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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.02.2002
Aktenzeichen: 14 B 9/02
Rechtsgebiete: VwGO, AuslG, DVAuslG, HumHAG, GG, EMRK


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123 Abs. 1
AuslG § 8 Abs. 1 Nr. 2
AuslG § 9 Abs. 1 Nr. 2
AuslG § 17
AuslG § 19
AuslG § 44 Abs. 1 Nr. 3
AuslG § 69 Abs. 2
AuslG § 69 Abs. 3
DVAuslG § 11 Abs. 1 Nr. 1
HumHAG § 1
HumHAG § 2 a
GG Art. 6
EMRK Art. 8
1. Zulässiger Eilrechtsschutz gegen die Ablehnung einer Aufenthaltsgenehmigung nach unerlaubter Einreise ist nur nach § 123 Abs. 1 VwGO zu erlangen.

2. Eine aufgrund Gesetzes erloschene Aufenthaltserlaubnis wegen zwischenzeitlich erfolgter Ausreise kann auch dann nicht verlängert werden, wenn noch während des Bestehens der Aufenthaltserlaubnis ein Anspruch auf ein eigenständiges Bleiberecht entstanden ist.

3. Reine Besuchskontakte zwischen nicht sorgeberechtigtem Vater und minderjährigem Kind begründen keine Beistandsgemeinschaft i.S. einer familiären Lebensgemeinschaft


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 14 B 9/02

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Aufenthaltserlaubnis

- Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung -

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 14. Kammer - am 07. Februar 2002

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

Der Streitwert wird auf 4.000,00 € festgelegt.

Gründe:

I.

Der am 21.04.1955 geborene Antragsteller ist russischer Staatsangehörigkeit. Am 04.12.1996 reiste er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem 1991 geborenen Sohn erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Einreise erfolgte aufgrund eines Aufnahmebescheides des Bundesverwaltungsamtes, den die Ehefrau des Antragstellers als jüdische Emigrantin aus der SU schon 1992 erhalten hatte. Der Antragsteller und sein Sohn waren darin als Familienangehörige aufgeführt. Am 20.12.1996 erhielt der Antragsteller von der Ausländerbehörde des Antragsgegners eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und eine Bescheinigung über die Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommener Flüchtlinge (HumHAG).

Am 04.10.1999 ließ sich der Antragsteller vom Antragsgegner eine Bescheinigung über das Bestehen einer Aufenthaltserlaubnis für sich und seine im März 1997 geborene Tochter ausstellen. Am 05.10.1999 wurde der Antragsteller als nach unbekannt verzogen abgemeldet. Wie sich später herausstellte, war er mit seinen beiden Kindern nach Moskau zurückgekehrt, wo die Ehe mit der in der Bundesrepublik Deutschland verbliebenen Ehefrau am 23.08.2000 geschieden wurde. Das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn erhielt der Antragsteller, während die Ehefrau das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter erhielt; letztere kehrten in die Bundesrepublik Deutschland zurück.

Am 22.06.2001 wurde dem Antragsteller in Moskau ein neuer russischer Pass ausgestellt. Für diesen Pass beantragte er unter Vorlage der ausländerbehördlichen Bescheinigung vom 04.10.1999 einen Visumsübertrag, ohne zu erwähnen, dass er sich mittlerweile seit Längerem in Moskau aufgehalten hatte. Der Antragsteller erhielt ein für sechs Tage gültiges Visum und reiste mit diesem am 14.08.2001 erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 16.08.2001 einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis stellte.

Mit Schreiben vom 15.10.2001 wandte sich die geschiedene Ehefrau des Antragstellers an das Landesamt für Ausländerangelegenheiten und teilte mit, dass ihr geschiedener Ehemann im Oktober 1999 nach Russland zurückgekehrt sei, weil er mit dem Leben in Deutschland nicht zufrieden gewesen sei. Er habe heimlich beide Kinder mitgenommen; über acht Monate hinweg habe sie keinen Kontakt zu den Kindern gehabt. Den gemeinsamen Sohn habe er jetzt in Russland zurückgelassen, ihn aber hier angemeldet und für ihn Kindergeld beantragt. Ihre Tochter wolle den Vater nicht sehen. Sie habe Angst vor ihm, dass er sie wieder mitnehmen könnte. Nach dem Zusammenleben mit ihrem Vater in Moskau sei sie psychisch sehr krank gewesen.

Bei einer persönlichen Vorsprache bei der Ausländerbehörde erklärte der Antragsteller am 19.11.2001, dass er seine Tochter einmal in der Woche für ca. zwei Stunden sehe, am letzten Wochenende habe er sie am Freitag, Samstag und Sonntag gesehen und mit ihr gespielt. Er telefoniere auch häufiger mit ihr. Dies gehe so seit Ende Oktober. Sein Ziel sei es, dass seine Kinder wieder zusammenkämen.

Nach einer entsprechenden Anhörung lehnte der Antragsgegner die begehrte Aufenthaltsgenehmigung für die Bundesrepublik Deutschland mit Bescheid vom 17.12.2001 ab und forderte den Antragsteller binnen eines Monats zur Ausreise auf. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung in die Russische Föderation angedroht. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller bereits 1996 ein unabhängiges Aufenthaltsrecht im Sinne des § 19 Abs. 4 AuslG erworben habe, welches aufgrund seines Aufenthaltes in Moskau gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG erloschen sei. Eine Verlängerung der erloschenen Aufenthaltserlaubnis komme nicht mehr in Betracht; auch bestehe kein Recht auf Wiederkehr. Der Antragsteller habe gegenüber der Deutschen Botschaft einen falschen Sachverhalt angegeben und dadurch ein Einreisevisum ohne Zustimmung der Ausländerbehörde erhalten, obwohl ihm nur ein Besuchsvisum zugestanden hätte. Schon wegen dieses Visumsverstoßes könne er auch keine anderweitige Aufenthaltsgenehmigung beanspruchen. Schließlich stehe auch die Beziehung zu seiner Tochter der Ausreisepflicht und Abschiebungsandrohung nicht entgegen, weil es sich hier um eine bloße Begegnungsgemeinschaft handele.

Den dagegen am 28.12.2001 erhobenen Widerspruch begründete der Antragsteller damit, dass er während seines Aufenthaltes von 1996 bis 1999 in der Bundesrepublik Deutschland in ehelicher Lebensgemeinschaft gelebt und damit ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 4 AuslG erworben habe, welches unabhängig von einem vorübergehenden Aufenthalt in Moskau bestehe. Darüber hinaus sei wegen der Beziehung zu seiner Tochter § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG entsprechend zu berücksichtigen. Im übrigen bedeute es für seine Tochter eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 22 AuslG, wenn sie von ihrem Vater wieder getrennt würde. Er habe stets versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen, dies habe die Mutter jedoch verhindert. Zum Beleg dafür, dass das Verhältnis zu seiner Tochter nicht nur eine bloße Begegnungsgemeinschaft sei, verweist der Antragsteller auf zwei (gleichlautende) Schreiben an den Antragsgegner. Soweit er unkorrekte Angaben im Visumsverfahren gemacht habe, beruhe dies auf Unkenntnis.

Am 16.01.2002 hat der Antragsteller unter Bezugnahme auf seine Widerspruchsbegründung um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Er beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 17.12.2001 wieder herzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt des ergangenen Bescheides.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Antragsgegners verwiesen.

II.

Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO - der im vorliegenden Fall auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zu richten wäre (§ 72 Abs. 1 AuslG und § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO iVm. § 248 Abs. 1 LVwG) - ist hinsichtlich der erfolgten Ablehnung der beantragten Aufenthaltsgenehmigung unzulässig. Insoweit hat der Bescheid vom 17.12.2001 keinen belastenden Inhalt, dessen Vollziehung ausgesetzt werden könnte. Der Antragsteller hat durch die Ablehnung auch keine anderweitigen Rechtspositionen verloren, die durch die Suspendierung derselben wieder aufleben könnten.

Obwohl der Antragsgegner dem Antragsteller zunächst entsprechende Bescheinigungen nach § 69 Abs. 3 bzw. § 69 Abs. 2 AuslG ausgestellt hat, vermochte der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung vom 16.08.2001 tatsächlich keinen fiktiven Aufenthaltsstatus im Sinne der genannten Vorschriften auszulösen. Die Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3 AuslG scheitert daran, dass der Antragsteller weder mit einem mit Zustimmung der Ausländerbehörde erteilten Visum eingereist ist noch sich seit mehr als sechs Monaten rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Auch die Duldungsfiktion des § 69 Abs. 2 AuslG kommt nicht in Betracht, weil der Antragsteller gemäß den zutreffenden Feststellungen des Antragsgegners unerlaubt, nämlich ohne die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung, eingereist ist (§ 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 iVm. § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). Dazu gehört auch, wer unbeanstandet einreist, aber nicht über diejenige Aufenthaltsgenehmigung in Form eines Visums verfügt, die er nach dem angestrebten Aufenthaltszweck in Wirklichkeit benötigt (Kanein/Renner, AuslR, § 69 Rd. 15). Die Deutsche Botschaft hatte dem Antragsteller ein Einreisevisum in dem Glauben erteilt, dass er im Besitz einer fortdauernden Aufenthaltserlaubnis sei und in Unkenntnis der Tatsache, dass der Antragsteller sich zwischenzeitlich länger als sechs Monate außerhalb der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hatte (mit der Folge, dass die Aufenthaltserlaubnis erloschen war, vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG, dazu noch unten). Für die Einreise zum Zwecke eines erneuten, längeren Aufenthaltes in die Bundesrepublik Deutschland hätte es deshalb gemäß § 3 Abs. 3 AuslG iVm. § 11 Abs. 1 Nr. 1 DVAuslG eines Visums mit vorheriger Zustimmung der Ausländerbehörde des Antragsgegners bedurft. Die Frage, ob dem Antragsteller diese rechtliche Relevanz bewusst gewesen ist, bleibt dabei ohne Belang.

Beinhaltet der angegriffene Ablehnungsbescheid dem gemäß für den Antragsteller keine belastende Folge, bleibt für das vorläufige Rechtsschutzverfahren nur die Möglichkeit eines Antrages gemäß § 123 Abs. 1 VwGO. Dieser hätte aber auch keinen Erfolg, da der Antragsteller einen Anordnungsanspruch, also einen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bestehenden Rechtsanspruch auf die begehrte Genehmigung, nicht glaubhaft gemacht hat.

Eine Verlängerung der am 20.12.1996 unbefristet erteilten Aufenthaltserlaubnis kommt schon begrifflich und auch nach Sinn und Zweck des geltend gemachten § 19 AuslG nicht in Betracht. Diese Vorschrift gilt gemäß ihrem Abs. 1 nur für diejenigen Ausländer, die bislang im Besitz einer akzessorischen und befristeten Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit einem in der Bundesrepublik lebenden Ehegatten waren und eröffnet für den Fall der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Möglichkeit eines eigenständigen Aufenthaltsrechts. Nicht anwendbar ist diese Vorschrift folglich für die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder die Neuerteilung einer durch Widerruf, Rücknahme oder sonstigen Tatbestand erloschenen Aufenthaltserlaubnis, selbst wenn dies durch die Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft veranlasst ist. Vorauszusetzen ist vielmehr das Anknüpfen an eine vor oder nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft abgelaufenen Aufenthaltserlaubnis, wobei die Verlängerung rechtzeitig beantragt werden muss (vgl. GK AuslR, § 19 Rd. 21 ff.).

Dem gemäß kann der Antragsteller schon deshalb keine Verlängerung der innegehabten Aufenthaltserlaubnis verlangen, weil diese von vornherein unbefristet erteilt wurde und daher nach dem Gedanken des § 19 Abs. 4 AuslG als ein von Anfang an eigenständiges Aufenthaltsrecht zu bewerten ist. Selbst wenn man also annehmen wollte, dass er parallel zu der schon eingeräumten Rechtsstellung einen weiteren Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis erworben haben sollte, so ist dieser mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vom 20.12.1996 zugleich erfüllt worden und damit "verbraucht".

Zum anderen ist die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers während seines Aufenthaltes in Moskau erloschen. Dies gilt zunächst gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG, weil der Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist. Unstreitig verließ der Antragsteller die Bundesrepublik Deutschland im Oktober 1999 und kehrte erst im August 2001 zurück, ohne während seines auswärtigen Aufenthaltes eine Verlängerung der gesetzlichen Sechs-Monats-Frist zu beantragen. Eine der in den nachfolgenden Absätzen des § 44 AuslG aufgelisteten Ausnahmen dieser Grundregel greift nicht ein.

§ 44 AuslG gilt grundsätzlich für alle Formen der Aufenthaltsgenehmigung im Sinne des § 5 AuslG (GK-AuslR, § 44 Rn. 14). Ob vorliegend etwas anderes gilt, weil das HumHAG (vom 22.07.1980, BGBl. I, S. 1057) außerhalb des AuslG vorrangige Regelungen über die Erteilung und das Erlöschen von Aufenthaltserlaubnissen für die im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommenen Flüchtlinge beinhaltet und deshalb § 2 a Abs. 1 Nr. 1 HumHAG die Regelung des § 44 AuslG verdrängt, kann dahinstehen. Auf jeden Fall wäre die dem Antragsteller wegen der zuerkannten Rechtsstellung nach § 1 Abs. 1 HumHAG gemäß § 1 Abs. 3 HumHAG erteilte Aufenthaltserlaubnis dann nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1 HumHAG erloschen, weil sich der Antragsteller freiwillig und durch Erneuerung seines russischen Nationalpasses wieder dem Schutz des Staates unterstellt hatte, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Ohne Belang ist schließlich, ob der Antragsteller diese Rechtstellung und diese Form der Aufenthaltserlaubnis ursprünglich rechtmäßig erhalten hatte, da sie jedenfalls wirksam erteilt und bestandskräftig geworden war.

Dem gemäß war die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers spätestens im April 2000 von Gesetzes wegen erloschen. Eine erloschene Aufenthaltserlaubnis kann nicht verlängert werden.

Der Antragsteller hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG aber auch keinen Anspruch auf Erteilung einer anderweitigen Aufenthaltsgenehmigung, weil er mit einem Visum eingereist ist, das aufgrund seiner eigenen Angaben ohne die erforderliche Zustimmung der Ausländerbehörde erteilt worden ist. Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Rahmen der Zulässigkeit auf S. 5 verwiesen. Eine ausnahmsweise Zulassung der Einholung der Aufenthaltsgenehmigung nach der Einreise gemäß § 3 Abs. 3 S. 2 AuslG iVm. § 9 Abs. 2 DVAuslG kommt nicht in Betracht, da der Antragsteller weder durch Eheschließung einen gesetzlichen Anspruch erworben hat (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG) noch erlaubt eingereist ist (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 u. 3 DVAuslG).

Schließlich kann sich der Antragsteller auch nicht mit Erfolg auf die Ausnahmemöglichkeit des § 9 Abs. 1 Nr. 2 AuslG berufen, weil die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung offensichtlich erfüllt wären. § 71 Abs. 2 S. 1 AuslG schreibt insoweit vor, dass Rechtsbehelfe gegen die Versagung der Aufenthaltsgenehmigung nach § 8 AuslG vor der Ausreise nur darauf gestützt werden können, dass der Versagungsgrund nicht vorliegt (Schl.-Holst. OVG, Beschl. vom 12.03.1992, InfAuslR 1992, 125 und Beschl. vom 30.12.1993 - 4 M 118/93 -; VGH Baden-Württemberg, InfAuslR 1997, 242). Ob von diesem Grundsatz wiederum eine Ausnahme zu machen ist, wenn offensichtlich ein Rechtsanspruch besteht, die Ausländerbehörde ihre Ablehnung allein auf den Visumsverstoß stützt und die nachträgliche Einholung des ordnungsgemäßen Visums bei der Deutschen Auslandsvertretung als unzumutbar erscheint (so OVG Rheinland-Pfalz, InfAuslR 1995, 202; OVG Bremen, InfAuslR 1995, 217 und OVG Lüneburg in NVwZ-RR 1997, 68), kann dahinstehen, weil diese Voraussetzungen nicht erfüllt werden.

Zutreffend hat die Ausländerbehörde des Antragsgegners die Versagung der Aufenthaltsgenehmigung auch auf das Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Anspruchsgrundlagen gestützt. So kommt § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG schon deshalb nicht in Betracht, weil die minderjährige ledige Tochter des Antragstellers nicht deutsche Staatsangehörige ist. Ausländischen Familienangehörigen eines Ausländers können für die Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft aber nur nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 AuslG Aufenthaltserlaubnisse erteilt werden. Diese wird jedoch - ebenso wie ein etwaiger Anspruch nach § 22 AuslG wegen Vorliegens einer außergewöhnlichen Härte - nur im Ermessenswege erteilt, so dass von dem Vorliegen eines offensichtlichen Anspruches jedenfalls schon deshalb nicht ausgegangen werden kann. Schließlich kommt an dieser Stelle auch kein Rückgriff auf Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK in Betracht. Beide schützen zwar die familiären Bindungen eines ausländischen Antragstellers, begründen selbst aber keinen Anspruch auf Aufenthalt, sondern verpflichten die Behörde lediglich, bestehende familiäre Bindungen im Bundesgebiet bei der Anwendung offener Tatbestände und bei der Ermessensausübung pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz von Ehe und Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG oder auch Art. 8 EMRK, dass die zuständigen Behörden bei der Entscheidung über den Aufenthalt die familiären Bindungen an im Bundesgebiet berechtigterweise lebende Personen angemessen berücksichtigt (dazu BVerfGE 80, 81; BVerwGE 106, 13 und BVerwG InfAuslR 1998, 279).

Eine Ermessensreduzierung im Rahmen des § 17 Abs. 1 oder des § 22 AuslG (die Frage der außergewöhnlichen Härte offen lassend) mit der Folge eines offensichtlichen Anspruches auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen der Beziehung zur minderjährigen Tochter ergibt sich daraus aber nicht. Eine vom Schutzbereich des Art. 6 GG umfasste familiäre Beziehung besteht erst dann, wenn diese Beziehung eine Qualität erreicht, die das Ausländergesetz mit dem Begriff der familiären Lebensgemeinschaft umschreibt (BVerwG, InfAuslR 1998, 279). Leben Familienmitglieder nicht in familiärer Lebensgemeinschaft zusammen, sondern - wie hier - getrennt, bedarf es zusätzlicher Anhaltspunkte, um gleichwohl eine familiäre Lebensgemeinschaft annehmen zu können. Solche Anhaltspunkte können im Verhältnis zu einem Vater und seinem Kind etwa in intensiven Kontakten, gemeinsam verbrachten Ferien, der Übernahme eines nicht unerheblichen Anteils an der Betreuung und der Erziehung eines Kindes oder sonstigen vergleichbaren Beistandsleistungen liegen, die geeignet sind, das Fehlen eines gemeinsamen Lebensmittelpunktes weitgehend auszugleichen. Erschöpft sich der familiäre Kontakt aber in Besuchen, fehlen also darüber hinausgehende Beistandsleistungen oder andere Formen eines familiären Kontaktes, handelt es sich um eine bloße Begegnungsgemeinschaft, bei der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Versagung des Aufenthalts auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 GG unbedenklich ist, soweit keine Lebensverhältnisse bestehen, die einen über die Aufrechterhaltung der Begegnungsgemeinschaft hinausgehenden Schutz angezeigt sein lassen (BverfG, InfAuslR 1996, 341; BVerfGE 80, 81). Diese gesetzgeberische Wertentscheidung ist auch mit Art. 8 EMRK vereinbar (BVerwG InfAuslR 1998, 279). Obwohl Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem Begriff des "Familienlebens" einen umfassenderen Schutzbereich als Art. 6 GG beschreibt, vermittelt er doch keinen weitergehenden Schutz (BVerwGE 106, 13).

Der Antragsteller hat nicht ansatzweise glaubhaft gemacht, dass es sich bei der Beziehung zu seiner minderjährigen Tochter, für die er nicht sorgeberechtigt ist, um eine über die bloße Begegnungsgemeinschaft hinausgehende Beistandsgemeinschaft handelt. Er hat lediglich vorgetragen, seine Tochter seit Ende Oktober 2001 einmal in der Woche für zwei Stunden zu besuchen und gelegentlich mit ihr zu telefonieren. Selbst wenn dieser Besuch an Wochenenden täglich stattfinden sollte, lassen sich damit keine Beistandsleistungen im oben genannten Sinne begründen. Vor der behaupteten Kontaktaufnahme im Oktober 2001 muss der Antragsteller zu seiner Tochter über ein Jahr lang gar keinen Kontakt gehabt haben. Noch Mitte Oktober hatte die geschiedene Ehefrau des Antragstellers mitgeteilt, dass ihre Tochter wegen des Aufenthalts in Moskau psychische Schäden davongetragen habe und keinen Kontakt zu ihrem Vater wünsche. Abgesehen davon hätte es insbesondere wegen dieser widersprüchlichen Mitteilung einer Glaubhaftmachung in Form einer eidesstattlichen Versicherung bedurft, um vom Bestehen der erforderlichen engen Kontakte ausgehen zu können. Nach alledem hat der Antragsteller das Bestehen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft gemacht.

Soweit er sich zugleich gegen die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung in die Russische Föderation wendet, ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zulässig, jedoch unbegründet, da sich diese Maßnahmen als offensichtlich rechtmäßig erweisen und deshalb das öffentliche Interesse an der Vollziehung dieser Maßnahmen überwiegt. Der Antragsteller ist gemäß §§ 49 Abs. 1, 42 Abs. 2 AuslG vollziehbar ausreisepflichtig und die Abschiebungsandrohung entspricht den Vorgaben des § 50 Abs. 1 und 2 AuslG. Abschiebungshindernisse nach §§ 51, 53 AuslG sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Schließlich besteht nach den obigen Ausführungen auch keine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne des § 55 Abs. 2 AuslG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Streitwert wurde gemäß §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 S. 2 GKG festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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