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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 17.07.2001
Aktenzeichen: 14 A 291/99
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 19 Abs. 1 Nr. 2
AuslG § 19 Abs. 2 S. 1
AuslG § 19 Abs. 2 S. 2
AuslG § 23 Abs. 3
1. Bei der gerichtlichen Prüfung eines Anspruches auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft ist die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltende Rechtslage zu Grunde zu legen.

2. Für die danach zu prüfende Frage, ob die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, kommt es auf den Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft an.

3. War oder galt der Aufenthalt auch nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft bereits länger als ein Jahr als erlaubt, kommt nur noch ein Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung über eine befristete Verlängerung in Frage.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 14 A 291/99

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Aufenthaltserlaubnis

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 14. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Riehl, den Richter am Verwaltungsgericht Schlenzka, die Richterin am Verwaltungsgericht Nordmann, sowie die ehrenamtlichen Richter P... und S... für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Bescheid des Beklagten vom 23.12.1998 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24.06.1999 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin nach der Rechtsauffassung des Gerichts über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis neu zu bescheiden.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu einem Viertel, der Beklagte zu drei Vierteln.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungssschuld abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit geleistet hat.

Tatbestand:

Die am ... in ..., Georgien geborene Klägerin reiste im Dezember 1995 mit einem gültigen Nationalpass und einem Schengenvisum in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte die Gewährung politischen Asyls. Die gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gerichtete Klage wurde am 04.07.1997 als offensichtlich unbegründet abgewiesen (14 A 9/96). Zur Vorbereitung der Ausreise erhielt die Klägerin nachfolgend vom Beklagten Duldungen, wobei sie schon zu dieser Zeit erwerbstätig war.

Nachdem ihre Ehe mit dem in Georgien verbliebenen Mann am 15.08.1997 geschieden worden war, heiratete sie am 26.11.1997 einen deutschen Staatsangehörigen und erhielt daraufhin vom Beklagten am 10.12.1997 eine bis zum 09.06. und später bis zum 09.12.1998 befristete Aufenthaltserlaubnis.

Am 24.06.1998 suchte die Klägerin die in ihrer Gemeinde tätige Gleichstellungsbeauftragte auf und teilte dieser mit, dass die Eheschließung ein großer Irrtum gewesen sei. Die Gleichstellungsbeauftragte setzte sich daraufhin mit der Ausländerbehörde des Beklagten in Verbindung, woraufhin ihr mitgeteilt wurde, dass eine Trennung aufenthaltsrechtliche Konsequenzen haben werde. Am 26.06.1998 wurde der Klägerin ärztlich bescheinigt, dass sie nach eigenen Angaben am 24.06.1998 gegen 24 Uhr von ihrem Ehemann auf die linke Brust geschlagen worden und ihr dabei der linke Arm umgedreht worden sei. Es bestünden Druckschmerzen unter der linken Achsel, der lateralen Brusthälfte und des linken Oberarms. Mit der Diagnose eines psychisch-physischen Erschöpfungszustandes und einer psycho-neurotischen Fehlentwicklung beantragte die Klägerin am 18.07.1998 eine Rehabilitationsmaßnahme. Wegen ehelicher Probleme suchte die Klägerin am 22.07.1998 erstmals ihre jetzige Prozessbevollmächtigte auf. Am 23.07.1998 erhielt die Klägerin eine Abmahnung ihres Arbeitgebers, worin ihr mitgeteilt wurde, dass man zwar größtes Verständnis für die in den letzten Wochen geschilderten privaten Probleme habe, das daraus resultierende Fehlverhalten am Arbeitsplatz aber nicht auf Dauer akzeptieren könne. Nach dem die Klägerin sich bereits wegen Alpträumen in psychiatrische Behandlung begeben hatte, zog sie am 01.08.1998 aus der ehelichen Wohnung aus und ließ dies ihrem Ehemann durch ihre Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 05.08.1998 mitteilen.

Am 18.11.1998 beantragte die Klägerin die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und ließ über ihre Prozessbevollmächtigte mitteilen, dass sie die eheliche Lebensgemeinschaft wegen physischer und psychischer Misshandlung durch den Ehemann habe aufgeben müssen, dies jedenfalls vorübergehend bis zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit. Ihr Ehemann habe mehrfach Körperverletzungen an ihr begangen, "sie in sexueller Hinsicht überfordert und strafrechtlich relevante Handlungen gegen die sexuelle Selbstbestimmung" begangen. Aus Sicherheitsgründen habe sie allerdings keinen Strafantrag gestellt, weil sie von ihrem Ehemann ernstzunehmende Drohungen erhalten habe. Diese ganze Entwicklung sei bei der Eheschließung nicht abzusehen gewesen. Die räumliche Trennung sei schließlich auch erforderlich, um weiterhin erwerbstätig sein zu können. Nachdem der Beklagte die Aufenthaltserlaubnis am 08.12.1998 bis zur Entscheidung über den Antrag verlängert hatte, lehnte er diesen nach einer entsprechenden Anhörung mit Bescheid vom 23.12.1998 ab, forderte die Klägerin auf, die Bundesrepublik Deutschland binnen eines Monats nach Zustellung des Ablehnungsbescheides zu verlassen und drohte ihr anderenfalls die Abschiebung nach Georgien an. Gestützt wurde die Ablehnung auf den Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AuslG iVm § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AuslG, weil sich insbesondere eine außergewöhnliche Härte aufgrund der Trennung vom Ehemann nicht feststellen lasse.

Am 05.01.1999 erklärte der Ehemann der Klägerin gegenüber der Ausländerbehörde, dass er seine Frau nicht misshandelt, sondern nur einmal etwas unsanft auf das Bett gestoßen habe. Die eheliche Lebensgemeinschaft solle nicht wieder aufgenommen werden. Am 14.01.1999 gab die Klägerin bei der Ausländerbehörde eine persönliche Erklärung ab über die Entwicklung des ehelichen Zusammenlebens, die damit verbundenen finanziellen Probleme, die für die Klägerin inakzeptablen sexuellen Praktiken und körperlichen Misshandlungen durch den Ehemann sowie dessen Verlangen, dass sich die Klägerin für ihn prostituiere. Eine Freundin der Klägerin bestätigte gegenüber der Ausländerbehörde, dass diese Angst vor ihrem Mann habe und er sie auch in ihrer Gegenwart bedroht habe. Er habe ihr stolz eine Lederpeitsche und mehrere Pistolen gezeigt. Wegen des näheren Inhalts dieser Erklärungen wird auf Blatt 114 und 115 des Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen.

Nachdem der Klägerin mehrfach Duldungen ausgestellt worden waren, wurde ihr Widerspruch mit Bescheid vom 24.06.1999 als unbegründet zurückgewiesen und der Ausgangsbescheid insoweit geändert, als dass die Ausreisefrist auf einen Monat nach Unanfechtbarkeit der Ablehnung festgesetzt wurde. Der Beklagte führte zur Begründung aus, dass ein Verlängerungsgrund nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AuslG aufgrund einer außergewöhnlichen Härte nicht in Betracht komme. Hierfür müsse der Fall so gravierend sein, dass eine andere Entscheidung als die Erteilung der Erlaubnis nicht vertretbar sei, was auch von der Schwere der Misshandlung abhänge.

Hiergegen hat die Klägerin am 05.07.1999 Klage erhoben und geltend gemacht, dass schwerwiegende Härtegründe vorlägen. Sie habe bei ihrer Eheschließung über den Mann nur wenig gewusst. Er sei mittel- und arbeitslos gewesen und habe ihr später die Schuld dafür gegeben, dass er wegen ihrer Erwerbstätigkeit keine Sozialhilfe mehr beziehe. Die Behandlung durch ihren Ehemann habe fatale, unerträgliche Folgen angenommen, weil er von jeder Normalität abweiche. Sie habe nicht nur unter seinen abartigen Sexualpraktiken gelitten, sondern auch unter seinen Drohungen und körperlichen Misshandlungen. Ihr psychischer Zustand habe sich zunehmend verschlechtert und sie habe letztlich die eheliche Wohnung verlassen, um nicht auch noch den Arbeitsplatz zu verlieren. Im September 1999 habe sie ihre damalige Arbeitsstelle dann verloren. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung vom 27.11.2000 eingereicht, wonach sich die Klägerin seit mehreren Jahren wegen einer schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung in Behandlung befindet und aufgrund dieser Erkrankung nicht mehr als 20 Stunden in der Woche arbeiten könne. Seit Juni 2001 geht die Klägerin wieder einer entsprechenden Erwerbstätigkeit nach.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 23.12.1998 in Verbindung mit dem Widerspruchsbescheid vom 24.06.1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt der ergangenen Bescheide und hält die klägerischen Angaben für nicht ausreichend, um eine außergewöhnliche Härte im Sinne des Gesetzes zu begründen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsaktes des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und im wesentlichen begründet. Die Ablehnung der beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte war deshalb unter Aufhebung der Bescheide zu verpflichten, den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts und Betätigung pflichtgemäßen Ermessens neu zu bescheiden, § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf eine ermessensgerechte Entscheidung über ihren Verlängerungsantrag gemäß § 23 Abs. 3 iVm § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 2 S. 2 AuslG zu, nachdem die eheliche Lebensgemeinschaft mit einem Deutschen schon vor Ablauf der ursprünglichen Aufenthaltserlaubnis aufgehoben worden war und deshalb ein Anspruch aus den §§ 23, 17, 13 AuslG nicht mehr in Frage kam. Dabei steht für die Kammer nach Durchführung der mündlichen Verhandlung und ausführlicher persönlicher Anhörung der Klägerin fest, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vorliegen.

Auszugehen ist von § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AuslG in der Fassung vom 25.05.2000 (BGBl. I, S. 742, in Kraft getreten zum 01.06.2000). Danach wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges von dem in § 17 Abs. 1 AuslG bezeichneten Aufenthaltszweck unabhängiges Aufenthaltsrecht verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Die bis zum Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung geltende Voraussetzung der außergewöhnlichen Härte wurde durch den Begriff der besonderen Härte abgelöst und soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Voraussetzungen für die Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts erweitern und erleichtern, dies insbesondere mit dem Ziel der Berücksichtigung unzumutbarer Verhältnisse während der Ehe in Deutschland. Deshalb sollen gerade solche Umstände die ein weiteres Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar machen, künftig Berücksichtigung finden, wenn sie eine besondere Härte darstellen. Mit dieser Änderung sollten Auslegungsschwierigkeiten beseitigt werden, weil in der Rechtsprechung umstritten geblieben sei, ob eine Härte im Sinne der Vorschrift auch allein darin gesehen werden kann, dass der Ehegatte die eheliche Lebensgemeinschaft wegen erheblicher Verletzungen von Rechtsgütern aufgelöst hat. Dem Ehegatten könne es z. B. unzumutbar sein, zur Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts an der ehelichen Lebensgemeinschaft festzuhalten, wenn er wegen physischer oder psychischer Misshandlung durch den anderen Ehegatten die Lebensgemeinschaft aufgehoben habe oder der andere Ehegatte das in der Ehe lebende Kind sexuell missbraucht und misshandelt hat (BT-Drucksache 14/2368, S. 2-4).

Da es sich vorliegend um eine Verpflichtungsklage handelt, ist ebenso wie in anderen Fällen einer begehrten Aufenthaltsgenehmigung die Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gilt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist diese jedenfalls dann maßgeblich, wenn es um die Frage geht, ob schon aus Rechtsgründen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt oder versagt werden muss. Soweit das Bundesverwaltungsgericht ausführt, dass für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen regelmäßig auf den Zeitpunkt des Erlasses der letzten behördlichen Entscheidung abzustellen sei, so gilt dies nur in den Fällen, in denen die Behörde auch ein Ermessen betätigt hat (vgl. BVerwGE 94, 35, 40; E 98, 31, 41; E 98, 313; E 101, 236; Bayr. VwBl. 1997, 439 und OVG Schleswig - Beschluss vom 15.01.2001 - 4 M 3/01 -; offensichtlich unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung z. B. im Beschluss vom 28.03.1996 - 4 M 12/96 -). Dieser allgemein im Ausländerrecht geltende Grundsatz gilt auch im vorliegenden Fall und selbst dann, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft schon vor Inkrafttreten dieser neuen Regelung aufgehoben worden ist (vgl. insoweit Bayr. VGH in InfAuslR 2001, S. 274 und S. 279; Aschauer, InfAuslR 2001, S. 265 ff.).

Aus dem danach zugrundezulegenden materiellen Recht heraus beurteilt sich sodann, zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen der Anspruchsnorm vorliegen müssen bzw. vorgelegen haben müssen. Ausdrücklich entschieden ist dies etwa für den Antrag eines Minderjährigen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, für dessen Beurteilung nicht der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich sein kann, sondern der der Antragstellung (vgl. BVerwG, NVwZ RR 1998, 677 und OVG Schleswig a.a.O.). Ähnlich verhält es sich hier. Aus der Gesetzessystematik und dem Regelungsziel des § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AuslG ergibt sich ohne weiteres, dass für die sachliche Beurteilung allein auf den Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft abzustellen ist (Bayr. VGH a.a.O.). Zu weit geht demgegenüber der Hess. VGH (InfAuslR 2000, 497 ff.) und ihm folgend das OVG Lüneburg (InfAuslR 2001, 281 ff.), der nicht nur in sachlicher, sondern auch in rechtlicher Hinsicht auf den Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft abstellt und dies damit begründet, dass die vorgesehene Verlängerung des Aufenthaltstitels an die zuvor erteilte Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung anknüpfe und damit an den Zeitpunkt, an dem die Grundlage für das zweckgebundene und akzessorische Aufenthaltsrecht - die eheliche Lebensgemeinschaft - wegfalle. Zu diesem Zeitpunkt ändere sich die Grundlage und der Aufenthaltszweck der Aufenthaltserlaubnis unmittelbar, weil es nach der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft an einer Rechtsgrundlage für ein ehebezogenes Aufenthaltsrecht fehle. Dies gelte auch ungeachtet der formellen Fortdauer der ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis, weil sich der Aufenthalt materiell nur noch mit § 19 Abs. 1 AuslG begründen lasse. Dieser Auffassung ist mit dem OVG Münster (InfAuslR 2000, 279) entgegenzuhalten, dass im Falle des § 19 Abs. 1 AuslG gerade kein "automatischer Wechsel" der Aufenthaltsgrundlage eintritt und offenbar auch nicht eintreten soll, wie ein Vergleich mit § 21 Abs. 3 AuslG zeigt. Diese Vorschrift ordnet den Wechsel von einer akzessorischen zu einer eigenständigen Aufenthaltserlaubnis von Gesetzes wegen an, so dass es hier keiner weiteren Erklärung oder behördlichen Maßnahme bedarf. Sollte ein solcher Wechsel auch mit Aufgabe der ehelichen Lebensgemeinschaft eintreten, hätte dies entsprechend formuliert werden können und müssen. Da dies aber nicht der Fall ist, bleibt es bei dem auch sonst geltenden Grundsatz, dass die Entscheidung darüber, ob ein eigenständiges Aufenthaltsrecht vorliegt, erst bei Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis getroffen wird (vgl. auch Welte, Aktuelles Ausländerrecht, Komm. § 19 Rn. 32 und Aschauer a.a.O). Im übrigen wäre es bei Befolgung der hessischen Auffassung nur konsequent, die für die erstmalige Verlängerung geltende Jahresfrist des § 19 Abs. 2 S. 1 AuslG schon von dem Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft an zu berechnen. Dass das nicht sein kann, erscheint schon in Anbetracht des Wortlauts der Norm offensichtlich und wird auch vom OVG Münster (a.a.O.) plausibel erläutert (zur insgesamten Widersprüchlichkeit der Rechtsprechung des Hess. VGH, vgl. Aschauer a.a.O.).

Demgemäß mag es zwar zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung zutreffend gewesen sein, eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AuslG a.F. zu verneinen. Hierauf kommt es aber - wie dargelegt - heute nicht mehr an. Maßgeblich ist allein, dass die eheliche Lebensgemeinschaft der Klägerin und ihres deutschen Ehegatten rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und es gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AuslG n. F. zur Vermeidung einer besonderen Härte auch erforderlich ist, der Klägerin den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Dabei ist in § 19 Abs. 1 S. 2 AuslG ausdrücklich ausgeführt, dass eine besondere Härte insbesondere auch dann vorliegt, wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist. Hiervon ist aus heutiger Sicht für den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft auszugehen. Die Klägerin hat insbesondere in der mündlichen Verhandlung den Werdegang ihrer Beziehung zu ihrem Ehemann vor und während der Ehe eindrucksvoll geschildert, so dass im Ergebnis von einer besonderen Härte im Sinne der zitierten Alternative auszugehen ist. Die Kammer geht davon aus, dass die Klägerin von ihrem Ehemann mehrfach körperlich misshandelt und bedroht worden ist und er an sie das Verlangen gerichtet hat, sich für ihn zu prostituieren. Nachdem sie dieses ablehnte und er ihr mit weiteren Misshandlungen gedroht hat, sah sie für sich keine andere Möglichkeit, als die eheliche Lebensgemeinschaft aufzugeben. Dass es für die Klägerin unter diesen Umständen unzumutbar war, weiter an der ehelichen Lebensgemeinschaft festzuhalten, zeigt sich auch daran, dass sie sich noch während des Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft in psychiatrische Behandlung begeben hat, die bis heute andauert.

Die Kammer vermochte sich insoweit den Zweifeln des Beklagten an der Glaubwürdigkeit der Klägerin nicht anzuschließen, auch wenn die Belege für die behaupteten Misshandlungen und Bedrohungen nicht sehr ergiebig sind. Soweit der Beklagte darauf verweist, dass die Klägerin die Misshandlungen erst angeführt hat, nachdem sie über die Gleichstellungsbeauftragte erfahren hatte, dass eine Trennung für sie negative aufenthaltsrechtliche Konsequenzen haben werde, so kann das zeitliche Zusammenfallen dieser Mitteilung und der ersten Misshandlung ebenso gut ein Zufall sein. Weitergehende Anhaltspunkte für die Unglaubwürdigkeit der Klägerin vermochte auch der Beklagte nicht anzuführen. Zugunsten der Klägerin war schließlich zu berücksichtigen, dass sie sich insoweit in einem typischen Beweisnotstand befindet, weil die von ihr angeführten Misshandlungen und Drohungen durch den Ehemann in der Regel in der gemeinsamen Wohnung und ohne weitere Zeugen stattgefunden haben werden. Insgesamt betrachtet war der Vortrag der Klägerin über die Dauer des gesamten Verfahrens bis hin zur mündlichen Verhandlung in sich schlüssig und ohne Widersprüche.

Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Verlängerung für eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 19 Abs. 1 AuslG nach alledem vor, so konnte der Klage doch nur zum Teil stattgegeben werden, weil ein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 AuslG für ein Jahr zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr gegeben ist, sondern nur noch ein Anspruch auf befristete Verlängerung nach pflichtgemäßen Ermessen gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 AuslG. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass der Zweck des § 19 Abs. 2 S. 1 AuslG, nämlich dem Ehegatten während eines ersten Jahres nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Möglichkeit zu eröffnen, sich eine eigene wirtschaftliche Existenz aufzubauen, gegenwärtig schon erfüllt ist. Die Kammer schließt sich insoweit einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (E 98, 313, 317 = InfAuslR 1995, 287) und des OVG Münsters (a.a.O.) an, wonach bei zwischenzeitlicher Zweckerreichung des § 19 Abs. 2 S. 1 AuslG nur noch eine Verlängerung nach Satz 2 in Frage kommt. Von einer solchen Zweckerreichung ist regelmäßig dann auszugehen ist, wenn der Aufenthalt des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft aufgrund einer Erlaubnisfiktion im Sinne des § 69 Abs. 3 AuslG oder einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO erlaubt war, diese Wirkung länger als ein Jahr angedauert hat und dem Ehegatten aufenthaltsrechtlich die Ausübung einer Erwerbstätigkeit bereits gestattet war. So liegt es im Ergebnis auch hier.

Die der Klägerin ursprünglich erteilte Aufenthaltserlaubnis aufgrund des gestellten Verlängerungsantrages endete zwar mit Zustellung des Ablehnungsbescheides vom 23.12.1998, allerdings setzte der Beklagte die Ausreisefrist im Widerspruchsbescheid vom 24.06.1999 auf einen Monat nach Unanfechtbarkeit der Ablehnung fest mit der Begründung, dass die Rechtmäßigkeit seiner Entscheidung voraussichtlich nur in einem Hauptsacheverfahren geprüft werden könne. Damit hatte die Klägerin zwar keine Erlaubnisfiktion im Sinne des § 69 Abs. 3 AuslG mehr, allerdings entsprach ihr aufenthaltsrechtlicher Status auch nicht dem einer bloßen Duldung, weil diese gemäß §§ 55 Abs. 1 und 56 Abs. 1 AuslG nur die Abschiebung hindert, während vorliegend durch den Widerspruchsbescheid die Vollziehbarkeit der ablehnenden Entscheidung und damit auch die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht beseitigt und die Ausreisefrist auf einen Zeitpunkt nach Unanfechtbarkeit der Ablehnungsentscheidung verschoben wurde (vgl. § 42 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 AuslG). Demgemäß hat die Klägerin seit mittlerweile zwei Jahren von der freiwilligen Aussetzung der Vollziehung durch den Beklagten profitiert und war in dieser Zeit offenbar auch im Besitz einer Erlaubnis, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, da sie jedenfalls seit Juni 2001 wieder eine Erwerbstätigkeit ausübt und dadurch in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Da die Klägerin im übrigen auch schon vor der Eheschließung sowie während der ehelichen Lebensgemeinschaft erwerbstätig war, bestehen um so weniger Bedenken gegen die Annahme, dass sie ausreichend Gelegenheit hatte, sich eine eigene wirtschaftliche Existenz aufzubauen.

Demgemäß kommt heute nur noch eine Verlängerung im Ermessenswege nach § 19 Abs. 2 S. 2 AuslG in Betracht (solange nicht die Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 24, 25 AuslG bestehen; diese scheitert bereits am Erfordernis einer seit mindestens fünf Jahren bestehenden Aufenthaltserlaubnis). Schließlich liegen auch keine anderweitigen Versagungsgründe für die begehrte Aufenthaltserlaubnis vor; entsprechende Anhaltspunkte sind weder ersichtlich noch vom Beklagten vorgetragen. Insbesondere der Sozialhilfebezug als Regelversagungsgrund steht der begehrten Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Erwerbstätigkeit nicht entgegen.

Da der Beklagte die begehrte Erlaubnis in den angefochtenen Bescheiden schon aus tatbestandlichen Gründen verneint hatte und andererseits von Seiten der Klägerin keine Gründe vorgetragen sind, die zu ihren Gunsten zu einer Ermessensreduzierung führen müßten, wird der Beklagte nunmehr im Ermessenswege unter Beachtung der individuellen Lebensverhältnisse der Klägerin neu zu entscheiden haben. Mangels Spruchreife konnte die Klage daher keinen vollen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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