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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 11.03.2002
Aktenzeichen: 11 A 208/00
Rechtsgebiete: PolLVO


Vorschriften:

PolLVO § 16 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 11 A 208/00

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Anrechnung von Vordienstzeiten auf die Probezeit

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 11. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 2002 durch den Richter am Verwaltungsgericht...als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anrechnung von Dienstzeiten bei der Bundeswehr auf die Probezeit als Beamter.

Der im Jahre ... geborene Kläger war Zeitsoldat (SaZ 12), zuletzt im Range eines Oberfeldwebels bei der Bundeswehr. Er gehörte dem Führungsunterstützungsregiment in an.

Zum 01.08.1996 stellte der Beklagte den Kläger auf dessen Bewerbung in die Laufbahn des gehobenen Dienstes der Schutzpolizei Schleswig-Holstein als Polizeikommissar z. A. ein.

Seinen Antrag, Dienstzeiten bei der Bundeswehr auf die 2 1/2-jährige Probezeit als Polizeibeamter anzurechnen, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 11.10.1999, den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 29.06.2000 ab.

Zur Begründung machte der Beklagte im wesentlichen geltend, dass die Probezeit für den - hier maßgeblichen - Laufbahnabschnitt II nach § 16 Abs. 1 Satz 1 der Polizeilaufbahnverordnung (PolLVO) grundsätzlich auf 2 Jahre und 6 Monate festgelegt sei. Eine Abkürzung der Probezeit könne nur dann in Betracht kommen, wenn die anzurechnende Dienstzeit zusammen mit der dann kürzeren Bewährungszeit die notwendige Grundlage für die zu treffende Feststellung der Bewährung in ausreichendem Maße biete. Voraussetzung für eine Anrechnung früherer Dienstzeiten sei, dass diese nach Art und Bedeutung bzw. Schwierigkeit mindestens der Tätigkeit in einem Amt der betreffenden Laufbahn entspreche Entscheidend sei, dass die Dienstzeiten förderlich im Sinne des § 16 Abs. 2 PolLVO seien.

Die Dienstpostenbewertung der Funktionsstelle Polizeirevier-Revierdienst-gehobener Dienst des Dienstzweiges Schutzpolizei weise jedoch Aufgaben aus, denen die Ausbildung und die Verwendungen der Laufbahngruppe der Unteroffiziere der Bundeswehr nicht gleichwertig seien. Die Vortätigkeit des Klägers entspreche darüber hinaus auch nicht in besonders hohem Maße der jetzigen Tätigkeit.

Der Kläger hat unter dem 03.08.2000 Klage erhoben.

Unter Benennung einzelner Tätigkeiten trägt er vor, dass diese mit seinen jetzigen Funktionen vergleichbar und daher auch förderlich gewesen seien. Er habe als Zeitsoldat darüber hinaus wichtige Lebenserfahrungen gesammelt, die ihm bei seiner jetzigen Tätigkeit im unmittelbaren Umgang mit den Bürgern hülfen. Er sei lebensälter als viele andere Kollegen und könnte deshalb auch mit Alltagssituationen besser umgehen.

Darüber hinaus stelle es einen Verstoß gegen Art. 3 GG dar, dass er als Zeitsoldat schlechter bezüglich der Anrechnungszeiten gestellt werde als Wehrpflichtige, die - nicht zuletzt aufgrund der Kürze des Wehrdienstes - die bei der Bundeswehr erworbenen Kenntnisse noch viel weniger für ihre Tätigkeit bei der Polizei einsetzen könnten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 21.10.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide trägt er vor, dass bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der hier maßgeblichen Vorschrift des § 16 Abs. 2 PolLVO nicht vorlägen. Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit bei der Bundeswehr sei nicht förderlich für den eigentlichen Polizeivollzugsdienst. Der Begriff der förderlichen Dienstzeit verenge sich auf das jeweils wahrgenommene und wahrzunehmende Sachgebiet. Auch wenn der Kläger bei der Bundeswehr etwa Wachdienst mit polizeilichen Befugnissen geleistet habe und zum Schießlehrer ausgebildet worden sei, könnten diese Tätigkeiten mit den jetzigen Anforderungen im Polizeidienst nicht gleichgestellt werden. Insgesamt gingen die Aufgaben im gehobenen Polizeivollzugsdienst zum Teil erheblich über die militärischen Anforderungen hinaus. Darüber hinaus habe der Kläger während seiner Zeit als Zeitsoldat dem mittleren Dienst angehört, nunmehr sei er jedoch in die Laufbahn des gehobenen Dienstes eingestellt worden. Insoweit entspreche die Vortätigkeit dem Schwierigkeitsgrad nach nicht - wie erforderlich - in besonders hohem Maße der jetzigen Tätigkeit. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger ein Fachhochschulstudium absolviere. Einer derartige Wissensvermittlung finde im Rahmen der Unteroffiziersausbildung bei der Bundeswehr nicht statt. Auch insoweit scheide eine Vergleichbarkeit aus. Auch wenn die Tätigkeit des Klägers bei der Bundeswehr durchaus nützlich gewesen sein möge, ändere dies nichts daran, dass es an einer Förderlichkeit im Sinne des § 16 Abs. 2 PolLVO, fehle.

Schließlich liege keine Ungleichbehandlung vor. Zwar werde bei Wehrpflichtigen der Anstellungszeitpunkt vorverlegt, wenn die Voraussetzungen des Arbeitsplatzschutzgesetzes vorlägen. Dabei handele es sich jedoch nicht um eine Verkürzung der Probezeit. Dies sei ausdrücklich im Arbeitsplatzschutzgesetz bestimmt. Dessen Vorschriften dienten dazu, bei gleichaltrigen Beamten eine Benachteiligung solcher, die Wehrdienst geleistet hätten, zu vermeiden. Unter den personellen Schutzbereich fielen nur Wehrpflichtige und Soldaten auf Zeit mit einer Dienstzeit von höchstens 2 Jahren. Sinn dieser Einschränkung sei es, Nachteile, die in zeitmäßiger Hinsicht aufgrund des Wehrdienstes bestünden, auszugleichen. Soldaten mit einer Dienstzeit von 12 Jahren wie der Kläger würden durch die Regelungen nicht erfasst. Bei einer derart langen Dienstzeit sei davon auszugehen, dass es sich bereits um eine Form der Berufswahl handele, zu der der Betreffende durch Gesetz nicht verpflichtet sei. Ein Nachteilsausgleich müsse deshalb nicht erfolgen.

Der Kläger ist zum 01.02.2002 zum Polizeikommissar (Beamter auf Lebenszeit) ernennt worden.

Die Kammer hat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter durch Beschluss vom 01.02.2002 zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist mit ihrem auf Neubescheidung gerichteten Antrag zulässig. Insbesondere haben der Ablauf der Probezeit und die Berufung des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht zur Folge, dass wegen der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache für seine Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache liegt nur dann vor, wenn objektiv ein das Begehren des Klägers erledigendes Ereignis eingetreten ist und dem Kläger mit der Weiterverfolgung des ursprünglichen Begehrens nicht mehr gedient ist.

Das Begehren des Klägers ist darauf gerichtet, seine Dienstzeit als Soldat auf seine Probezeit als Beamter bei der Beklagten angerechnet zu bekommen, um Nachteile bei seiner weiteren (künftigen) Laufbahn, insbesondere bei etwaigen Beförderungen, zu vermeiden. Dieses Begehren hat sich nach Ablauf der Probezeit und nach Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mit Blick auf etwaige künftige Beförderungen nicht erledigt, denn die Dauer der Probezeit bzw. die Anstellung wirken sich auf das allgemeine Dienstalter aus, was wiederum bei Beförderungen möglicherweise berücksichtigungsfähig ist, soweit es Rückschlüsse auf die Eignung für das erstrebte Amt zulässt oder wenn zwischen mehreren gleich geeigneten Bewerbern zu wählen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1983 - 2 C 17.82 - ; OVG Münster, Urteil vom 27.11.1985 - 1 A 762/84 - DÖD 1986, 275; Bay. VGH, Beschluss vom 13.07.1987 - 3 B 86.02430 - in: Schütz, Entscheidungssammlung zum Beamtenrecht, A II 3.1 Nr. 4 -).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass sein Antrag (unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts) erneut beschieden wird.

Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist die Vorschrift des § 16 Abs. 2 PolLVO. Danach können Dienstzeiten im öffentlichen Dienst auf die Probezeit angerechnet werden, wenn die ausgeübte Tätigkeit für die Verwendung im Laufbahnabschnitt II der jeweiligen Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes förderlich war.

Das Gericht folgt den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden des Beklagten, insbesondere im Widerspruchsbescheid vom 29.06.2000 und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die dortigen Gründe.

Ergänzend sei auf folgendes hingewiesen:

Mit dem Beklagten ist das Gericht der Auffassung, dass bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der hier einschlägigen Vorschrift des § 16 Abs. 2 PolLVO nicht vorliegen. Die Beurteilung der Förderlichkeit im Sinne dieser Vorschrift erfordert eine wertende Betrachtung der beide in Rede stehenden Tätigkeitsbereiche des übertragenen Amtes im gehobenen Vollzugsdienst und der als probezeitverkürzend geltend gemachten Vortätigkeit des Klägers nach ihrer Art und Bedeutung. Diese Beurteilung muss Aufschluss darüber vermitteln, ob vor dem Hintergrund des die Probezeit beherrschenden Bewährungsgedankens eine vorzeitige günstige Bewährungsprognose aufgrund einer bewährungsrelevanten Vortätigkeit gestellt werden kann (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 07.06.1995 - 2 A 10525/95 - JURIS). Soweit es um die Bewertung der bewährungsrelevanten Vortätigkeit geht, setzt diese die qualifizierte Ausübung vormaliger Funktionen voraus, die zwar nicht vollständig mit denen der jetzigen Laufbahn identisch oder vergleichbar gewesen oder ihnen ganz überwiegend entsprochen haben und von ihr geprägt worden sein müssen. Denn insoweit stellt § 16 Abs. 2 PolLVO mit der anzunehmenden (bloßen) Förderlichkeit etwas geringere Anforderungen als etwa § 7 Abs. 4 der Bundeslaufbahnverordnung (BLV) der mindestens eine Entsprechung der anzurechnenden Dienstzeit im öffentlichen Dienst und der Tätigkeit in einem Amt der betreffenden Laufbahn fordert. Zumindest in wesentlichen Teilbereichen müssen die geltend gemachten Tätigkeiten jedoch ihrer Art und Bedeutung nach, wenn auch nicht überwiegend, denen der jetzigen Laufbahn entsprochen haben (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 22.06.2000 - 3 L 117/99 -).

Es mag danach durchaus sein, dass es Tätigkeitsbereiche bei der Bundeswehr gibt, welche auch vom Kläger wahrgenommen worden sind und die sich im Rahmen der abzuleistenden Probezeit als Beamter für den Kläger als nützlich erwiesen haben. Eine - darüber hinausgehende - Förderlichkeit liegt aber nicht vor. Der Beklagte hat sowohl im Widerspruchsbescheid vom 29.06.2000 als auch in seiner Erwiderungsschrift vom 29.11.2000 im einzelnen zu den vom Kläger angeführten Tätigkeiten Stellung bezogen und zutreffend und für das Gericht auch überzeugend dargelegt, dass die dort benannten Tätigkeiten nicht mit den Anforderungen des vom Kläger innegehabten jetzigen Dienstpostens gleichgestellt werden können. Das gilt sowohl für den Wachdienst bei der Bundeswehr und den Streifendienst eines Polizeivollzugsbeamten als auch für die Schusswaffenkenntnisse des Klägers. Auch die Tätigkeit im Rahmen der Unfallaufnahme bei der Bundeswehr bleiben weit hinter den Anforderungen des (gehobenen) Polizeivollzugsdienstes zurück. Nicht zuletzt die Tatsache, dass der Kläger bei der Bundeswehr (lediglich) der Laufbahngruppe der Unteroffiziere und damit dem mittleren Dienst angehört hat, er nunmehr aber eine Probezeit ableistet bzw. abgeleistet hat für den gehobenen Dienst, welche auch mit einem dreijährigen Fachhochschulstudium verbunden ist, zeigt die unterschiedlichen Anforderungen der früheren und jetzigen Tätigkeitsbereiche.

Die Vordienstzeiten des Klägers entsprechen insgesamt nicht den laufbahntypischen Tätigkeiten eines Polizeivollzugsbeamten im gehobenen Dienst. Insoweit können sie auch nicht auf die Probezeit angerechnet werden.

Auf diese vom Kläger als unbefriedigend empfundene Situation und auf seine Frage, welche Art Dienstzeiten dann überhaupt für eine Anrechnung in Frage kommen können, ist auf das in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten zitierte Beispiel eines Offiziers der Feldjägertruppe zu verweisen. Die Feldjägereinheiten sind als Militärpolizei mit so weitreichenden polizeilichen Befugnissen ausgestattet, dass eine dort ausgeübte Tätigkeit durchaus mit einer späteren Polizeivollzugsdiensttätigkeit vergleichbar ist und insoweit als förderlich anerkannt werden kann. Es kann in diesem Zusammenhang auch nicht beanstandet werden, dass der Beklagte nur in ganz bestimmten Fällen von einer Förderlichkeit einer Vortätigkeit ausgeht. Dass bestimmte Tätigkeiten durchaus anrechenbar sind, zeigt das genannte Beispiel.

Schließlich verbietet sich ein Vergleich der Soldatendienstzeit des Klägers mit Wehrpflichtigen oder Soldaten auf Zeit bis zu 2 Jahren. Von einer Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 GG kann nicht ausgegangen werden. Der Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei der nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz (§ 9 Abs. 8 Abs. 4 iVm § 12 Abs. 1 Arbeitsplatzschutzgesetz) um die Vorverlegung des Anstellungszeitpunktes handelt, jedoch nicht um eine Verkürzung der Probezeit. Das Ableisten der vorgeschriebenen Probezeit wird vom Arbeitsplatzschutzgesetz nicht berührt. Die Vorschriften dienen dazu, bei gleichaltrigen Beamten eine Benachteiligung solcher zu vermeiden, die Wehrdienst abgeleistet haben. Insoweit fallen in den personellen Schutzbereich nur Wehrpflichtige bzw. die Soldaten, die eine Dienstzeit von max. 2 Jahren aufweisen. Die Situation der Wehrpflichtigen und der Soldaten auf Zeit mit bis zu 2 Jahren unterscheidet sich grundlegend von der Soldatendienstzeit des Klägers, welche 12 Jahre gedauert hat. Da sich die Ausgangslage bereits unterscheidet, kommt eine Verletzung des Artikels 3 GG nicht in Betracht. Denn ein Verstoß kann nur gerügt werden, wenn gleiches willkürlich ungleich behandelt wird. Dieses ist aber gerade nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; sie ist gemäß §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.



Ende der Entscheidung

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