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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 20.10.2005
Aktenzeichen: 6 UF 127/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3
ZPO § 517
ZPO § 520
BGB § 1685 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

6 UF 127/04

Verkündet am 20.10.2005

In der Familiensache

betreffend das Umgangsrecht mit J. J., geboren am Mai 1998,

hat der 6. Zivilsenat - Senat für Familiensachen I - des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2005 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Jochum sowie die Richter am Oberlandesgericht Sittenauer und Neuerburg

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarbrücken vom 9. November 2004 - 41 F 776/00 UG - dahingehend abgeändert, dass der Umgang der Antragstellerin mit dem am Mai 1998 geborenen J. J. für die Dauer der nächsten drei Jahre ausgeschlossen wird.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Beschlusses.

3. Beschwerdewert: 3.000 EUR.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist die Mutter des am Dezember 1997 bei einem Unfall ums Leben gekommenen J.- P. D., der durch Beschluss des Amtsgerichts - Vormundschaftsgericht - in Saarbrücken vom 30. Januar 1999 -10 -VIII-J-17-98- rechtskräftig als Vater des am Mai 1998 geborenen Sohnes der Antragsgegnerin, J. J., festgestellt ist. Die Antragsgegnerin hatte zuvor über Jahre mit dem Kindesvater in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen gelebt.

Die Antragstellerin hat mit am 15. Dezember 2000 bei Gericht eingereichtem Schriftsatz beantragt, ihr das Umgangsrecht mit J. an jedem letzten Samstag im Monat in der Zeit von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr einzuräumen. Sie hat vorgetragen, dass die Antragsgegnerin ihr seit der Geburt des Kindes jegliches Umgangsrecht verweigere. Für die Antragstellerin sei es eine schwere Härte, wenn sie ihr Enkelkind nicht sehen könne.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat vorgetragen, dass die begehrte Umgangsregelung nicht dem Kindeswohl entspreche. Denn nach dem Tod ihres Lebensgefährten sei es zwischen ihr und der Antragstellerin zu Auseinandersetzungen bezüglich des Nachlasses gekommen, die sie sehr belastet hätten, zumal damals die Geburt kurz bevorgestanden habe.

Durch Beschluss vom 31. Oktober 2001 hat das Familiengericht der Antragstellerin ein noch näher auszugestaltendes Besuchs- und Umgangsrecht mit J. zuerkannt. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde der Beschluss durch Senatsbeschluss vom 14. Februar 2002 - 6 UF 156/01 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen.

Mit Beschluss vom 3. August 2004 hat das Familiengericht Rechtsanwältin, , zur Verfahrenspflegerin des Kindes bestellt. Diese hat vorgeschlagen, die Anbahnung von Umgangskontakten ins Auge zu fassen, wobei jedoch im Hinblick auf die mit der Einschulung verbundenen Schwierigkeiten das Verfahren auf die Dauer von vier Monaten zum Ruhen gebracht werden möge.

In dem angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet, dass die Antragstellerin mit J. an jedem zweiten Montag eines Monats jeweils von 15.00 Uhr bis 16.30 Uhr Umgang hat, wobei die ersten drei Kontakte unter Begleitung der zuständigen Sachbearbeiterin in den Räumen des Jugendamtes und die späteren unbegleiteten Umgangskontakte in der Wohnung der Antragstellerin stattzufinden hätten.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie ihr auf Zurückzuweisung des Antrags auf Einräumung eines Umgangsrechts gerichtetes Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Zudem trägt sie vor, dass entgegen des Ansicht des Familiengerichts eine Besserung ihres Verhältnisses zur Antragstellerin nicht erwartet werden könne, was allerdings alleine diese zu verantworten habe. Dies beruhe auch darauf, dass die Antragstellerin nicht bereit gewesen sei, auf die Belastungen Rücksicht zu nehmen, denen J. im Hinblick auf die Einschulung ausgesetzt sei. Nach wie vor bestünden erhebliche Schulschwierigkeiten, J. bedürfe intensiver Betreuung und könne sich nicht lange konzentrieren; es bestehe der Verdacht auf eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung. Die Antragsgegnerin könne ihre Ablehnung gegenüber der Antragstellerin aus objektiven Gründen nicht zurückstellen, so dass J. automatisch in den insoweit bestehenden Konflikt hineingezogen würde.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Das Kreisjugendamt trägt vor, dass nach seiner Einschätzung - wenn überhaupt - nur ein betreuter Umgang in Betracht komme; eine Lösung des Problems könne nur darin bestehen, dass Antragstellerin und Antragsgegnerin aufeinander zugehen.

Die Verfahrenspflegerin hält es im Hinblick auf die bestehenden Schulschwierigkeiten und den weiteren Umstand, dass im Sommer 2005 der Vater der Antragsgegnerin gestorben ist, für fraglich, ob Umgangskontakte der Antragstellerin mit J. dessen Wohl dienlich sein würden; ein unbegleiteter Umgang käme auf keinen Fall in Betracht.

II.

Die gemäß §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 2, 621 e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.

Als Rechtsgrundlage für das von der Antragstellerin begehrte Umgangsrecht kommt allein § 1685 Abs. 1 BGB in Betracht. Danach haben Großeltern ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient. Daraus folgt, dass den in § 1685 Abs. 1 BGB genannten Personen zwar eigene subjektive Rechte verliehen wurden, dies jedoch in erster Linie nicht um ihrer selbst willen, sondern um des Kindes willen, dessen Wohl der Umgang förderlich sein soll. Dabei kann auch bei Großeltern nicht typisiert davon ausgegangen werden, dass der Umgang mit diesen dem Wohl des Kindes dient, vielmehr ist diese Frage an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu klären, wobei die Feststellungslast insoweit der den Umgang Begehrende trägt. Während Vater und Mutter als elementare Bezugspersonen für die Entwicklung eines Kindes erforderlich sind und das Fehlen einer dieser Bezugspersonen jedenfalls einen schmerzlichen Mangel bedeutet, steht und fällt die Bedeutung anderer Personen für die Entwicklung des Kindes mit der vorhandenen Bindung (OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 884; vgl. auch OLG Hamm, FamRZ 2001, 704; FamRZ 2000, 1601).

Nach diesen Grundsätzen kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben.

Dass ein - ggf. regelmäßiger - Umgang mit der Antragstellerin dem Wohl von J. dient, kann schon deshalb nicht bejaht werden, weil bisher ein Kontakt zwischen J. und der Antragstellerin noch gar nicht stattgefunden hat.

Dass die Anbahnung von Umgangskontakten mit der Antragstellerin im Interesse des Kindes ist, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Dafür spricht allenfalls die allgemeine Erwägung, dass die Beziehung eines Kindes zu seinen Großeltern grundsätzlich positive Aspekte beinhalten und dessen Entwicklung fördern kann. Andererseits ist davon auszugehen, dass die Einräumung des begehrten Umgangsrechts - und sei es auch nur in sehr begrenztem Umfang - erhebliche Nachteile für J. zur Folge hätte, was vorliegend letztlich den Ausschlag gibt, da zu erwarten ist, dass J. Belastungen ausgesetzt würde, die seiner Entwicklung erheblich schaden könnten. Dabei darf entgegen der Ansicht des Familiengerichts nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Antragsgegnerin, wie es bei deren Anhörung durch den Senat nochmals deutlich geworden ist, der Antragstellerin ablehnend gegenübersteht und jeden Kontakt mit dieser verweigert. Denn es liegt auf der Hand, dass bei dieser Einstellung das Kind in einen schweren Loyalitätskonflikt geriete und erheblichen Spannungen ausgesetzt wäre, sofern es gegen den ausdrücklichen Willen seiner Mutter zu Umgangskontakten mit der Antragstellerin gezwungen würde. Diese Erwägung erhält noch dadurch ein besonderes Gewicht, dass die Entwicklung von J. ohnehin problembelastet ist, weil er, wie sich aus dem Bericht des Schulpsychologischen Dienstes vom 10. Juni 2005 (Bl. 265 f d.A.) ergibt, erhebliche Verhaltensauffälligkeiten zeigt und mit hoher Wahrscheinlichkeit an einer Krankheit, nämlich einem sog. Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) leidet. In Anbetracht dessen und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich J., wie sich bei seiner Anhörung durch den Senat ergeben hat, nicht das geringste Interesse zeigt, die Antragstellerin kennenzulernen, erscheint es zumindest derzeit nicht vertretbar, das Kind zusätzlich mit den Schwierigkeiten, die sich aus der Anbahnung von Kontakten mit der Antragstellerin gegen den Willen der Antragsgegnerin ergeben würden, zu belasten, zumal auch noch der Verlust des Großvaters, zu dem J. engen Kontakt hatte, von diesem - und der Antragsgegnerin - zu verarbeiten ist.

Dabei kann auch dahinstehen, ob die Verweigerungshaltung der Kindesmutter auf rationalen Erwägungen beruhen muss oder ob es auf die Gründe hierfür letztlich nicht ankommt, etwa weil es für das Kindeswohl besser ist, mit seiner Mutter in Frieden zu leben, auch wenn der Preis ein vorübergehender Verzicht auf Besuche bei den Großeltern ist (vgl. hierzu OLG Koblenz, a. a. O., m. w. N.), denn die Ablehnungshaltung der Antragsgegnerin ist zumindest insofern nachvollziehbar, als - weitgehend unstreitig - ihr Verhältnis zu der Antragstellerin nie gut gewesen ist und durch die Zerwürfnisse im Zusammenhang mit der Abwicklung der Erbschaft nach dem Tod des Kindesvaters entscheidend beeinträchtigt wurde. Wenn die Antragsgegnerin unter diesen Umständen strikt gegen einen Umgang des Kindes mit der Antragstellerin eingestellt ist, muss dies letztlich respektiert werden, denn es ist Ausdruck einer subjektiv als tiefgreifend empfundenen Störung der gegenseitigen Beziehung (vgl. in diesem Sinne auch OLG Hamm, FamRZ 2004, 57; KG, NJWE-FER 2001, 119).

Nach alledem kann der Antragstellerin derzeit ein Umgangsrecht nicht eingeräumt werden. Entsprechend ist der angefochtene Beschluss abzuändern, wobei nach allgemeinen Grundsätzen der Antrag der Antragstellerin nicht einfach zurückgewiesen werden darf, sondern gleichwohl eine Regelung des Umgangs getroffen werden muss. Diese muss nach Auffassung des Senats einerseits die Voraussetzungen dafür schaffen, dass J. sich ungestört entwickeln kann, andererseits aber auch geeignet sein, den unter den gegebenen Umständen möglichen Änderungen der Verhältnisse Rechnung zu tragen. Danach ist das Besuchsrecht der Antragstellerin, solange sich J. noch im Grundschulalter befindet und somit auf die Dauer von drei Jahren auszuschließen. Dieser Zeitraum erscheint erforderlich, aber auch ausreichend, um dem Kind und der Antragsgegnerin die Möglichkeit zu geben, unbelastet von Auseinandersetzungen um das Besuchsrecht die bestehenden Probleme anzugehen; demgegenüber ist, wie die bisherige Entwicklung gezeigt hat, eine Änderung der Haltung der Antragsgegnerin nicht mehr zu erwarten, so dass Kontakte der Antragstellerin mit J. realistischerweise erst wieder in Betracht kommen, wenn dieser dies wünscht und in der Lage ist, dem auch gegen den Willen der Antragsgegnerin Ausdruck zu verleihen, wobei davon auszugehen ist, dass dies erst in fortgeschrittenem Alter möglich sein wird, wenn er einen entsprechenden Entwicklungsstand erreicht hat. Im Hinblick darauf erscheint ein Ausschluss des Umgangs auf die Dauer von drei Jahren als nicht zu lang bemessen.

Nach alledem war der angefochtene Beschluss entsprechend abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 30 Abs. 2 KostO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 621 e Abs. 2 i. V. m. § 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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