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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 19.12.2002
Aktenzeichen: 14 B 86/02
Rechtsgebiete: VwGO, LVwG SH


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5 S. 3
LVwG SH § 34
LVwG SH § 231
1. Für die Rechtmäßigkeit einer in Amtshilfe durchgeführten Abschiebung eines Ausländers ist allein die ersuchende Behörde verantwortlich. Dies gilt auch für die Durchführung der Abschiebung trotz eines entgegenstehenden gerichtlichen Beschlusses.

2. Die Rückgängigmachung einer Abschiebung in den Heimatstaat kann nicht beansprucht werden, wenn die Rechtswidrigkeit der Abschiebung nur auf einer fehlenden Abschiebungsandrohung beruht, die nach erfolgter Wiedereinreise umgehend erneut ergehen müsste, weil der Betroffene vor der Abschiebung weder eine Aufenthaltsgenehmigung besaß noch Abschiebungshindernisse oder Duldungsgründe geltend machen konnte.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 14 B 86/02

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Ausländerrecht

- Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung -

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 14. Kammer - am 19. Dezember 2002 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

Der Streitwert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der am ... geborene Antragsteller ist armenischer Staatsangehöriger. Er reiste erstmals am 10.02.1994 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte die Gewährung politischen Asyls. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte den Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 und § 53 AuslG nicht vorliegen; zugleich setzte es eine Ausreisefrist und drohte die Abschiebung nach Armenien an. Die dagegen erhobene Klage wurde mit Urteil vom 07.06.1996 abgewiesen (14 A 201/94); das Urteil wurde am 27.07.1996 rechtskräftig. Am 06.05.1997 stellte der Antragsteller aus der Abschiebehaft heraus einen Folgeantrag, der am 12.05.1997 abgelehnt wurde und keine neue Abschiebungsandrohung enthielt. Am 23.05.1997 wurde der Antragsteller durch die Ausländerbehörde Bad Segeberg abgeschoben.

Nach erneuter Einreise Mitte August 2002 wurde der Antragsteller am 21.08.2002 in B. von der Polizei aufgegriffen und, weil er keine Papiere bei sich hatte, vorläufig festgenommen. Auf Antrag des Antragsgegners erging am 22.08.2002 ein Beschluss des Amtsgerichts L., mit welchem eine dreimonatige Sicherungshaft angeordnet wurde (bestätigt vom Landgericht L. mit Beschluss vom 11.09.2002). Nachdem sich der Kreis Segeberg mit einem Amtshilfeersuchen bei der Passersatzbeschaffung und der Abschiebung des Antragstellers an den Antragsgegner gerichtet hatte, wandte sich dieser an das Landesamt für Ausländerangelegenheiten zwecks Bereitstellung eines Haftplatzes und an die Justizvollzugsanstalt E. mit einem Ersuchen um Aufnahme zum Vollzug der Abschiebehaft. Mit Schreiben vom 23.08.2002 meldete der Antragsgegner beim Landesamt für Ausländerangelegenheiten die Inhaftierung des Ausländers und bat seinerseits um Amtshilfe bei der Passersatzbeschaffung und der Abschiebung.

Mit Verfügung vom 23.08.2002 wies der Antragsgegner den Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland aus und ordnete gleichzeitig die Abschiebung an. Gegen den am 03.09.2002 zugestellten Bescheid erhob der Antragsteller am 27.09.2002 Widerspruch und trug vor, dass er eine Aufenthaltsgenehmigung für Spanien habe und dorthin ausreisen wolle. Das Landesamt für Ausländerangelegenheiten buchte einen Flug nach Armenien für den 12.10.2002 und bat die Zentrale Ausländerbehörde in E., den Antragsteller entsprechend zum Flughafen zu bringen. Auf den am 08.10.2002 gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ließ der Antragsgegner prüfen, ob eine Rückschiebung des Antragstellers nach Spanien möglich sei. Insoweit wurde festgestellt, dass der Antragsteller am 29.11.1999 Asyl in Spanien beantragt hatte, dieses Ersuchen aber zurückgewiesen worden war und die vorgelegte Asylkarte - gültig bis zum 29.01.2000 - keine Rechtsverbindlichkeit mehr habe. Mit Beschluss vom 11.10.2002 ordnete das Gericht dennoch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Abschiebungsanordnung des Antragsgegners im Bescheid vom 23.08.2002 an, soweit daraus eine Abschiebung nach Armenien erfolgen sollte. Noch am gleichen Tag wurde der Beschluss kurz nach 14 Uhr durch das Gericht sowohl dem Antragsgegner als auch der Zentralen Ausländerbehörde E. - Abschiebehaftanstalt - per Fax zugesandt, an letztere mit dem Zusatz, dass der Antragsteller am folgenden Tag nicht nach Armenien abgeschoben werden dürfe. Auch der Antragsgegner leitete den stattgebenden Beschluss des Gerichts um etwa 15:00 Uhr an die Zentrale Ausländerbehörde in E. weiter. Trotz dieser Hinweise wurde der Antragsteller am 12.10.2002 abgeschoben. Er verließ das Bundesgebiet mit einem Flug um 15:10 Uhr nach Armenien. Laut Vermerk des Antragsgegners sei das Fax im Verwaltungsgebäude der Zentralen Ausländerbehörde nicht mehr zur Kenntnis genommen worden.

Mit Schreiben vom 20.10.2002 teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers dem Antragsgegner mit, dass er von seinem Mandanten von der Abschiebung erfahren habe und dass der Antragsgegner etwaige Konsequenzen übernehmen müsse. Er habe die Rückführung des rechtswidrig abgeschobenen Antragstellers zu gewährleisten und die dabei entstehenden Kosten zu tragen. Die darauf hin vom Antragsgegner eingeholte fachaufsichtliche Stellungnahme des Innenministeriums kommt zu dem Ergebnis, dass der Beschluss des Gerichts vom 11.10.2002 der dort bekannten Rechtslage entspreche und schlug vor, im Rahmen des ausstehenden Widerspruchsbescheides zu begründen, warum von der Abschiebungsandrohung abgesehen worden sei. Es sei mehr als unglücklich, dass der Antragsteller trotz Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs tags darauf abgeschoben worden sei. Dennoch bestehe keine Notwendigkeit, dem Antragsteller die erneute Einreise zu ermöglichen; insbesondere könne ihm aufgrund der 1997 erfolgten Abschiebung kein Visum erteilt werden. Die erneute Einreise sei unerlaubt erfolgt und der Antragsteller sei vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Da ihm kein (vorläufiges) Bleiberecht zustehe, müsse er im Falle einer Rückkehr erneut inhaftiert und nach Erlass eines Widerspruchsbescheides wiederum abgeschoben werden. Alternativen zu einer Abschiebung nach Armenien seien nicht ersichtlich. Hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche sei zu prüfen, ob statt des Antragsgegners die Zentrale Ausländerbehörde in E. haftbar zu machen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2002 wies der Antragsgegner den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.08.2002 zurück und begründete nunmehr, warum aus besonderen Gründen die nach § 50 Abs. 1 AuslG vorgeschriebene Androhung der Abschiebung nebst Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich gewesen sei.

Bereits am 22.11.2002 hat der Antragsteller wiederum um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und zugleich in der Hauptsache eine Feststellungsklage erhoben (14 A 340/02). Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass der Antragsgegner als zuständige Ausländerbehörde verpflichtet gewesen wäre, sicherzustellen, dass der Antragsteller nach Ergehen des gerichtlichen Beschlusses vom 11.10.2002 nicht nach Armenien abgeschoben wird. Die Abschiebung des Antragstellers sei ca. 25 Stunden nach Zugang des gerichtlichen Beschlusses erfolgt - genügend Zeit, die Umsetzung des gerichtlichen Beschlusses sicherzustellen. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Abschiebung sei der Antragsteller in den Zustand zurückzuversetzen, der bestünde, wenn die Abschiebung nicht erfolgt wäre. Ihm müsse deshalb ermöglicht werden, erneut in das Bundesgebiet einzureisen. Da aufgrund der erfolgten Abschiebung eine Wiedereinreisesperre bestehe, sei der Antragsgegner zu verpflichten, eine Stellungnahme gegenüber der deutschen Auslandsvertretung in Armenien abzugeben, damit ihm dort ein entsprechendes Visum zum Zwecke der Einreise ausgestellt werde. Darüber hinaus sei der Antragsteller aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten nicht in der Lage, die Kosten für eine Rückkehr aus eigenen Mitteln herzuleiten.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller durch Vorlage einer entsprechenden Stellungnahme bei der deutschen Auslandsvertretung in Armenien ein Visum zum Zweck der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu erteilen und ihn auf Kosten der Antragsgegnerin in die Bundesrepublik Deutschland zurückzubringen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er ist der Auffassung, dass sich aus der Rechtswidrigkeit der erfolgten Abschiebung kein Anspruch auf Erteilung eines Einreisevisums ergebe. Der Antragsteller habe sich vor seiner Abschiebung illegal in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten und würde mit Erteilung eines Einreisevisums über eine Aufenthaltsgenehmigung verfügen, die ihm über den früheren Zustand hinaus einen legalen Aufenthaltsstatus verleihen würde. Schon aufgrund seiner Abschiebung im Jahre 1997 könne ihm gemäß § 8 Abs. 2 AuslG kein Einreisevisum erteilt werden. Die Zustimmung zu einem Einreisevisum, dessen Erteilung rechtswidrig wäre, könne nicht erfolgen. Hieraus ergebe sich zugleich, dass auch die Finanzierung eines Rückfluges nicht in Betracht komme. Im Übrigen sei der Folgenbeseitigungsanspruch gegenüber der Behörde geltend zu machen, die die Abschiebung tatsächlich vollzogen habe. Dies sei hier die Zentrale Ausländerbehörde in E. und nicht die Ausländerbehörde des Antragsgegners.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Antragsgegners und die beigezogenen Gerichtsakten 14 A 201/94, 14 B 74/02 sowie 14 A 340/02 Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes gerichtet. Der Antragsgegner soll verpflichtet werden, die Folgen der rechtswidrigen Abschiebung am 12.10.2002 rückgängig zu machen, indem er das seinerseits erforderliche und mögliche veranlasst, damit dem Antragsteller durch die Auslandsvertretung in Armenien ein Einreisevisum erteilt wird und er in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren kann. Abgesehen von der Frage, ob insoweit der erforderliche Anordnungsgrund und ein Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht sind, scheitert der Antrag bereits an § 123 Abs. 5 VwGO, weil hier ein Fall des § 80 VwGO gegeben ist.

Wie im Beschluss 14 B 74/02 vom 11.10.2002 ausgeführt, handelt es sich bei der der Abschiebung zu Grunde liegenden Abschiebungsanordnung im Bescheid vom 23.08.2002 um einen Verwaltungsakt, dessen Vollziehung nach Erhebung des Widerspruches durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung ausgesetzt worden ist. Ist der angefochtene Verwaltungsakt im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung schon vollzogen oder wird er trotz seiner Suspendierung vollzogen, gewährleistet vorrangig § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO die verfahrensmäßige Umsetzung eines etwaigen Folgenbeseitigungsanspruches, in dem er dem Gericht die Möglichkeit einräumt, die Aufhebung der Vollziehung anzuordnen und damit die Vollziehungshandlung bzw. ihre unmittelbaren Folgen rückgängig zu machen (Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 12. Aufl., § 80 RdNr. 176 f, 181 und § 123, RdNr. 4 sowie Puttler in Sodan/Ziegler, VwGO-Kommentar, § 80 RdNr. 165).

Unter Berücksichtigung des tatsächlichen Rechtsschutzbegehrens kann das Gericht den Antrag gemäß § 88 VwGO in einen gemäß § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO statthaften Antrag umdeuten. Dieser Antrag hat allerdings aus materiellrechtlichen Gründen keinen Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners scheitert die Begründetheit aber noch nicht an der erforderlichen Passivlegitimation. Die Ausländerbehörde des Antraggegners war sowohl sachlich (§ 63 Abs. 1 AuslG) als auch örtlich (§ 31 Abs. 1 Nr. 3a bzw. Nr. 4 LVwG) zuständig für den Erlass der ergangenen Ausweisungsverfügung und die zur Beendigung des unerlaubten Aufenthalts des Antragstellers erforderlichen Maßnahmen. Nach § 231 LVwG war sie damit auch zuständige Vollzugsbehörde. An dieser Zuständigkeit und der damit gegebenen Verantwortlichkeit ändert auch die Einschaltung anderer Behörden im Rahmen eines Amtshilfeersuchens nichts. Nach § 34 Abs. 1 LVwG richtet sich die Zulässigkeit der Maßnahme, die durch die Amtshilfe verwirklicht werden soll, allein nach dem für die ersuchende Behörde geltenden Recht. Nach § 34 Abs. 2 LVwG trägt die ersuchende Behörde gegenüber der ersuchten Behörde die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der zu treffenden Maßnahme, während die ersuchte Behörde nur für die Durchführung der Amtshilfe verantwortlich ist. Hieraus ergibt sich, dass der Antragsgegner als ersuchende Behörde für die Rechtmäßigkeit der Abschiebung als Vollzugsmaßnahme verantwortlich ist und das Landesamt für Ausländerangelegenheiten bzw. die Zentrale Ausländerbehörde in E. lediglich für die Art und Weise der Vollziehung - das "Wie" - verantwortlich gemacht werden könnten. Der Antragsgegner war für das "Ob" der Vollziehung verantwortlich und hätte nach den gerichtlichen Feststellungen von Anfang an von einer Abschiebung absehen müssen, solange keine vorschriftgemäße Abschiebungsandrohung vorlag. Dass und ggf. warum die Zentrale Ausländerbehörde in E. den stattgebenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 11.10.2002 nicht mehr rechtzeitig zur Kenntnis bekam, ist deshalb in diesem Zusammenhang unerheblich. Hierzu sei allerdings angemerkt, dass es nach Auffassung der Kammer auch Sache des Antragsgegners gewesen wäre, die Zentrale Ausländerbehörde in E. rechtzeitig von einer bevorstehenden gerichtlichen Entscheidung zu informieren. Dies wäre auch ohne weiteres möglich gewesen. Der Antrag war seit dem 08.10.2002 anhängig; das Ergehen einer Entscheidung am Nachmittag des 11.10.2002 war zudem am Vormittag durch die Berichterstatterin telefonisch angekündigt worden.

Die Entscheidung über die Aufhebung der Vollziehung gemäß § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO folgt grundsätzlich den selben Regeln wie die über die Aussetzung. Abzuwägen ist das öffentliche Interesse am Fortbestehen des Vollzugs gegen das Interesse des Antragstellers an der Aufhebung der Vollziehung (Finkelnburg/Janck, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl. RdNr. 889). Sie zielt zwar auf die Herbeiführung einer Übereinstimmung zwischen der faktischen und rechtsnormativen Lage ab (OVG Bautzen, Beschluss vom 07.03.2001 - 3 BS 232/00 - zitiert nach Juris), kann allerdings im Grundsatz nur zu einer vorläufigen Regelung führen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist auch hier nur in engen Ausnahmefällen zur Wahrung des Art. 19 Abs. 4 GG denkbar (Kopp/Schenke aaO RdNr. 176; Puttler aaO RdNr. 164; VGH Kassel, NVwZ-RR 1993, 389, 390). Demgemäß müsste eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache bestehen (Schl.-Holst. OVG, Beschluss vom 30.07.1991 - 4 M 116/91 - NVwZ-RR 1992, 387). Im Übrigen findet die Vollzugsfolgenbeseitigung ihre Grenze, wenn sie im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung tatsächlich oder rechtlich nicht möglich ist oder nur unter unzumutbaren Bedingungen für die Behörde ausgeführt werden könnte (Finkelnburg/Janck aaO RdNr. 890; Puttler aaO RdNr. 64; Kopp/Schenke aaO § 113 RdNr. 87).

Zur Rückgängigmachung der rechtswidrigen Abschiebung nach Armenien begehrt der Antragsteller in der Sache eine Gestattung der Wiedereinreise, die entweder durch Zustimmung zur Erteilung eines Einreisevisums durch die dafür zuständige Auslandsvertretung erfolgen könnte (§ 63 Abs. 3 AuslG) oder durch Erteilung einer Betretenserlaubnis nach § 9 Abs. 3 AuslG (vgl. Funke-Kaiser, Gemeinschaftskommentar AuslR, § 50 RdNr. 80). Mit diesem Anliegen verfolgt der Antragsteller allerdings die Einräumung einer Rechtsposition, die ihm zulässigerweise alsbald wieder genommen werden müsste. Unter diesen Umständen vermag das private Interesse des Antragstellers an der Rückgängigmachung der Vollziehung - trotz eindeutig rechtswidriger Abschiebung - ausnahmsweise nicht zu überwiegen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 01.12.1988 - 18 B 1731/88 - unter Berufung auf den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB; zitiert nach Juris).

Der Antragsteller hielt sich vor seiner Abschiebung unerlaubt im Bundesgebiet auf und war vollziehbar ausreisepflichtig. Er verfügte weder über einen Aufenthaltstitel noch konnte er das Bestehen von Abschiebungshindernissen oder Duldungsgründen geltend machen. Es ist auch bis heute nichts dafür ersichtlich, dass er im Falle einer korrekten Androhung der Abschiebung etwaige Abschiebungshindernisse in Bezug auf Armenien hätte geltend machen können. Alleiniger Grund für die gerichtliche Aussetzung der Abschiebung war der rechtswidrige Verzicht auf eine Abschiebungsandrohung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form. Würde der Antragsteller mit einem Visum oder einer Betretenserlaubnis wieder einreisen, dürfte er nicht besser gestellt sein als vor der Abschiebung am 12.10.2002, wäre also wiederum aufgrund Gesetzes ausreisepflichtig. Der Antragsgegner wäre wiederum gehalten, die Ausreisepflicht durchzusetzen, indem er unter Benennung des Zielstaates eine korrekte Abschiebungsandrohung mit Fristsetzung erlässt und den Antragsteller ggf. erneut abschiebt.

Die vorliegende Konstellation ist auch nicht zu vergleichen mit derjenigen, über die das VG Chemnitz mit Beschluss vom 07.12.1999 (AZ. 7 K 2456/99) - und ihm folgend das OVG Bautzen im Beschluss vom 23.12.1999 (Az. 3 S 810/99) - zu befinden hatte und auf die sich der Antragsteller bezieht. In diesem Verfahren wurde die Rückholung einer rechtswidriger Weise in die Türkei abgeschobenen Familie angeordnet, weil eines der minderjährigen Kinder zwecks Durchführung eines Asylverfahrens über eine Aufenthaltsgestattung im Sinne des § 55 Abs. 1 AsylVfG verfügte und folglich nicht ausreisepflichtig war. Durch die Abschiebung wurde ihm der verfassungsrechtlich gewährleistete Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens genommen. Mit dem Aufenthaltsrecht des minderjährigen Kindes bestand zudem eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung hinsichtlich der übrigen Familienmitglieder, weil insoweit eine in Form einer Beistandsgemeinschaft geführte familiäre Lebensgemeinschaft bestand, die unter dem besonderen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG steht und zu einem Duldungsanspruch nach § 55 Abs. 2 AuslG führte. Im Unterschied zum vorliegenden Verfahren bestand danach für jedes einzelne Familienmitglied ein Eingriff in materiellrechtliche Positionen, die es geboten, die Vollzugsfolgen umgehend rückgängig zu machen und vor allem das asylsuchende Kind in die Lage zu versetzen, die ihm zustehenden Rechte hier auch wahrzunehmen. Solche Rechte sind für den Antragsteller allerdings nicht ersichtlich.

Zu einem anderen Ergebnis kann auch nicht der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 17.12.2002 führen, der heute bei Gericht einging. Es ist bis heute nicht dargelegt, worauf der Antragsteller seine Annahme stützt, entgegen den Feststellungen des Antragsgegners nach Spanien einreisen und sich dort aufhalten zu können.

Der Antrag auf Beseitigung der unmittelbaren Folgen der rechtswidrigen Abschiebung konnte nach alledem keinen Erfolg haben. Weitergehende Ansprüche sind dadurch allerdings nicht ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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