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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 03.06.2003
Aktenzeichen: 5 W 260/02
Rechtsgebiete: FGG, BGB, BVormG


Vorschriften:

FGG § 13a Abs. 1 Satz 2
FGG § 29 Abs. 1 Satz 3
FGG § 29 Abs. 2
FGG § 56g Abs. 5 Satz 2
BGB § 1836a
BGB § 1897 Abs. 1
BVormG § 1 Abs. 1 Satz 2
BVormG § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
BVormG § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

5 W 260/02

In der Betreuungssache

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die sofortigen weiteren Beschwerden des Antragstellers und der weiteren Beteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 07.10.2002 - 5 T 480/02 -

am 3. Juni 2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der weiteren Beteiligten gegen den Beschluss des L vom 02.10.2002 - wird zurückgewiesen.

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluss des L vom 02.10.2002 abgeändert und die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten gegen den Beschluss des AG M zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die weitere Beteiligte hat dem Antragsteller die ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Gegenstandswert wird auf 300 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller ist durch Beschluss des AG vom zum Betreuer des an einer paranoiden Psychose erkrankten und in einer geschlossenen Einrichtung untergebrachten Betroffenen bestellt worden. Der Antragsteller führt die Betreuung berufsmäßig.

Für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 30.06.2002 hat das AG, dem Antragsteller durch Beschluss vom 15.07.2002 eine Vergütung von 1.258,26 € bewilligt. Dabei ist es von einem Stundensatz von 31 € ausgegangen.

Auf die gegen diese Festsetzung gerichtete sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten mit dem Ziel, die Vergütung nach einem Stundensatz in Höhe von 18 € zu bemessen, hat das L durch Beschluss vom 02.10.2002 - den Beschluss des AG abgeändert und die dem Antragsteller zu zahlende Vergütung auf 938,25 € festgesetzt. Dabei ist es von einem Stundensatz von 23 € ausgegangen. Die sofortige weitere Beschwerde ist zugelassen worden. Dagegen wenden sich sowohl die weitere Beteiligte mit der sofortigen weiteren Beschwerde, mit der sie das Ziel weiterverfolgt, der Festsetzung einen Vergütungssatz von 18 € zugrunde zu legen, als auch der Antragsteller mit dem Ziel, einen Vergütungssatz von 31 € zu erhalten.

Das L hat die Auffassung vertreten, der Antragsteller habe zwar durch seine Ausbildung in rechtlicher und betriebswirtschaftlicher Hinsicht betreuungsrelevante besondere Kenntnisse erworben. Seine Ausbildung sei hinsichtlich der Vermittlung der für die Vergütungsfrage allein entscheidenden betreuungsrelevanten Kenntnisse allerdings nicht einer abgeschlossenen Ausbildung an einer Hochschule vergleichbar. Dazu hat die angefochtene Entscheidung hat festgestellt:

Der Antragsteller hat nach einem 3jährigen Studium an einer Fachhochschule für Forstwirtschaft die Staatsprüfung für den gehobenen Forstdienst abgelegt. Zu den Lehr- und Prüfungsfächern seines Studiums gehörten - unter anderem - die Grundzüge des Staatsrechts, das Allgemeine Verwaltungsrecht, das Recht des öffentlichen Dienstes, die Grundzüge des Polizeirechts, das Strafrecht und das Strafverfahrensrecht, das Recht der Ordnungswidrigkeiten, das Bürgerliche Recht, das Haushalts- und Kassenwesen, die Betriebswirtschaftslehre zumindest in forstwirtschaftlichen Bezügen und die Berufs- und Arbeitspädagogik. Die Fächer Recht und Verwaltung konnten Gegenstand der schriftlichen Prüfung sein und waren neben der Betriebswirtschaftslehre Gegenstand der mündlichen Prüfung.

II.

Die sofortigen weiteren Beschwerden der weiteren Beteiligten und des Antragstellers sind gemäß §§ 56g Abs. 5 Satz 2 FGG statthaft und gemäß § 29 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 FGG form- und fristgerecht erhoben worden. In der Sache hat die sofortige weitere Beschwerde der weiteren Beteiligten keinen Erfolg; demgegenüber ist auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers hin die angefochtene Entscheidung aufzuheben und der Beschluss des AG über die Festsetzung der Vergütung unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 31 € wieder herzustellen.

Der Senat vermag der Argumentation der angefochtenen Entscheidung in rechtlicher Hinsicht nicht zu folgen.

Der Antragsteller kann nach § 1836a BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormG eine Vergütung verlangen, die für jede Stunde der für die Tätigkeit als Betreuer aufgewandten und erforderlichen Zeit 31 € beträgt. Dieser Stundensatz setzt voraus, dass der Antragsteller über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Vorführung der Vormundschaft nutzbar sind, und die durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule (oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung) erworben sind. Diese Erfordernisse liegen vor.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung geht die angefochtene Entscheidung davon aus, dass der Antragsteller über "besondere Kenntnisse", die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, verfügt.

"Besondere Kenntnisse" sind Kenntnisse, die über die allgemeinen Kenntnisse hinausgehen, die Voraussetzung für die fachliche und persönliche Eignung einer Person zur Übernahme einer Betreuung als solche sind. Sie müssen, wie sich aus dem Wortlaut des § 1897 Abs. 1 BGB ergibt, einen Betreuer in die Lage versetzen, die Angelegenheiten des Betroffenen "rechtlich zu besorgen" und ihn in dem "hierfür" erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Über ein solches Grundwissen verfügt aber jeder, der fachlich im Stande ist, die üblicherweise mit der Bewältigung des Alltags eines Durchschnittshaushalts verbundenen Angelegenheiten - die Erhaltung von Wohnraum, die Zahlung von Miete und Nebenkosten, die Unterhaltung einer Bankverbindung, die Begleichung von Forderungen, die Stellung von Anträgen - zu erledigen, sich in solche Geschäfte einzuarbeiten und Rat zu suchen und verständig zu beachten (Staudinger/Bienwald, BGB, § 1897, Rdn. 13). Mehr an Befähigung wird auch von Personen nicht verlangt, denen eine Betreuung übertragen wird, die berufsmäßig zu führen ist (MünchKomm/Wagenitz, 3, Aufl., § 1836a, Rdn. 20). Auch die Bestellung- eines Berufsbetreuers soll nämlich grundsätzlich nichts Anderes bewirken, als den Verlust an Fähigkeiten zu kompensieren, über die der Betroffene aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr verfügt. Daher ist zu der früheren ersten Vergütungsstufe vertreten worden, es handele sich um die Basisvergütung, die auch Personen zu gewähren seien, die eine Betreuung berufsmäßig ohne jede Ausbildung zu führen im Stande seien (Soergel/Zimmermann, 13. Aufl., § 1836a, Rdn. 47; MünchKomm/Wagenitz, a.a.O.).

"Besondere Kenntnisse" liegen daher regelmäßig nur dann vor, wenn ein Betreuer über das im Rahmen der allgemeinen Schulbildung vermittelte Wissen hinaus eine weitere Ausbildung absolviert hat, die ihm - ohne dies abschließend aufzählen zu wollen - vornehmlich auf rechtlichem oder wirtschaftlichem, aber auch auf pflegerischem, medizinischem, pädagogischem oder sozialarbeiterischem Gebiet zusätzliches ins Gewicht fallendes Wissen vermittelt hat. Gerade eine solche Betrachtung wird dem normativen System der Vergütung von Berufsbetreuern gerecht, das davon ausgeht, im Regelfall jede Person zur Führung solcher Geschäfte als befähigt zu betrachten und ihnen eine Grundvergütung zu gewähren, die Zuerkennung höherer Vergütungssätze aber in formalisierter Weise von einem qualifizierten Ausbildungsabschluss abhängig zu machen (grundlegend Senat B.v. 12.11.2002 - 5 W 178/02-55-).

Dabei setzt § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormG nicht voraus, dass die besonderen Kenntnisse das gesamte Anforderungsprofil der Betreuung abdecken, sondern lediglich, dass sie vorgehalten werden. Es genügen also besondere Kenntnisse zur Bewältigung eines bestimmten Aufgabenkreises des Betreuers (Senat B.v. 30.10.2002 - 5 W 145/02 -44-).

Erforderlich ist weiter, dass die besonderen Kenntnisse des Berufsbetreuers für die Betreuung nutzbar sind. Das sind sie dann, wenn sie den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohle des Betreuten besser und wirksamer wahrzunehmen.

Wenn die angefochtene Entscheidung davon ausgeht, der Antragsteller habe im Rahmen seines 3jährigen Studiums an einer Fachhochschule für Forstwirtschaft durch die Vermittlung rechtlicher Kenntnisse in den Lehrfächern "Grundzüge des privaten und öffentlichen Rechts" und "Bürgerliches Recht" und "Recht des öffentlichen Dienstes" sowie mit dem Wissen, das er durch das Lehrfach "Betriebswirtschaftslehre" erworben hat, besondere, über ein Grundwissen deutlich hinausgehende und zur Erleichterung der Geschäftsführung des Betreuers geeignete fachliche Kenntnisse erworben, so ist das - im Rahmen der beschränkten Prüfungskompetenz der sofortigen weiteren Beschwerde, mit der lediglich die Verkennung unbestimmter Rechtsbegriffe, ungenügende oder verfahrenswidrig getroffene Feststellungen, das Außerachtlassen wesentlicher Umstände oder der Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze gerügt werden kann - nicht zu beanstanden. Die sofortige weitere Beschwerde der weiteren Beteiligten wendet sich dagegen in der Sache auch nicht.

Allerdings müssen die besonderen Kenntnisse, die für die Führung der Vormundschaft nutzbar sind, nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormG durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule (oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung) erworben sein. Der Annahme der angefochtenen Entscheidung, die besonderen Kenntnisse des Antragstellers seien zwar in einer Ausbildung erworben, die mit einem formalen Bildungsabschluss, der Staatsprüfung für den gehobenen Forstdienst, ende, seine Ausbildung sei aber nicht mit einer abgeschlossenen Ausbildung an einer Hochschule vergleichbar, kann rechtlich nicht gefolgt werden. Sie verkennt das Gesetz.

Der Antragsteller hat die von der angefochtenen Entscheidung festgestellten besonderen betreuungsrelevanten Kenntnisse nicht durch eine Ausbildung erworben, die einer Ausbildung an einer Hochschule "vergleichbar" oder "nicht vergleichbar" sein kann. Er hat sie durch eine Ausbildung an einer Hochschule selbst, der Fachhochschule für Forstwirtschaft, erworben. Diese Ausbildung an einer Hochschule hat der Antragsteller abgeschlossen. Das Gesetz erlaubt lediglich dann nach der Vergleichbarkeit einer Ausbildung (und ihres Abschlusses) mit einer Hochschulausbildung zu fragen, wenn die Ausbildung selbst keine Hochschulausbildung darstellt. Die Frage, ob die Ausbildung für den gehobenen Forstdienst an einer Fachhochschule, obwohl Hochschulausbildung, in einzelnen (betreuungsrelevanten) Bereichen einer Hochschulausbildung vergleichbar ist, ist somit unstatthaft.

Allerdings führt nicht jeder Erwerb besonderer, für die Führung der Betreuung nutzbarer Kenntnisse im Rahmen einer Hochschulausbildung dazu, einen Vergütungsstundensatz von 31 € zu rechtfertigen. Die Rechtsprechung verlangt vielmehr, dass die Ausbildung an einer Hochschule - oder auch, wenn die Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormG in Frage steht, im Rahmen einer Lehre - "in ihrem Kernbereich" und nicht nur in einem Randbereich auch die Vermittlung betreuungsrelevanten Wissens zum Gegenstand hat (OLG Hamm NJW-RR 2002, 654, 655; OLG Zweibrücken FGPrax 2001, 21; OLG Dresden FamRZ 2000, 847; BayObLG FamRZ 2000, 844; Senat B.v. 30.10.2002 - 5 W 145/02-44-). Denn dem Sinn und Zweck der mit § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormG getroffenen Vergütungsregelung entspräche es nicht, einen erhöhten Stundensatz allein deshalb zu gewähren, weil im Verlauf einer komplexen Ausbildung, "bei Gelegenheit" nebenher auch für eine Betreuung nützliche Kenntnisse vermittelt werden.

Was zu diesem "Kernbereich" einer Ausbildung gehört festzustellen, ist Aufgabe tatrichterlicher, auf eine sofortige weitere Beschwerde hin nur begrenzt überprüfbarer Bewertung. Von einem lediglich "bei Gelegenheit" erworbenen Wissen kann allerdings regelmäßig dort nicht gesprochen werden, wo die Vermittlung von Kenntnissen nicht nur im Verlauf einer Ausbildung mehr oder weniger verbindlich geboten und zum Gegenstand von Tests oder Zwischenprüfungen gemacht wird, die für den Fortgang der Ausbildung förderlich sein können, ihn aber doch nicht maßgeblich steuern, sondern die verpflichtender Gegenstand der Abschlussprüfung selbst sind. Fachgebiete, die ein Antragsteller im Rahmen des Abschlusses seiner Ausbildung an einer Hochschule (oder seines Abschlusses einer Lehre) aufweisen muss und von deren Beherrschung die Bewertung oder gar das Bestehen der Abschlussprüfung abhängt, zählen zum Kern der Ausbildung. Da die angefochtene Entscheidung festgestellt hat, die von ihr angenommenen besonderen Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, habe der Antragsteller in Lehrfächern erworben, die Gegenstand seiner Abschlussprüfung waren, liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormG vor. Weitere Abwägungen nach Art und Intensität oder gar Wissenschaftlichkeit der Vermittlung sind dann nicht statthaft.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 11 KostO). Die Verpflichtung der weiteren Beteiligten zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers folgt aus § 13a Abs.1 Satz 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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