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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 07.06.2004
Aktenzeichen: 9 WF 65/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1565
BGB § 1565 Abs. 1
BGB § 1566 Abs. 1
BGB § 1567
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 630
Zur Schlüssigkeit eines auf § 1565 Abs. 1 BGB gestützten Scheidungsantrags reicht die Behauptung, die Parteien leben länger als ein Jahr getrennt und die Ehe sei gescheitert, nicht aus.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in St. Ingbert vom 5. April 2004 - 11 F 36/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

I. Die Parteien, die am Juli 1973 die Ehe geschlossen haben, leben nach Angaben der Antragstellerin seit Dezember 2001 getrennt.

Die Antragstellerin hat um Prozesskostenhilfe für ihren im Februar 2004 eingereichten Scheidungsantrag nachgesucht.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht der Antragstellerin die nachgesuchte Prozesskostenhilfe mit der Begründung verweigert, die Rechtsverfolgung der Antragstellerin erscheine mutwillig, nachdem die Antragstellerin im Verfahren 4 F 555/01 ihren dortigen erfolgversprechenden Scheidungsantrag nach längerer Verfahrensdauer und Verursachung erheblicher Kosten ohne triftigen Grund zurück genommen habe.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie vollumfängliche Prozesskostenbewilligung erstrebt.

II. Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Insoweit kann dahin stehen, ob das Familiengericht zu Recht angenommen hat, dass die Rechtsverfolgung der Antragstellerin mutwillig erscheint, was allerdings im Hinblick auf den gesundheitlichen Zustand der Antragstellerin in der Vergangenheit Bedenken begegnen könnte.

Denn jedenfalls hat das Familiengericht der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht Prozesskostenhilfe verweigert, weil das Scheidungsbegehren der Antragstellerin derzeit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO) bietet, da die Antragstellerin die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Scheidung nicht hinreichend dargetan hat.

Gemäß § 1565 Abs. 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wieder herstellen.

Zwar wird gemäß §§ 1566 Abs. 1 BGB unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt. Außer dem einjährigen Getrenntleben und dem beiderseitigen Scheidungsantrag oder der Zustimmung des Antragsgegners zum Scheidungsantrag müssen jedoch auch die Anforderungen des § 630 ZPO erfüllt werden, damit die Zerrüttungsvermutung eingreift (vgl. 6. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts, Beschluss vom 4. Januar 2001 - 6 WF 77/00 -; Zöller-Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 114, Rz. 41 m.w.N.; MünchKomm/Wolf, BGB, 4. Aufl., § 1566, Rz. 10; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 3. Aufl., § 1566 BGB, Rz. 6 m.w.N.). Da die Antragstellerin zu der in § 630 ZPO vorgeschriebenen Einigung nicht vorgetragen hat, bleibt ihr nur der Weg des § 1565 BGB, um ihr Scheidungsbegehren durchsetzen zu können (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O.).

Die Voraussetzungen des § 1565 Abs. 1 BGB hat die Antragstellerin jedoch nicht schlüssig dargetan. Die Antragstellerin muss nicht nur dartun und beweisen, dass die Ehegatten seit einem Jahr gemäß § 1567 BGB getrennt leben, sondern auch dass die Merkmale des Scheiterns vorliegen. Allein der Umstand, dass die Parteien länger als ein Jahr getrennt leben, begründet nämlich noch keine tatsächliche Vermutung für das Scheitern der Ehe im Sinne des § 1565 Abs. 1 BGB (BGH, NJW 1995, 1082). Dazu ist vielmehr ein Sachvortrag erforderlich, der dem Gericht die Analyse der ehelichen Lebensgemeinschaft sowie die für die Entscheidung notwendige Prognose ermöglicht. Dafür reichen Rechtsbehauptungen, die Ehe sei gescheitert oder unheilbar zerrüttet, nicht aus (vgl. MünchKomm/Wolf, a.a.O., § 1565, Rz. 72; Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1565 BGB, Rz. 33; Ermann/Dieckmann, BGB, 10. Aufl., § 1565, Rz. 20). Nach der Systematik der Scheidungstatbestände ist es auch nicht gerechtfertigt, geringere Anforderungen an Vortrag und Beweis zu stellen, wenn beide Ehegatten das Scheitern der Ehe behaupten (vgl. MünchKomm/Wolf, a.a.O., § 1565, Rz. 52, m.w.N.).

Die Antragstellerin hat vorliegend lediglich dargelegt, dass die Parteien mehr als ein Jahr getrennt leben und sie nicht länger an der Ehe festhalten will. Hiermit hat sie den dargelegten strengen Anforderungen an die Schlüssigkeit ihres Antrags nicht genügt. Sie muss vielmehr zu den ehelichen Lebensverhältnissen, zu Ursachen und Anlass der Trennung sowie zu den etwaigen weiteren Ursachen für die von ihr empfundene unheilbare Zerrüttung Tatsachen in so umfassender Weise vortragen, dass der Richter selbst den Schluss auf den endgültigen Verlust der ehelichen Gesinnung nachvollziehen kann (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1565 BGB, Rz. 33, m.w.N.).

Die Beschwerde war daher mit dem auf § 127 Abs. 4 ZPO beruhenden Kostenausspruch zurückzuweisen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung nicht gegeben sind (§ 574 ZPO).

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