Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 24.09.2008
Aktenzeichen: 2 LB 16/08
Rechtsgebiete: KAG SH


Vorschriften:

KAG SH § 10
1. Nach schleswig-holsteinischem Recht ist auch der mittelbar Bevorteilte fremdenverkehrsabgabepflichtig (std. Rspr.).

2. Mittelbare Vorteile haben solche Personen, die mit einem unmittelbar vom Fremdenverkehr Bevorteilten im Rahmen der für den Fremdenverkehr notwendigen Bedarfsdeckung Geschäfte tätigen oder Dienstleistungen erbringen (wie BayVGH, Urt. v. 18.03.1998 - 4 B 95.3470 -, ZKF 1998, 135).

3. Dies gilt u. a. für die Vermietung von Geschäftsräumen an Unternehmen, die ihren Umsatz jedenfalls zum Teil durch den Verkauf von Waren an Touristen erzielen.

4. Das Vorteilsprinzip und die sich aus ihm ergebende Forderung, alle Pflichtigen ihren Vorteilen entsprechend gleichmäßig zu belasten, zwingen nicht dazu, die Vorteile jedes einzelnen Abgabepflichtigen genau zu ermitteln. Für die Gestaltung der Vorteilsstufen genügt eine angenäherte Verhältnismäßigkeit, die einer sich aus der Lebenserfahrung ergebenden pauschalierten Wahrscheinlichkeit Rechnung trägt.

5. Eine Gemeinde darf auf der Grundlage der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung des § 10 KAG in die Kalkulation ihrer Fremdenverkehrsabgabe diejenigen Aufwendungen und Kosten einstellen, die der Gemeinde im Rahmen der Herstellung, Verwaltung und Unterhaltung ihrer öffentlichen Einrichtungen selbst entstehen. Der von einer (Eigen)Gesellschaft betriebene Aufwand ist nicht - gleichzeitig - Aufwand der zur Abgabenerhebung berechtigten Gemeinde (wie Senatsurt. v. 26.04.2006 - 2 LB 40/05 -).


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 LB 16/08

verkündet am 24.09.2008

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Fremdenverkehrsabgabe (2004 und 2005) - Berufungsverfahren -

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richterinnen ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 04. Februar 2008 geändert.

Die Bescheide der Beklagten über eine Tourismusabgabe für die Jahre 2004 und 2005 vom 24. Februar 2006 und der Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2006 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks in der ... im Gebiet der Beklagten. Dort hat sie Geschäftsräume ("...") an das Schuhfachgeschäft "..." vermietet. Mit Bescheiden vom 24. Februar 2006 wurde sie für das Jahr 2004 zu einer Fremdenverkehrsabgabe in Höhe von 286,27 Euro und für das Jahr 2005 in Höhe von 291,42 Euro herangezogen. Bei der Berechnung der Abgabe hatte die Beklagte die von der Klägerin abgegebenen Angaben zum Umsatz und Betriebsgewinn zugrunde gelegt. Gemäß Nr. 119 der Anlage zur Fremdenverkehrssatzung (Tourismusabgabensatzung in der Fassung des 1. Nachtrages vom 12. Mai 2005) ging die Beklagte von einer Vorteilsstufe von 40 % aus und berechnete auf Grund der Angaben der Klägerin einen durchschnittlichen Gewinnsatz von 62 %.

Gegen diese Bescheide legte die Klägerin Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2006 zurückgewiesen wurde. Die Klägerin hat daraufhin am 13. Juni 2006 Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Es bestehe keine Abgabenpflicht, da die Vermietung des Ladengeschäftes keine fremdenverkehrsbezogene entgeltliche Leistung darstelle. Ein konkreter Zusammenhang zwischen einer erhöhten Verdienstmöglichkeit mit dem Fremdenverkehr bestehe nicht. Selbst dann, wenn sie abgabenpflichtig sein sollte, sei es ungerechtfertigt, den mittelbaren Vorteil mit 40 % zu bemessen und sie beispielsweise mit dem Inhaber eines Drogerie- oder Parfümmarktes gleichzusetzen. Auch sei der zugrunde gelegte Gewinnsatz zu beanstanden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Bescheide der Beklagten über eine Tourismusabgabe für die Jahre 2004 und 2005 vom 24. Februar 2006 und den Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2006 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Einzelrichterurteil vom 04. Februar 2008 abgewiesen. Die Klägerin sei als mittelbar Bevorteilte abgabenpflichtig. Gegen den zugrunde gelegten Vorteilssatz von 40 % bestünden keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Hinsichtlich der Umsätze habe die Beklagte die Angaben der Klägerin zugrunde gelegt.

Die Klägerin hat am 29. Februar 2008 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat mit Beschluss vom 09. Mai 2008 stattgegeben hat.

Die Klägerin vertritt weiterhin die Ansicht, dass sie keine Abgabenpflicht treffe, da zwischen dem Fremdenverkehr und der Vermietung der Geschäftsräume ein erforderlicher konkreter Zusammenhang nicht gegeben sei; der Fremdenverkehr bedinge keine erhöhten Verdienstmöglichkeiten. Hilfsweise rügt sie, dass der angenommene pauschalierte Vorteilssatz von 40 % für Vermieter von Geschäftsräumen falsch bemessen sei. Den gleichen Vorteilssatz habe die Beklagte auch für Taxiunternehmen oder Drogerie-Märkte bestimmt, obwohl es bei diesen Unternehmen deutlich auf der Hand liege, dass sie vom Fremdenverkehr unmittelbar profitierten. Die individuelle Gewinnsatzermittlung für Vermieter von Geschäftsräumen führe zu einer Schieflage, da damit der für sie ermittelte Gewinnsatz (62 % bzw. 61 %) den maximalen pauschalen Gewinnsatz für andere Abgabenpflichtige (49 %) deutlich übersteige.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 04. Februar 2008 zu ändern und die Bescheide der Beklagten über eine Tourismusabgabe für die Jahre 2004 und 2005 vom 24. Februar 2006 und den Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin unterliege auf Grund der Vermietung des Ladenlokals an die Firma ... GmbH der Fremdenverkehrsabgabepflicht. Die Klägerin beteilige sich damit mittelbar am örtlichen Fremdenverkehr. Auch die Bemessung der Abgabe sei nicht zu beanstanden.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagte haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Die streitbefangenen Bescheide der Beklagten vom 24. Februar 2006 und der Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2006 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Daher sind die Bescheide unter Änderung der angefochtenen Entscheidung aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Fremdenverkehrsabgabesatzung (Tourismusabgabensatzung in der Fassung des 1. Nachtrages vom 12. Mai 2005) der Beklagten bietet keine Grundlage zur Heranziehung der Klägerin.

Die Klägerin wäre allerdings bei wirksamer Satzung dem Grunde nach fremdenverkehrsabgabepflichtig. Anders als ähnliche Vorschriften in den Kommunalabgabengesetzen einiger anderer Bundesländer (aktuelle Gesetzeslage: § 11 a) Abs. 1 KAG BW; Art. 6 Abs. 1 BayKAG; § 11 Abs. 6 Satz 1 BraKAG; § 35 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG; § 9 a) Abs. 2 Satz 1 KAG LSA; § 8 Abs. 1 TKAG) ist in den Kreis der Fremdenverkehrsabgabepflichtigen nach schleswig-holsteinischem Recht (ebenso nach der aktuellen Gesetzeslage: § 11 Abs. 6 Satz 1 KAG NW; § 12 Abs. 1 Satz 2 KAG RP; § 11 Abs. 3 Satz 1 SKAG; § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG MV) auch der mittelbar Bevorteilte einzubeziehen (vgl. Senatsurteile vom 04.10.1995 - 2 L 220 und 222/95 -, SchlHA 1996, 13 = Die Gemeinde 1996, 82 = GemHH 1997, 115 = KStZ 1997, 93; Thiem/Böttcher, Rdnr. 161ff zu § 10 KAG). Mittelbare Vorteile haben solche Personen, die mit einem unmittelbar vom Fremdenverkehr Bevorteilten im Rahmen der für den Fremdenverkehr notwendigen Bedarfsdeckung Geschäfte tätigen oder Dienstleistungen erbringen (vgl. BayVGH, Urt. v. 18.03.1998 - 4 B 95.3470 -, ZKF 1998, 135).

Die Klägerin ist als Vermieterin von Geschäftsräumen an die Betreiberin eines Schuhgeschäfts mittelbar vom Fremdenverkehr bevorteilt, da ihre Mieterin ihren Umsatz jedenfalls zu einem Teil durch den Verkauf von Waren an Touristen erzielt und damit unmittelbar vom Fremdenverkehr bevorteilt ist. Da die Vorteilsvermittlung an die Klägerin somit durch einen unmittelbar Bevorteilten erfolgt, ist auch der vom BayVGH, a.a.O., geforderte "direkte Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr" gegeben.

Der engeren Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg (Urt. v. 12.01.1995 - 2 S 505/93 -, VGHBW-Ls 1995, Beilage 4, B5 = BWGZ 1995, 215) folgt der Senat nicht. Der VGH BW hat einen "konkreten", "direkten" bzw. "typischen und offen-sichtlichen" Zusammenhang zwischen der erhöhten Verdienstmöglichkeit und dem Fremdenverkehr gefordert und diesen bei der Vermietung von Geschäftsräumen an einen Lebensmittelmarkt verneint. Zwar sei davon auszugehen, dass der Betreiber des Lebensmittelmarktes unmittelbar Vorteile aus dem Fremdenverkehr ziehe, weil bei ihm auch die Benutzer des nahegelegenen Campingplatzes sowie die Inhaber von Ferienwohnungen einkauften. Aus dem Umstand, dass der Kläger mit einem vom Fremdenverkehr unmittelbar Bevorteilten durch Vermietung in Vertragsbeziehungen eingetreten sei, folge jedoch noch nicht, dass dem Kläger aus dem Fremdenverkehr mittelbare Vorteile zugewachsen seien. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der unmittelbar Bevorteilte die von seinem "Lieferanten" erhaltene Leistung an den Endverbraucher weiterreiche. Dies sei im Falle der Vermietung von Geschäftsräumen nicht der Fall. Dass der Kläger die Verkaufsfläche zur Verfügung stelle, die es erst ermögliche, Geschäfte mit Fremden abzuschließen, habe mit der eigentlichen Bedarfsdeckung nichts zu tun.

Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Sie steht bereits im Widerspruch zu anderen - dort (Urt. v. 12.01.1995 - 2 S 505/93 -, a.a.O.), zitierten - Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg. Wenn nämlich die Vermietung von Hotelräumen an einen Betreiber eines Hotels oder der Errichtung eines Parkhauses durch einen Bauunternehmer einen mittelbaren Vorteil am Fremdenverkehr begründen soll, so ist der Unterschied zur Vermietung von Verkaufsräumen nicht erkennbar.

Diese Auffassung ist auch mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats nicht vereinbar. Das OVG Schleswig-Holstein ist bisher stets davon ausgegangen, dass derjenige, der geschäftliche Beziehungen zu einem unmittelbar Bevorteilten - und zwar mit ihm in dieser Eigenschaft - unterhält, eben durch diesen vermittelt und deshalb mittelbar bevorteilt ist. Daraus folgt z.B., dass ein Notar, der einen Vertrag zu einem Gegenstand beurkundet, der ein den Fremdenverkehr berührendes Projekt betrifft, einen mittelbaren Vorteil erhält (vgl. Senatsurteile vom 04.10.1995 - 2 L 220 und 222/95 -, a.a.O.), ebenso derjenige, der Waren liefert oder Leistungen erbringt, die einem Anderen dann die Leistung an einen Touristen ermöglichen (VGH Bayern, Beschl. v. 12.06.2003 - 4 CS 02.1220 -, Kommunal-Praxis BY 2003, 26 = BayVBl. 2003, 727: Vermietung von Räumen zur Nutzung als Massagepraxis oder als Apotheke <Beschlüsse v. 11.04.1995 - 4 CZ 95.237 - oder als Einzelhandelsgeschäft - 4 CZ 95.238 -> oder als Arztpraxis <Beschl. v. 15.11.1989, GK 1990 Rdnr. 54>; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.09.1998 - 6 A 10215/98 -, DÖV 1999, 215 = NVwZ-RR 1999, 270: Verpächter einer Kurklinik). Es besteht auf der Grundlage dieser Rechtsprechung kein Anlass, den Fall der Bereitstellung von Geschäftsräumen an jemanden, der dann in diesen Räumen Leistungen an Touristen erbringt, anders zu bewerten.

Wenn der Verwaltungsgerichtshof Bayern im Beschl. v. 14.10.2002 - 4 Z.B. 02.583 -(KommunalPraxis BY 2003, 26 = BayVBl. 2003, 727) den Vermieter von Räumen, die dann als Bankfiliale genutzt werden, nicht als im ausreichenden Maße als mittelbar Bevorteilten gesehen hat, so erscheint dies inkonsequent. Der VGH sieht dies nämlich allein unter dem Gesichtspunkt, dass die in diesen Räumen betriebene Bankfiliale Geschäfte mit unmittelbar am Fremdenverkehr Beteiligten tätigt, vernachlässigt jedoch, dass eine Bank auch in einen unmittelbaren Kontakt zu Touristen tritt, die z.B. Geld aus einem Geldautomaten ziehen.

Die von der Klägerin gerügten Bemessungsgrundlagen der geforderten Abgabe halten ebenso einer rechtlichen Überprüfung stand. Dies betrifft sowohl den von der Beklagten in der "Abg. Nr. 122" der "Anlage zur Satzung" in Spalte IV festgesetzten "Vorteilssatz" von 60 %, der statt des in den Bescheiden angenommenen Vorteilssatzes von 40 % nach Nr. 119 zugrunde zu legen wäre, als auch den im Wege der Einzelermittlung und damit aufgrund der Selbstangabe der Klägerin gewonnenen Gewinnsatz i.H.v. 62 %.

An die Gestaltung der Vorteilsstufen sind keine überzogenen rechtlichen Anforderungen zu stellen. Da es nicht um die Besteuerung des fremdenverkehrsbedingten Umsatzzuwachses geht, sondern lediglich eine den unterschiedlichen Vorteilen der Personengruppen und Betriebsarten entsprechende Verteilung der Aufwendungen der Gemeinde für Fremdenverkehr erreicht werden soll, ist es nicht erforderlich, dass die auf den einzelnen Abgabepflichtigen entfallende Abgabe in einem genauen Verhältnis zu seinem wirklich aus dem Fremdenverkehr gezogenen Vorteil steht (vgl. Thiem/Böttcher, Rdnr. 184 c) zu § 10 KAG). Vielmehr muss, weil die gebotenen Vorteile nicht exakt messbar sind (Senatsurt. v. 22.12.1999 - 2 L 134/04 -, Die Gemeinde 2000, 198), auf einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zurückgegriffen werden, der hinreichende Gewähr dafür bietet, dass die Abgabepflichtigen in ihrem Verhältnis untereinander, entsprechend den gebotenen Vorteilen, anteilig an den Aufwendungen für die Fremdenverkehrsförderung beteiligt werden (Senatsbeschl. v. 15.11.2004 - 2 MB 147/04 -). Es genügt eine angenäherte Verhältnismäßigkeit, die einer sich aus der Lebenserfahrung ergebenden pauschalierten Wahrscheinlichkeit Rechnung trägt. Das Vorteilsprinzip und die sich aus ihm ergebende Forderung, alle Pflichtigen ihren Vorteilen entsprechend gleichmäßig zu belasten, zwingen die Beklagte nicht dazu, die Vorteile jedes einzelnen Abgabepflichtigen genau zu ermitteln.

Die in der Satzung vorgenommene Bestimmung des Vorteilssatzes, also des fremdenverkehrsbedingten Anteils am Gesamtumsatz der Klägerin, erscheint auch nicht als augenscheinlicher Fehlgriff. Die Beklagte hat den Vorteilssatz des unmittelbar bevorteilten Unternehmers mit 80 % (vgl. Anlage zur Satzung, Nr. 36) höher festgesetzt als bei der Klägerin, die als Vermieterin der Geschäftsräume die Vorteile des Fremdenverkehrs durch ihn vermittelt erhält und deshalb mittelbar bevorteilt ist (60 %, vgl. Anlage zur Satzung, Nr. 122). Die Beklagte hat damit eine Abstufung vorgenommen; die konkreten Werte dieser Stufenbildung erscheinen plausibel.

Rechtlich fehlerfrei ist auch, den in die Berechnung der Fremdenverkehrsabgabe einfließenden Vorteilssatz der Klägerin mit 62 % festzulegen. Dies ist der Satz, den die Klägerin selbst auf der Grundlage ihrer eigenen Einnahme-Überschuss-Rechnung ermittelt und mitgeteilt hat.

Die Beklagte hat zwar bei den weitaus meisten der Betriebsarten in ihrer Satzungsanlage Gewinnsätze festgelegt, die sich in der Bandbreite von 2 % bis 49 % bewegen. Die Ermittlungsgrundlagen hierzu spiegeln ein methodisch plausibles Vorgehen wider. Wenn in der diesem Rechtsstreit zugrunde zu legenden Fassung der Satzung - anders als die seit dem 01. Januar 2007 geltende, die für "Vermietung/Verpachtung von Geschäftsräumen an Einzelhandelsunternehmen" einen Gewinnsatz von 53 % festlegt - mit der Festsetzung "EE" eine Einzelermittlung und ein Abstellen auf die konkreten Gegebenheiten und die individuelle Kostenquote gelten soll, so liegt dies offensichtlich allein daran, dass in diesem Zeitraum noch nicht genügend tatsächliche Grundlagen für eine abstrakt-generelle Regelung zur Verfügung standen.

Die von der Klägerin erhobene Berufung ist jedoch begründet, weil der in § 5 Satz 2 der Satzung festgesetzte Abgabesatz auf einer rechtsfehlerhaften Kalkulation beruht, deshalb unwirksam ist und für die Heranziehung der Klägerin somit keine wirksame satzungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage besteht. Die Kalkulation beruht nicht auf geschätzten eigenen Aufwendungen der Beklagten, sondern stellt in unzulässiger Weise allein auf Aufwendungen der T-S W GmbH & Co. KG ab.

Auf der Grundlage der bis zum 31. Dezember 2006 und damit für dieses Verfahren geltenden Fassung des § 10 KAG sind berücksichtigungsfähig nur diejenigen Aufwendungen und Kosten, die der Gemeinde im Rahmen der Herstellung, Verwaltung und Unterhaltung ihrer öffentlichen Einrichtungen selbst entstehen (Senatsurt. v. 26.04.2006 - 2 LB 40/05 -). Dazu gehören die Entgelte für die zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe in Anspruch genommenen Leistungen Dritter. Bedient sich eine Gemeinde aber bei der Erfüllung ihrer Aufgaben der Rechtsformen des Privatrechts, so ist sie an dieser Entscheidung festzuhalten. Sie kann nicht einerseits die Vorteile der privatrechtlichen Ausgestaltung für sich in Anspruch nehmen, andererseits aber zugleich als öffentliche Hand die Verluste der privatrechtlichen Gesellschaft durch Erhebung von öffentlich-rechtlichen Entgelten abdecken.

Die T-S W GmbH & Co. KG ist zwar keine juristische Person, aber dennoch als rechtlich selbständige Trägerin von Rechten und Pflichten anerkannt. Sie tritt unter ihrer Firma im Rechtsverkehr selbständig auf (Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 33. Aufl., Rn 2 zu § 161 sowie Rn 1 und 2 zu § 124). Der von ihr betriebene Aufwand ist deshalb nicht - gleichzeitig - Aufwand der zur Abgabenerhebung berechtigten Gemeinde (Senatsurt. v. 26.04.2006 - 2 LB 40/05 -).

Bei Erstellung der für die im Streit befindlichen Abgaben maßgeblichen Kalkulation bestand zwischen der Beklagten und der mit der Durchführung der Aufgabe beauftragten T-S W GmbH & Co. KG keine Vereinbarung über ein festes Entgelt, sondern nach Art. 2 des Vertrages war die Beklagte lediglich verpflichtet, den aus der Auftragsdurchführung entstandenen, nicht durch die hieraus erwirtschafteten Erlöse gedeckten Aufwand der Gesellschaft zu vergüten. Diese betragsmäßig nicht bestimmte Verlustabdeckung ist nicht identisch und nicht kongruent mit den in § 10 Abs. 1 KAG a.F. angesprochenen Aufwendungen (Senatsurt. v. 26.04.2006 - 2 LB 40/05 -).

Nach § 1 der Fremdenverkehrsabgabesatzung soll die Abgabe zur Deckung eines Anteils von 41 % vom städtischen Aufwand für die Fremdenverkehrswerbung dienen. Städtischer Aufwand entstand aber nicht in Höhe der veranschlagten 1,7 Millionen Euro, die die Kalkulation für die T-S W GmbH & Co. KG ausweist, sondern allenfalls in Höhe des nicht durch sonstige Erlöse gedeckten Betrages, der mit ca. 700.000 Euro veranschlagt wurde. Auch wenn nach der Kalkulation nur eine Teildeckung von 500.000 Euro angestrebt wurde, bezieht sich der Abgabesatz von 1,46 % nicht auf den städtischen Aufwand, sondern auf den Gesamtaufwand der T-S W GmbH & Co. KG. Damit widerspricht die Kalkulation auch § 1 der Satzung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da hierfür gemäß § 132 Abs. 2 VwGO keine Gründe vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 577,69 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück