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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 25.02.2003
Aktenzeichen: 5 W 289/02
Rechtsgebiete: FGG, BGB, BVormVG


Vorschriften:

FGG § 29 Abs. 1 Satz 3
FGG § 56g Abs. 5 Satz 2
BGB § 1836 Abs. 2
BGB § 1836a
BGB § 1897 Abs. 1
BGB § 1901
BVormVG § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

5 W 289/02

In der Betreuuungssache

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker, die Richterin am Oberlandesgericht Hermanns und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Dörr

am 25. Februar 2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Landgerichts vom 27.11.2002 - 5 T 503/02 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Mit Beschlüssen vom 9.4.2001 und 27.6.2001 hat das Amtsgericht Merzig die Beschwerdegegnerin zur Berufsbetreuerin der mittellosen Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Entscheidung über die Unterbringung und der Vermögenssorge bestellt. Die Beschwerdegegnerin hat nach einer dreijährigen Ausbildung mit Erfolg eine Ausbildung als Hotel- und Gaststättengehilfin absolviert.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 20.8..2002 hat das Amtsgericht Merzig die der Betreuerin zustehende Vergütung für die Zeit vom 16.5.2002 bis 15.7.2002 auf 543,79 Euro festgesetzt und hierbei einen Stundensatz von 23 Euro zu Grunde gelegt. Der Beschluss ist der Beschwerdeführerin am 26.8.2002 zugestellt worden. Mit ihrer mit Schriftsatz vom 7.8.2002 eingelegten sofortigen Beschwerde hat die Beschwerdeführerin die Auffassung vertreten, dass der Betreuerin nur eine Stundenvergütung von 18 Euro zustehe, da die Ausbildung zur Hotel- und Gaststättengehilfin nicht auf die Vermittlung und den Erwerb von Kenntnissen abziele, die für die Betreuung allgemein nutzbar seien. Bei der von der Betreuerin durchlaufenen Ausbildung würden nur diejenigen betreuungsrelevanten Grundkenntnisse vermittelt, die Gegenstand jeder Lehre oder Ausbildung unter Beachtung der berufsspezifischen Bezüge seien.

Demgegenüber seien nach Auffassung der Beschwerdegegnerin die ihr vermittelten Kenntnisse für die Führung von Betreuungen nutzbar. Die Ausbildung entspreche der heutigen Ausbildung zur Hotelfachfrau.

Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen und hierzu ausgeführt:

Der Betreuerin stehe gem. § 1 des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern (im folgenden: BVormVG) ein Anspruch auf Zahlung eines Stundensatzes von 23 Euro zu. Denn die Betreuerin habe im Sinne dieser Vorschrift besondere Kenntnisse erworben, die für die Führung der Betreuung nutzbar seien. Nach dem Berufsbildungsplan für den Lehrberuf der Hotel- und Gaststättengehilfin umfasse das Berufsbild unter anderem das Mitwirken und Beaufsichtigen in der Büroabteilung eines Hotel- und Gaststättenbetriebes. Hierfür seinen Fertigkeit und Kenntnisse in den kaufmännischen Abteilungen zu erwerben. Zwar mögen diese Kenntnisse nicht an die Kenntnisse einer kaufmännischen Ausbildung heranreichen. Dennoch qualifiziere die Ausbildung zur Hotel- und Gaststättengehilfin in einem über die übliche Schulbildung hinausgehenden Umfange, zumal die in der praktischen Tätigkeit zu vermittelnden Inhalte durch theoretischen Unterricht in Wirtschaftskunde bzw. Betriebswirtschaftslehre ergänzt würden. Schließlich gehöre der kaufmännische Teil nicht zum Randbereich der Ausbildung. Die von der Beschwerdegegnerin erworbenen kaufmännischen Kenntnisse seien zur Führung der übertragenen Betreuung im Rahmen der Vermögenssorge nutzbar.

Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer am 11.12.2002 eingelegten (zugelassenen) sofortigen weiteren Beschwerde, mit der sie die Rechtsauffassung des Landgerichts zur Überprüfung stellt.

II.

Die gem. § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG statthafte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig; sie wurde gemäß § 29 Abs. 1 Satz 3 FGG durch Einreichung der Beschwerdeschrift form- und fristgerecht eingelegt.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.

1) Der Vergütungsanspruch der Beschwerdeführerin findet seine Rechtsgrundlage in § 1836a BGB i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormVG.

Danach erhöht sich der erstattungsfähige Stundensatz auf 23 Euro, wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Vormundschaft nutzbar sind, und diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.

a) Die Erhöhung der Vergütung setzt zunächst voraus, dass der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Vormundschaft nutzbar sind. Hierunter sind in sachlicher Übereinstimmung mit dem in § 1836 Abs. 2 BGB verwendeten Terminus der "nutzbaren Fachkenntnisse" (vgl. für den in § 1836 BGB in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung verwendeten Terminus der "besonderen Fachkenntnisse": BayObLG FamRZ 2000, 844; MünchKomm(BGB)/Wagenitz, 4. Aufl., § 1836 Rdn. 25) solche Kenntnisse zu verstehen, die den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohle des Betreuten besser und effektiver wahrzunehmen. Da die Wahrnehmung der Betreuung gem. § 1901 BGB ein spezifisch rechtliches Gepräge trägt, sind vor allem Kenntnisse auf rechtlichem, medizinischem, aber auch auf sozialwissenschaftlichem und betriebswirtschaftlichem Gebiet von Bedeutung (OLG Zweibrücken OLG-Report 2001, 201, 202; BayObLG FamRZ 2000, 844; Thüringer OLG FGPrax 2000, 110; OLG Celle, Beschl. v. 18.4.2001 - 10 W 13/00, juris, Ausdruck Seite 2; Dodegge, NJW 2000, 2704, 2713; Jürgens, Betreuungsrecht, 2. Aufl., § 1836 Rdn 19).

Allerdings rechtfertigen diese besonderen Kenntnisse eine Anhebung der Vergütung nur dann, wenn sie über das Grundwissen hinausgehen, welches im Regelfall zur sachgerechten Betreuung nach Maßgabe des § 1897 Abs. 1 BGB unabdingbar erforderlich ist (Senat OLGR 2002, 324, 325; vgl. Palandt/Diederich, BGB, 61. Aufl. § 1836 Rdn. 14). Nach dieser Vorschrift muss die zum Betreuer bestellte Person zur sachgerechten Besorgung des gerichtlich bestimmten Aufgabenkreises geeignet sein. Ist ein Betreuer - wie im vorliegenden Fall - unter anderem mit der Vermögenssorge betraut, so kann der Betreuer dieser Aufgabe nur dann gerecht werden, wenn er über rechtliche und wirtschaftliche Grundkenntnisse verfügt und mit den Usancen des Geschäftsverkehrs vertraut ist. Auch soll ein Betreuer einfache Schriftsätze entwerfen können und über ein hinlängliches Organisationsgeschick verfügen. Nach der Systematik des Gesetzes können solche notwendigen Grundkenntnisse, die zur erfolgreichen Bewältigung einer durchschnittlich komplexen Betreuungsaufgabe unentbehrlich sind, nicht zugleich Rechtfertigung für eine Erhöhung der Vergütung sein.

Dennoch ist bei der Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Kenntnisse das zur sachgerechten Betreuung unerlässliche Minimum übersteigen, kein strenger Maßstab anzulegen. Vielmehr liegen "besondere Kenntnisse" im Sinne der Vergütungsvorschrift regelmäßig schon dann vor, wenn ein Betreuer über das im Rahmen der allgemeinen Schulbildung vermittelte Wissen hinaus eine weitere Ausbildung absolviert hat, die auf den genannten betreuungsrelevanten Fachgebieten spezifisches Wissen vermittelt (Senat, Beschl. v. 12.11.2002 - 5 W 178/02-55-). Letztlich folgt dieses Rechtsverständnis unmittelbar aus der Funktion der Betreuung, die nämlich - auch im Fall einer Berufsbetreuung - nicht mehr bewirken will, als den Verlust derjenigen Fähigkeiten zu kompensieren, über die der Betreute aufgrund seiner gesundheitlichen Situation nicht mehr verfügt. Wäre demnach der gesunde Betreute ohne weitergehende Fachausbildung in der Lage, seine Angelegenheiten zu regeln, so ist kein Grund ersichtlich, an die Qualifikation eines Betreuers gesteigerte Anforderungen zu stellen. Die Auslegung steht in Einklang mit der in der Literatur vertretenen Auffassung (Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl., § 1836a Rdn. 47; MünchKomm(BGB)/Wagenitz, aaO, § 1836a Rdn. 20), wonach es sich bei der früheren ersten Vergütungsstufe um die Basisvergütung für solche Berufsbetreuer handele, die ohne jede Ausbildung im Stande seien, eine Betreuung berufsmäßig zu führen.

b) Weiterhin müssen die besonderen Kenntnisse nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes in einer Ausbildung erworben worden sein, die mit einem formalen Bildungsabschluss endet. Daran fehlt es, wenn die Kenntnisse lediglich durch Berufserfahrung oder durch Fortbildungsmaßnahmen erworben wurden (SchlHOLG OLG-Report 2001, 8, 9 = FamRZ 2001, 304; MünchKomm(BGB)/Wagenitz, aaO, § 1836a Rdn. 24; Dodegge, NJW 2000, 2713 mit weiterem Nachweis). Darüberhinaus genügt es nicht, dass die Ausbildung nur in den Randbereichen der entsprechenden Ausbildungspläne betreuungsrelevantes Wissen anspricht; vielmehr kommt es darauf an, dass die Ausbildung in ihrem Kernbereich auf die Vermittlung der für die Betreuung nutzbaren Kenntnisse abzielt (OLG Zweibrücken OLG-Report 2001, 201, 202; 2001, 551, 552; BayObLG FamRZ 2000, 844, 845; Thüringer FGPrax 2000, 110; MünchKomm(BGB)/Wagenitz, § 1836a Rdn. 24).

c) Diese Rechtsgrundsätze hat das Landgericht bei seiner Entscheidung zu Grunde gelegt. Es ist hierbei zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Betreuerin erworbenen Kenntnisse eine Erhöhung des Stundensatzes rechtfertigen. Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts lassen keinen Rechtsfehler erkennen.

aa) Ob ein Berufsbetreuer die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormVG a.F. erfüllt, obliegt der Beurteilung des Tatrichters und kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter einen unbestimmten Rechtsbegriff verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig getroffenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen und gegen den Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (Senat, Beschl. v. 31.10.2002 - 5 W 188/02; OLG Frankfurt OLGR 2001, 113; OLG Zweibrücken OLGR 2000, 552; BayObLG FGPrax 2000, 22; Thüringer OLG Jena FGPrax 2000, 110; Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 27 Rd. 42 mit weit. Nachweis).

bb) Derartige Rechtsfehler sind nicht erkennbar und werden auch von Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt.

Nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts hat die Betreuerin während ihrer dreijährigen Ausbildung zur Kaufmannsgehilfin im Hotel- und Gaststättengewerbe, die mit einer Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer des Saarlandes erfolgreich abgeschlossen wurde, Fertigkeiten und Kenntnisse in den Arbeitsabläufen der kaufmännischen Abteilungen eines Hotel- und Gaststättenbetriebs erlangt. Die Kenntnisse wurden nicht nur praktisch vermittelt, sondern durch theoretischen Unterricht in Wirtschaftskunde bzw. Betriebswirtschaftslehre ergänzt. Das Landgericht stützt sich insoweit auf eine Auskunft der IHK des Saarlandes vom 23.10.2002, die Abschriften der Prüfungsordnung, des Berufsbildungsplan und der Verordnung über die Berufsausbildung im Gastgewerbe, jeweils zum für die Ausbildung der Beschwerdegegnerin maßgeblichen Zeitraum, enthielt.

Nach Auffassung des Landgerichts gehen diese kaufmännischen Kenntnisse über diejenigen betreuungsrelevanten Grundkenntnisse hinaus, die in der üblichen Schulbildung vermittelt werden. Auch diese Einschätzung, die von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen wird, begegnet im eingeschränkten Prüfungsmaßstab der Rechtsbeschwerde keinen Bedenken. Schließlich ist das Beschwerdegericht nach Auswertung der Ausbildungsunterlagen ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass der kaufmännische Teil der Ausbildung das gleiche Gewicht besitze wie die Ausbildung in den übrigen Fachabteilungen eines Gaststätten- und Hotelbetriebs. Auch diese von der Rechtsbeschwerde unangegriffene Einschätzung lässt keine Rechtsfehler erkennen.

2) Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 11 KostO). Zugunsten der Betreuerin war keine Kostenentscheidung veranlasst, da sich die Betreuerin im Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde nicht eingelassen hat (Keidel/Kuntze/Winkler, aaO, § 13a Rdn. 16). Mithin war auch eine Wertfestsetzung entbehrlich.

Ende der Entscheidung

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