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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 13.07.2005
Aktenzeichen: 5 U 689/04
Rechtsgebiete: VVG, ZPO, BGB, HGB


Vorschriften:

VVG § 6
VVG § 6 Abs. 1
VVG § 6 Abs. 1 Satz 3
VVG § 6 Abs. 2
VVG § 61
VVG § 62
VVG § 152
ZPO § 139
BGB § 247
BGB § 307
HGB § 425
HGB § 426
HGB § 435
1. Im Hinblick auf das transportrechtliche Haftungsregime bestehen Bedenken gegen die Wirksamkeit des Risikoausschlusses in der Frachtführerhaftpflichtversicherung für leichtfertig und in dem Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts herbeigeführte Versicherungsfälle, solange der Versicherer diese Deckungsbegrenzung und ihre Tragweite nicht ausdrücklich hervorhebt.

2. Die Obliegenheit zur sorgfältigen Auswahl des Fahrpersonals wird verletzt, wenn sich der Versicherungsnehmer kein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen lässt oder sich bei bisherigen Arbeitgebern über den Leumund unterrichtet.


SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

5 U 689/04

Verkündet am 13. Juli 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 22.6.2005 unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Madert-Fries und der Richterin am Landgericht Jung

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.11.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken, Az. 7 II O 79/04, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird 30.000 Euro festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Klägerin, die ein Transportunternehmen betreibt, unterhält bei der Beklagten für ihre Fahrzeuge eine Frachtführerhaftungsversicherung (Versicherungsvertrag -Nr. X1, mit Nachtrag Nr. X2 und Versicherungsschein vom 25.9.2001, Nr. X3 ). Der Versicherungsvertrag war ausweislich der SVG-Frachtführer-Europapolice (Bl. 27 ff d.A.) zum 17.1.2001 zeitlich befristet bis zum 1.2.2002 mit Verlängerungsklausel und unter Einschluss der Versicherungsbedingungen zur SVG-Frachtführer-Europapolice (Bl. 31 ff d.A.) abgeschlossen worden. Gemäß Ziffer 3 dieser Versicherungsbedingungen sind ausgeschlossen Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, herbeigeführt haben. Ziffer 7.1.2. der Versicherungsbedingungen bestimmt, dass es dem Versicherungsnehmer obliegt, das Fahrpersonal sorgfältig auszuwählen und laufend zu überwachen sowie die weiteren mit dem Versicherer besonders vereinbarten Schadensverhütungsmaßnahmen einzuhalten. Gemäß Ziffer 8 ist der Versicherer nach Maßgabe der §§ 6, 62 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit verletzt, und bleibt abweichend von § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG der Versicherer wegen Verletzung einer vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllenden Obliegenheit auch dann leistungsfrei, wenn er von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat" (Bl. 32 d.A.). Im Jahre 2002 wurde von einem Fahrer der Klägerin, die mit der Durchführung von Transporten für die Fa. Sch. beauftragt war, Transportgut entwendet. Dieser Fahrer, der vor Beginn seiner Tätigkeit bei der Klägerin bei der Fa. V. als Kraftfahrer beschäftigt war, hatte im Rahmen der für die Fa. V. durchgeführten Fahrten ebenfalls Transportgut nicht an die Empfänger abgeliefert, sondern für eigene Zwecke an sich genommen. Er wurde deswegen mit Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 12.12.2002 (35-1040/02) wegen Unterschlagung in 16 Fällen unter Berücksichtigung von Vorstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten auf Bewährung verurteilt (Bl. 70 ff d.A.).

Mit Schreiben vom 3.12.2002 meldete die Fa. Sch. der Klägerin den Verlust von Transportgut und machte Ansprüche dem Grunde nach geltend (Bl. 9, 10 d.A.). Die Klägerin ihrerseits gab unter dem 21.1.2003 eine Schadensmeldung gegenüber der Beklagten ab (Bl. 63 d.A.). Diese lehnte mit Schreiben vom 4.11.2003 (Bl. 66 d.A.) unter Hinweis auf eine Obliegenheitsverletzung nach Ziffer 7.1.2., Ziffer 8 der Versicherungsbedingungen eine Regulierung ab.

Die Klägerin, die von der Beklagten Freistellung von den von der Fa. Sch. wegen des Verlustes des Transportgutes geltend gemachten Schadensersatzansprüchen begehrt, hat geltend gemacht, dass die Beklagte sich nicht auf die Verletzung einer Obliegenheit vor dem Versicherungsfall stützen könne. Ihr sei ein Auswahlverschulden in Bezug auf den Fahrer E. nicht vorzuwerfen. Der Fahrer, der sich auf eine Annonce hin gemeldet habe, habe einen ordentlichen und vertrauenswürdigen Eindruck gemacht, und auch ein Besuch in dessen Privaträumen vor der Einstellung habe keinen Grund zu Bedenken gegeben. Auch seien in der Folgezeit keinerlei Beanstandungen - sei es aus dem Arbeitsumfeld, sei es aus dem Kundenkreis- an sie herangetragen worden. Für die Einholung eines polizeilichen Führungszeugnisses habe keine Veranlassung bestanden, ein qualifiziertes Arbeitszeugnis hätte sich der Fahrer E. nicht ausstellen lassen, und ein einfaches Arbeitszeugnis wäre ohne Aussagekraft gewesen. Zur Einforderung eines polizeilichen Führungszeugnisses sei sie nicht, auch nicht auf der Grundlage der Versicherungsbedingungen, verpflichtet gewesen. Ziffer 7.1.2. der Versicherungsbedingungen stelle insoweit keine AGB-konforme Ausprägung von § 6 VVG dar. Auch fehle es an einer für einen zulässigen Haftungsausschluss nach Ziffer 8 notwendigen groben Fahrlässigkeit.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat unter anderem darauf verwiesen, dass die von der Klägerin vor Einstellung des Fahrers E. getroffenen Maßnahmen nicht, insbesondere nicht den in Ziffer 7.1.2. der Versicherungsbedingungen genannten Anforderungen genügten, um ein Verschulden bei der Auswahl in Frage zu stellen. Insoweit sei nicht nur die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses, aus der die früheren Vorstrafen ersichtlich gewesen wären, sondern auch die Vorlage von Zeugnissen früherer Arbeitgeber bzw. Erkundigungen bei diesen erforderlich gewesen, um sich eine ausreichende Kenntnis über die Zuverlässigkeit des Fahrers zu verschaffen, wodurch sich die bei der Fa. V. begangenen Unterschlagungsfälle offenbart hätten. Insoweit sei davon auszugehen, dass die Klägerin den Fahrer E. in Kenntnis dieser Vorgeschichte nicht eingestellt hätte, so dass es auch nicht zu den in Rede stehenden Schadensfällen gekommen wäre. Das oberflächliche Vorgehen der Klägerin sei von daher wenn nicht als Vorsatz, so doch als grobe Fahrlässigkeit zu qualifizieren.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt, dass die Beklagte zwar nicht gemäß Ziffern 7.1.2. und 8 der Versicherungsbedingungen leistungsfrei sei, weil Ziffer 7.1.2. nicht als Obliegenheit i.S.v. § 6 VVG formuliert sei. Die Beklagte sei jedoch gemäß § 61 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei, der auch im Streitfall Anwendung finde. Die Klägerin habe nämlich den Versicherungsfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt. Wer einen Fahrer einstelle, der regelmäßig werthaltige Waren transportieren solle, handele leichtfertig und damit grob fahrlässig, wenn er nicht auf der Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses bestehe, es sei denn, er lasse den Transport stets nur zusammen mit einem zweiten Fahrer ausführen. Da der Fahrer E. die Transporte regelmäßig allein habe durchführen sollen, habe die Klägerin, indem sie weder ein polizeiliches Führungszeugnis eingefordert noch in anderer Weise in zumutbarem Umfang Erkundigungen über die Zuverlässigkeit des Fahrers eingeholt habe, krass gegen die Mindestanforderungen an die im Zusammenhang mit der Anstellung geeigneten Personals zur Durchführung von Transporten werthaltiger Waren verstoßen und damit grob fahrlässig gehandelt. Sie habe zugleich subjektiv die für sie auf der Hand liegenden einfachsten Vorsichtsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Einstellung unterlassen. Umstände, die aus der Sicht der Klägerin eine andere Beurteilung rechtfertigten, seien nicht ersichtlich. Da das objektiv und subjektiv grob fahrlässige Verhalten den Versicherungsfall letztlich herbeigeführt habe, sei die Beklagte leistungsfrei.

Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, dass das Urteil des Landgerichts auf einer Rechtsverletzung, nämlich auf einer Verletzung von § 139 ZPO, beruhe. Das Erstgericht habe nicht darauf hingewiesen, dass § 61 VVG einschlägig sein könne. In diesem Fall wäre sie in die Lage versetzt worden vorzutragen, dass im Zeitpunkt der Einstellung des Fahrers noch keine Eintragung im polizeilichen Führungszeugnis vorhanden gewesen sei. Auch sei eine Verurteilung durch das Amtsgericht Saarlouis in dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren 2 Js XXX erst nach der Einstellung erfolgt. Von daher sei selbst bei Vorliegen eines polizeilichen Führungszeugnisses im Zeitpunkt der Einstellung der Schaden nicht zu vermeiden gewesen. Auch sei in erster Instanz hinsichtlich der Einstellungspraxis im LKW- Nahverkehrsgewerbe Beweis angeboten worden, den das Landgericht nicht erhoben habe. Denn auch wenn eine Eintragung im polizeilichen Führungszeugnis vorhanden gewesen wäre, wäre dies nicht ausschlaggebend gewesen, weil in erster Linie darauf geachtet werde, ob der Bewerber die notwendige Fahrerlaubnis besitze. Gleiches gelte für Auskünfte bei früheren Arbeitgebern.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 30.11.2004, 7 II O 79/04, zu verurteilen

1.

die Klägerin von den seitens der Firma Sch. Deutschland AG, , in dem Rechtsstreit vor dem

1. Amtsgericht Merzig, 23 C 1079/03, geltend gemachten Ansprüchen in Höhe von zur Zeit 1.377,40 Euro nebst Zinsen und zusätzlich geltend gemachter Kosten in Höhe von 372,50 Euro,

2. Amtsgericht Merzig, 3 C 131/04, in Höhe von 4.339,40 Euro nebst Zinsen und Kosten,

3. Amtsgericht Merzig, 23 C 158/04, in Höhe von 2.216,80 Euro nebst Zinsen und Kosten, sowie

4. von den von der Fa. Sch. AG, Geschäftsstelle., vor dem Landgericht Passau, 1 HK O 776/04, in Höhe von 9.170,50 Euro nebst Zinsen und Kosten geltend gemachten und im letzteren Fall durch Anerkenntnis festgesetzten Ansprüche freizustellen;

5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch für evtl. zukünftige Ansprüche Dritter gegen die Klägerin aus dem haftungs-rechtlich relevanten Fehlverhalten des ehemaligen Fahrers der Klägerin, R. E., , Versicherungsschutz zu gewähren;

2.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle erforderlichen Kosten ihrer Rechtswahrnehmung bzw. Rechtsverteidigung bezüglich der in dem vorgehenden Antrag genannten Sachverhalte zu ersetzen und diese mit 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Zustellung bzw. Rechtshängigkeit zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist ergänzend darauf, dass, soweit § 152 VVG in dem Rechtsverhältnis zwischen den Parteien Anwendung finde, diese Regelung durch § 3 der Versicherungsbedingungen wirksam abgeändert worden sei. Ein in diesem Sinne leichtfertiges Verhalten der Klägerin liege aus den vom Erstgericht genannten Gründen vor.

B.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil leidet zwar an Rechtsfehlern. Die Entscheidung erweist sich aber aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig.

Die Klägerin kann Leistungen aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Haftungsversicherung wegen der in Rede stehenden Versicherungsfälle nicht beanspruchen; denn die Beklagte ist jedenfalls gemäß Ziffern 8, 7.1.2 AVB, § 6 Abs.1,2 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei.

(1.)

Soweit das Landgericht eine Leistungsfreiheit der Beklagten mit Blick auf § 61 VVG angenommen hat, verkennt es die Rechtslage. § 61 VVG ist eine für die Schadensversicherung geltende Vorschrift. Die zwischen den Parteien bestehende Verkehrshaftungsversicherung ist, wie sich unschwer aus Ziffer 1, 1.1. AVB ergibt, eine Haftpflichtversicherung. Der für die Haftpflichtversicherung vorbehaltlich zulässiger vertraglicher Abweichungen geltende Risikoausschluss ergibt sich aus § 152 VVG.

Ob indes nach dieser Bestimmung - in Verbindung mit den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten - die Beklagte leistungsfrei geworden ist, erscheint zweifelhaft.

(1.1.)

Gemäß § 152 VVG haftet der Versicherer nicht, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, widerrechtlich herbeigeführt hat. Vorsätzliches Verhalten kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden.

§ 152 VVG ist allerdings grundsätzlich abdingbar, so dass bei entsprechender vertraglicher Regelung auch mildere Schuldformen zum Anspruchsverlust führen können (Baumann in Berliner Kommentar zum VVG, 1998, § 152, Rdnr. 33, m.z.w.N.; Langheid in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 152, Rdnr. 2, m.w.N.; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 152, Rdnr.7;BGH, VersR 1987, S. 174 ff; siehe auch § 4 II Nr. 4 AHB). Auch für Gütertransporte wird durchaus vertreten, dass ein Risikoausschluss auch für Fälle grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls vereinbart werden kann (Thume/de la Motte, Transportversicherungsrecht 2004, VVG § 152, Rdnr. 250; vgl. auch OLG Köln, RuS 1995, S. 410; OLG München, OLGR 1993, S. 126 ff; OLG München, ZfS 1991, S. 101 ff; OLG Karlsruhe, VersR 1995, S. 1306 ff, m.w.N.; vgl. auch LG Hamburg, VersR 1994, S. 599 ff ).

(1.2.)

Die Beklagte hat in Ziffer 3 ihrer Versicherungsbedingungen bestimmt, dass Versicherungsansprüche aller Personen ausgeschlossen sind, die den Schaden vorsätzlich oder leichtfertig in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, herbeigeführt haben.

(1.2.1.)

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände in besonders hohem Maße verletzt und das unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Leichtfertig ist darüber hinaus ein grob fahrlässiges Verhalten, das eine auf der Hand liegende Sorgfaltspflicht außer Betracht lässt, weil der Schädiger sich in besonders krasser Weise über die Sicherungsinteressen seines Auftraggebers bezüglich der ihm anvertrauten Güter hinwegsetzt. In diesem Sinn setzt das objektive Merkmal der Leichtfertigkeit mithin eine besonders schwere Nachlässigkeit voraus (vgl. BGHZ 74, 162 ff / 168; BGH, NJW 1982, 1218; BGH Z 145, S. 170 ff; OLG Oldenburg, OLGR 2001, 351 ff, m.w.N.; OLG Hamburg, OLGR 2003, 4365 ff, m.w.N.; OLG Hamburg, TranspR 2002, 238; so auch Fremuth in Fremuth/Thume, Transportrecht, § 435 Rz. 13, 14; Dubischar in MünchKomm/HGB, Bd. 7a, § 435 Rz. 5). Es geht um die Verletzung grundlegender, auf der Hand liegender Sorgfaltspflichten,um das Sichhinwegsetzen über Bedenken, die sich jedem aufdrängen mussten (OLG Hamburg, aaO; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., § 435 HGB Rz. 6; Art. 29 CMR Rz. 3b; Art. 25 WA 1955 Rz. 5; Kronke in MünchKomm/HBG, Bd. 7, Art. 25 WA 1955 Rz. 28).

Allerdings muss - nach der vereinbarten Klausel - das Bewusstsein hinzutreten, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.

(1.2.2.)

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im Streitfall von einer leichtfertigen Herbeiführung des Versicherungsfalls im Sinne der Versicherungsbedingungen durch die Klägerin auszugehen.

Die Klägerin hat den Fahrer E., der sich auf ein Inserat der Klägerin hin bei dieser um eine Stelle als Kraftfahrer beworben hatte, nach einem fernmündlichen Gespräch in seiner Wohnung aufgesucht, um sich einen Eindruck von seiner Person und seinem persönlichen und sozialen Umfeld zu verschaffen. Auf weitere Überprüfungen des Fahrers vor dessen Einstellung hat die Klägerin verzichtet. Sie hat sich weder Zeugnisse, Referenzen oder ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen lassen, noch hat sie Erkundigungen bei früheren Arbeitgebern des Fahrers eingeholt. Mit diesem Vorgehen hat die Klägerin bei der Auswahl des einzustellenden Personals die nächstliegenden Vorsichtsmaßnahmen außer acht gelassen. Es muss jedem einleuchten, dass man einem bisher völlig unbekannten Fahrer nicht ohne gründliche Prüfung seines Werdegangs und seiner Zuverlässigkeit, zum Beispiel auf Grund von Unterlagen und Zeugnissen über seine bisherigen Beschäftigungsverhältnisse und telefonischer Erkundigungen bei früheren Arbeitgebern, einen Lastkraftwagen mit werthaltiger Ladung anvertraut, insbesondere wenn die Transporte von dem neu einzustellenden Fahrer regelmäßig allein und nicht zusammen mit einem weiteren verlässlichen Fahrer durchgeführt werden sollen (BGH, VersR 1967, S. 53/54; OLG Celle, Schaden-Praxis 1999, S. 101; OLG München, VersR 1968, S. 1158/1159; OLG Frankfurt, NVersZ 2000, S. 529 ff; siehe auch OLG Köln, OLGR 1996, S. 189 ff; zur Notwendigkeit der Durchführung einer Legitimationsprüfung vgl. auch OLG München, OLGR 1996, S. 178 ff). Eine solche Verantwortung darf nur Personen übertragen werden, die nicht nur die für ihren Beruf nötigen technischen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, sondern auch die Charaktereigenschaften haben, die sie vor leichtfertiger Gefährdung von Menschen und Sachgütern bewahren, vor allem Gewissenhaftigkeit, Zuverlässigkeit und Verantwortungsgefühl (BGH, aaO; siehe auch OLG Celle, VersR 1977, S. 84,85).

Das aufgezeigte Verhalten der Klägerin bei der Auswahl des Fahrers E. kann von daher nur als leichtfertig qualifiziert werden. Sie hat, indem sie auf die vorstehenden Erkundigungen verzichtet hat, grundlegende, auf der Hand liegende Sorgfaltspflichten außer acht gelassen, sich angesichts von Gefahren Bedenken, die sich jedem aufdrängen mussten, verschlossen, und sich damit in besonders krasser Weise über die Sicherungsinteressen ihres Auftraggebers bezüglich der ihr anvertrauten Güter hinwegsetzt.

(1.2.3.)

Allerdings muss das leichtfertige Verhalten der Klägerin den Versicherungsfall herbeigeführt haben. Das setzt voraus, dass eine Vornahme der gebotenen Zuverlässigkeitsprüfung den Eintritt des Versicherungsfalls vermieden hätte. Das muss die Beklagte beweisen.

Dass die Klägerin bei Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses von der Einstellung des Fahrers E. abgesehen hätte, steht nicht fest. Die Verurteilung durch das Amtsgericht Saarlouis (in dem Strafverfahren 2 Js) ist erst nach der Einstellung des Fahrers E. erfolgt. Zwar ist aus der strafrichterlichen Entscheidungen zu entnehmen, dass Vorverurteilungen vorlagen. Um welche Vorverurteilungen es sich handelte und, vor allem, ob sie Aufnahme in ein polizeiliches Führungszeugnis gefunden hätten, hat die Beklagte nicht, wie ihr obliegt, dargelegt.

Dies kann letztlich aber auch dahinstehen. Das leichtfertige Verhalten der Klägerin erschöpft sich nämlich nicht darin, von der Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses abgesehen zu haben. Vielmehr ist der Klägerin vorzuwerfen, auf jegliche effektive und zumutbare Vorsichtsmaßnahmen bei der Einstellung des Fahrers E. verzichtet zu haben. Denn die Klägerin hat sich weder Unterlagen und Zeugnisse seiner bisherigen Beschäftigungsverhältnisse vorlegen lassen, noch hat sie -zumindest telefonische- Erkundigungen bei früheren Arbeitgebern des Fahrers E. eingeholt. Mit dem Verzicht auf das Einholen derartiger Auskünfte, die einen jedermann einleuchtenden und unverzichtbaren Mindeststandard an Maßnahmen darstellen und die mit einem nur geringem Aufwand und Kosten verbunden sind, hat die Klägerin auf der Hand liegende Sorgfaltsmaßnahmen unterlassen und sich damit zugleich in besonders krasser Weise über die Sicherungsinteressen ihrer Auftraggebers bezüglich der ihr anvertrauten Güter hinwegsetzt.

In diesem Zusammenhang kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, im Nahverkehrsgewerbe seien Zeugnisse nicht üblich (Seite 3 der Berufungsbegründung Bl. 174 d.A., vgl. auch Bl. 79 d.A.). Selbst wenn dem so sein sollte, wofür - auch nach dem Sachvortrag der Klägerin- keine Anhaltspunkte vorliegen und letztlich nichts spricht, entbindet dies die Klägerin jedenfalls nicht davon, Erkundigungen und Nachfragen an frühere Arbeitgeber des Fahrers zu richten, um sich mit diesem Mindestmaß an Mühewaltung des Vorliegens der für die Tätigkeit notwendigen Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit zu vergewissern. Allein die Prüfung der Zuverlässigkeit im fachlich /technischen Bereich, auf die die Klägerin abhebt (Seite 4 der Berufungsbegründung, Bl. 175 d.A.), genügt im Hinblick auf die Verantwortung, die mit der Übertragung werthaltiger Güter der Auftraggeber auf den Fahrer beim Transport verbunden sind, nicht für eine vor der Einstellung vorzunehmende Überprüfung auch der unerlässlichen Charaktereigenschaften in diesem Berufszweig (BGH, aaO). Im Übrigen vermag die Branchenüblichkeit eines Fehlverhaltens die Klägerin als Versicherungsnehmerin ohnehin nicht zu entlasten (s.o., sowie Senat, Urt. v. 22.12.2004, 5 U 393/04-46).

Dass die Klägerin bei der gebotenen Nachfrage bei der Fa. V. von den gegen den Fahrer E. gerichteten Vorwürfen erfahren und sodann von dessen Einstellung abgesehen hätte, unterliegt keinem Zweifel. Dass sie den Fahrer E. auch im Falle der Offenbarung der bei der Fa. V. vorliegenden Verdachtsmomente bzw. Erkenntnisse, die die Klägerin letztlich nicht in Abrede stellt, dennoch eingestellt hätte, behauptet die Klägerin selbst nicht. Im Gegenteil hat sie bereits erstinstanzlich eingeräumt, dass sie den Fahrer E. nicht eingestellt hätte, wenn sie von dessen kriminellen Energien gewusst hätte (Seite 2 des Schriftsatzes vom 11.10.2004, Bl. 99 d.A.).

(1.2.4.)

Ob daraus bereits gefolgert werden kann, dass der Klägerin die Wahrscheinlichkeit eines Schadens bewusst war, kann dahinstehen. Allerdings muss zwar nicht mit jedem leichtfertigen Verhalten - insbesondere nicht bei Sachschäden - das Bewusstsein einer Schadenswahrscheinlichkeit verbunden sein (so ausdrücklich BGH TranspR 2001, 29 ff /33). Es ist aber dann anzunehmen, wenn bei einem nahe liegenden Schadensrisiko grundlegende Sorgfaltspflichten in krasser Weise missachtet werden und gravierende Schäden dadurch nicht unwahrscheinlich sind (OLG Hamburg, aaO; OLG Oldenburg, aaO; OLG Köln TranspR 2001, 408 ff / 410), wenn also das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und seinen Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt (BGH, NJW 2004, S. 2445 ff / 2446). Dies bedeutet, dass zwar einerseits allein aus der Bejahung leichtfertigen Handelns nicht auf das Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts geschlossen werden kann; andererseits aber auch nicht außer Betracht gelassen werden darf, dass sich bei Verletzung grundlegender, auf der Hand liegender Sorgfaltspflichten im Transportgewerbe häufig das Risiko von Großschäden geradezu aufdrängt, mithin an den Nachweis des Bewusstseins, der zumeist nur anhand von Indizien möglich sein wird, bei leichtfertigem Verhalten keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGH, NJW 2004, S. 2445 ff - allerdings den Verlust von Transportgut durch unzulängliche organisatorische Vorkehrungen betreffend -; OLG Köln TranspR 2001, 408 ff/ 411). Ob auch dann, wenn die Zuverlässigkeit eines einzustellenden Fahrers in leichtfertiger Weise unzureichend geprüft wird, ob also auch dann der Frachtführer von der Wahrscheinlichkeit eines Schadens ausgeht - was nicht ohne weiteres auf der Hand liegt - bedarf keiner Entscheidung.

(1.3.)

Keiner Entscheidung bedarf auch, ob gegen die Vereinbarung von Leistungsfreiheit in allgemeinen Versicherungsbedingungen schon bei grober Fahrlässigkeit bzw. Leichtfertigkeit durchgreifende rechtliche Bedenken begründet sind. Das wäre der Fall, wenn die Ausschlussklausel in ihrer konkreten Fassung die Klägerin unangemessen benachteiligen würde, weil sie wesentliche, sich aus der Natur des Vertrages ergebende Rechte und Pflichten so einschränken würde, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet würde (§ 307 Abs. 2 Nr.2 BGB).

Davon müsste ausgegangen werden, wenn Ziffer 3, 3.1 AVB den von der Beklagten versprochenen Schutz vor der Haftung des Frachtführers aus Frachtverträgen durch die Reichweite ihres Risikoausschlusses ausgehöhlt würde und - ohne dass dies der Klägerin erkennbar gewesen wäre - nur noch ein Risiko decken würde, das in der Mehrzahl der denkbaren Versicherungsfälle von wirtschaftlich nicht nennenswerter Bedeutung wäre. Dafür spricht Einiges.

Allerdings haftet ein Frachtführer nach § 425 HGB für jeden Schaden, der durch den Verlust oder die Beschädigung des Transportguts während seiner Obhut entsteht. Seine Haftung ist jedoch - von den Fällen des § 426 HGB abgesehen - auf Höchstbeträge beschränkt (§ 431 HGB). Sie belaufen sich - je nach den üblichen Währungsschwankungen - auf rund 3,50€ je Kilogramm der transportierten Ware. Damit wird der tatsächliche Wert des Transportguts regelmäßig weit unterschritten. Unbeschränkt haftet ein Frachtführer nur unter den Voraussetzungen des § 435 HGB. Sie liegen vor, wenn er leichtfertig und in dem Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts gehandelt hat. Gerade die Fälle der unbeschränkten Haftung des Frachtführers erfasst also der Risikoausschluss seines Frachtführerhaftpflichtversicherers. Folglich will die Beklagte für den wirtschaftlich allein relevanten Teil der Haftpflichtrisiken eines Frachtführers nicht einstehen.

Allerdings ist nicht zu verkennen, dass ein Versicherer ein legitimes Interesse daran hat, Versicherungsfälle, deren Eintritt auf einer besonders schweren Nachlässigkeit des Versicherungsnehmers beruhen, von der gewährten Deckung auszuschließen. Stellt er - gerade bei der Vereinbarung von Versicherungsschutz für Großrisiken - ausdrücklich klar, dass sein Deckungsangebot begrenzt ist oder bietet er gar zu unterschiedlichen Prämien unterschiedlich weitreichenden Versicherungsschutz an, so ist dagegen nichts zu erinnern. Unterlässt er eine solche Verdeutlichung, kann ein weitreichender Risikoausschluss eine unangemessene Benachteiligung darstellen.

Dies kann jedoch letztlich im Streitfall unentschieden bleiben. Denn die Beklagte ist aus anderen Gründen leistungsfrei.

(2.)

Die Leistungsfreiheit der Beklagten ergibt sich vorliegend nämlich aus einer von der Klägerin vor dem Versicherungsfall zu erfüllenden Obliegenheit (Ziffern 8, 7.1.2. AVB), die sie verletzt hat.

Gemäß Ziffer 7.1.2. der allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten obliegt es dem Versicherungsnehmer, das Fahrpersonal sorgfältig auszuwählen und sorgfältig zu überwachen sowie die weiteren mit dem Versicherer besonders vereinbarten Schadensverhütungsmaßnahmen einzuhalten; verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit, ist der Versicherer nach Maßgabe der "§§ 6, 62 VVG", auch wenn er von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat, leistungsfrei (Ziffer 8 Satz 1und 2).

(2.1)

Gegen die Wirksamkeit und Anwendung der unter Ziffer 7.1.2. AVB der Beklagten geregelten Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles bestehen, entgegen der Auffassung des Landgerichts, keine Bedenken.

Die Klausel, wonach der Versicherungsnehmer das Fahrpersonal sorgfältig auszuwählen und laufend zu überwachen hat, ist hinreichend bestimmt und auch im Übrigen nicht zu beanstanden.

(2.1.1)

Eine Obliegenheit im Sinne des § 6 Abs.1 VVG setzt voraus, dass das Verhalten, an das die Leistungsfreiheit knüpft, positiv oder negativ bestimmt und nicht bloß allgemein als Außerachtlassung der Sorgfalt charakterisiert wird, die geboten ist, um den Eintritt des Versicherungsfalles zu verhindern; es genügt also nicht die Normierung allgemeiner Sorgfaltspflichten, aus denen für den Versicherungsnehmer nicht mit der erforderlichen Klarheit hervorgeht, was er in der gegebenen Lage zu tun oder zu lassen hat . Vielmehr müssen dem Versicherungsnehmer bestimmte Verhaltensweisen zur Erhaltung seines Versicherungsanspruches vorgeschrieben, ihm also Handlungs- und Unterlassungspflichten vorgegeben werden (vgl. statt aller Prölss, aaO, § 6, Rdnr. 19, m.w.N.).

Ob dem Versicherungsnehmer in diesem Sinne konkrete Handlungs- oder Unterlassungspflichten auferlegt werden, ist durch eine Auslegung der allgemeinen Versicherungsbedingungen zu ermitteln. Bei der Auslegung von allgemeinen Versicherungsbedingungen, die -wie hier- Großrisiken zum Gegenstand haben, ist auf die maßgebliche Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers abzustellen und dabei zu berücksichtigen, dass der Versicherungsnehmer in der Regel Kaufmann, zumindest aber geschäftserfahren ist und ständig selbst mit AVB zu arbeiten pflegt (BGH, VersR 2005, S. 266 ff/ 267, m.w.N.).

Ein solcher durchschnittlicher, geschäftkundiger Versicherungsnehmer wird bei aufmerksamer Durchsicht der Versicherungsbedingungen erkennen, dass Ziffer 7.1.2 AVB ihm als vor dem Versicherungsfall zu erfüllende Obliegenheit aufgibt, das Fahrpersonal sorgfältig auszuwählen, also diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig, aber auch ausreichend sind, um sich ein Bild über die Zuverlässigkeit eines Fahrers, dem der Transport werthaltiger Güter anvertraut werden soll, zu verschaffen. Er wird weiter erkennen, dass sowohl wegen der erheblichen Verkehrsgefahren, die mit dem Betrieb von Lastkraftwagen verbunden sind, als auch wegen der anvertrauten hohen Sachwerte und die hiermit dem Fahrer übertragene große Verantwortung bei der gebotenen Auswahl nur solche Maßnahmen in Betracht kommen, die eine erfolgversprechende Überprüfung gewährleisten und ein objektives Bild von der Eignung und Zuverlässigkeit zu vermitteln geeignet sind, weil eine solche Verantwortung nur Personen übertragen werden darf, die nicht nur die für ihren Beruf nötigen technischen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, sondern auch die Charaktereigenschaften haben, die sie vor leichtfertiger Gefährdung von Menschen und Sachgütern bewahren.

Dass danach als Mindestmaß der einzuhaltenden Sorgfalt die Einholung eines polizeilichen Führungszeugnisses bzw. die Vorlage eines Arbeitszeugnisses, jedenfalls aber, insbesondere wenn auf die vorgenannten Maßnahmen verzichtet wird, eine Rücksprache bei dem vorherigen Arbeitgeber des einzustellenden Fahrpersonals geboten ist, weil der einmalige Besuch in der Wohnung des Fahrers eine in diesem Sinn erfolgversprechende Überprüfung zu gewährleisten nicht in der Lage ist, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung.

Von daher ist die Regelung hinreichend bestimmt. Soweit das Landgericht mit Blick auf eine Entscheidung des BGH (abgedruckt in VersR 1972, S. 85) die Regelung für nicht hinreichend bestimmt angesehen hat, kann dem nicht beigetreten werden. Die von dem BGH zu beantwortende Frage, ob eine Regelung, nach der die "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns dieses Geschäftszweiges" zu wahren ist, hinreichend bestimmt ist und die in dem zur Entscheidung stehenden Fall zu Recht als nicht hinreichend bestimmt angesehen worden ist, ist nämlich mit der hier in Rede stehenden Klausel, die auch für einen durchschnittlichen, geschäftkundigen Versicherungsnehmer ein Mindestmaß an Sorgfalt bei der Auswahl des Fahrpersonals impliziert, nicht vergleichbar. Während die Umschreibung "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns dieses Geschäftszweiges" letztlich offen lässt, welche Obliegenheiten von dem Versicherungsnehmer verlangt werden, lässt Ziffer 7.1.2 AVB der Beklagten keinen Zweifel daran aufkommen, dass der Versicherungsnehmer bereits bei der Auswahl die Sorgfalt walten lassen und entsprechende Maßnahmen ergreifen muss, die ihm ein objektives Bild von der Eignung und Zuverlässigkeit des Fahrpersonals vermitteln (s.o.).

(2.1.2)

Die geforderten Sicherheitsanforderungen halten auch einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB (früher § 9 AGBG) stand. Bei der hiernach gebotene Interessenabwägung ist nicht ersichtlich, dass die Einhaltung der von der Beklagten geforderten Maßnahmen unzumutbare Anforderungen an den Frachtführer stellten. Denn es wird ihm - wie im Übrigen jedem Versicherungsnehmer, der werthaltige Güter einem Dritten anvertraut - nicht mehr abverlangt, als ein solches Mindestmaß an Sorgfaltsanforderungen bei der Auswahl einzuhalten, das in eigenen Angelegenheiten aufzubringen ist. Zwar kann, wie dies nicht nur für Klauseln, die Obliegenheiten bereits bei der Auswahl des Fahrpersonals vorsehen, sondern auf eine Sicherung beladener Transporte abzielen, die Frage nach den erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen nicht allgemein gültig beantwortet werden, da die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Übertragung werthaltiger Güter an einen -wie hier- zur Durchführung von Transporten allein eingesetzten Fahrer -gerade im Kleingutverkehr- eine nicht unerhebliche Verlustgefahr birgt. Von daher dient der Versuch der Beklagten, ein gewisses Mindestmaß an Sicherheitsstandards bereits bei der Auswahl von Fahrern zu definieren, dem Interesse beider Parteien, ohne dass der Klägerin als Frachtführerin unangemessene und damit unzumutbare Pflichten auferlegt würden (vgl. hierzu auch Senat, Urt. v. 18.6.2003, 5 U 540/02-66, bestätigt durch Urt. des BGH v. 1.12.2004, IV ZR 291/03 = VersR 2005, S. 266 ff). Im übrigen war der Klägerin, wie das von ihr behauptete Verhalten ergibt, durchaus bewusst, dass sie eine Zuverlässigkeitsprüfung durchzuführen hatte; die, die sie vorgenommen haben will, war allerdings grob unzulänglich.

(2.2)

Die Klägerin hat die ihr auferlegte Obliegenheit verletzt. Denn sie hat in elementarer Weise gegen ihre Pflicht, die Fahrer sorgfältig auszuwählen verstoßen, weil sie, wie unter Ziffer 1.3 im Einzelnen dargelegt, naheliegende und einfachste Maßnahmen zur Überprüfung der Zuverlässigkeit des einzustellenden Fahrers E. - so insbesondere eine telefonische Nachfrage bei dem früheren Arbeitgeber des Fahrers- unterlassen hat (s.o.).

(2.3.)

Hat die Klägerin jedoch gegen die ihr gemäß Ziffer 7.1.2 AVB auferlegte Obliegenheit, das Fahrpersonal sorgfältig auszuwählen, vorwerfbar verstoßen, ist die Beklagte leistungsfrei (Ziffer 8 AVB). Nach dieser Klausel tritt Leistungsfreiheit nach Maßgabe der §§ 6, 62 VVG nämlich dann ein, wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit verletzt (Satz 1), ohne dass der Versicherer zur Kündigung verpflichtet ist (Satz 2).

Soweit durch den Verweis auf § 6 Abs. 2 VVG dem Versicherungsnehmer der Kausalitätsgegenbeweis eröffnet ist, hat die Klägerin diesen Nachweis nicht geführt (zur Beweislast vgl. Prölss, aaO, § 6, Rdnr. 124; Römer, aaO, § 6, Rdnr. 107 ff /115). Denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Verletzung der Obliegenheit - das Unterlassen der gebotenen Nachfrage bei dem früheren Arbeitgeber des einzustellenden Fahrers - auf den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung keinen Einfluss gehabt hat, der Nachteil des Versicherers also auch ohne Obliegenheitsverletzung eingetreten wäre. Dass die Beklagte wegen dieser vor Eintritt des Versicherungsfalls einzuhaltenden Obliegenheit keine Kündigung ausgesprochen hat, steht der Leistungsfreiheit der Beklagten ebenfalls nicht entgegen. Denn die Beklagte hat das Kündigungserfordernis des § 6 Abs. 1 S. 3 VVG wirksam abbedungen. Dass in Klauseln einer wie hier in Rede stehenden Frachtführerhaftungsversicherung, die zu den Großrisiken zählt, auf das Kündigungserfordernis des § 6 Abs. 1 S. 3 VVG wirksam verzichtet werden kann, unterliegt keinen Bedenken (vgl. Senat, Urt. v. 18.6.2003, 5 U 540/02-66, bestätigt durch Urt. des BGH v. 1.12.2004, IV ZR 291/03 = VersR 2005, S. 266 ff).

(2.4.)

Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass sie ein Verschulden nicht trifft (zur Darlegungs- und Beweislast vgl. statt aller Prölss, aaO, § 6, Rdnr. 124, m.z.w.N.). Insbesondere vermag in diesem Zusammenhang der Hinweis der Klägerin auf "branchenübliches" (Fehl-)-Verhalten bzw. auf eine Überprüfung der Zuverlässigkeit des Fahrers mittels Hausbesuches die Klägerin nicht zu entlasten (s.o. eingehend unter Ziffer 1.3.). Dies entbindet die Klägerin nämlich nicht davon, zumindest Erkundigungen und Nachfragen an frühere Arbeitgeber des Fahrers zu richten, um sich mit diesem Mindestmaß an Mühewaltung des Vorliegens der für die Tätigkeit notwendigen Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit zu vergewissern. Allein die Prüfung der Zuverlässigkeit im fachlich /technischen Bereich genügt im Hinblick auf die Verantwortung, die mit der Übertragung werthaltiger Güter der Auftraggeber auf den Fahrer beim Transport verbunden sind, nicht für eine vor der Einstellung vorzunehmende Überprüfung auch der unerlässlichen charakterlichen Zuverlässigkeit in diesem Berufszweig.

Ist demnach Leistungsfreiheit der Beklagten jedenfalls nach Ziffern 7.1.2, 8 AVB eingetreten, kann die Klägerin von der Beklagten weder auf der Grundlage des Versicherungsvertrages noch aus anderen Rechtsgründen Leistungen beanspruchen.

Von daher ist die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3, 5 ZPO; das Feststellungsbegehren der Klägerin, gerichtet auf Ersatz eventuell zukünftiger Ansprüche Dritter, war hierbei zu berücksichtigen.

Die an der Entscheidung beteiligte Richterin am LG Jung ist zwischenzeitlich aus dem Senat ausgeschieden.

Ende der Entscheidung

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