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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 28.01.2005
Aktenzeichen: 5 W 2/05
Rechtsgebiete: ZPO, RpflG


Vorschriften:

ZPO § 415
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 568 Satz 1
ZPO § 569
ZPO § 699
ZPO § 726
ZPO § 727 Abs. 1
ZPO § 732
ZPO § 767
RpflG § 13
RpflG § 20 Nr. 12
In dem Verfahren nach § 732 ZPO kann der Schuldner Einwendungen gegen eine dem Gläubiger erteilte Klausel erheben, die Fehler formeller Art zum Gegenstand haben bzw. solche, die die speziellen Erteilungsvoraussetzungen der § 726 ZPO betreffen. Die Frage, ob im Rahmen der durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesenen Rechtsnachfolge der Rechtsnachfolger Inhaber einzelner Forderungen geworden ist, ist eine materiell-rechtliche Einwendung i. S. von § 767 ZPO und deshalb einer Überprüfung im Klauselerinnerungsverfahren entzogen.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

5 W 2/05

In dem Verfahren

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Madert-Fries als Einzelrichterin

am 28.1.2005

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 10.12.2004, Az. 6 O 358/86, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsgegner.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 15.192,70 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die S. L. GmbH (im Folgenden: Gläubigerin) erwirkte auf der Grundlage am 2.4.1986 erlassener Mahnbescheide gegen die Antragsgegner jeweils einen Vollstreckungsbescheid über eine Hauptforderung in Höhe von 40.527,11 DM. In der der Gläubigerin erteilten Ausfertigung der Vollstreckungsbescheide war als " Datum des Vollstreckungsbescheids" der 10.7.1986 aufgebracht, die in den Gerichtsakten befindlichen Urschriften enthalten keine Datumsangabe. Der von den Antragsgegnern gegen die ihnen am 19. 7.1986 zugestellten Vollstreckungsbescheide eingelegte Einspruch wurde von dem Landgericht in einem am 10.11.1987 verkündeten zweiten Versäumnisurteil verworfen, soweit "eine Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner haftend zur Zahlung eines Betrages von 29.714,35 DM" nebst Zinsen erfolgt war. Das Urteil ist rechtskräftig geworden.

Mit Schriftsatz vom 16.3.2004 (Bl. 11 d.A.) beantragte die Antragstellerin, handelnd durch ihren Rechtsbeistand, beim Landgericht Saarbrücken unter Übersendung der Ausfertigung der Vollstreckungsbescheide, des zweiten Versäumnisurteils, einer notariell beglaubigten Bescheinigung aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Saarbrücken und des Amtsgerichts Bad Homburg v.d. Höhe betreffend die Rechtsnachfolge sowie von Vollmachten eine Umschreibung der Titel auf sie. Nachdem die Rechtspflegerin den Antrag zunächst mit Beschluss vom 12.7.2004 (Bl. 33 d.A.) zurückgewiesen hatte, erteilte sie auf die am 11.8.2004 von der Antragstellerin eingelegt "Erinnerung" (Bl. 36 ff d.A.) am 9.9.2004 (Bl. 41 ff d.A.), berichtigt durch Beschluss vom 4.10.2004 (Bl. 46 d.A.), die Rechtsnachfolgeklausel.

Der hiergegen von den Antragsgegnern eingelegten Erinnerung hat das Landgericht nicht abgeholfen (Bl. 77 ff d.A.).

Gegen den ihnen am 15.12.2004 zugestellten Beschluss des Landgerichts vom 10.12.2004 haben die Antragsgegner mit bei dem Landgericht am 28.12.2004 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der der Antragstellerin erteilten Vollstreckungsklausel für unzulässig zu erklären.

II.

1.

Das Beschwerdegericht hat gemäß § 568 Satz 1 ZPO durch eines seiner Mitglieder zu entscheiden, weil die angefochtene Entscheidung von dem Einzelrichter getroffen worden ist.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner ist statthaft und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO.

Die Antragsgegner haben gegen die von der Rechtspflegerin erteilte Rechtsnachfolgeklausel zunächst das Rechtsmittel der Klauselerinnerung eingelegt, §§ 732 ZPO, 20 Nr. 12, 13 RpflG, der das Landgericht als das Gericht, dessen Rechtspfleger die Klausel erteilt hat, nicht abgeholfen hat. In einem solchen Fall steht dem Schuldner, hier also den Antragsgegnern, gegen die Entscheidung des Richters das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu, weil die Entscheidung des Gerichts keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung darstellt (vgl. Baumbach-Lauterbach-Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 732, Rdnr.11, m.w.N.).

2.

In der Sache hat das Rechtsmittel der Antragsgegner jedoch keinen Erfolg. Denn die Klausel ist zu Recht erteilt worden, weil die Antragstellerin in der nach § 727 Abs. 1 ZPO erforderlichen Form nachgewiesen hat, dass sie Rechtsnachfolgerin der streitbefangenen Forderung ist.

a.

Die von den Antragsgegnern im Verlaufe des Klauselerinnerungsverfahrens vorgebrachten förmlichen Einwendungen tragen nicht. Denn es liegt, entgegen der Auffassung der Antragsgegner, ein wirksamer bzw. vollstreckungsfähiger Titel vor.

Soweit die Antragsgegner sich darauf gestützt haben, mangels inhaltlicher Übereinstimmung der Ausfertigung der Vollstreckungsbescheide mit den bei den Akten befindlichen Urschriften der Vollstreckungsbescheide seien die Ausfertigungen nicht geeignet, die Urschriften nach außen zu vertreten und hätte folglich mangels wirksamer Zustellung der Ausfertigungen ein zweites Versäumnisurteil nicht ergehen dürfen, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, die Wirksamkeit und Vollstreckungsfähigkeit der streitbefangenen Titel in Frage zu stellen.

Die Vollstreckungsbescheide sind, ebenso wie die erteilten Ausfertigungen, wirksam.

Zwar enthalten die Vollstreckungsbescheide selbst kein Erlassdatum. Dies ist unschädlich, weil die Vollstreckungsbescheide im Übrigen alle die nach § 699 ZPO erforderlichen Angaben beinhalten, von dem Rechtspfleger unterschrieben worden sind und die hiernach gefertigten und mit dem Erlassdatum 10.7.1986 versehenen Ausfertigungen in den Geschäftsgang gegeben worden sind; spätestens zu diesem Zeitpunkt sind die Vollstreckungsbescheide wirksam entstanden (vgl. hierzu auch Baumbach-Lauterbach-Hartmann, aaO, § 329, Rdnr. 24 ff, m.w.N.).

Auch am Vorliegen einer rechtswirksam zugestellten Ausfertigung bestehen keine Bedenken. Die Ausfertigung ist eine in gesetzlich bestimmter Form gefertigte Abschrift, die dem Zweck dient, die bei den Akten verbleibende Urschrift nach außen zu vertreten. Eine zum Zweck der Zustellung hergestellte Ausfertigung muss die Urschrift daher wortgetreu und richtig wiedergeben (BGH, VersR 1981, S. 932). Wenn die übergebene Ausfertigung von der Urschrift abweicht, ist die Urschrift maßgebend. Wenn der Zustellungsempfänger den Inhalt der Urschrift aus der Ausfertigung genügend ersehen kann, schaden kleine Fehler nicht (BGH, VersR 1980, S. 772; BAG, Urteil vom 30.10.1980, 3 AZR 600/79).

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt auch im Streitfall eine rechtswirksame - an die Antragsgegner jeweils zugestellte- Ausfertigung der Vollstreckungsbescheide vor. Die Ausfertigungen enthalten über die im Übrigen wortgetreue Wiedergabe der Urschrift, bei der das Einsetzen des Datums offensichtlich aus Versehen unterblieben ist, hinaus ein Erlassdatum; diese Abweichung von der Urschrift ist jedoch unbedeutend und stellt, sofern der Ausfertigung insoweit nicht sogar Ergänzungswirkung zukommt, allenfalls einen kleinen Mangel dar, der im Hinblick auf die Identität der Ausfertigung mit der Urschrift in den übrigen Teilen nicht geeignet ist, den Erklärungsinhalt der Urschrift zu verändern oder die Rechtsverfolgung für den Antragsgegner zu erschweren (vgl. BAG, aaO).

Von daher sind auf der Grundlage wirksamer Vollstreckungsbescheide rechtwirksame Ausfertigungen erstellt und den Antragstellern zugestellt worden.

Unter Berücksichtigung dessen ist auch nicht zweifelhaft, dass die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass eines zweiten Versäumnisurteils vorgelegen haben. Im Übrigen ist das Versäumnisurteil, gegen das ein Rechtsmittel nicht eingelegt worden ist, rechtskräftig geworden.

Demzufolge ist der formelle Einwand, es liege kein wirksamer bzw. vollstreckungsfähiger Titel vor, nicht begründet.

b.

Die Rechtsnachfolge der Antragsstellerin, diese vertreten durch einen bevollmächtigten Rechtsbeistand (vgl. Bl. 63 d.A.), wurde durch öffentlich beglaubigte Urkunden, die ausweislich der in den Akten aufgebrachten Vermerke im Original vorgelegen haben, nachgewiesen, §§ 727 Abs. 1, 415 ZPO. Hieraus ergibt sich, dass die Antragstellerin - vor der Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft handelnd als D. L. Aktiengesellschaft - Gesamtrechtsnachfolgerin der -ursprünglichen- Gläubigerin im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme (§§ 2 Nr. 1, 4 ff, 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) geworden ist.

c.

Soweit die Antragsgegner sachliche Einwendungen gegen den Anspruch erhoben haben, sind sie hiermit im Klauselerinnerungsverfahren ausgeschlossen. Sachliche Einwendungen gegen den Anspruch sind nur im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) möglich (Baumbach-Lauterbach-Hartmann, aaO, § 732, Rdnr. 4, m.w.N.).

d.

Die weiteren Einwendungen der Antragsgegner gegen die Erteilung der Klausel sind ebenfalls nicht geeignet, zu einer abweichenden Entscheidung zu führen.

Die Antragsgegner machen geltend, die im Titel genannte Gläubigerin, die S. L. GmbH, habe die Forderung vor Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge verkauft. Mit diesem Vorbringen stellen sie die materielle Berechtigung zur Geltendmachung der in Rede stehenden Forderung durch die Antragstellerin in Abrede. Dies ist jedoch keine Einwendung, die im Klauselerinnerungsverfahren Berücksichtigung finden kann. Mit dem Verfahren nach § 732 ZPO kann der Schuldner Einwendungen gegen eine dem Gläubiger erteilte Klausel erheben, die Fehler formeller Art zum Gegenstand haben (BGH, Urteil vom 16.7.2004, IX a ZB 326/03, InVo 2005, S. 22) bzw. solche, die die speziellen Erteilungsvoraussetzungen der §§ 726 ff ZPO betreffen. Die Frage, ob im Rahmen der durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesenen Rechtsnachfolge (s.o.) der Rechtsnachfolger Inhaber einzelner Forderungen geworden ist, ist, da es eine materiell-rechtliche Einwendung im Sinne von § 767 ZPO betrifft, deshalb der Überprüfung durch den Rechtspfleger entzogen. Denn diesem steht eine weitergehende Prüfungskompetenz, die über das Vorliegen der für den Nachweis des Eintritts der Rechtsnachfolge erforderlichen Voraussetzungen (§ 727 Abs. 1 ZPO) hinausgeht, nicht zu (Musielak-Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 732, Rdnr. 5; siehe hierzu auch Wieczorek/Schütze/Salzmann, ZPO, 1999, § 732, Rdnr. 10 ff).

Ob eine andere Beurteilung unter anderem dann gerechtfertigt ist, wenn sich die materielle Einwendung aus den vorgelegten Urkunden unmittelbar entnehmen lässt, kann unentschieden bleiben (vgl. BGH, aaO; Musielak-Lackmann, aaO). Denn es ist nicht ersichtlich, dass die der Rechtspflegerin vorliegenden Urkunden auf eine mangelnde materielle Berechtigung der Antragstellerin hindeuteten.

Demzufolge war die sofortige Beschwerde der Antragsgegner zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO (vgl. Zöller- Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3, "Vollstreckungsklausel", m.w.N.).

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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