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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.09.2003
Aktenzeichen: 7 U 136/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 240
ZPO § 301
ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 520 Abs. 2
ZPO § 529
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 546
BGB § 286
BGB § 288
BGB § 765
BGB § 766
BGB § 767
BGB § 769
BGB § 773 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 773 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

7 U 136/03

Verkündet am 9.9.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 29.7.2003 unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Kuhn-Krüger, der Richterin am Oberlandesgericht Hermanns und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Madert-Fries

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten zu 2. und 3. wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagten zu 2. und 3. - jeweils haftend bis zu einem Höchstbetrag von 50.000 € - als Gesamtschuldner verurteilt werden, an die Klägerin 86.573,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 85.761,95 € seit dem 25.7.2002 zu zahlen.

2. Die Beklagten zu 2. und 3. tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten zu 2. und 3. dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 85.781,95 € festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

A.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Teilurteils des Landgerichts Saarbrücken vom 31.1.2003, Az. 10 O 252/02, Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat, nachdem das Verfahren gegen die Beklagte zu 1. im Hinblick auf die vorläufige Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über deren Vermögen unterbrochen worden ist, mit dem angefochtenen Teilurteil (Bl. 36 d.A.) die Beklagten zu 2. und 3. zur Zahlung von jeweils höchstens 50.000 € an die Klägerin verurteilt. Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die unterbrechende Wirkung der Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten zu 1. nicht auf das Verfahren gegen die Beklagten zu 2. und 3. beziehe, § 240 ZPO. Auch liege im Hinblick auf ein beim Landgericht Saarbrücken anhängiges Scheckverfahren keine anderweitige Rechtshängigkeit vor, weil es an der Identität der Parteien und der Streitgegenstände mangele. Die Klage gegen die Beklagten zu 2. und 3. sei auch begründet, weil diese die selbstschuldnerische Bürgschaft für alle aus der Kreditvereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. (Nr.) entstandenen und künftig entstehenden Forderungen übernommen hätten, so dass diese unabhängig voneinander jeweils bis zum Höchstbetrag von 50.000 € hafteten. Die Einrede der Vorausklage greife im Hinblick auf die Übernahme der selbstschuldnerischen Bürgschaft nicht. Im Übrigen hätten die Beklagten zu 2. und 3. das Bestehen der Hauptschuld aus offenen Warenlieferungen in Höhe von 85.761,95 € nicht bestritten.

Gegen dieses Urteil haben die Beklagten zu 2. und 3. das Rechtsmittel der Berufung eingelegt. Sie machen im Wesentlichen geltend, dass das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe, da nicht austenoriert sei, welcher Betrag auf der Grundlage des Urteils zu zahlen sei bzw. nicht feststehe, welche konkrete Forderung geschuldet werde. Dies beruhe darauf, dass das Landgericht zu Unrecht die Unterbrechungswirkung nicht auch auf die Streitgenossen, nämlich die Beklagten zu 2. und 3., erstreckt habe. Auch verkenne das Erstgericht, dass eine gesamtschuldnerische Haftung (arg. § 769 BGB) gegeben sei. Im Übrigen hätten sie die Höhe der Hauptforderung bestritten, dass dies nicht mehr erfolgt sei, beruhe darauf, dass das Verfahren bezüglich der Beklagten zu 1. gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden sei (Bl. 61 d.A.).

Die Beklagten zu 2. und 3. beantragen,

unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Saarbrücken vom 31.1.2003, Az. 10 O 252/02, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zu 2. und 3. zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 29.7.2003 (Bl. 77 ff d.A.) Bezug genommen.

B.

1.

Die Berufung der Beklagten ist gemäß den §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässig. Das Rechtsmittel ist fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517, 519, 520 Abs. 2 ZPO. Die Begründung entspricht den gesetzlichen Anforderungen der §§ 513, 520 Abs. 3 ZPO. Danach kann das Rechtsmittel der Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechfertigen, wobei diese Umstände in der Berufungsbegründung dargelegt werden müssen (§ 520 Abs. 3 ZPO). Die Beklagten machen geltend, dass das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe, da nicht austenoriert sei, welcher Betrag auf der Grundlage des Urteils zu zahlen sei bzw. nicht feststehe, welche konkrete Forderung geschuldet werde. Dies beruhe darauf, dass das Landgericht zu Unrecht die Unterbrechungswirkung nicht auch auf die Streitgenossen, nämlich die Beklagten zu 2. und 3., erstreckt habe. Auch verkenne das Erstgericht, dass eine gesamtschuldnerische Haftung (arg. § 769 BGB) gegeben sei. Im Übrigen hätten sie die Höhe der Hauptforderung bestritten, dass dies nicht mehr erfolgt sei, beruhe darauf, dass das Verfahren bezüglich der Beklagten zu 1. gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden sei (Bl. 61 d.A.). Mit diesem Vorbringen rügen die Beklagten die Verletzung formellen und materiellen Rechts im Sinne von § 546 ZPO (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers, ZPO, 60. Aufl., § 546, Rdnr. 1 ff, m.w.N.).

2.

Die Berufung der Beklagten hat letztlich keinen Erfolg. Die Beklagten zu 2. und 3. sind - jeweils haftend bis zu einem Höchstbetrag von 50.000 € - als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 86.573,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus 85.761,95 € seit dem 25.7.2002 zu zahlen. In diesem Sinne hat eine Berichtigung des Tenors des erstinstanzlichen Urteils zu erfolgen.

a.

Eine Unterbrechung des Verfahrens gegen die Beklagten zu 2. und 3. ist, entgegen der Auffassung der Beklagten, nicht eingetreten. Die Unterbrechung eines Verfahrens gegen einen einfachen Streitgenossen wegen der Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens gemäß § 240 ZPO berührt nämlich das Verfahren gegen die übrigen Streitgenossen nicht, das Verfahren gegen diese kann durch Teilurteil abgeschlossen werden (vgl. BGH, ZIP 2003, S. 594 ff, m.w.N.). Das Verfahren gegen die übrigen Streitgenossen wird durch die Unterbrechung des Verfahrens gegen einen einfachen Streitgenossen nicht berührt. In diesen Fällen hat der Bundesgerichtshof trotz der jeweils offen liegenden Gefahr, dass bei Aufnahme des durch den Konkurs bzw. die Insolvenz unterbrochenen Verfahrens eine abweichende Entscheidung ergehen könnte, stets die Möglichkeit bejaht, gemäß § 301 ZPO ein Teilurteil zu erlassen (BGH, Urteil vom 3. Juli 2001 - VI ZR 284/00, BGHZ 148, 214, 216; Urteil vom 10. März 1988 - IX ZR 194/87, NJW 1988, 2113; Urteil vom 1. April 1987 - VIII ZR 15/86, NJW 1987, 2367, 2368). Diese Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Teilurteil dann nicht ergehen soll, wenn die Gefahr widerstreitender Erkenntnisse besteht, ist im Falle der Unterbrechung des Verfahrens durch Konkurs oder Insolvenz eines einfachen Streitgenossen regelmäßig gerechtfertigt, weil die Unterbrechung zu einer faktischen Trennung der Verfahren führt. Die Dauer der Unterbrechung ist in der Regel ungewiss. Sie endet, wenn das Verfahren nicht nach den für das Konkurs- oder Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen wird, erst dann, wenn das Konkurs- oder Insolvenzverfahren beendet ist. Dieses Verfahren kann sich in Einzelfällen viele Jahre lang hinziehen. Ob und gegebenenfalls wann eine Aufnahme des Verfahrens erfolgt, ist in aller Regel nicht voraussehbar. Die übrigen Streitgenossen haben keine prozessuale Möglichkeit, die Aufnahme des Verfahrens und damit auch den Fortgang des Prozesses insgesamt zu bewirken. Es wäre mit dem Anspruch der übrigen Prozessbeteiligten auf einen effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar, wenn die Unterbrechung des Verfahrens eine Entscheidung nur deshalb nachhaltig verzögern würde, weil die abstrakte Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung nach einer eventuellen Aufnahme des Verfahrens besteht. Anders kann es zu beurteilen sein, wenn Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass das unterbrochene Verfahren alsbald fortgesetzt werden kann (BGH, aaO). Derartige Anhaltspunkte liegen im Streitfall nicht vor.

Im Übrigen macht die Klägerin mit der Inanspruchnahme der Beklagten zu 2. und 3., die sich selbstschuldnerisch für das Bestehen von Forderungen der Klägerin gegen die Beklagte zu 1. aus Warenkredit verbürgt haben (Bl. 31, 32 d.A.), in zulässiger Weise von einem Sicherungsmittel Gebrauch, das gerade für den Fall der Insolvenz der Hauptschuldnerin gegeben worden ist, wie dies die Parteien im Übrigen sogar in den Bürgschaftsurkunden vorgesehen haben ("Die Bürgschaft endet nicht dadurch, dass die gelöscht wird, sondern erst nach vollständiger Zahlung unserer Forderung").Auch von daher bewirkt die Unterbrechung des Verfahrens gegen die Hauptschuldnerin keine Unterbrechung des Verfahrens gegen die Bürgen, die Beklagten zu 2. und 3..

b.

Die Beklagten haften gemäß §§ 765, 766, 767, 769 BGB als Bürgen gesamtschuldnerisch im Rahmen der gemäß Bürgschaftsvertrag übernommenen Haftung (Bl. 31, 32 d.A.) für den jeweiligen Bestand der Hauptverbindlichkeit.

Die Hauptverbindlichkeit, für die die Beklagten zu 2. und 3. jeweils die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einem Betrag von 50.000 € übernommen haben, beläuft sich auf 85.761,95 €, zuzüglich Zinsen (791,40 €) und Mahnkosten (20 €) auf 86.573,35 € (§ 767 Abs. 1, Satz 2 BGB). Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagten haben im ersten Rechtszug den Bestand einer Hauptforderung in diesem Umfang nicht bestritten. Soweit sie nunmehr erstmals im Berufungsrechtszug die Höhe der Hauptforderung bestreiten, ist dieses Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Nach dieser Vorschrift sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen, wenn sie (1) einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszugs erkennbar übersehen worden ist, (2) infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder (3) im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall sämtlich nicht erfüllt. Der Umstand, dass wegen der Anordnung der vorläufigen Insolvenz über das Vermögen der Beklagten zu 1. das Verfahren gegen diese unterbrochen worden ist, entband die Beklagten zu 2. und 3., die als Bürgen in Anspruch genommen werden, nicht davon, Vorbringen der Klägerin zum Bestand der Hauptforderung zu bestreiten. Hierauf hat der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 29.7.2003 hingewiesen (Bl. 78 d.A.).

Die Beklagte haben die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von jeweils 50.000 € übernommen (Bl. 31, 32 d.A.). Auf Grund dessen können sie sich gemäß § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB, aber auch im Hinblick auf die Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens gegen die Hauptschuldnerin gemäß § 773 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht auf die Einrede der Vorausklage berufen. Gemäß § 769 BGB haften die Beklagten zu 2. und 3. als Gesamtschuldner, unabhängig davon, ob die Bürgschaft gemeinschaftlich oder unabhängig und ohne Wissen voneinander übernommen worden ist (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 60. Aufl., § 769, Rdnr. 1, m.w.N.).

Auf Grund dessen hat die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagten zu 2. und 3. als Gesamtschuldner - jeweils haftend bis zu einem Höchstbetrag von 50.000 € - auf Ausgleich der Hauptverbindlichkeit nebst Zinsen und Mahnkosten. Die kumulative Haftung mehrerer Bürgen ist auch als Höchstbetragsbürgschaft zulässig; dabei kann der Gläubiger wählen, in welcher Reihenfolge er die Mitbürgen heranziehen will, er ist nur darin beschränkt, dass kein Bürge für mehr als den zugesagten Höchstbetrag einzustehen hat (vgl. OLG Hamm, WM 1984, S. 829 ff; OLG Stuttgart, ZIP 1990, S. 445).

Der Zinsanspruch, der nach Grund und Höhe unbestritten geblieben ist, ist gemäß §§ 288, 286 BGB gerechtfertigt. Die der Klägerin vorgerichtlich entstandenen Mahnkosten in Höhe von 20 € sind ebenfalls unstreitig. Demnach war die Berufung der Beklagten zu 2. und 3. mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagten zu 2. und 3. - jeweils haftend bis zu einem Höchstbetrag von 50.000 € - als Gesamtschuldner verurteilt werden, an die Klägerin 86.573,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 85.761,95 € seit dem 25.7.2002 zu zahlen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Die ausgerechneten und der Hauptforderung hinzu gerechneten Zinsen in Höhe von 791,40 € sind nicht zu berücksichtigen, und zwar auch dann nicht, wenn der Bürge dafür in Anspruch genommen wird (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 23. Aufl., § 4, Rdnr. 11, m.w.N.).

Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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