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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.03.2006
Aktenzeichen: 1 LA 11/06
Rechtsgebiete: DmSchG SH, VwGO


Vorschriften:

DmSchG SH § 5 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 2
1. Ein Gebäude hat - im Sinne der Denkmalschutzkriterien -

a) geschichtlichen Wert, wenn es frühere Bauweisen und die damit zum Ausdruck kommenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dokumentiert;

b) geschichtliche Bedeutung, wenn es für das Leben oder für die politischen, kulturellen und sozialen Verhältnisse in bestimmten Zeitepochen einen Aussagewert hat.

c) städtebauliche Bedeutung, wenn es etwa das Erscheinungsbild einer Ansiedlung, einer Straße oder Teilen davon prägt und u. a. durch Anordnung, Lage, Gestaltung oder die Verbindung mit anderen Anlagen den historischen Entwicklungsprozess einer Stadt oder einer Ansiedlung dokumentiert.

2. Das Erfordernis der "besonderen Bedeutung" eines Baudenkmals hat nicht den Zweck, lediglich herausragende Beispiele oder das beste Objekt eines bestimmten Typs zu erhalten.

3. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erfüllung der Denkmalschutzkriterien bedarf es nur dann, wenn bestimmte Tatsachen zum (kultur-) geschichtlichen oder städtebaulichen "Wert" eines Gebäudes klärungsbedürftig sind, weil die bisherigen Feststellungen im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren dafür nicht genügend Grundlagen bieten.

4. Dem Verwaltungsgericht kann bei der Entscheidung über die Denkmaleigenschaft eines Objekts auch die fachkundigen Feststellungen der beklagten Denkmalschutzbehörde berücksichtigen. Allein die Stellung der Behörde als Verfahrensbeteiligte bzw. ihr im Verwaltungsrechtsstreit hervortretender "Gegensatz" zur Position der Kläger vermag nicht zu belegen, dass die denkmalfachlichen Belange von der Behörde in sachwidriger Weise wahrgenommen worden sind.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 1 LA 11/06

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Eintragung in das Denkmalbuch

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 10. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 8. Kammer - vom 23. August 2005 wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert beträgt 20.000,-- EURO.

Gründe:

I.

Die Kläger wenden sich gegen die Eintragung ihres Wohnhauses ("...") mit dem "umgebenden Landhausgarten" in das Denkmalbuch. Das Verwaltungsgericht hat ihre gegen die Bescheide vom 22. Januar und 06. Juni 2003 gerichtete Klage durch Urteil vom 23. August 2005 abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, die Villa mit Garten sei ein Kulturdenkmal besonderer Bedeutung. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedürfe es insoweit nicht. Die Einschätzung der Fachbehörde decke sich nach dem Ergebnis der durchgeführten Ortsbesichtigung mit dem Eindruck eines für den Denkmalschutz aufgeschlossenen Betrachters.

Gegen dieses am 02. Januar 2006 zugestellte Urteil haben die Kläger am 25. Januar 2006 die Zulassung der Berufung beantragt.

II.

Der Zulassungsantrag der Kläger ist fristgerecht eingegangen und begründet worden; er ist auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützt. Der - danach geltend gemachte - Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Klagabweisung liegt nicht vor.

Die Kläger beziehen sich in ihrem Zulassungsantrag auf ihr erstinstanzliches Vorbringen, ohne zu erläutern, inwieweit dieses die Richtigkeit des klagabweisenden Urteils in Frage stellt. Allein der Umstand, dass in dem von dem beklagten Landesamt eingeholten Bericht "Villensiedlung ..." vom Juli 1997 / März 1998 die "..." und der umgebende Garten nicht erwähnt sind, belegt nicht, dass die im angefochtenen Bescheid vom 22. Januar 2003 angeführten Gründe für die Unterschutzstellung die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale in § 5 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes i.d.F. vom 16. Dezember 2002 (GVOBl. S. 264) - DmSchG - verfehlt. Das beklagte Landesamt hat - für das Haus - Gründe genannt, die dessen geschichtlichen und städtebaulichen Wert belegen (u.a. monumentaler Landhausstil, klassizierende Architekturelemente, beispielhafter Bau für die architektonische Reformbewegung um 1910; vgl. zum Inhalt der Denkmalkriterien ausführlich Richter/Lund, Denkmalrecht, in: Schmalz u. a. [Hg.], Staats- u. Verwaltungsrecht für Schleswig-Holstein, 2002, S. 489 ff., insbes. Rn. 26, 39). Das Verwaltungsgericht hat darauf und auf die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2003 gem. § 117 Abs. 5 VwGO in seinem Urteil Bezug genommen.

Die Anwendung der angeführten Denkmalschutzkriterien auf die Villa und den Villengarten ist auch vor dem Hintergrund der dazu vorliegenden Rechtsprechung des Senats nicht zu beanstanden; der Senat hat in seinem Urteil vom 10.10.1995 (1 L 27/95, n.v.) ausgeführt:

"... Das Tatbestandsmerkmal des geschichtlichen Wertes bezieht sich ... maßgeblich auf den Dokumentationswert früherer Bauweisen und der in ihnen zum Ausdruck kommenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse .... Geschichtliche Bedeutung in diesem Sinne erfordert darüber hinaus, dass durch das Schutzobjekt geschichtliche Entwicklungen anschaulich gemacht werden. Dies ist dann gegeben, wenn das Gebäude für das Leben in bestimmten Zeitepochen oder für die politischen, kulturellen und sozialen Verhältnisse in bestimmten Zeitepochen einen Aussagewert hat. Städtebauliche Bedeutung kommt einem oder mehreren Gebäuden zu, wenn sie etwa das Erscheinungsbild einer Ansiedlung, einer Straße oder Teilen davon prägen und hiermit u. a. durch ihre Anordnung und Lage in der Örtlichkeit oder ihre Gestaltung auch in Verbindung mit anderen Anlagen den historischen Entwicklungsprozeß einer Stadt oder einer Ansiedlung dokumentieren (vgl. OVG NW, Urt. v. 30.07.1993 - 7 A 1038/92 -, BRS 55 Nr. 135).

... Besondere Bedeutung im Sinne [des § 5 Abs. 1 Satz 1 DmSchG] Vorschrift hat nicht bereits jedes Gebäude mit (bau-)geschichtlichem oder städtebaulichem Bezug. Bedeutend in diesem Sinne sind Gegenstände dann nicht mehr, wenn es sich etwa um Massenprodukte handelt oder sie durch eine Vielzahl von Veränderungen derart verfremdet sind, dass sie u.a. die geschichtlichen oder städtebaulichen Beziehungen nicht mehr verdeutlichen können. Dagegen hat das Tatbestandsmerkmal der besonderen Bedeutung nicht den Zweck, lediglich herausragende Beispiele oder jedenfalls das beste Objekt eines bestimmten Typs zu erhalten ... ."

Die pauschale Wiederholung erstinstanzlicher Argumente kann damit keine ernstlichen Richtigkeitszweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begründen.

Auch bezüglich der Einbeziehung des "Landhausgartens" in den Denkmalschutz sind dem Zulassungsantrag keine Ansatzpunkte für ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des klagabweisenden Urteils zu entnehmen. Die Kläger übergehen die (bereits) im Bescheid vom 22. Januar 2003 für die Einbeziehung des Gartens angeführte Erwägung des beklagten Landesamtes, wonach in der Verbindung von Wohnhaus und Garten eine "gestalterische Einheit" zu sehen und die "Villa und Villengarten" innerhalb der Villenkolonie als Ensemble anzusehen sei. Die Kritik der Kläger an der Wiedergabe bzw. Bewertung der "tatsächlichen Feststellungen" aus dem Ortstermin vom 28.10.2004 (hinsichtlich des Pflasterweges, des Gemüsegartens und eines Schuppens) ist insoweit unergiebig. Das beklagte Amt hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es insoweit um Umstände im Zusammenhang mit einem (im Ergebnis erfolglosen) Vergleichsvorschlag ging, die mit der - hier angegriffenen - Klagabweisung und deren Gründen nicht im Zusammenhang stehen.

Soweit die Kläger anführen, zur Beurteilung der Denkmaleigenschaft der Villa und des Villengartens bzw. (nur) des Villengartens hätte es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurft, ergeben sich auch daraus keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des klagabweisenden Urteils. Aus dem Klägervorbringen ist schon nicht zu entnehmen, welche Tatsachen im Einzelnen einer Sachverständigenbegutachtung hätten zugeführt werden sollen. Soweit die Begutachtung auf die Feststellung des (kultur-) geschichtlichen oder städtebaulichen "Wertes" der Villa bzw. des Villengartens i.S.d. § 5 Abs. 1 DmSchG bezogen sein soll, bedürfte es eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nur dann, wenn die bisherigen Feststellungen im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren nicht genügend Grundlagen für die Bewertung enthielten. Davon ist das Verwaltungsgericht gerade nicht ausgegangen (S. 4 u. d. Urt-Abdr). Die Kläger hätten demgegenüber konkrete Ansatzpunkte dafür darlegen müssen, die - im Ergebnis - zu einer anderen Beurteilung bzw. Bewertung der für die Denkmaleigenschaft maßgeblichen Tatbestandsmerkmale der Villa bzw. des Villengartens führen. Ihrem Zulassungsvorbringen ist dazu nichts zu entnehmen.

Soweit die Kläger anführen, dass eine "beantragte" sachverständige Begutachtung fehle, ist festzustellen, dass in den erstinstanzlichen mündlichen Verhandlungen vom 10. September 2004 und vom 10. August 2005 kein diesbezüglicher Beweisantrag gestellt worden ist; die Kläger haben lediglich in ihrem Schriftsatz vom 26. Oktober 2004 (S. 2) ein Sachverständigengutachten angeregt. Bei dieser Sachlage vermag die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens weder nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch nach (dem im Zulassungsantrag nicht ausdrücklich genannten Grund des) § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO eine Zulassung der Berufung zu begründen. Die Kläger haben keine konkreten Gründe dafür dargelegt, aus welchen Gründen sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachaufklärung in der Form eines Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen.

Dem Verwaltungsgericht ist es bei der Entscheidung über die Denkmaleigenschaft eines Objekts nicht verwehrt, auch die fachkundigen Feststellungen des beklagten Landesamtes zu berücksichtigen (vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 16.03.2005, 2 L 272/02, BauR 2005, 1815 (Ls.); OVG Berlin, Urt. v. 18.11.1994, 2 B 10.92, BRS 56 Nr. 215; OVG Lüneburg, Urt. v. 01.10.1987, 6 A 71/86, NVwZ 1998, 1143; Richter/Lund, a.a.O., S. 506 f., Rn. 65). Allein die Stellung der Behörde als Verfahrensbeteiligte bzw. der im Verwaltungsrechtsstreit hervortretende "Gegensatz" des beklagten Landesamtes zur Position der Klägern vermag nicht zu belegen, dass die denkmalfachlichen Belange von der Behörde in sachwidriger Weise wahrgenommen worden sind. Konkrete Gründe, die in diese Richtung weisen könnten, legen die Kläger auch nicht dar. Ansatzpunkte dafür, dass die - auch - auf Feststellungen des beklagten Landesamtes sowie auf die durchgeführte Ortsbesichtigung gestützte Überzeugung des Verwaltungsgerichts (§ 108 Abs. 1 S. 1 VwGO), die für das klagabweisende Urteil maßgeblich ist, fehlerhaft ist, sind nicht erkennbar.

Der Zulassungsantrag ist nach alledem abzulehnen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts wird damit rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 S. 4 VwGO).

Die Kläger haben gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Hinsichtlich des Beigeladenen beruht die Kostenentscheidung auf § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Der Beschluss ist gem. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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