Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 25.01.2002
Aktenzeichen: 11 A 126/00
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 6 Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 11 A 126/00

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Festsetzung von Versorgungsbezügen

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 11. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2002 durch den Richter am Verwaltungsgericht...als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Neufestsetzung ihrer Versorgungsbezüge.

Die Klägerin stand als Oberamtsrätin im Dienste der...Zuletzt war sie tätig als Hauptamtsleiterin. Mit Ablauf des 29.02.2000 wurde sie wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. In der Zeit von 1984 bis 30.06.1992 war sie in unterschiedlichem Umfang teilzeitbeschäftigt.

Mit Bescheid vom 24.01.2000 setzte die Beklagte die ruhegehaltfähige Gesamtdienstzeit der Klägerin auf 33 Jahre und 25,25 Tage fest und errechnete einen Ruhegehaltssatz von 70,41 %.

Die Klägerin erhob dagegen Widerspruch und machte geltend, dass sie während ihrer Teilzeitbeschäftigung bei der in erheblichem Umfang Mehrarbeit geleistet habe, teilweise bis zu 30 Stunden monatlich. Aufgrund Personalmangels sei diese Maßnahme vom Bürgermeister (mündlich) angeordnet worden. Diese Zeit sei bei der Festsetzung ihrer ruhegehaltfähigen Dienstzeit nicht berücksichtigt worden. Soweit der Beklagten die Mehrarbeitstunden nicht mitgeteilt worden seien, sei ihr - der Klägerin - dies nicht vorwerfbar. Dies sei Aufgabe ihres Dienstherren gewesen. Die Mehrarbeit müsse bei der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit berücksichtigt und dementsprechend auch der Ruhegehaltsatz erhöht werden.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 11.04.2000 zurück.

Sie trug vor, dass es keine rechtliche Handhabe gebe, die ruhegehaltfähige Dienstzeit der Klägerin aufgrund geleisteter Mehrarbeit zu erhöhen. Die insoweit einschlägige Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG sei zwingend. Danach seien Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung nur zu dem Teil ruhegehaltfähig, der dem Verhältnis der ermäßigten Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit entspreche. Dies sei im Festsetzungsbescheid vom 24.01.2000 berücksichtigt worden. Ab dem 24.01.1985 sei die Vorschrift des § 88 a LBG Grundlage für die Gewährung von Teilzeitbeschäftigung. Eine Änderung des Umfangs der Teilzeitbeschäftigung hätte danach nur mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde der Klägerin, dem Magistrat, vorgenommen werden können und dürfen. Eine solche Zustimmung liege nicht vor. Die Mehrarbeit sei lediglich von dem (insoweit unzuständigen) Bürgermeister angeordnet bzw. von diesem mit der Klägerin vereinbart worden. Aufgrund der fehlenden Zustimmung der obersten Dienstbehörde und mit Rücksicht auf die Formstrenge des Beamtenrechts und bei lebensnaher Betrachtungsweise erscheine es ausgeschlossen, dass die ermäßigte Arbeitszeit der Klägerin tatsächlich auf der Grundlage des § 88 a Abs. 3 LBG um die jeweils geleisteten Mehrstunden hinaufgesetzt worden sei. Die Angaben der Klägerin und die Mitteilungen der...sprächen vielmehr dafür, dass die Klägerin in der in Rede stehenden Zeit Mehrarbeit nach § 88 Abs. 2 LBG idF vom 10.05.1979 bzw. den danach geltenden Fassungen geleistet habe. Nach dieser Vorschrift sei sie verpflichtet gewesen, ohne Entschädigung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt sei. Aufgrund der Verpflichtung des Beamten, ohne Entschädigung Mehrarbeit zu leisten, könne erst beim Überschreiten einer Grenze von 5 Mehrarbeitsstunden im Monat ein Anspruch auf eine entsprechende Dienstbefreiung innerhalb von 3 Monaten begründet werden. Geleistete Mehrarbeit werde somit grundsätzlich durch Zeitausgleich entschädigt. Eine Erhöhung sei nicht vorgesehen. Für die anstelle der Dienstsbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen ggfs. zu gewährende Entschädigung könne nichts anderes gelten.

Die Klägerin hat am 10.05.2000 Klage erhoben.

Unter Hinweis auf ihre Ausführungen in ihrem Widerspruch führt sie ergänzend aus, dass sich die Erhöhung ihrer geleisteten Arbeitszeit nach der Vorschrift des § 88 a Abs. 3 und nicht nach § 88 Abs. 2 LBG richte. Der aufgrund der fehlenden Zustimmung des Magistrats aufgetretene Formfehler sei durch die jahrelange Duldung geheilt worden. Die von ihr geleistete Mehrarbeit sei keinesfalls auf Einzel- oder Ausnahmefälle beschränkt gewesen. Mit Ausnahme der Sommermonate seien in den Jahren 1974 bis 1992 in den einzelnen Monaten unterschiedliche, teilweise aber nicht unerhebliche Mehrarbeitsstunden angefallen Wegen der weiteren Einzelheiten der aufgelaufenen Mehrarbeitsstunden verweise sie auf die eingereichte Übersicht (Blatt 32 der Gerichtsakte). Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass die von ihr geleisteten Mehrarbeitsstunden von der...besoldet worden seien. Demnach handele es sich nicht um solche Stunden, die von ihr durch Freizeit ausgeglichen worden seien.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 24.01.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2000 aufzuheben und sie zu verpflichten, die Festsetzung der Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung ihrer geleisteten Mehrarbeitszeiten neu vorzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Wiederholung ihrer Ausführungen im Widerspruchsbescheid trägt sie vor, dass es sehr ungewöhnlich sei, dass im Falle der Klägerin die Mehrstunden mit einer Entschädigung abgegolten worden seien. Offenbar sei bei der...nicht an einen Freizeitausgleich gedacht worden. Dies könne jedoch auf sich beruhen. Entscheidend sei, dass eine Änderung der Arbeitszeit, das heiße, der Teilzeitbeschäftigung der Klägerin, nicht vorgenommen worden sei. Die dafür erforderliche Zustimmung, bei der es sich um einen gestaltenden Verwaltungsakt handele, hätte nur von der dafür zuständigen obersten Dienstbehörde (Magistrat) erteilt werden können. Dies sei aber nicht geschehen. Aus dem Verhalten des Bürgermeisters könne dies jedenfalls nicht gefolgert werden.

Die Kammer hat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter durch Beschluss vom 20.12.2001 zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte verpflichtet wird, die von ihr - der Klägerin - geleisteten Mehrarbeitsstunden während ihrer aktiven Dienstzeit bei der ruhegehaltfähigen Dienstzeit und bei dem Ruhegehalt der Klägerin zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG. Danach sind Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung nur zu dem Teil ruhegehaltfähig, der dem Verhältnis der ermäßigten zur regelmäßigen Arbeitszeit entspricht. In dem angefochtenen Festsetzungsbescheid vom 24.01.2000 sind in dem hier in Rede stehenden Zeitraum von 1974 bis 1992, während dem die Klägerin im unterschiedlichen Umfang teilzeitbeschäftigt gewesen ist, entsprechend dieser Vorschrift vom Beklagten die ruhegehaltfähige Dienstzeit festgesetzt worden. Insoweit hat die Klägerin auch keine Einwendungen erhoben. Eine darüber hinausgehende weitere Berücksichtigung von Zeiten, insbesondere von solchen, die die Klägerin über die ihr bewilligte Teilzeitbeschäftigung hinaus geleistet hat, ist nicht möglich. Es fehlt dafür an einer Rechtsgrundlage. Dies hat die Beklagte im einzelnen in ihrem Widerspruchsbescheid vom 11.04.2000 ausgeführt. Das Gericht teilt diese Auffassung und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten Bezug (§ 117 Abs. 5 VwGO).

Ergänzend sei auf folgendes hingewiesen:

Die Anordnung des Bürgermeisters bzw. die zwischen ihm und der Klägerin getroffene Abrede, dass die Klägerin Mehrstunden, soweit erforderlich, leisten solle, war rechtswidrig. Im Hinblick auf einen reibungslosen Ablauf der Verwaltungstätigkeit mag es in (kleineren) Gemeinden geboten erscheinen, dass die Inhaber von Spitzenämtern - in Abstimmung mit ihrem Dienstvorgesetzten - in bestimmten (wiederkehrenden) Situationen Mehrarbeit leisten. Diese unter praktischen Gesichtspunkten sinnvoll erscheinende Maßnahme begegnet jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit muss sich auf konkrete zeitlich abgrenzbare Mehrarbeitstatbestände beziehen und zudem von dem Willen bzw. dem Bewusstsein des Dienstherren getragen sein, dass er von dem angewiesenen Beamten ein Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit verlangt oder solches zumindest billigend in Kauf nimmt. Mehrarbeit darf nur dann angeordnet und genehmigt werden, wenn die Umstände, welche die Mehrarbeit im Einzelfall zwingend erfordern, vorübergehender Natur sind und eine Ausnahme gegenüber den sonst üblichen Verhältnissen darstellt (vgl. OVG Münster, Urteil vom 05.08.1998 - 12 A 3011/95 - JURIS; Plog/Wiedow/Beck/Lehmhöfer, (Kommentar zum BBG, § 72, Rdnr. 20). Von einer derart konkreten Anordnung kann vorliegend nicht die Rede sein. Wie sich aus der Darstellung der Klägerin ergibt, wurde sie gebeten, bei Bedarf Mehrstunden zu leisten. Da der Bedarf variierte, wurde keine konstante Wochenstundenzahl festgesetzt, sondern die Klägerin leistete Mehrarbeit, je nachdem, zu welchen Aufgaben bzw. Veranstaltungen sie hinzugezogen wurde bzw. bei welchen sie anwesend sein musste. Diese "flexible" Arbeitszeiteinteilung der Klägerin widerspricht aber gerade der Mehrarbeitsvergütungsverordnung und der Anordnung von Mehrarbeit an sich. Nicht zuletzt dienen diese Regelungen auch dem Schutz des Beamten. Der Beamte wird für seine Pflichterfüllung gegenüber dem Dienstherren alimentiert. Damit hat es grundsätzlich sein Bewenden. Wenn Mehrarbeit zu leisten ist, hat sie sich auf Ausnahmefälle zu beschränken und ist grundsätzlich durch Freizeit auszugleichen. Nur in ganz besonders gelagerten Fällen kommt eine Entschädigung in Betracht.

In diesem Zusammenhang ist für die hier zu entscheidende Rechtsfrage unerheblich, dass die Mehrarbeitsstunden der Klägerin vergütet worden sind. Denn die Klägerin kann aus einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis keine weiteren Rechte, insbesondere keinen Anspruch darauf ableiten, dass eine solche Verwaltungspraxis bei der Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeiten und ihres Ruhegehaltes (nochmals) honoriert wird.

Die Klägerin hätte - worauf die Beklagte bereits zutreffend hingewiesen hat - einer Berücksichtigung der von ihr geleisteten Mehrarbeit nur dann verlangen können, wenn ihre regelmäßige - reduzierte - Wochenarbeitszeit mit Zustimmung ihrer obersten Dienstbehörde erhöht worden wäre. Dies ist jedoch nicht geschehen. Der Bürgermeister war für eine solche Maßnahme nicht zuständig; der ...hat seine Zustimmung zu einer solchen Änderung, bei der es sich um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt handelt, nicht erteilt. Aufgrund der Formenstrenge des Beamtenrechtes verbietet sich auch die Annahme, ein solcher Mangel sie durch die (stillschweigende) Duldung der obersten Dienstbehörde geheilt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; sie ist gemäß §§ 1^67 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 17 Abs. 3 auf

1.254,45 €

festgesetzt (vgl. die Berechnung der Beklagten vom 18.01.2002).



Ende der Entscheidung

Zurück