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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 22.06.2009
Aktenzeichen: 2 LB 20/09
Rechtsgebiete: BAföG, EMRK, GG


Vorschriften:

BAföG § 2 Abs. 1 a
BAföG § 2 Abs. 2 Nr. 1
EMRK Art. 8
GG Art. 6
Für den Besuch einer Schule iSv § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG besteht auch dann kein Anspruch auf Ausbildungsförderung, wenn ein Elternteil mit einem Lebenspartner in einer geeigneten Wohnung lebt und beide die Aufnahme des Auszubildenden ablehnen.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 LB 20/09

verkündet am 22.06.2009

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Ausbildungsförderung - Berufungsverfahren -

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2009 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Frau ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 15. Kammer - vom 23. März 2009 geändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Ausbildungsförderung. Er besucht seit dem 01. September 2008 die Berufsfachschule Wirtschaft in Itzehoe mit dem Ziel, den Realschulabschluss zu erreichen.

Der im Februar 1987 geborene Kläger bewohnt eine eigene Wohnung in Glückstadt. Seine Eltern sind geschieden. Die Mutter lebt mit ihrem jetzigen Ehemann und vier Kindern in einer gemieteten Doppelhaushälfte in Glückstadt. Sie und ihr Ehemann lehnen es ab, den Kläger bei sich wohnen zu lassen. Der Vater des Klägers lebt mit seiner Lebensgefährtin in Flensburg. Beide haben gemeinsam eine Wohnung gemietet. Beide lehnen die Aufnahme des Klägers in die dortige Wohnung ab und verweisen darauf, dass sie während eines Aufenthalts des Klägers bei ihnen mehrfach bestohlen worden seien.

Der Kläger stellte am 15. September 2008 einen Antrag auf Ausbildungsförderung, den der Beklagte mit Bescheid vom 23. September 2008 ablehnte. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 a BAföG lägen nicht vor, da der Kläger von der Wohnung der Mutter aus das Berufsbildungszentrum des Kreises Steinburg in zumutbarer Zeit erreichen könne.

Zur Begründung seines Widerspruchs vom 10. Oktober 2008 führte der Kläger aus, dass ein Zusammenleben mit seiner Mutter beiderseits nicht möglich sei. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05. November 2008 zurück und führte zur Begründung aus, auf soziale Gründe, die gegen ein Zusammenleben mit der Mutter sprechen könnten, komme es nicht an. Die Ausbildungsförderung diene nicht dem Ausgleich von Nachteilen, die ihre Ursache in anderen Lebensumständen hätten.

Der Kläger hat am 05. Dezember 2008 Klage erhoben und geltend gemacht, er habe einen Anspruch auf Ausbildungsförderung, weil er weder bei seiner Mutter noch bei seinem Vater wohnen könne. Die Mutter habe keine Möglichkeit, ihn unterzubringen, zumal ihr Ehemann die Aufnahme berechtigt ablehne. Auch auf eine gemeinsame Wohnung mit dem Vater könne er, der Kläger, hier nicht verwiesen werden. Sein Vater und dessen Lebensgefährtin lehnten den Zuzug ebenfalls berechtigt ab. Der Vater könne gegenüber seiner Lebenspartnerin rechtlich nicht durchsetzen, dass er, der Kläger, dort wohnen dürfe. Dementsprechend könne er, der Kläger, nicht auf die Wohnungen seiner Eltern verwiesen werden. Im Übrigen sei es zu beanstanden, dass es an einer Rechtsverordnung nach § 2 Abs. 1 a Satz 2 BAföG fehle, die bei Fällen der vorliegenden Art die Berücksichtigung schwerwiegender sozialer Probleme ermöglichen würde. Es könne nicht zu seinen Lasten gehen, dass die Bundesregierung untätig geblieben sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23. September 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 05. November 2008 zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Ausbildungsförderung neu zu entscheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, der Kläger könne Ausbildungsförderung nicht beanspruchen, weil er von der Wohnung des Vaters in Flensburg aus eine vergleichbare Ausbildungsstätte erreichen könne, wo er den Realschulabschluss erlangen könne. Insoweit könne sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sein Vater und dessen Lebensgefährtin seine Aufnahme ablehnten. Zwar habe der Vater des Klägers bei einer verweigerten Zustimmung der Lebensgefährtin nicht die Möglichkeit, die Aufnahme des Klägers gegen den Willen der Lebensgefährtin zu erzwingen. Die Weigerung der Lebensgefährtin des Vaters sei jedoch deshalb irrelevant, da der Vater nicht gehindert werde, über seine Wohnverhältnisse frei zu bestimmen. Er sei weder mit einer neuen Partnerin verheiratet, noch sei aus der Beziehung ein gemeinsames Kind hervorgegangen, so dass es dem Vater des Klägers möglich sei, für die Dauer der Ausbildung des Klägers eine andere Wohnung zu nehmen und diese gemeinsam mit dem Kläger zu bewohnen. Zwar würde die nichteheliche Lebensgemeinschaft für die Zeit der Ausbildung dann nur noch als Begegnungsgemeinschaft gelebt werden können, dies sei dem Vater und dessen Partnerin jedoch für einen überschaubaren Zeitraum zuzumuten. In diesem Falle habe das öffentliche Interesse an einer finanziellen Entlastung der staatlichen Förderungsverwaltung Vorrang vor dem Interesse des Vaters und dessen Lebensgefährtin, ohne den Kläger die Dauer seiner Ausbildung zusammen zu wohnen.

Durch Urteil vom 23. März 2009 hat das Verwaltungsgericht durch den Einzelrichter dem Begehren des Klägers entsprochen. Die Bescheidungsklage sei zulässig und begründet.

Entgegen der Annahme des Beklagten stehe § 2 Abs. 1 a BAföG der Bewilligung von Ausbildungsförderung nicht entgegen, denn der Kläger wohne nicht bei seinen Eltern und könne auch nicht auf eine Wohnung der Eltern verwiesen werden, von der aus er eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte erreichen könnte. Ob die weiteren Voraussetzungen für die Bewilligung von Ausbildungsförderung vorlägen, werde der Beklagte im Rahmen der Neubescheidung zu prüfen haben. Jedenfalls könne der Förderungsantrag nicht mit der bisherigen Begründung abgelehnt werden. Unter dem Begriff der "Wohnung der Eltern" im Sinne des § 2 Abs. 1 a BAföG seien regelmäßig die Räumlichkeiten zu verstehen, in denen die Eltern oder ein Elternteil des Auszubildenden ihre nicht nur vorübergehende Unterkunft nähmen, unabhängig davon, ob sie willens sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage seien, den Auszubildenden bei sich aufzunehmen. Lediglich ausbildungsbezogene Umstände seien berücksichtigungsfähig, um annehmen zu können, dass eine entsprechend zumutbare Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern aus nicht erreichbar sei. Soziale Gründe, wie etwa ein zerrüttetes Verhältnis zum maßgeblichen Elternteil oder beengte Wohnverhältnisse, seien dagegen nicht berücksichtigungsfähig, weil sie gemäß § 2 Abs. 1 a Satz 2 BAföG der Regelung durch eine Verordnung der Bundesregierung vorbehalten blieben, welche bislang nicht erlassen worden sei. Allerdings könne eine "Wohnung der Eltern" im Sinne von § 2 Abs. 1 a BAföG nicht angenommen werden, wenn die Eltern des Auszubildenden aus zwingenden persönlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr die Möglichkeit hätten, über ihre Wohnverhältnisse frei zu bestimmen und wenn das Wohnen des Auszubildenden bei seinen Eltern an diesen persönlichen oder rechtlichen Hindernissen scheitere. Dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn der neue Ehepartner des maßgeblichen Elternteils die Aufnahme des Auszubildenden in die Wohnung berechtigt ablehne. Aus diesem Grunde könne der Kläger nicht, wie dies im Verwaltungsverfahren geschehen sei, auf die Wohnung der Mutter verwiesen werden, denn deren jetziger Ehemann lehne die Aufnahme des Klägers berechtigt ab; dies sei zwischen den Beteiligten inzwischen unstreitig.

Der Kläger könne aber auch nicht auf die Wohnung des Vaters in Flensburg verwiesen werden, denn die Lebensgefährtin des Vaters lehne die Aufnahme des Klägers in die gemeinsame Mietwohnung wegen der schlechten Erfahrungen mit dem Kläger während eines früheren Aufenthalts (u. a. Diebstahl, Drogen) berechtigt ab. Ob in einem solchen Fall von einer "Wohnung der Eltern" gesprochen werden könne, von der aus die Ausbildungsstätte zumutbar erreicht werden könne, werde in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet.

Höchstrichterlich geklärt sei diese Rechtsfrage für den Fall, dass ein Elternteil des Auszubildenden mit einem nichtehelichen Lebenspartner und einem gemeinsamen Kind in einer Wohnung zusammen lebe. Jedenfalls in diesem Fall könne der Auszubildende nicht auf die Wohnung dieses Elternteils verwiesen werden, wenn der neue Partner eines Elternteils die Aufnahme des Auszubildenden in die gemeinsame Wohnung berechtigt ablehne. Der Schutz einer solchen Lebensgemeinschaft von Eltern und Kind aufgrund von Art. 6 Abs. 2 GG schließe den Schutz gegen Maßnahmen ein, die gegen den Fortbestand der familiären Beziehungen im Rahmen der bisher gelebten häuslichen Gemeinschaft gerichtet seien.

Vorliegend genieße die gelebte häusliche Gemeinschaft des Vaters des Klägers mit seiner neuen Partnerin nicht den Schutz des Art. 6 GG, da es um eine nichteheliche Lebensgemeinschaft gehe, aus der kein Kind hervorgegangen sei. Allerdings bestehe auch hier ein rechtlicher Hinderungsgrund, den Kläger in die vorhandene Wohnung aufzunehmen, denn es handele sich um eine Wohnung, die der Vater des Klägers und dessen Lebensgefährtin gemeinsam gemietet hätten. Die Lebensgefährtin lehne die Aufnahme des Klägers wegen der schlechten Erfahrungen mit einem Zusammenleben aus gutem Grund ab und der Vater des Klägers könne die Aufnahme seines Sohnes in die gemeinsame Mietwohnung vor diesem Hintergrund rechtlich nicht durchsetzen. Ob in einem solchen Fall von einer Wohnung der Eltern im Sinne von § 2 Abs. 1 a Ziff. 1 BAföG gesprochen werden könne, werde unterschiedlich beurteilt. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht (Beschluss vom 16.03.2004 - 5 BS 71/04 -) halte bei einer solchen Fallgestaltung für entscheidend, dass der entsprechende Elternteil des Auszubildenden im Falle einer berechtigten Weigerung seines neuen Lebenspartners aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen könne und der Auszubildende sodann von einer neuen gemeinsamen Wohnung aus eine vergleichbare Ausbildungsstätte besuchen könne. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft genieße nicht den Schutz des Artikel 6 GG und Art. 2 Abs. 1 GG erfordere nicht die Auslegung, die die Zumutbarkeit eines Umzuges in eine neue Wohnung ausschließe.

Dagegen gehe der VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 27.08.2003 - 7 S 1652/02 -) - ohne dies näher zu problematisieren - von einem zwingenden persönlichen Hinderungsgrund aus, wenn ein Elternteil des Auszubildenden mit einem nichtehelichen Lebenspartner zusammen in einer Wohnung lebe, dieser die Aufnahme des Auszubildenden berechtigt ablehne und der Elternteil gegen seinen Lebenspartner keinen durchsetzbaren Anspruch auf Aufnahme des Auszubildenden habe.

Das erkennende Gericht schließe sich der Sichtweise des VGH Baden-Württemberg an. Diese Auffassung habe den Vorzug, dass sie Sinn und Zweck der §§ 1, 2 Abs. 1 a BAföG abgewogen umsetze. Der Regelung des § 2 Abs. 1 a BAföG liege die Grundüberlegung zugrunde, dass die Ausbildungsfinanzierung bis zum Abschluss der Allgemeinbildung originäre Aufgabe der Eltern sei, so dass die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG bezeichneten Schüler nur dann gefördert würden, wenn sie notwendigerweise auswärts untergebracht würden. Bei Fällen der vorliegenden Art sei es unzumutbar und auch unrealistisch, dass der betreffende Elternteil die häusliche Gemeinschaft mit dem Lebenspartner aufgebe und eine neue Wohnung mit dem Auszubildenden beziehe. Die auswärtige Unterbringung sei daher notwendig, so dass der Zweck der Regelung für eine Förderung spreche. Zwar könne im Falle einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht aus Art. 6 GG hergeleitet werden, dass der betreffende Elternteil gehindert sei, über seine Wohnverhältnisse frei zu verfügen. Jedoch sei auch die Entscheidung des Elternteils, mit einem neuen Partner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen zu leben, in dem vorliegenden Zusammenhang als zwingender persönlicher Grund zu respektieren. Es wäre unverhältnismäßig, vom Vater des Klägers zu verlangen, dass er die gelebte häusliche Gemeinschaft mit seiner Lebenspartnerin aufgeben solle, um mit einem volljährigen Sohn zusammen zu wohnen, der nach der Scheidung bei der Mutter aufgewachsen sei. Ein solches unverhältnismäßiges Verlangen würde den Anforderungen an den Schutz des Privatlebens vor Eingriffen (Art. 8 EMRK) nicht genügen. Daher sei in Fallkonstellationen der vorliegenden Art nur die tatsächlich vorhandene Wohnung der Eltern in den Blick zu nehmen und insoweit zu prüfen, ob es einen beachtlichen Hinderungsgrund gebe, der einer Aufnahme des Auszubildenden entgegenstehe. Ein Verweis auf eine fiktive, noch zu beziehende Wohnung komme in solchen Fällen ebenso wenig in Frage, wie das Verlangen nach einem Umzug zur Lösung des Entfernungsproblems bei zusammen lebenden Eltern, deren tatsächlich vorhandene Wohnung sehr weit von in Frage kommenden Ausbildungsstätten entfernt liege. Bei nichtehelichen Kindern und Kindern geschiedener Eltern sei nach Ziffer 2.1a 6 BAföG-Verwaltungsvorschriften auch nach Eintritt der Volljährigkeit nur die Wohnung des vorher sorgeberechtigten Elternteils maßgebend. Im vorliegenden Fall sei nicht davon auszugehen, dass die Mutter des Klägers das alleinige Sorgerecht für den Kläger gehabt habe. Die diesbezügliche gerichtliche Anfrage habe der Kläger nämlich unbeantwortet gelassen, so dass das Gericht von der für den Kläger ungünstigeren Variante ausgehe. Jedoch sei hier durch die neue Partnerschaft des Vaters und die berechtigte Weigerung der neuen Partnerin, den Kläger aufzunehmen, eine besondere Situation entstanden, die mit der in Ziffer 2.1a.6 der BAföG-Verwaltungsvorschriften geregelten Problematik vergleichbar sei. Es spreche daher trotz der beachtlichen Gegenargumente des Beklagten mehr dafür, im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 a BAföG als erfüllt anzusehen.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da die entscheidende Rechtsfrage unter Berücksichtigung der unterschiedlichen obergerichtlichen Rechtsprechung hierzu und einer noch ausstehenden höchstrichterlichen Klärung der Problematik in dieser Fallgestaltung grundsätzliche Bedeutung habe.

Gegen die ihm am 01. April 2009 zugestellte Entscheidung hat der Beklagte am 07. April 2009 Berufung eingelegt.

Nach Auffassung des Beklagten leidet das angefochtene Urteil daran, dass das Verwaltungsgericht den streitigen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und im Übrigen der Klage mit unzutreffenden rechtlichen Erwägungen stattgegeben habe. Im Hinblick auf die Ermittlung des Sachverhalts sei zu beanstanden, dass das Gericht sich mindestens eine Ablichtung des Mietvertrages, der angeblich sowohl mit dem Vater als auch mit dessen Lebensgefährtin abgeschlossen worden sei, als auch eine eigenhändig unterzeichnete Erklärung der Lebensgefährtin zur angeblich abgelehnten Unterbringung des Klägers in ihrem Haushalt habe vorlegen lassen müssen.

In rechtlicher Hinsicht könne dem Verwaltungsgericht nicht darin gefolgt werden, dass § 2 Abs. 1 a BAföG der Bewilligung von Ausbildungsförderung für den Kläger nicht entgegenstehe. Der Kläger könne jedenfalls auf die Wohnung seines Vaters verwiesen werden, von der aus eine geeignete Ausbildungsstätte zumutbar zu erreichen sei. Selbst wenn, was bisher nicht zweifelsfrei feststehe, die Lebensgefährtin des Vaters mit diesem zusammen Mieterin der offenbar gemeinsam genutzten Wohnung sei und die Aufnahme des Klägers in diese Wohnung ablehne, sei es dem Vater möglich und zumutbar, am Ort eine Mietwohnung zusammen mit dem Kläger zu beziehen, da die Weigerung des Vaters, den Kläger in seine Wohnung aufzunehmen, rechtlich unbeachtlich sei und die Wohnung des Vaters und seiner Lebensgefährtin weder unter dem Schutz des Art. 6 GG stehe noch zu seinen Gunsten Art. 8 EMRK eingreife.

Das Bundesverwaltungsgericht habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass bei der Prüfung der Frage, welche Umstände und Gründe berücksichtigungsfähig seien, um annehmen zu können, dass eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern aus nicht erreichbar sei, soziale Gründe, die auf das Ausbildungsverhältnis nur mittelbar einwirkten, nicht berücksichtigungsfähig seien. Sofern aus derartigen Gründen der Auszubildende nicht mit seinen Eltern zusammen leben könne, sei Abhilfe nicht durch Mittel der Ausbildungsförderung zu schaffen. Hier habe die Weigerung der Lebensgefährtin des Vaters des Klägers, den Kläger in die gemeinsame Wohnung aufzunehmen, als ein derartiger nicht berücksichtigungsfähiger "sozialer Grund" zu gelten.

Das Bundesverwaltungsgericht habe Erwägungen zu der Missbrauchsgefahr angestellt, die dann entstehe, wenn ein Elternteil, in dessen Haushalt der BAföG-Empfänger grundsätzlich aufgenommen werden könnte, mit einem neuen Partner zusammen lebe. Das Bundesverwaltungsgericht habe zu Recht entschieden, dass eine Missbrauchsgefahr dann nicht relevant sei, wenn der Elternteil eine neue Ehe eingegangen sei, weil niemand die weitreichenden Konsequenzen einer Eheschließung auf sich nehmen dürfte, nur um seinem Kind zu (erhöhten) BAföG-Ansprüchen zu verhelfen. Ein anderes gelte allerdings für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Wenn der in Betracht kommende Elternteil aus Gründen, die die Rechtsprechung im Zusammenhang mit BAföG-Leistungen gerade nicht anerkenne und wie sie hier auch vorlägen (problematisches Sozialverhalten des Kindes), die Aufnahme des Kindes in seinem Haushalt vermeiden wolle, so brauchte er nur gemeinsam mit einem Dritten eine Wohnung zu beziehen, der der Aufnahme des Kindes dann widerspreche. Insoweit werde die vom Bundesverwaltungsgericht erörterte Missbrauchsgefahr also durchaus relevant. Konsequenz dieser höchstrichterlichen Entscheidung müsse also sein, dass sehr wohl zwischen Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft unterschieden werde, dies geschehe in dem angefochtenen Urteil nicht, da das Verwaltungsgericht es als "unzumutbar" angesehen habe, dass der betreffende Elternteil die häusliche Gemeinschaft mit dem Lebenspartner (vorübergehend) aufgebe. Letzteres werde zwar rechtlich nicht begründet, könne aber nur in der Weise gerechtfertigt werden, dass man den Schutz des Art. 6 GG auch auf nichteheliche Lebensgemeinschaften ausdehne. Dies sei nicht zulässig.

Im Übrigen macht der Beklagte geltend, dass nach Art. 6 Abs. 2 GG Pflege und Erziehung der Kinder nicht nur das natürliche Recht der Eltern, sondern auch die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht sei. Das habe einmal zur Folge, dass Eltern auch dann für ihre Kinder zuständig blieben, wenn letztere "Schwierigkeiten machten". Das bedeute aber auch, dass Eltern im täglichen Leben Einschränkungen hinnehmen müssten, um ihrer Elternverantwortung gerecht zu werden.

Schließlich habe das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft ohne gemeinsames Kind nicht schutzwürdig im Sinne des Art. 6 GG sei. Der Schutz einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft werde nach dieser Rechtsprechung im BAföG-Recht erst durch ein gemeinsames Kind begründet. Dies sei überzeugend, weil dessen Pflege und Erziehung nach Art. 6 Abs. 2 GG Recht und Pflicht der Eltern seien, gleich ob sie verheiratet seien oder nicht. Auch seien die Bindungen zwischen Eltern und Kindern, ebenso wie zwischen Eheleuten, in gewisser Weise verfestigt, was für nichteheliche Lebensgemeinschaften gerade nicht gelte. Die vom Verwaltungsgericht behauptete, aber nicht näher begründete Verletzung des Art. 8 EMRK überzeuge demgegenüber nicht, weil es sich allenfalls um einen mittelbaren Eingriff handele, der im Übrigen gesetzlich vorgesehen sei (Art. 8 Abs. 2 EMRK).

Das vom Verwaltungsgericht als tragende Erwägung für sein Ergebnis verwendete Beispiel einer vom Ausbildungsort weit entfernt liegenden Wohnung des betreffenden Elternteils überzeuge ebenfalls nicht. Im vorliegenden Fall wohne der Vater am Ort einer in Betracht kommenden Ausbildungsstätte und müsste nur, wenn die Lebensgefährtin die Aufnahme des Klägers tatsächlich ablehnte, innerhalb des Ortes umziehen, um mit dem Kläger zusammen zu wohnen. Er müsste dafür weder sein soziales Umfeld noch seinen Arbeitsplatz verändern.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und meint, der Beklagte sei mit seinen Einwendungen bezüglich der Frage, ob die Lebensgefährtin seines Vaters ebenfalls Mieterin der gemeinsamen Wohnung sei und ein gemeinsames Wohnen mit ihm, dem Kläger, ablehne, präkludiert. Es habe dem Beklagten im Rahmen seiner Prozessförderungspflicht oblegen, solche Bedenken rechtzeitig geltend zu machen. Diese Aspekte seien frühzeitig erörtert worden, so dass der Beklagte dem Verwaltungsgericht keine Versäumnisse hinsichtlich der Sachaufklärung mehr vorwerfen könne.

Zu Recht gehe das Verwaltungsgericht auch davon aus, dass § 2 Abs. 1 a BAföG der Bewilligung von Ausbildungsförderung nicht entgegenstehe. Es fehle an einer Wohnung der Eltern im Sinne der höchstrichterlichen Definition, die das Verwaltungsgericht zutreffenderweise seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, da vorliegend zwingende persönliche Gründe entgegenstünden. Bezüglich der Wohnung der Mutter sei dies unstreitig; bezüglich der gemeinsam angemieteten und bewohnten Wohnung des Vaters und dessen Lebensgefährtin sei die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beurteilung zutreffend. Gegen die berechtigte Weigerung der Lebensgefährtin habe der Vater keine rechtliche Handhabe.

Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten haben vorgelegen; auf sie und die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Die Ablehnung des Antrags auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz durch Bescheid des Beklagten vom 23. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. November 2008 ist rechtmäßig. Daher ist das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die auf Neubescheidung gerichtete Klage abzuweisen.

Ein Anspruch des Klägers auf Ausbildungsförderung für den Besuch der Berufsfachschule Wirtschaft mit dem Ziel, den Realschulabschluss zu erreichen, könnte sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG ergeben, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 a erfüllt wären. Daran fehlt es hier. Nach § 2 Abs. 1 a Satz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung für den Besuch der in Absatz 1 Nr. 1 bezeichneten Ausbildungsstätten nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und 1.) von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbarer Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist, 2.) einen eigenen Haushalt führt und verheiratet ist oder war, 3.) einen eigenen Haushalt führt und mit mindestens einem Kind zusammen lebt. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen der Nr. 2 und 3 und es ist im Sinne von Nr. 1 dieser Vorschrift von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte erreichbar.

Zum Begriff der "Wohnung der Eltern" im Sinne des § 2 Abs. 1 a BAföG hat bereits das Verwaltungsgericht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zutreffend ausgeführt, dass darunter regelmäßig die Räumlichkeiten zu verstehen sind, in denen die Eltern oder ein Elternteil des Auszubildenden ihre nicht nur vorübergehende Unterkunft nehmen, unabhängig davon, ob sie Willens sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sind, den Auszubildenden bei sich aufzunehmen. Lediglich ausbildungsbezogene Umstände sind berücksichtigungsfähig, um annehmen zu können, dass eine entsprechend zumutbare Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern aus nicht erreichbar ist. Soziale Gründe, wie etwa ein zerrüttetes Verhältnis zum maßgeblichen Elternteil oder beengte Wohnverhältnisse, sind dagegen nicht berücksichtigungsfähig, weil sie gemäß § 2 Abs. 1 a Satz 2 BAföG der Regelung durch eine Verordnung der Bundesregierung vorbehalten bleiben, welche bislang nicht erlassen wurde.

Ebenso ist der Auffassung des Verwaltungsgerichts beizupflichten, dass der Kläger nicht, wie im Verwaltungsverfahren geschehen, auf die Wohnung der Mutter in Glückstadt verwiesen werden kann, weil die Mutter erneut verheiratet ist und deren jetziger Ehemann die Aufnahme des Klägers berechtigt ablehnt. Auch insoweit hat das Verwaltungsgericht zutreffend auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgestellt, wonach eine "Wohnung der Eltern" im Sinne von § 2 Abs. 1 a BAföG nicht angenommen werden kann, wenn die Eltern des Auszubildenden aus zwingenden persönlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr die Möglichkeit haben, über ihre Wohnverhältnisse frei zu bestimmen und wenn das Wohnen des Auszubildenden bei seinen Eltern an diesen persönlichen oder rechtlichen Hindernissen scheitert. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der neue Ehepartner des maßgeblichen Elternteils die Aufnahme des Auszubildenden in die Wohnung berechtigt ablehnt (BVerwG, Urteil vom 27.02.1992 - 5 C 68.88 -, FEVS 43, 140). Dies ist hinsichtlich der Wohnung der Mutter der Fall.

Der Senat teilt hingegen nicht die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger nicht auf die Wohnung des Vaters in Flensburg verwiesen werden könne, weil die Lebensgefährtin des Vaters die Aufnahme des Klägers in die gemeinsame Mietwohnung wegen der schlechten Erfahrungen mit dem Kläger während eines früheren Aufenthalts (u. a. Diebstahl, Drogen) berechtigt ablehne. Zwar trifft es zu, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wohnung der Eltern im o. g. Sinne auch dann nicht angenommen werden kann, wenn ein Elternteil des Auszubildenden mit einem nichtehelichen Lebenspartner und einem gemeinsamen Kind in der Wohnung des Lebenspartners wohnt und der Partner die Aufnahme des Auszubildenden in die Wohnung berechtigt ablehnt. Wollte man dem Elternteil des ehelichen Kindes ansinnen, im Interesse einer finanziellen Entlastung der staatlichen Förderungsverwaltung die häusliche Gemeinschaft mit dem nichtehelichen Lebenspartner und dem gemeinsamen nichtehelichen Kind aufzugeben und mit dem ehelichen Kind zusammen zu ziehen, damit von diesem von der neuen Wohnung aus eine zumutbare Ausbildungsstätte erreicht werden könne, so wäre dies nicht damit zu vereinbaren, dass auch die nichteheliche Lebensgemeinschaft von Eltern und Kind, das außer von der sorgeberechtigten Mutter von dem nichtehelichen Vater versorgt wird, grundsätzlich den Schutz des Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG genießt. Diese Gewährleistung schließt den Schutz gegen Maßnahmen ein, die gegen den Fortbestand der familiären Beziehungen im Rahmen der bisher gelebten häuslichen Gemeinschaft gerichtet sind (so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 28.04.1993 - B 43.93 -, NVwZ - RR 1993, 558).

Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen. Die sinngemäß vorgenommene Reduktion der mit § 2 Abs. 1 a Satz 1 BAföG in der aktuellen Fassung vergleichbaren Regelung des § 68 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 12 Abs. 2 BAföG a. F. wird im Hinblick auf den durch Art. 6 GG gewährten Schutz gerechtfertigt. Sie kann aber nicht auf Tatbestände ausgedehnt werden, in denen tatsächlich eine Wohnung vorhanden ist, der Auszubildende aber darauf aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht verwiesen werden kann. Eine solche Ausnahme von der Einschränkung des § 2 Abs. 1 a S. 1 BAföG wäre - wie ausgeführt - gemäß Satz 2 dieser Bestimmung durch eine entsprechende Rechtsverordnung der Bundesregierung möglich; eine solche Verordnung kann aber nicht durch gerichtliche Entscheidung ersetzt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sollen Förderungsleistungen der hier beantragten Art nur dann erbracht werden, wenn der Auszubildende ausschließlich aus Gründen, die in einem wesensmäßigen Zusammenhang mit der Ausbildung selbst stehen, außerhalb der elterlichen Wohnung untergebracht ist. Andere, z. B. soziale Gründe, wie die Erwerbstätigkeit der Eltern oder des alleinstehenden Elternteils oder beengte Wohnverhältnisse, die auf das Ausbildungsverhältnis nur mittelbar einwirken, sind nicht berücksichtigungsfähig. Sofern der Auszubildende aus derartigen Gründen nicht mit seinen Eltern zusammen leben kann, ist Abhilfe nicht durch Mittel der Ausbildungsförderung zu schaffen. Nichts anderes gilt, wenn sich der Auszubildende und seine Eltern oder der allein noch lebende Elternteil auf Dauer so entfremdet haben, dass von einer normalen Eltern-Kind-Beziehung nicht mehr gesprochen werden kann. Auch ein solcher Sachverhalt ist nicht unmittelbar ausbildungsbezogen. Er betrifft vielmehr persönliche und familiäre Gegebenheiten, die sich in ihren Auswirkungen auf das Ausbildungsverhältnis von den oben angeführten Beispielen nicht unterscheiden und daher bei der Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 2 BAföG a. F. sowie des § 68 Abs. 2 Nr. 1 BAföG a. F. ebenfalls außer Betracht bleiben müssen (BVerwG, Urteil vom 15.12.1988 - 5 C 9.85 -, E 81, 81). Diese Grundsätze sind auf § 2 Abs. 1 a Satz 1 BAföG zu übertragen.

Eine andere rechtliche Beurteilung ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht bei Berücksichtigung von Art. 8 EMRK geboten. Zwar hat die Europäische Menschenrechtskonvention in der Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Ratifizierung den Rang eines innerstaatlichen Gesetzes, ist also unmittelbar anwendbar und damit bei der Auslegung von Gesetzen zu beachten (vgl. Kannengießer in: Schmidt-Bleibtreu, Hofmann, Hopfauf, GG, 11. Aufl., Vorb. v. Art. 1 Rn. 24; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2. Aufl., Einleitung Rn. 29). Ziel von Art. 8 EMRK ist, gegen unberechtigte und willkürliche Eingriffe in das Familienleben zu schützen. Für staatliche Behörden folgen aus der Vorschrift negative und positive Verpflichtungen, die sich nicht genau abgrenzen lassen. Jedenfalls muss ein gerechter Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Einzelpersonen und der Gemeinschaft gefunden werden, wobei der Staat einen Beurteilungsspielraum hat (Meyer-Ladewig, a.a.O., Art. 8 Rn. 20). Hier ist schon fraglich, ob durch das Ansinnen, dass der Vater des Klägers im Interesse einer finanziellen Entlastung der staatlichen Förderungsverwaltung die häusliche Gemeinschaft mit dem nichtehelichen Lebenspartner aufgeben und mit dem Kläger zusammenziehen könnte, der Schutzbereich des Art. 8 EMRK tangiert ist. Beziehungen zwischen Erwachsenen genießen nicht ohne Weiteres den Schutz nach Art. 8 EMRK, wenn keine zusätzlichen Elemente einer Abhängigkeit dargelegt werden, die über die üblichen gefühlsmäßigen Bindungen hinausgehen (EGMR, Urteil vom 17.04.2003 - 52852/99 -, NJW 2004, 2147). Jedenfalls aber gebietet Art. 8 EMRK keine Ausdehnung der Ausbildungsförderung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG auf jene Auszubildende, bei denen jedenfalls ein Elternteil ohne weitergehende Bindungen in nichtehelicher Lebensgemeinschaft in einer geeigneten Wohnung lebt und zur Aufnahme des Auszubildenden in diese Wohnung nicht bereit ist. Dieses Normverständnis ergibt sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum nationalen Verfassungsrecht.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG lässt dem Gesetzgeber insbesondere im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit eine weitgehende Gestaltungsfreiheit; ihr sind nur durch das Willkürverbot Grenzen gezogen. Diese Grenzen werden regelmäßig nicht überschritten, wenn der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen, wie es für die Leistungsbewilligungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zutrifft, typisierende, generalisierende und pauschalierende Regelungen erlässt. Härten und Ungerechtigkeiten für Einzelne müssen dabei grundsätzlich in Kauf genommen werden. Sie müssen allerdings die Ausnahme bleiben, dürfen also nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen. Außerdem darf der Gleichheitsverstoß im Einzelfall nicht sehr intensiv sein (BVerwG, Urteil vom 15.12.1988, a.a.O., Rn. 24). Der Gesetzgeber konnte im Rahmen seines Rechts zur Schaffung typisierender Regelungen von dem Regelfall ausgehen, dass Auszubildende im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG aufgrund ihres im Allgemeinen noch jugendlichen Alters bei ihren Eltern wohnen und ihnen die Eltern Unterhalt vorwiegend in Naturalleistung gewähren. Dieser Personenkreis sollte zur Einsparung von Förderungsmitteln von der Ausbildungsförderung für künftige Ausbildungsabschnitte grundsätzlich ausgenommen werden. Ausnahmsweise sind Leistungen nur dann vorgesehen, wenn der Auszubildende allein aus Gründen der Ausbildung nicht bei seinen Eltern wohnen kann. Die Härte, die sich daraus ergibt, dass Schüler nicht gefördert werden, obwohl ihnen zwar nicht aus ausbildungsbedingten, wohl aber aus persönlichen Gründen nicht zuzumuten ist, bei ihren Eltern zu wohnen, ist notwendige Folge der typisierenden Regelung. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die damit verbundenen Härten einen größeren Personenkreis treffen könnten. Der Gesetzgeber durfte bei der getroffenen Regelung berücksichtigen, dass ein Ausgleich von Härten für die verbleibenden Ausnahmefälle im System des gesamten sozialen Leistungsrechts gesetzlich vorgesehen ist (so ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 15.12.1988, a.a.O., Rn. 25 zur früheren Regelung des § 68 Abs. 2 Nr. 1 BAföG).

Nach alledem bestand im maßgeblichen Zeitraum schon dem Grunde nach kein Anspruch des Klägers auf Ausbildungsförderung, so dass eine Neubescheidung des Antrages nicht in Betracht kommt. Dem liegt nicht ein als lebensfremd erscheinendes Ansinnen, der Vater könne - zeitlich befristet - einen Wohnungswechsel vornehmen und den Kläger bei sich aufnehmen, zugrunde, sondern der gesetzlich vorgegebene Ausschluss von Leistungen bei den zu berücksichtigenden tatsächlichen Wohnverhältnissen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird aus den vom Verwaltungsgericht für die Zulassung der Berufung genannten Gründen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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