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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 02.06.2006
Aktenzeichen: 6 UF 36/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 517
ZPO § 520
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3
BGB § 1684
BGB § 1684 Abs. 1
BGB § 1684 Abs. 4
BGB § 1696
BGB § 1697 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Saarländisches Oberlandesgericht Beschluss

6 UF 36/06

In der Familiensache

betreffend das Umgangsrecht mit

* F. M. S. H., geboren am . Juli 2000,

* L. E. D. H., geboren am . Juli 2000,

hat der 6. Zivilsenat - Senat für Familiensachen I - des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Jochum, den Richter am Oberlandesgericht Neuerburg und den Richter am Landgericht Reichel

am 2. Juni 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarlouis vom 6. März 2006 - 22 F 53/05 UG - wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat den übrigen Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

Der Antragsgegnerin und dem Antragsteller wird die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeinstanz verweigert.

Gründe:

I.

Die heute fünf Jahre alten Zwillinge F. und L. sind aus der nichtehelichen Beziehung der Parteien hervorgegangen. Sie leben bei der Antragsgegnerin, die alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge ist, und besuchen derzeit noch den Kindergarten. Die Einschulung ist für das kommende Schuljahr 2006/2007 vorgesehen.

Der Antragsteller - er ist österreichischer Staatsangehöriger - hat am 4. März 2004 beim Amtsgericht - Familiengericht - in Pankow/Weißensee auf Regelung seines Umgangsrechts angetragen. Dieses hat - nachdem die Antragsgegnerin mit den Kindern ab 1. Oktober 2004 Wohnsitz im Saarland genommen hatte - das Verfahren mit Beschluss vom 2. November 2004 - 23 a F 1368/04 - an das Amtsgericht - Familiengericht - in Saarlouis abgegeben.

Durch einstweilige Anordnung vom 4. Mai 2005 - 22 F 53/05 - hat das Familiengericht begleitete Besuchskontakte des Antragstellers mit beiden Kindern, jeweils am ersten Montag und Dienstag eines Monats für die Dauer von jeweils zwei Stunden - beginnend mit dem 6./7. Juni 2005 - festgelegt, die in der Folgezeit unter Mitwirkung eines Mitarbeiters des Caritas-Verbandes in stattgefunden haben.

Die Antragsgegnerin ist dem Begehren des Antragstellers erstinstanzlich zunächst entgegen getreten und hat auf Ausschluss des Umgangs angetragen. Zuletzt hat sie sich vor dem Familiengericht dafür ausgesprochen, die Besuchskontakte am Wochenende stattfinden zu lassen.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den ergänzend Bezug genommen wird, hat das Familiengericht in der Hauptsache den Umgang - nach Anhörung - dahin geregelt, dass der Antragsteller die Kinder jeweils am ersten Montag und Dienstag eines Monats in der Zeit von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr - erstmals am 3. und 4. April 2006 - sowie ab September 2006 jeweils am ersten Montag und Dienstag eines Monats in der Zeit von 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr - erstmals am 4. und 5. September 2006 zu Besuchszwecken zu sich nehmen darf, und ergänzende Anordnungen getroffen. Weiterhin hat es der Antragsgegnerin "für den Fall des Zuwiderhandelns" ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu 1.000 EUR angedroht.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, für die sie um Bewilligung von Prozesskostenhilfe bittet. Mit dem Rechtsmittel erstrebt sie - unter Beibehaltung der festgelegten Besuchstage - eine Modifikation der Übergabezeiten und -modalitäten sowie eine räumliche Beschränkung des Besuchsrechts auf das Saarland. Darüber hinaus begehrt sie die Androhung eines Zwangsgeldes gegenüber dem Antragsteller.

Der Antragsteller bittet um Zurückweisung der Beschwerde und um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug. Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Das beteiligte Jugendamt hat sich schriftlich geäußert und auf seinen erstinstanzlichen Bericht verwiesen.

Die Akten des zuletzt vor dem Amtsgericht - Familiengericht - in Saarlouis anhängig gewesenen Sorgerechtsverfahrens - 22 F 119/05 - waren beigezogen.

II.

Die gemäß §§ 621 e Abs. 1 und 3, 621 Abs. 1 Nr. 2, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Seine internationale Zuständigkeit und die Anwendung des deutschen materiellen Rechts hat das Familiengericht im Streitfall - stillschweigend - zu Recht und von den Parteien unangegriffen bejaht.

Die in dem angefochtenen Beschluss getroffene Umgangsregelung ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 1684 Abs. 1 BGB steht dem Antragsteller dem Grunde nach ein Recht zum geregelten persönlichen Umgang mit den gemeinsamen Töchtern zu, was auch von der Antragsgegnerin, die mit ihrer Beschwerde insoweit im Wesentlichen nur eine Modifikation des Beginns und des Endes der Besuchszeiten sowie der Übergabemodalitäten anstrebt, zweitinstanzlich letztlich nicht mehr in Frage gestellt wird. Nach § 1684 Abs. 1 BGB hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil und sind die Eltern zum Umgang mit dem Kind berechtigt und verpflichtet. Diese gesetzgeberische Entscheidung beruht auf der Erkenntnis, dass der Umgang des Kindes mit seinen Eltern, gerade wenn und soweit es nicht bei ihnen lebt, für die Entwicklung und das Wohl des Kindes von herausragender Bedeutung ist (Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2005 - 6 UF 94/05 -; OLG Brandenburg, FamRZ 2005, 293, 294). Dabei unterliegt der Umgang des Kindes mit dem nicht sorgeberechtigten Elternteil nicht der Disposition der Eltern, sondern ist in § 1684 BGB als ein im Interesse des Kindes pflichtgebundenes - unverzichtbares (BGH, FamRZ 1984, 778; Hoppenz/van Els, Familiensachen, 8. Aufl., A.I., § 1684, Rz. 6) - Recht (sog. "Pflichtrecht") konstruiert, dessen Umfang erforderlichenfalls durch das Familiengericht konkretisiert wird (BGH, MDR 2005, 1415, 1416; Senat, a.a.O.; Hoppenz/van Els, a.a.O., Rz. 3 ff). Richtpunkt für die gerichtliche Entscheidung zum elterlichen Umgang ist gemäß § 1697 a BGB das Wohl des Kindes (Senat, a.a.O.).

Die in dem angefochtenen Beschluss unter Beachtung dieser grundlegenden Gegebenheiten getroffene Umgangsregelung des Familiengerichts begegnet unter den besonderen Gegebenheiten des Streitfalles keinen Bedenken und hält den Beschwerdeangriffen stand. Ein Umgangsausschluss (§ 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB) wird von der Antragsgegnerin nicht mehr angestrebt und ist nach Lage der Akten auch nicht veranlasst. Nach Lage der Akten zu Recht und von der Antragsgegnerin unbeanstandet hat das Familiengericht ersichtlich auch eine fortdauernde Umgangsbegleitung (§ 1684 Abs. 4 Satz 3 BGB) nicht als notwendig erachtet. Die Festlegung monatlicher Besuchskontakte an jeweils zwei aufeinander folgenden Wochentagen trägt insbesondere dem mit der Umgangsausübung verbundenen erheblichen Reiseaufwand des in Wien wohnhaften Antragstellers und dem Umstand, dass dieser als freischaffender Musiker jedenfalls teilweise auch an Wochenenden seinem Erwerb nachzugehen hat, in angemessener Weise Rechnung und wird mit der Beschwerde auch nicht entscheidend in Frage gestellt, wenngleich die Antragsgegnerin nach wie vor Wochenendbesuche bevorzugen würde. In Übereinstimmung mit dem Familiengericht begegnet auch die Festlegung der Besuchszeiten auf derzeit jeweils von 14 bis 18 Uhr bzw. - ab Einschulung - von 15 bis 18 Uhr hinsichtlich Zeitpunkt und Dauer keinen grundlegenden Bedenken. Durchschlagende Gründe für eine zeitliche Modifikation der in dem angefochtenen Beschluss festgelegten Besuchsregelung nach Maßgabe des Beschwerdebegehrens sind nicht ersichtlich. Dass die Besuchskontakte an den Montagen wegen unabänderlicher anderweitiger Terminsverpflichtungen der Kinder oder der Antragsgegnerin selbst - deren Vorliegen der Antragsteller zweitinstanzlich nachhaltig bestreitet - erst um 15.45 Uhr beginnen können, ist mit der Beschwerde nicht substantiiert dargetan, zumal die Antragsgegnerin - entgegen ihrer Ankündigung in der Beschwerdeschrift - eine ihren diesbezüglichen Sachvortrag bestätigende Bescheinigung der Logopädie-Praxis im Streitfall nicht vorgelegt hat und dem Vorbringen des Antragstellers, dass sie - nach ihren eigenen Angaben - die Therapiesitzungen aus Anlass einer von ihr absolvierten Weiterbildungsmaßnahme verschoben habe, nicht entgegen getreten ist. Auch deren bei den Akten des Sorgerechtsverfahrens - 22 F 119/05 - befindliches Schreiben vom 29. März 2005, wonach ab September 2004 insgesamt zwanzig Sitzungen stattgefunden hatten und danach eine mehrmonatige Therapiepause eingetreten war, stützt im Übrigen nicht den Sachvortrag der Antragsgegnerin, sondern spricht vielmehr gegen das Vorliegen insoweit "seit Jahren festgelegter" Termine. Hat demnach die in dem angefochtenen Beschluss geregelte Besuchszeit von 14 bis 18 Uhr bzw. - beginnend mit der Einschulung - 15 bis 18 Uhr Bestand, ist auch eine abweichende Regelung des Übergabeortes nicht angezeigt. Beachtliche Gründe für eine zeitliche Verschiebung der festgelegten Besuchszeiten an den Dienstagen um eine halbe Stunde und die angestrebte Änderung der jeweiligen Übergabeorte werden mit der Beschwerde nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere erscheint es unter den gegebenen Umständen nach Überzeugung des Senats hinnehmbar, wenn zur Gewährleistung des - grundsätzlich dem Kindeswohl dienlichen (Senat, a.a.O.) - Umgangskontakts mit dem Vater der im Regelfall bis 16 Uhr dauernde Kindergartenaufenthalt der Kinder an zwei Tagen des Monats im hierfür erforderlichen Umfang abgekürzt wird. Zeigen sich im Rahmen der an der familiengerichtlichen Regelung orientierten Umgangsausübung nachhaltige Schwierigkeiten, wird dem gegebenenfalls - sofern triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe dies angezeigt erscheinen lassen - durch eine entsprechende Überprüfung und Abänderung der getroffenen Anordnungen nach § 1696 BGB zu begegnen sein.

Die mit der Beschwerde angestrebte räumliche Beschränkung der Besuchskontakte auf das Saarland kommt nicht in Betracht. In der Bestimmung des Umgangsortes und der tatsächlichen Ausgestaltung des Zusammenseins mit dem Kind ist der Umgangselternteil grundsätzlich frei (Staudinger/Rauscher, BGB (2006), § 1684, Rz. 183, 82, m.w.N.). Hinreichende Gründe für die Annahme, dass das Kindeswohl i.S. von § 1684 Abs. 4 BGB eine entsprechende räumliche Beschränkung der Umgangsausübung erfordert oder ohne eine solche gar gefährdet wäre (dazu Staudinger/Rauscher, a.a.O., Rz. 184, m.w.N.), werden mit der Beschwerde nicht aufgezeigt und können unter den gegebenen Umständen mangels konkreter Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr auch nicht allein daraus hergeleitet werden, dass der Antragsteller in einem - Jahre zurückliegenden - Einzelfall die Kinder nach einem für die Dauer von einigen Tagen geplanten Umgangskontakt im September 2002 absprachewidrig erst nach mehreren Wochen zur Antragsgegnerin zurückgeführt hat.

Zur - erstmaligen - Entscheidung über die Androhung eines Zwangsmittels gegenüber dem Antragsteller (§ 33 Abs. 3 FGG) ist das Familiengericht berufen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG. Die Wertfestsetzung folgt aus § 30 Abs. 2 KostO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 621 e Abs. 2 i.V. mit § 543 Abs. 2 ZPO).

Der Antragsgegnerin ist bei der gegebenen Sachlage die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für die Beschwerde mangels hinreichender Erfolgsaussicht des Rechtsmittels zu verweigern (§§ 14 FGG, 114 ZPO).

Dem Antragsgegner kann Prozesskostenhilfe für seine zweitinstanzliche Rechtsverteidigung nicht gewährt werden, weil er die mit Verfügung vom 13. April 2006 geforderte aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst erforderlichen Belegen nicht vorgelegt hat.

Ende der Entscheidung

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