dass das "zur Wehr setzen" gegen Kündigung und Regress Teil der notwendigen Rechtsverteidigung in diesem Rechtsstreit darstellt. Ein eigenständiger Anspruch auf Erstattung entsprechender Anwaltskosten aus pVV besteht nicht.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück