Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 27.09.2007
Aktenzeichen: 6 UF 35/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 288
BGB § 291
BGB § 1361
Kosten für Pflegeleistungen sind als krankheitsbedingter Mehrbedarf grundsätzlich nur dann einkommensmindernd zu berücksichtigen, wenn sie auch tatsächlich aufgewandt worden sind.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

6 UF 35/07

Verkündet am 27.9.2007

In der Familiensache

wegen Trennungsunterhalts

hat der 6. Zivilsenat - Senat für Familiensachen I - des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht Sittenauer als Vorsitzenden, die Richterin am Oberlandesgericht Cronberger und den Richter am Oberlandesgericht Neuerburg

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4. April 2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Homburg - 9 F 392/05 UE - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin monatlichen Trennungsunterhalt, jeweils bis zum 3. eines jeden Monats im voraus, in Höhe von 1.123 EUR für die Zeit von Oktober 2005 bis März 2006 und ab Juni 2006 sowie in Höhe von 863 EUR für April und Mai 2006, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 4. eines jeden Fälligkeitsmonats, zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtstreits erster Instanz tragen die Klägerin 1/10, der Beklagte 9/10. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 1/3, der Beklagte 2/3.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

und

Entscheidungsgründe:

I.

Die Parteien haben in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts geheiratet. Seit Oktober 2004 leben sie voneinander getrennt.

Die am . August 1930 geborene Klägerin bezieht Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von monatlich 197 EUR.

Der am . Februar 1927 geborene Beklagte ist pensionierter Beamter. Seine Pension beläuft sich auf monatlich 2.576 EUR. An Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträgen zahlt er für sich und die Klägerin monatlich 483 EUR. Er wohnt mietfrei im eigenen Haus. Nach dem Bescheid des Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 24. April 2006 (Bl. 45 d.A.) ist er zu 80% behindert; er leidet an Bluthochdruck, Herzinsuffizienz mit Herzrhythmusstörungen, chronischer Emphysembronchitis, Diabetes mellitus, Polyneuropathie, Verschleiß von Wirbelsäule, Hüft- und Kniegelenken, an einer Blasenentleerungsstörung und einem Leberschaden; daneben liegt ein Gallensteinleiden vor und die Hirnleistung ist gemindert. Nach einem Attest des Dr. med. G. O. vom 7. Juni 2006 (Bl. 64 d.A.) ist der Beklagte pflegebedürftig.

Mit ihrer am 8. November 2005 eingereichten Klage hat die Klägerin vom Beklagten Auskunft über seine Einkünfte verlangt und für die Zeit ab Oktober 2005 noch unbezifferten Trennungsunterhalt geltend gemacht. Zuletzt hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 1.295 EUR ab Oktober 2005 zuzüglich Zinsen zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, wegen seines Gesundheitszustands auf Unterstützung angewiesen zu sein. Im Übrigen habe er, was in der zweiten Instanz unstreitig gestellt worden ist, in den Monaten April und Mai 2006 eine Haushaltshilfe beschäftigt und hierfür monatlich 520 EUR gezahlt.

Auf Antrag der Klägerin hat das Familiengericht die einstweilige Anordnung vom 14. Dezember 2005 erlassen, worin dem Beklagten aufgegeben wird, ab November 2005 monatlichen "Ehegattenunterhalt" in Höhe von 1.000 EUR zu zahlen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2006 einigten sich die Parteien dahingehend, dass die Klägerin bis längstens 31. Dezember 2006 aus der einstweiligen Anordnung monatlich nur maximal 800 EUR vollstrecken werde.

In dem angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Familiengericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin monatlichen "Ehegattenunterhalt" für

 Oktober 2005 bis März 2006 in Höhe von 1.073 EUR,
April und Mai 2006 in Höhe von 813 EUR,
Juni 2006 bis April 2007 in Höhe von 1.073 EUR und
ab Mai 2007 in Höhe von 743 EUR,

jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 4. eines jeden Fälligkeitsmonats, abzüglich der für diesen Zeitraum bereits gezahlten bzw. vollstreckten Unterhaltsleistungen, zu zahlen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.221,50 EUR ab Oktober 2005 geltend macht. Die Klägerin trägt vor, dass das erstinstanzliche Urteil an einem Rechenfehler leide. Das Einkommen des Beklagten könne nicht um monatlich 600 EUR für eine Haushaltshilfe gemindert werden, soweit eine solche gar nicht beschäftigt werde.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.

Der Anspruch der Klägerin auf Trennungsunterhalt ergibt sich auch aus § 1361 BGB; dies ist zwischen den Parteien im Grundsatz auch nicht umstritten. Bei der Bedarfsbemessung ist, der Handhabung des Familiengerichts folgend, davon auszugehen, dass der Beklagte im Monat eine Pension in Höhe von 2.576 EUR bezieht und auf die Kranken- und Pflegeversicherung der Parteien 483 EUR zahlt; außerdem muss er sich einen Wohnwert in Höhe von monatlich 350 EUR zurechnen lassen. Dies entspricht den unbeanstandet gebliebenen und zu keinen Bedenken Anlass gebenden Feststellungen des Familiengerichts und ist daher für die weitere Unterhaltsberechnung maßgeblich.

Für die Monate April und Mai 2006 vermindert sich das Einkommen des Beklagten um jeweils 520 EUR, weil er diese Beträge für eine Haushaltshilfe aufgebracht hat, wozu er auch unterhaltsrechtlich berechtigt war.

Entsprechend der Handhabung des Familiengerichts ist davon auszugehen, dass der Beklagte altersbedingt sowie auf Grund sonstiger gesundheitlicher Einschränkungen gebrechlich ist und Hilfe benötigt, weil er körperlich anstrengende Arbeiten im Haushalt nicht mehr verrichten kann. Dabei gehören unter den gegebenen Umständen die mit der Beschäftigung einer Haushaltshilfe verbundenen Kosten nicht mehr zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten, sondern sie sind als einkommensmindernd zu berücksichtigender Mehrbedarf anzusehen (vgl. BGH, FamRZ 1984, 151; OLGR Bamberg, 1999, 321; Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 1, Rz. 606; Eschenbruch/Mittendorf, Der Unterhaltsprozess, 4. Aufl., Rz. 6582, jeweils m.w.N.). Die diesbezüglichen Feststellungen des Familiengerichts werden von der Klägerin im Grundsatz auch nicht in Zweifel gezogen; insbesondere bestreitet sie nicht, dass der Beklagte nur noch sehr eingeschränkt leistungsfähig ist und für regelmäßiges Putzen und größere Einkäufe Hilfspersonen benötigt. Ebenso wenig zieht die Klägerin die Einschätzung des Familiengerichts in Zweifel, dass monatliche Kosten für eine Haushaltshilfe in Höhe von 520 EUR - wie etwa für April und Mai 2006 - nicht unangemessen sind und unterhaltsrechtlich auch berücksichtigt werden können.

Dieser Aufwand ist daher einkommensmindernd zu berücksichtigen, soweit und solange er vom Beklagten tatsächlich betrieben wurde. Dies war, wie in der zweiten Instanz unstreitig geworden, in den Monaten April und Mai 2006 der Fall. Im übrigen Klagezeitraum hat der Beklagte unstreitig keine Haushaltshilfe beschäftigt, so dass insoweit auch keine Kosten angesetzt werden können, da sie nicht angefallen sind. Denn krankheitsbedingter Mehraufwand ist nur zu berücksichtigen, wenn er auch tatsächlich entstanden ist, ein fiktiver Ansatz, wie ihn das Familiengericht vorgenommen hat, kommt grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. Wendl/Gerhardt, a. a. O., § 1, Rz. 608; Eschenbruch/Mittendorf, a. a. O., Rz. 6582).

Auf Seiten der Beklagten ist von einem monatlichen Renteneinkommen in Höhe von 197 EUR auszugehen, wie es den nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Familiengerichts entspricht. Aus alledem ergibt sich folgende Berechnung:

Oktober 2005 bis März 2006 und ab Juni 2006

 Pension des Beklagten 2.576,00 EUR
./. Kranken- und Pflegeversicherung- 483,00 EUR
Wohnvorteil 350,00 EUR
maßgebliches Einkommen des Beklagten 2.443,00 EUR
maßgebliches Einkommen der Klägerin 197,00 EUR
Differenz der maßgeblichen Einkünfte 2.246,00 EUR
Bedarf der Klägerin (1/2) 1.123,00 EUR

April und Mai 2006 (Haushaltshilfe)

 Pension des Beklagten 2.576,00 EUR
./. Kranken- und Pflegeversicherung- 483,00 EUR
Wohnvorteil 350,00 EUR
./. Kosten der Haushaltshilfe- 520,00 EUR
maßgebliches Einkommen des Beklagten 1.923,00 EUR
maßgebliches Einkommen der Klägerin 197,00 EUR
Differenz der maßgeblichen Einkünfte 1.726,00 EUR
Bedarf der Klägerin (1/2) 863,00 EUR

Hierauf ist bereits gezahlter bzw. vollstreckter Unterhalt nicht anzurechnen, weil es sich dabei nach dem übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien nicht um zum Zwecke der Erfüllung, sondern um nur im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung - aus einem noch nicht endgültigen Titel - erbrachte Zahlungen handelt (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 362, Rz. 12, m.w.N.).

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück