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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 04.07.2005
Aktenzeichen: 5 W 151/05
Rechtsgebiete: VVG, ZPO


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 3
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 567
ZPO § 569

Entscheidung wurde am 28.03.2006 korrigiert: der Entscheidung wurde ein amtlicher Leitsatz hinzugefügt
1. Erläutert die Belehrung eines Ablehnungsschreibens, was unter der gerichtlichen Geltendmachung zu verstehen ist, so muss sie alle in Betracht kommenden Rechtsschutzbegehren nennen.

2. Wird nach Vorschäden und Vorversicherungen in Bezug auf ein zu versicherndes Anwesen gefragt, so muss der Versicherungsinteressent auch solche ihm bekannte Umstände offenbaren, die eine das auf dem Anwesen befindliche Lokal betreibende GmbH, deren Gesellschafter er war, betrafen.


SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

5 W 151/05

In Sachen

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 15.3.2005 - 14 O 41/05 -

am 4. Juli 2005

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller beabsichtigt, wegen eines am 13.1.2003 in seiner Pizzeria entstandenen Brandschadens Entschädigung von der Antragsgegnerin aus einer Geschäftsinhaltsversicherung zu beanspruchen. Diese Geschäftsinhaltsversicherung, zu der er bislang keine Police vorgelegt hat, hat er unter dem 27.10.2002 beantragt. In dem Antrag hat er zu der Position "Ein-/Ausgangstüren" durch Ankreuzen bestätigt, dass alle Zugangstüren der versicherten Räume über näher beschriebene Profilzylinderschlösser sowie jeweils einen Sicherheitsbeschlag verfügten. In den Zeilen "Vorversicherungen" und "Vorschäden in den letzten 5 Jahren" hat er das "Nein" angekreuzt. In Wirklichkeit waren - der Antragsteller ist dem entsprechenden Vortrag der Antragsgegnerin nicht entgegengetreten - die beschriebenen Schließvorrichtungen nicht vorhanden; eine Vorversicherung bestand zwischen der vorherigen Betreiberin des Lokals, deren Gesellschafter der Antragsteller war, diese hatte den Vertrag wegen eines etwas mehr als ein Jahr zurückliegenden Vorschadens gekündigt.

Die Antragsgegnerin hat den Versicherungsvertrag mit einem dem Antragsteller am 7.2.2003 zugestellten Schreiben wegen arglistiger Täuschung angefochten; sie hat zugleich hilfsweise den Rücktritt von dem Versicherungsvertrag erklärt. In diesem Schreiben heißt es:

"Wenn Sie trotz unserer Ausführungen der Ansicht sind, dass unsere Entscheidung hinsichtlich der Versagung des Versicherungsschutzes der Sachlage nicht gerecht wird, müssen Sie eine Klärung durch die Gerichte in die Wege leiten. Das kann durch Klageerhebung oder mit einem Mahnbescheid geschehen. Entschließen Sie sich dazu, dann beachten Sie bitte, dass die Klageschrift bzw. der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides innerhalb einer Frist von 6 Monaten - gerechnet vom Tage des Einganges dieses Schreibens bei Ihnen - dem Gericht zugegangen sein muss. Anderenfalls besteht für uns unabhängig von der Sach- und Rechtslage schon Leistungsfreiheit allein wegen Ablauf der Frist (§ 12 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz)".

Ein Klageentwurf und ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe sind am 31.1.2005 bei dem Landgericht Saarbrücken eingegangen. Das Landgericht Saarbrücken hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 15.3.2005 wegen Verwirkung etwaiger Ansprüche des Antragstellers nach § 12 Abs. 3 VVG zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 23.3.2005 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 25.4.2005, einem Montag, sofortige Beschwerde erhoben. Sein Rechtsmittel begründet er damit, das Ablehnungsschreiben der Antragsgegnerin vom 3.2.2003 habe er seinem damaligen Rechtsanwalt übergeben; er habe danach den Rechtsanwalt gewechselt. Sein neuer Rechtsanwalt habe weder von seinem früheren Rechtsanwalt noch von der Antragsgegnerin, die er angeschrieben habe, das Ablehnungsschreiben erhalten. Es sei daher treuwidrig, wenn sich die Antragsgegnerin auf es berufe.

Die sofortige Beschwerde, die nach § 127 Abs. 2 Satz 2, 3, Satz 3 ZPO, § 567, § 569 ZPO zulässig ist, ist nicht begründet.

1.

Allerdings bestehen gegen die Rechtsmeinung der angefochtenen Entscheidung, versicherungsvertragliche Ansprüche des Antragstellers seien nach § 12 Abs. 3 VVG verwirkt, Bedenken. Nach § 12 Abs. 3 VVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der erhobene Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von 6 Monaten nach seiner Ablehnung gerichtlich geltend gemacht wird. Der Fristbeginn setzt voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer zusammen mit seiner versagenden Entscheidung über die mit dem Ablauf der Frist verbundene Rechtsfolge unterrichtet hat. Die vorgesehene Rechtsbelehrung muss den Versicherungsnehmer klar und deutlich darüber aufklären, dass er durch bloßen Zeitablauf seinen materiellen Versicherungsanspruch verliert, wenn er ihn nicht vor Fristende gerichtlich geltend macht. Zwar muss der Versicherer nicht alle Möglichkeiten der gerichtlichen Geltendmachung vollständig darlegen. Erläutert er indessen unter Abweichung vom Wortlaut des Gesetzes Möglichkeiten der gerichtlichen Geltendmachung, so dürfen sie nicht geeignet sein, den Versicherungsnehmer in die Irre zu führen und ihm Hürden des Rechtsschutzes vorspiegeln, die so nicht bestehen. Dabei gelten strenge Maßstäbe, weil es sich bei der Verwirkungsregelung des § 12 Abs. 3 VVG um eine dem allgemeinen Zivilrecht unbekannte und vielfach für nicht mehr zeitgemäß erachtete (vgl. Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts am 19.4.2004, Seite 47 f) Regelung handelt, die einem Versicherer Leistungsfreiheit ohne Prüfung des materiellen Anspruchs verspricht (vgl. BVerfG, VersR 2004, 1585).

Daher hat die Rechtsprechung beispielsweise, wenn die Rechtsbelehrung den Anschein erweckt, die gerichtliche Geltendmachung erhobener Ansprüche könne nur durch "Klage" erfolgen, einem Versicherer versagt, sich auf die Verwirkung nach § 12 Abs. 3 VVG zu berufen (BGH, Urt. 5.2.2003 - IV ZR 44/02, VersR 2003, 489). Eine solche Belehrung sei irreführend, weil auch der kostengünstigere Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides "oder ein Antrag auf Prozesskostenhilfe" für die gerichtliche Geltendmachung genügen können (vgl. auch OLG Hamm, VersR 2002, 1139, 1140).

Ähnliches gilt für die von der Antragsgegnerin formulierte Rechtsbelehrung. Mit der in ihrem Ablehnungsschreiben vom 3.2.2003 enthaltenen Rechtsbelehrung hat die Antragsgegnerin zwar - möglicherweise im Interesse einer sprachlichen Veranschaulichung des Begriffs der gerichtlichen Geltendmachung - auf die Notwendigkeit einer Klageerhebung oder der Beantragung eines Mahnbescheides hingewiesen. Sie hat es indessen unterlassen, dem Antragsteller, für den eine solche Möglichkeit, wie sich gezeigt hat, gerade in Betracht kam, auf den ihm zur Verfügung stehenden Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung seiner vermeintlichen Ansprüche hinzuweisen. Damit hat sie dem - möglicherweise - bedürftigen Antragsteller Wege verschwiegen, auf denen er sein Begehren selbst und ohne Aufwendung von Kosten hätte verfolgen können. Die in ihrem Ablehnungsschreiben enthaltene Rechtsbelehrung war folglich durch ihre Erläuterungen des Begriffs der gerichtlichen Geltendmachung unvollständig.

Ob sich an dieser Versagung einer Berufung auf den Fristablauf wegen fehlerhafter Rechtsbelehrung dann etwas ändern würde, wenn der Antragsteller schon während des Laufs der Frist anwaltlich beraten gewesen wäre, kann dahinstehen.

2.

Denn die Rechtsverfolgung hat aus einem anderen Grund keine Aussicht auf Erfolg. Die Antragsgegnerin hat nämlich den Versicherungsvertrag - nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand - wirksam angefochten. Der Antragsteller hat der Antragsgegnerin sowohl die konkrete Verschlusssituation des versicherten Anwesens als auch in einem eng überschaubaren Zeitraum vor dem Versicherungsfall eingetretene Vorschäden, die ein tatsächlich vorhandener Vorversicherer zum Anlass genommen hat, sein Versicherungsverhältnis mit dem Antragsteller zu kündigen, verschwiegen.

Zwar hat der Antragsteller behauptet, "die Tür, über der oder die Täter der Brandstiftung eingedrungen" seien, sei durch ein ordnungsgemäßes Schloss gesichert gewesen. Damit wird indessen die unrichtige Beantwortung der in dem Versicherungsantrag enthaltenen Frage nach einer ganz bestimmten Schließung nicht als richtig behauptet. Der Antragsteller hat sich auch dahin eingelassen, die Vorversicherung, unter deren Dauer ein Vorschaden entstanden war, habe zwischen der L.-GmbH, deren Gesellschafter er gewesen sei, und dem damaligen Versicherer bestanden, Versicherungsnehmer sei also nicht der Antragsteller persönlich gewesen, folglich habe er nichts Falsches behauptet.

Die Antragsgegnerin hatte indessen gar nicht nach Vorversicherungen oder Vorschäden des Antragstellers selbst gefragt. Schon der Wortlaut ihrer Formulierungen verdeutlichte, dass es um Vorversicherungen und Vorschäden in Bezug auf das zu versichernde Anwesen ging. Antragsfragen wie jene nach Vorversicherungen und Vorschäden sind aber ohnehin nicht allein am Wortlaut haftend auszulegen; ihr dem verständigen Versicherungsnehmer erkennbarer Sinn leitet ihre Interpretation. Wenn ein Gebäudeversicherer nach Vorversicherungen und Vorschäden fragt, so will er damit - wie jede vernünftige Partei eines Versicherungsvertrages unschwer erkennen kann - nicht (nur) persönliche Vorversicherungen oder persönliche Vorschäden des Versicherungsnehmers in Erfahrung bringen. Er will das Risiko des zu versichernden Objekts prüfen können. Daher ist die Frage regelmäßig dahin zu verstehen, ob der Versicherungsinteressent von Vorversicherungen und Vorschäden das zu versichernde Gebäude oder Geschäft betreffend weiß.

Da die vorherige Betreiberin des Lokals für ihr Unternehmen Vorversicherungen unterhalten und Vorschäden erlitten hatte, von denen der Antragsteller als ihr Gesellschafter, wie er gar nicht leugnet, gewusst hat, hat er die im Versicherungsantrag enthaltene Frage vorsätzlich falsch beantwortet.

Der Antragsteller hat auch arglistig gehandelt. Zwar kann nicht jeder vorsätzlich falschen Beantwortung von Antragsfragen Arglist als Motiv unterstellt werden. Abgesehen davon, dass für ein arglistiges Verhalten des Antragstellers gerade seine Argumentation zu seiner Berechtigung, Vorversicherungen und Vorschäden zu verneinen, spricht, trifft den wissentlich falsch antwortenden Versicherungsnehmer die Last zu plausibilisieren, warum seine vorsätzliche Täuschung des Versicherers nicht darauf beruhen sollte, dass er auf diese Weise glaubte, den Versicherer zum Vertragsabschluss zu bewegen. Gründe dafür hat der Antragsteller nicht dargelegt.

Ende der Entscheidung

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