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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 18.07.2002
Aktenzeichen: 12 A 337/99
Rechtsgebiete: GefStoffVO


Vorschriften:

GefStoffVO § 15
GefStoffVO § 15 a
GefStoffVO § 43
1. Das Anbohren von Asbestzement-Platten und das Eintreiben von Befestigungen für das An- oder Aufbringen einer zusätzlichen Dachdeckung, Abdichtung oder Bekleidung fällt unter das Expositions- und das Verwendungsverbot, da es sich nicht um Abbruch-, Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten handelt.

2. Die Verwendungs- und Expositionsverbote für Asbest stehen selbständig nebeneinander. Es müssen zwei Ausnahmegenehmigungen beantragt werden.

3. Wodurch sich der Stand der Technik bestimmen lässt, lässt sich nicht einheitlich für alle Rechtsgebiete beantworten.


HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 12 A 337/99

In der Verwaltungsrechtssache

Anbohren von Asbestzement-Wellplatten

Streitgegenstand: Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 43 Abs. 7 GefStoffVO

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 12. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2002 durch den Richter am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht ... beklagte ... vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 43 Abs. 7 der Verordnung über gefährliche Stoffe (Gefahrstoffverordnung - GefStoffVO) von dem Verwendungsverbot des § 15 GefStoffVO und dem Expositionsverbot des § 15 a Abs. 1 GefStoffVO.

Mit Schreiben vom 28.01.1999 beantragte die Klägerin eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 43 Abs. 7 GefStoffVO von dem Expositionsverbot des § 15 a Abs. 1 GefStoffVO. Zur Begründung trug sie u.a. vor, sie plane die Umformung des zurzeit mit Asbestzement-Wellplatten eingedeckten, durchlüfteten Daches der Produktionshalle in ein nicht durchlüftetes Dach durch Anbringung einer Wärmedämmung unter Einsatz einer metallenen Dachaußenschale sowie einem wasserführenden Unterdach und die Umformung des aus Asbestzement-Wellplatten bestehenden Daches der Lagerhalle unter Einsatz einer zweiten Dachschale aus Metall sowie einem wasserführenden Unterdach. Das mit intakten Asbestzement-Wellplatten eingedeckte Dach der Produktionshalle solle so verändert werden, dass aus einem durchlüfteten Dach ein wärmegedämmtes, nicht durchlüftetes Dach unter Verwendung und ohne Abriss der vorhandenen Dachhaut entstehe. Dazu werde zum einen eine Wärmedämmung auf das vorhandene Dach aufgetragen und zum anderen eine metallene Dachaußenschale angebracht. Durch die Anbohrmaßnahmen würde nur ein sehr geringer Teil Asbestfasern freigesetzt. Das Dach der Lagerhalle solle mit einer metallenen Dachaußenschale sowie Unterdach versehen werden, weil damit erreicht werde, dass das Dach nicht nur als "regensicher" einzustufen sei, sondern als "wasserdicht". Die Bedachung der Hallen sei intakt. Gleichwohl könne nicht ausgeschlossen werden, dass - bedingt durch Witterungseinflüsse - die Asbestzement-Wellplatten an ihrer außenseitigen Oberfläche aufquellen und in einem gewissen Maße brüchig werden, so dass Asbestfasern "abgewindet" werden könnten. Sie sei nicht verpflichtet, den zurzeit bestehenden Zustand zu ändern. Mit den beabsichtigten Maßnahmen werde jedoch die "natürliche" Freisetzung von Asbestfasern in idealer Weise verhindert. Die Maßnahmen könnten bei laufendem Betrieb durchgeführt werden. Als Alternative käme nur eine völlige Abtragung der vorhandenen Dächer in Betracht. Dies würde zu erheblichen zusätzlichen Kosten führen.

Mit Bescheid vom ...1999 lehnte ... beklagte ... den Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Expositionsverbot (§ 15 a GefStoffVO) ab und führte zur Begründung u.a. aus, das in § 15 GefStoffVO verankerte Herstellungs- und Verwendungsverbot für Asbest habe das Ziel, Asbest und asbesthaltige Erzeugnisse dem Wirtschaftskreislauf schnellstmöglich und umfassend zu entziehen. Auf diese Weise werde eine maximale Gesundheitsvorsorge für Beschäftigte und Dritte bewirkt. Dieser Schutz sei nur durch ein weitgehendes Expositionsverbot möglich, wie es der § 15 a GefStoffVO vorsehe. Das Expositionsverbot gelte für alle Tätigkeiten, die nicht zwingend erforderlich seien. Von dem Expositionsverbot seien konsequenterweise solche Arbeiten ausgenommen, die dem Ziel dienten, die potenzielle Gefährdung durch Asbest und asbesthaltige Erzeugnisse für Beschäftigte und Dritte dauerhaft zu beseitigen. Die beabsichtigten Arbeiten würden den oben genannten Geboten nicht entsprechen. Darüber hinaus würden sie auch dem Stand der Technik im Sinne von § 3 Abs. 9 GefStoffVO nicht entsprechen.

Die Klägerin legte am ...1999 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie u.a. vortrug, es bestehe kein Sanierungsgebot für intakte Dächer, die mit Asbestzement-Wellplatten belegt seien. Es sei auch nicht das Ziel des Gesetzgebers gewesen, mit dem in § 15 GefStoffVO verankerten Herstellungs- und Verwendungsgebot den Wirtschaftskreislauf Asbest- bzw. asbesthaltige Erzeugnisse zu entziehen. Ein Stand der Technik sei in diesem Bereich nicht definiert und könne auch nicht definiert werden. Nach den Empfehlungen des Unterausschusses 2 des "Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik" (LASI-UA 2) könne in begründeten Einzelfällen eine Ausnahmegenehmigung nach Maßgabe von § 43 Abs. 7 GefStoffVO erteilt werden. Der Unterausschuss sei zu dem Ergebnis gekommen, dass in der Regel eine Ausnahmegenehmigung bei Arbeiten an Asbestzementdächern nicht erteilt werden solle. Dies gelte vor allem auch für das Aufbringen einer zweiten Dachhaut. Wenn aber der Grund für das Aufbringen einer zweiten Dachhaut eine erforderliche Wärmedämmung sei und diese nach dem Stand der Technik nicht anders erreicht werden könne, so sei die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung möglich. Wenn sie statt der geplanten Maßnahmen die Bedachung abdecken müsse, müsse sie während der Dauer dieser Maßnahme die Produktion stilllegen. Das beklagte ... habe sich mit den vorgetragenen Gründen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung praktisch nicht auseinandergesetzt. Das Ziel der Energieeinsparung werde durch Anbringung einer Wärmedämmung auf dem Dach der Produktionshalle in idealer Weise erreicht werden. Durch die beabsichtigten Maßnahmen würden Asbestfasern nur in einer sehr geringfügigen Konzentration freigesetzt. Da nach dem Anbringen der zweiten Dachhaut eine weitere Abwitterung des Daches verhindert werde, trage sie dazu bei, dass die weitaus größte Emissionsquelle von Asbestfasern reduziert werde. Das Belassen der Asbestzement-Wellplatten in den bestehenden Gebäuden führe nicht zu einem Aufschub von Entsorgungsmaßnahmen.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom ...1999 zurückgewiesen. In der Begründung führte ... beklagte ... u.a. aus, die geplante Aufdoppelung stelle eine unzulässige Verwendung des Gefahrstoffes Asbest dar im Sinne des § 15 GefStoffVO. Beim Anbohren würden Asbestfasern in höherem Maße freigesetzt als dies durch den normalen Prozess der Verwitterung geschehe. Die geplante Aufdoppelung stelle keine Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten im Sinne des § 15 a Abs. 1 Satz 2 GefStoffVO dar, die eine Ausnahme vom Expositionsverbot bedeuten würden. Die Ausnahmeregelung sei sehr restriktiv zu handhaben. Eine Ausnahmegenehmigung könne nur erteilt werden, wenn trotz Nichteinhaltung des Standes der Technik nach § 3 Abs. 9 GefStoffVO die Sicherheit der Arbeitnehmer in sehr hohem Maße bei den geplanten Arbeiten gewährleistet sei und eine Versagung eine unzumutbare Härte darstellen würde. Die Genehmigungserteilung sei davon abhängig zu machen, ob die geplanten Arbeiten ihrer Art nach für den Antragsteller zwingend erforderlich seien. Dies könne dann der Fall sein, wenn die geplanten baulichen Maßnahmen als einzig vertretbare Lösung hinsichtlich einer Wärmedämmung in Betracht komme. Eine Versagung der Ausnahmegenehmigung wäre nur dann unzumutbar, wenn das Unternehmen durch die Versagung in der wirtschaftlichen Existenz gefährdet wäre und die durch die Gefahrstoffverordnung geschützten Rechtsgüter ungerechtfertigt höher eingestuft worden wären als die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Die Schutzgüter Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer würden gegenüber den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens überwiegen, das in seiner wirtschaftlichen Existenz nicht gefährdet wäre. Hinsichtlich der ökologischen Aspekte sei die Zielrichtung des Gesetzes - nämlich die schnellstmögliche und umfassende Entziehung der Gefahrstoffe aus dem Wirtschaftskreislauf - Vorzug gegenüber der Energieeinsparung zu gewähren. Bei der Einschalung der asbesthaltigen Welldachplatten durch ein Metalldach ließe sich zwar Energie einsparen, allerdings würde dadurch der Austausch eines besonders gefährlichen und krebserregenden Gefahrstoffes nur zeitlich verschoben, nicht aber in hinreichend absehbarer Zeit dem Wirtschaftskreislauf entzogen.

Die Klägerin hat am ...1999 Klage erhoben, zu deren Begründung sie u.a. vorträgt, ... beklagte ... habe einen Ermessensfehlgebrauch begangen. Es habe sich gar nicht oder nur unzulänglich mit den dargelegten Gründen, die eine Ausnahmegenehmigung rechtfertigten, auseinander gesetzt. Insbesondere sei der von ihr vorgetragene ökonomische Aspekt bei der Ermessensausübung nicht berücksichtigt worden. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr Vorbringen zu der Position des LASI-Unterausschusses. Obwohl der LASI-Beschluss nicht zustande gekommen sei, sehe sie in der Stellungnahme des Unterausschusses eine gewisse Selbstbindung in der hier zu entscheidenden Frage. Sie wiederholt und vertieft auch im Übrigen das bisherige Vorbringen und weist insbesondere darauf hin, dass sie ein Konzept entwickelt habe, das in idealer Weise die Umweltverschmutzung - durch Abbau der Asbestbelastung der Luft wegen Verhinderung des Abwindens von Asbestzement-Dächern - verringere und zugleich eine Energieeinsparung - durch die Verbindung mit einer die neuesten Bestimmungen übersteigenden Wärmedämmung - deutlich erhöhe. Als Alternative zu der von ihre beabsichtigten Maßnahme käme nur eine völlige Entfernung der vorhandenen Dächer in Betracht. Dies sei wirtschaftlich unvertretbar. Dieser Gesichtspunkt sei auch bei der Bestimmung dessen, was Stand der Technik sei, zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus dem Anhang zu § 3 Abs. 6 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG). Dort heiße es, dass bei der Bestimmung des Standes der Technik die Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen möglicher Maßnahmen zu berücksichtigen sei. Mit ihrem Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Expositionsverbot des § 15 a GefStoffVO habe sie zugleich einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Verwendungsverbot des § 15 GefStoffVO gestellt, da eine Ausnahme vom Expositionsverbot ohne eine Ausnahme vom Verwendungsverbot keinen Sinn mache.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom ...1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ....1999 zu verpflichten, ihr die beantragte Ausnahmegenehmigung von den Verboten der § 15, 15 a GefStoffVO nach § 43 Abs. 7 GefStoffVO zu erteilen;

2. hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom ....1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ...1999 zu verpflichten, über den Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von den Verboten der §§ 15, 15 a GefStoffVO nach § 43 Abs. 7 GefStoffVO unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

... beklagte ... beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sich ... beklagte ... auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides und trägt ergänzend u.a. vor, dass eine Selbstbindung der Verwaltung durch die Stellungnahme des LASI-Unterausschusses nicht angenommen werden könne, da es zu einem entsprechenden LASI-Beschluss nicht gekommen sei. Bei der Bestimmung des Standes der Technik im Sinne der Gefahrstoffverordnung könne nicht auf die entsprechende Norm des Bundes-Immissionsschutzgesetzes abgestellt werden, da beide Regelwerke unterschiedliche Sachverhalte und Zielsetzungen zum Gegenstand hätten.

Die Kammer hat den Rechtsstreit dem Einzelrichter gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zum Teil unzulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet.

Der Hauptantrag ist hinsichtlich der begehrten Ausnahmegenehmigung von dem Verwendungsverbot im Sinne des § 15 GefStoffVO unzulässig, da eine derartige Ausnahmegenehmigung von der Klägerin vor der Anrufung des Gerichts nicht beantragt wurde. Für einen auf eine derartige Ausnahmegenehmigung gerichteten Antrag fehlt damit das Rechtsschutzbedürfnis.

Das von der Klägerin beabsichtigte Vorhaben berührt zwei in der GefStoffVO enthaltene selbstständige Verbote. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 GefStoffVO iVm Anhang IV Nr. 1 Abs. 1 besteht ein Herstellungs- und Verwendungsverbot für Asbest. Die Regelungen der GefStoffVO beruhen auf § 19 des Gesetzes zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz - ChemG). Nach der Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 10 ChemG umfasst Verwenden auch das Bearbeiten, d. h. auch das Anbohren von asbesthaltigen Platten. Das Verbot des § 15 Abs. 1 Nr. 1 GefStoffVO gilt nach Anhang IV Nr. 1 Abs. 2 Nr. 4 nicht für Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten an bestehenden Gebäuden, nach Anhang IV Nr. 1 Abs. 2 Nr. 3 nicht für Abbrucharbeiten. In den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 519) - Asbest, Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten, Ausgabe: September 2001 werden unter den Ziffern 2.1. bis 2.3. Abbruch-, Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten ( = ASI-Arbeiten) definiert. Danach handelt es sich bei den Maßnahmen der Klägerin nicht um derartige Arbeiten. Dies wird bestätigt durch Ziffer 4.1 Abs. 2 der TRGS 519. Danach fällt unter das Anbohren von Asbestzement-Platten und das Eintreiben von Befestigungen für das An- oder Aufbringen einer zusätzlichen Dachdeckung, Abdichtung oder Bekleidung unter das Expositionsverbot, da es sich hierbei nicht um ASI-Arbeiten handelt. Neben dem danach bestehenden Verwendungsverbot im Sinne des § 15 GefStoffVO besteht nach § 15 a Abs. 1 GefStoffVO ein Expositionsverbot für Arbeitnehmer. Diese dürfen Asbest nicht ausgesetzt sein. Auch insoweit gilt dies nicht für ASI-Arbeiten, die hier jedoch nicht gegeben sind. Beide Verbote stehen nebeneinander, auch wenn ein inhaltlicher Zusammenhang der Normen nicht zu verkennen ist, da sich die Frage nach einer Ausnahme von einem Expositionsverbot erst stellt, wenn eine Verwendung gestattet wird. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass lediglich eine Ausnahmegenehmigung, nämlich die vom Expositionsverbot, beantragt werden muss, um Ausnahmegenehmigungen von beiden Verboten zu erhalten. Es müssen vielmehr beide Ausnahmegenehmigungen beantragt werden. Dies ist nicht geschehen. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Antrags der Klägerin war dieser auf die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Verbot des § 15 a GefStoffVO gerichtet. Dem entsprechend hat ... beklagte ... auch eine derartige Genehmigung abgelehnt und nicht etwa eine Ausnahmegenehmigung vom Verbot des § 15 GefStoffVO. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Antrags ist für eine Auslegung des Antrages, dass zugleich eine Ausnahmegenehmigung vom Verwendungsverbot beantragt wurde, kein Raum. Da eine Ausnahmegenehmigung vom Verwendungsverbot nicht beantragt wurde, fehlt der Klage hinsichtlich der insoweit begehrten Ausnahmegenehmigung das Rechtsschutzbedürfnis, die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ohne einen vorangegangenen Antrag bei der Behörde ist nicht zulässig.

Im Übrigen ist der Hauptantrag im Hinblick auf die Ausnahmegenehmigung von dem Verbot des § 15 GefStoffVO aus den nachfolgend dargestellten Erwägungen zu der begehrten Ausnahmegenehmigung von dem Verbot des § 15 a GefStoffVO unbegründet.

Hinsichtlich der Ausnahmegenehmigung vom Expositionsverbot ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr erstrebte Genehmigung. Sie ist durch den Ablehnungsbescheid vom ....1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ....1999 nicht in ihren Rechten verletzt.

Nach § 43 Abs. 7 GefStoffVO kann von dem Verbot des § 15 a GefStoffVO eine Ausnahme zugelassen werden, wenn nach dem Stand der Technik die Einhaltung des Verbotes nicht möglich ist. Diese Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung einer Genehmigung ist nicht gegeben, da auch nach dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eine andere technische Möglichkeit besteht, die durch die Maßnahme angestrebten Ziele, insbesondere die Wärmedämmung, zu erreichen. Dies ist durch eine Abtragung des vorhandenen Daches und eine neue Eindeckung technisch möglich. Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die vollständige Ersetzung des Daches mit einem höheren und nicht vertretbaren wirtschaftlichen Aufwand verbunden ist. Wodurch sich der Stand der Technik bestimmen lässt, lässt sich nicht einheitlich für alle Rechtsgebiete beantworten. Die in § 3 Abs. 6 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG) für das Immissionsschutzrecht gegebene Begriffsbestimmung unterscheidet sich nach seinem Wortlaut und Inhalt von der für das Gefahrstoffrecht geltenden Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 9 GefStoffVO. Bereits dem Wortlaut nach definieren die genannten Normen den Begriff Stand der Technik jeweils "im Sinne dieses Gesetzes" oder "im Sinne dieser Verordnung". Dies schließt aus, die von der Klägerin herangezogene Formulierung im Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG, nach der bei der Bestimmung des Standes der Technik die Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen zu berücksichtigen sind, die keine Entsprechung in § 3 Abs. 9 GefStoffVO oder in Ziffer 2.14 der TRGS 519 findet, auf die Bestimmung des Begriffs des Standes der Technik im Sinne der GefStoffVO unmittelbar anzuwenden. Aber auch dann, wenn man als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes davon ausgeht, dass der Stand der Technik nur Maßnahmen umfassen kann, die auch wirtschaftlich geeignet sind, d. h. bei denen Aufwand und Ertrag in einem angemessenen Verhältnis stehen, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Mit den Gesichtspunkten der wirtschaftlichen Vertretbarkeit und des Standes der Technik werden unterschiedliche Maßstäbe angesprochen. Für den Stand der Technik sollen wirtschaftliche Fragen nur im Sinne einer äußersten Grenze eine Rolle spielen. Die wirtschaftliche Eignung fehlt daher erst dann, wenn die betreffende Maßnahme im Hinblick auf die notwendigen Investitions- und Betriebskosten so aufwendig ist, dass der Einsatz der Maßnahme unter keinen Umständen erwartet werden kann (vgl. Koch in Koch/Scheuing (Hrsg.), GK-BImSchG, § 3 Rnr. 384; Jarass, BImSchG, 4. Auflage 1999, § 3 Rnr. 85, jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen vorliegend nicht vor. Zwar hat die Klägerin im einzelnen dargelegt, dass eine vollständige Abtragung des Daches zu einem erhöhten wirtschaftlichen Aufwand führen würde, es ist jedoch nicht erkennbar, dass dieser Aufwand ein derartiges Ausmaß erreicht, dass nach dem dargestellten Maßstab davon auszugehen ist, dass eine derartige Maßnahme aus wirtschaftlichen Gründen ausgeschlossen ist. Hierbei ist zudem zu berücksichtigen, dass die Klägerin den Streitwert, der gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG die Bedeutung der Sache für die Klägerin wiedergibt, mit 60.000,-- DM angegeben hat. Die Tatbestandsvoraussetzung des § 43 Abs. 7 GefStoffVO ist somit nicht gegeben, da der Klägerin nach dem Stand der Technik eine Methode zur Erreichung des angestrebten Ziels zur Verfügung steht, bei welcher es einer Ausnahmegenehmigung nicht bedarf.

Auch wenn entgegen den obigen Ausführungen davon ausgegangen wird, dass der Tatbestand erfüllt ist, steht die Erteilung der Ausnahmegenehmigung im Ermessen der Behörde. Eine Verpflichtungsklage kann in einer solchen Situation nur dann Erfolg haben, wenn das Ermessen der Behörde auf null reduziert ist, d. h. wenn allein eine Ermessensausführung rechtmäßig ist, die eine Erteilung der Genehmigung zum Ergebnis hätte. Eine derartige Situation ist hier nicht gegeben. Die von der Klägerin im Verfahren genannten Gesichtspunkte, die für eine Erteilung der Ausnahmegenehmigung sprechen, haben Gewicht, sie sind jedoch nicht von einem derartigen Gewicht, dass sie die Erteilung der Ausnahmegenehmigung und damit die Zurückdrängung des mit dem Verbot des § 15 a GefStoffVO verfolgten Zweckes erzwingen. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Interessen der Klägerin ergibt sich dies aus den oben bereits angestellten Überlegungen. Soweit es die von der Klägerin genannten Gesichtspunkte des Umweltschutzes und der Energieeinsparung betrifft, ist nicht erkennbar, dass diesen bei einem Konflikt mit dem Schutzzweck des § 1 GefStoffVO - dem Schutz des Menschen vor arbeitsbedingten und sonstigen Gesundheitsgefahren und der Umwelt vor stoffbedingten Schädigungen - ohne weiteres ein größeres Gewicht beikommt, so dass der Behörde auch bei einem derartigen Konflikt ein Ermessensspielraum verbleibt. Eine ... beklagte ... bindende und das Ermessen reduzierende Wirkung kommt auch der von der Klägerin zitierten Stellungnahme aus dem LASI-Unterausschuss nicht zu. Dies bereits deshalb nicht, da eine derartige inhaltliche Position nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten nicht verbindlich beschlossen wurde.

Der hilfsweise gestellte Antrag auf Neubescheidung ist hinsichtlich des Antrages auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von dem Verbot des § 15 GefStoffVO unzulässig. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden. Er wäre nach den nachfolgenden Erwägungen auch unbegründet.

Hinsichtlich des Antrages auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Verbot des § 15 a GefStoffVO ist der Hilfsantrag zulässig aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung, da ... beklagte ... von dem ihm eingeräumten Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht hat. ... beklagte ... hat die zu berücksichtigenden Umstände gesehen und ist auf sie - wenn auch knapp - in dem Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides eingegangen. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Klägerin ist ... beklagte ... auch auf die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin eingegangen und hat diese in dem Widerspruchsbescheid gewertet. Dass sie dies mit einem Ergebnis getan hat, welches der Erwartung der Klägerin nicht entsprach, führt nicht zu einem Ermessensfehler. Ermessensfehler im Übrigen sind auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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