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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 01.11.2006
Aktenzeichen: 1 MB 30/06
Rechtsgebiete: BauGB, BGB, VwGO, VwVfG


Vorschriften:

BauGB § 28 Abs. 2 S. 6
BGB § 464 Abs. 2
VwGO § 123 Abs. 1
VwVfG § 51
1. Eine besondere Dringlichkeit (Anordnungsgrund) für eine gerichtliche Entscheidung, die Löschung einer Auflassungsvormerkung zu Gunsten des ursprünglichen Grundstückserwerbers im Grundbuch zu untersagen, ist nicht dargelegt, wenn die Gemeinde nach Ausübung des Vorkaufsrechts bereits als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden ist.

2. Nach Bestandskraft des Bescheides über die Ausübung des Vorkaufsrechts und der damit verbundenen schuldrechtlichen Wirkung (§ 464 Abs. 2 BGB) kann die Gemeinde gem. § 28 Abs. 2 S. 6 BauGB eine im Grundbuch eingetragene Auflassungsvormerkung zu Gunsten des ursprünglichen Grundstückserwerbers löschen lassen.

3. Die Löschung der für den ursprünglichen Grundstückserwerber eingetragenen Auflassungsvormerkung ist nicht davon abhängig, ob die Voraussetzungen der Vorkaufsrechtsausübung im Zeitpunkt der Löschung (unverändert) gegeben sind bzw. gegeben wären, wenn die Gemeinde das Vorkaufsrecht zu diesem Zeitpunkt ausüben würde.

4. Im Wege des § 123 VwGO besteht keine Möglichkeit zur Rückgängigmachung einer Vorkaufsrechtsausübung und ihres sachenrechtlichen Vollzuges. Etwaige Wiederaufgreifensansprüche sind im Hauptsacheverfahren zu klären.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 1 MB 30/06

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Vorkaufsrecht

hier: Beschwerde

hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 01. November 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsstellerin gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 8. Kammer - vom 12. September 2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert beträgt 7.500,-- Euro.

Gründe:

I. Die Antragstellerin (Ast.) schloss als Käuferin am 08.06.2001 einen Grundstückskaufvertrag mit Herrn ... als Verkäufer. Gem. § 5 des Vertrages wurde zu Gunsten der Ast. eine Auflassungsvormerkung in Abt. II Nr. 2 in das Grundbuch eingetragen.

Mit Bescheid vom 02.08.2001 erklärte die Antragsgegnerin die Ausübung des Vorkaufsrechts gem. § 24 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, "da für das Grundstück ... im F-Plan ... eine Nutzung als Wohnbaufläche ausgewiesen" sei. Die nach erfolglosem Widerspruch dagegen erhobene Klage nahm die Ast. am 11.07.2003 zurück.

Zuvor, am 17.06.2003 hatte die Gemeindevertretung der Agg. beschlossen, das Vorkaufsrecht aufzugeben, wenn die Klage zurückgenommen werden und wenn Zug um Zug eine Fläche von 200 qm für einen Zuweg zum gemeindlichen Heizkraftwerk an die Agg. verkauft werden würde. In der Folgezeit kam es zu keiner Einigung; die Gemeindevertretung hob ihren Beschluss am 09.12.2003 wieder auf.

Einen Antrag, der Gemeinde die Eigentumsübertrag auf sich zu untersagen (5 B 34/04), nahm die Ast. am 6.5.2004 zurück. Daraufhin wurde die Auflassung erklärt und am 11.05.2004 der Umschreibungsantrag beim Grundbuchamt gestellt. Am 26.10.2004 wurde die Gemeinde als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen.

Zwischenzeitlich ist auch der Bebauungsplan Nr. 18a der Gemeinde in Kraft getreten.

Die Ast. hat bereits zuvor - am 02.03.2004 Klage auf Feststellung erhoben, dass "...die Beklagte nicht berechtigt ist, das Eigentum ... aufgrund der Ausübung des Vorkaufsrechts ... zu übertragen oder aus der Ausübung dieses Vorkaufsrechts noch Rechte herzuleiten." (8 A 2/05); die Klage ist erstinstanzlich noch anhängig.

Vorliegend begehrt die Ast. im Wege des § 123 VwGO, der Agg. zu untersagen, die Eigentumsübertragungsvormerkung im Grundbuch löschen zu lassen oder einen Löschungsantrag zu stellen, und das Grundbuchamt anzuweisen, keinen Löschungsantrag entgegenzunehmen, so lange keine Entscheidung im Klageverfahren 8 A 2/05 ergangen ist

Das VG hat diesen Antrag mit Beschluss vom 12.09.2006 abgelehnt; mit der Beschwerde verfolgt die Ast. ihr Begehren weiter.

Sie meint, die Agg. habe den Vorkaufsrecht-Ausübungsbescheid zurückgenommen, dies aber jedenfalls zugesichert. Das betroffene Grundstück wolle die Agg. für öffentliche Zwecke nicht mehr nutzen, sondern plane eine gewinnträchtige Veräußerung.

II. Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob eine gerichtliche Entscheidung, die - wie im (erstinstanzlichen) Antrag zu 2. formuliert - eine Anweisung an das Grundbuchamt enthalten soll, im vorliegenden Verfahren überhaupt ergehen kann. Nach den dargelegten Beschwerdegründen (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO) kann die Ast. den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnungen nicht beanspruchen; das Verwaltungsgericht hat ihren Antrag nach § 123 VwGO deshalb zu Recht angelehnt.

Nachdem die Antragsgegnerin - seit dem 26.10.2004 - als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden ist, ist ein Anordnungsgrund entfallen, m. a. W.: Eine besondere Dringlichkeit einer einstweiligen Anordnung ist nicht festzustellen. Es ist nichts dafür dargetan, aus welchem tatsächlichen oder rechtlichen Grund es besonders dringlich sein soll, der Agg. die Löschung der zu Gunsten der Ast. (noch) in Abt. II. Nr. 2 des Grundbuchs eingetragenen Eigentumsübertragungsvormerkung zu untersagen.

Darüber hinaus fehlt auch ein Anordnungsanspruch.

Die Gemeinde hat gem. § 28 Abs. 2 S. 6 BauGB das Recht, die Auflassungsvormerkung zu Gunsten der Ast. löschen zu lassen; die dafür erforderliche Voraussetzung (Unanfechtbarkeit der Vorkaufsrechtsausübung für den Käufer [Ast.]) liegt seit der Rücknahme der Klage 5 A 113/02 am 11.07.2003 vor.

Eine rechtsverbindliche Zusicherung der Gemeinde dahingehend, dass diese das (durch Bescheid vom 02.08.2001 ausgeübte Vorkaufsrecht nicht nutzen (umsetzen, vollziehen) wollte, liegt nicht vor. Dem Verwaltungsgericht ist darin zu folgen, dass die Schreiben der Agg. vom 08.05., 19.06. und vom 04.08.2006 keine solche Zusicherung enthalten; der Senat nimmt insoweit auf den erstinstanzlichen Beschluss Bezug (§ 122 Abs. 2 S. 3 VwGO). Das Gleiche gilt für die Annahme, der Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts vom 02.08.2001 sei von der Agg. aufgehoben worden; dies ist weder aus dem Inhalt der Schreiben und des Verwaltungsvorgangs der Agg. noch aus den Beschlüssen der Gemeindevertretung vom 17.06. und vom 09.12.2003 noch aus dem Sinnzusammenhang des Geschehens- und Verhandlungsablaufs zu entnehmen.

Im vorliegenden Verfahren kommt es - auch - nicht auf die Klärung der Frage an, ob die Voraussetzungen der Vorkaufsrechtsausübung jetzt nicht mehr gegeben sind bzw. nicht gegeben wären, wenn die Gemeinde das Vorkaufsrecht jetzt ausüben würde, weil sie das "vorgekaufte" Land (nach dem Inhalt des Bebauungsplans Nr. 18a) nicht für öffentliche Zwecke benötigt. Nachdem der Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts vom 02.08.2001 bestandskräftig geworden und dessen schuldrechtliche Wirkung (§ 464 Abs. 2 BGB) eingetreten ist und - überdies - auch das sachenrechtliche Geschäft mit der Eintragung der Agg. als Eigentümerin in das Grundbuch am 26.10.2004 komplett ist, ist kein rechtlicher Ansatz dafür ersichtlich, der Gemeinde - nunmehr - noch die Löschung der zu Gunsten der Ast. eingetragenen Auflassungsvormerkung zu untersagen.

Die Ast. kann evtl. gegebene Möglichkeiten zur "Rückgängigmachung" der Vorkaufsrechtsausübung und ihres sachenrechtlichen Vollzuges - wenn sie denn gegeben sind - nicht im Wege des § 123 VwGO verwirklichen; sie ist insoweit auf das Klageverfahren VG 8 A 2/04 zu verweisen, wo sie (ggf. nach Umstellung des Klagantrags) ihr Recht suchen kann. Ob die Ast. einen Wiederaufgreifensanspruch in Bezug auf den bestandskräftigen Vorkaufsrechts-Ausübungsbescheid vom 02.08.2001 hat (§ 118a Abs. 1 Nr. 1 LVwG), bedarf vorliegend auch mangels Darlegung dazu keiner weiteren Vertiefung (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO).

Die Beschwerde ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG (1/4 des Wertes der Hauptsache; entsprechend des im Vertrag vom 08.06.2001 vereinbarten Kaufpreises).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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