Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 18.08.2004
Aktenzeichen: 2 LB 32/04
Rechtsgebiete: BSHG


Vorschriften:

BSHG § 2
BSHG § 25
1. Wird nach Einlegung eines Widerspruchs bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides der Sozialhilfeanspruch für spätere Zeitabschnitte durch weitere Bescheide geregelt, erstreckt sich die gerichtliche Überprüfung darauf grundsätzlich nicht.

2. § 25 BSHG konkretisiert den Nachranggrundsatz des § 2 BSHG und ist insoweit lex specialis.

3. Die Kürzung oder Einstellung der Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 25 BSHG ist Hilfe zur Selbsthilfe.

4. Kürzung oder Einstellung der Hilfe sind zeitlich zu beschränken.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 LB 32/04

verkündet am 18. August 2004

In der Verwaltungsrechtssache

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. August 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., die Richterin am Oberverwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Frau ... und Frau ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 10. Kammer - vom 08. Oktober 2003 geändert.

Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 18. September 2001 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2002 verpflichtet, dem Kläger für Oktober 2001 Sozialhilfeleistungen unter Einberechnung eines ungekürzten Regelsatzes für den Haushaltsvorstand zu bewilligen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Kürzung der dem Kläger gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt.

Der im Jahre 1948 geborene Kläger hat den Beruf des Industriekaufmanns erlernt. Zusammen mit seiner Ehefrau zog er Anfang August 2000 nach Rendsburg und beantragte dort Hilfe zum Lebensunterhalt, die ihm mit Bescheid vom 08. August 2000 unter Anrechnung eines Erwerbseinkommens in Höhe von 630,-- DM bewilligt wurde. Zugleich wurde der Kläger auf § 18 BSHG hingewiesen und aufgefordert, bis zum 25. August 2000 Nachweise über Bemühungen zur Erlangung einer zumutbaren Beschäftigung vorzulegen. An diese Pflichten wurde der Kläger, der dem nicht nachgekommen war, mit Schreiben vom 28. August 2000 erinnert. Die Ausübung einer Beschäftigung auf 630,-- DM-Basis sei nach sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten als nicht ausreichend zu betrachten. Es wurde auf die Bestimmung des § 25 Abs. 1 BSHG hingewiesen und angekündigt, dass der Regelsatz ab dem 01. Oktober 2000 um 25 % gekürzt werde, falls der Kläger die geforderten Nachweise nicht bis zum 15. September 2000 vorlege. Laut Aktenvermerk eines Mitarbeiters der für den Beklagten handelnden Stadt Rendsburg meldete der Kläger sich am 31. August 2000 telefonisch. Er habe eine Beratung durch Frau W. von der Gesellschaft für Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik (WieSO) mit der Begründung abgelehnt, mit dieser schon während des Sozialhilfebezugs in ... mehrere Gespräche geführt zu haben. Diese habe ihm keine Arbeit vermitteln können. Er bemühe sich intensiv um Arbeit, sehe aber nicht ein, dass er eigene Arbeitsbemühungen nachzuweisen habe. Es sei in seinem Alter sehr schwierig, Arbeit zu bekommen.

Mit Bescheid vom 19. Oktober 2000 wurde dem Kläger der Regelsatz für den Haushaltsvorstand um 25 % gekürzt bewilligt. Mit Schreiben vom 07. November 2000 wurde die Kürzung des Regelsatzes ab dem 01. Dezember 2000 um insgesamt 40 % angekündigt, sofern der Kläger nicht bis spätestens 28. November 2000 Nachweise der Arbeitsbemühungen vorgelegt oder bei der ... gGmbH vorgesprochen habe. Am 14. November 2000 erschien der Kläger im Sozialamt der Stadt Rendsburg zu einem Gesprächstermin. Laut Aktenvermerk habe er geäußert, dass er Widerspruch gegen einen Einsatz zur gemeinnützigen Arbeit einlege. Er habe einen 630,-- DM-Job und sei nicht bereit, bei der ... gemeinnützig zu arbeiten. Ab dem 01. Januar 2001 sei ihm eine Arbeitsstelle in Aussicht gestellt. Eine verbindliche Zusage habe er nicht. Er sei nicht bereit, Blätter zu fegen.

Durch Bescheid vom 15. November 2000 gab die Stadt Rendsburg dem Kläger gemäß § 19 Abs. 2 BSHG Gelegenheit, im Umfang von 20 Stunden wöchentlich leichte Bürotätigkeiten nach Anleitung im Beschäftigungsprojekt - Fluss- und Landschaftspflegeprojekt - von ... e.V. zu erbringen. Er solle sich am 27. November 2000 bei einem Herrn O. melden. Weitere Einzelheiten zum Arbeitsablauf usw. würden ihm mündlich mitgeteilt werden. Für die evtl. entstehenden Mehraufwendungen erhalte der Kläger eine Entschädigung von 2,-- DM pro geleistete Arbeitsstunde. Es wurde erneut auf § 25 BSHG hingewiesen. Der Kläger nahm diese gemeinnützige Arbeit nicht auf.

Im Bescheid vom 28. November 2000 war für den Monat Dezember 2000 eine Regelsatzleistung für den Kläger nicht mehr ausgewiesen. In einer Anlage zu diesem Bescheid wurde das damit begründet, dass der Kläger die gemeinnützige Arbeit unentschuldigt nicht angetreten habe. Damit habe er seinen Anspruch auf Sozialhilfe bis auf weiteres verwirkt. In gleicher Weise wurde mit Bescheid vom 18. Dezember 2000 für den Monat Januar 2001 verfahren. Gegen diese beiden Bescheide legte der Kläger Widersprüche ein, über die - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden wurde. In der Widerspruchsbegründung vom 20. Dezember 2000 wurde ausgeführt, dass der Kläger ständig bemüht sei, einen versicherungspflichtigen Arbeitsplatz zu erhalten. Er arbeite derzeit noch auf 630,-- DM-Basis, versuche aber ständig sowohl über das Arbeitsamt als auch auf dem freien Markt einen Ganztagsarbeitsplatz zu erhalten. Drei Nachweise über laufende Bewerbungen wurden beigefügt. Der Sinn des angebotenen Beschäftigungsprojekts wurde in Zweifel gezogen. Der Tagespresse sei zu entnehmen gewesen, dass die Beschäftigten nur in äußersten Einzelfällen in den allgemeinen Arbeitsmarkt hätten vermittelt werden können. Aus diesem Grunde habe das Sozialministerium die Landesmittel gestrichen, so dass die Finanzierung der Projekte ohnehin nicht mehr gewährleistet sei.

In den folgenden Monaten ergingen jeweils Bewilligungsbescheide, in denen ein Regelsatz für den Kläger nicht ausgewiesen war. Gegen diese Bescheide legte der Kläger keine Widersprüche ein.

Mit Schreiben vom 14. August 2001 äußerten sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers vorrangig zu den Anspruchsvoraussetzungen für die Hilfe zum Lebensunterhalt für die Ehefrau des Klägers. In dem Zusammenhang wurde weiter ausgeführt, dass der Kläger bereit sei, eine ihm von der Stadt Rendsburg angebotene auf 1 Jahr befristete Tätigkeit bei der ... anzunehmen. Der Kläger habe von dem Angebot nichts mehr gehört, er erkläre sich aber ausdrücklich bereit, eine solche Stelle anzutreten. Daraufhin wurde in dem Schreiben der Stadt Rendsburg vom 17. August 2001 ausgeführt, die Rücknahme der 100 %igen Regelsatzkürzung des Klägers könne nur erfolgen, wenn dieser sich umgehend mit der ... gGmbH in Verbindung setze und sich nachweislich um die Aufnahme einer gemeinnützigen Tätigkeit bemühe. Zu einer Aufnahme dieser Tätigkeit kam es nicht. Für die Monate August und September 2001 wurde den Eheleuten wiederum Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Berücksichtigung eines Regelsatzes für den Kläger bewilligt. Ebenso wurde mit Bescheid vom 18. September 2001 für den Monat Oktober 2001 verfahren. Mit Schreiben vom 23. September 2001 erklärte der Kläger, dass er - wie von seinem Rechtsanwalt mitgeteilt - für angemessene Arbeiten zur Verfügung stehe. Leider habe er zwischenzeitlich keinen Bescheid erhalten, aus welchem hervorgehe, wo er entsprechende Arbeit aufnehmen könne. Daraufhin wurde dem Kläger mit Schreiben vom 26. September 2001 erklärt, er möge sich hinsichtlich der Aufnahme einer gemeinnützigen Tätigkeit mit Frau G. bei der ... gGmbH in Verbindung setzen.

Am 11. Oktober 2001 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 18. September 2001 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass er sich bei der ... gemeldet habe. Zunächst sei ihm dort eine Tätigkeit als Leiter des Recycling-Hofes in Aussicht gestellt, später eine Tätigkeit als Müllsortierer angeboten worden. Es werde darauf hingewiesen, dass der Kläger bereits auf 630,-- DM-Basis arbeite. Es sei nicht anzunehmen, dass bei Aufnahme einer Tätigkeit im Bereich des Recycling-Hofes ein höherer Verdienst erzielbar sei. Der Kläger würde dann zwar höhere Sozialhilfeleistungen erhalten, andererseits aber weniger Einkünfte beziehen. Es könne allenfalls geprüft werden, ob die Tätigkeit bei der ... nicht parallel zu der bisher ausgeübten Tätigkeit erledigt werden könne. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger seine Tätigkeit bei der ... ausdrücklich angeboten habe und dort auch vorstellig gewesen sei, sei in jedem Fall bei der Berechnung des Gesamtbedarfs der auf ihn entfallende Satz für den Haushaltsvorstand in voller Höhe zu berücksichtigen. Es bestehe der Eindruck, dass hier in einem gewissen Rahmen Schikane ausgeübt werde auf Grund von Meinungsverschiedenheiten aus der Vergangenheit. Der Kläger sei wegen einer Arthritis im Armbereich nur für bestimmte Tätigkeiten einsetzbar.

Vor Entscheidung über den Widerspruch holte der Beklagte eine amtsärztliche Stellungnahme ein. Darin heißt es, dass der Kläger seit 5 Jahren in zunehmendem Maße an einer sogenannten Epicondylitis radialis humeri an beiden Armen leide, wobei der rechte Arm deutlich stärker betroffen sei. Schon leichte Belastungen führten zu schmerzhaften Bewegungseinschränkungen. Insofern seien gemeinnützige Arbeiten wie z.B. Tätigkeiten im Bereich des Recycling-Hofes amtsärztlicherseits nicht zumutbar. Allenfalls sei er für leichte Tätigkeiten wie z.B. im Büro einsetzbar. Durch Bescheid vom 12. Februar 2002 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In der Begründung des Bescheides wird auf die amtsärztliche Stellungnahme eingegangen. Laut Mitteilung der ... seien dem Kläger bereits Bürotätigkeiten angeboten worden; diese habe er jedoch abgelehnt. Wer sich weigere, zumutbare Arbeit zu leisten oder zumutbaren Maßnahmen nachzukommen, habe nach § 25 Abs. 1 BSHG keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Nichtberücksichtigung des Regelsatzes sei demnach nicht zu beanstanden.

Während des Widerspruchsverfahrens erließ die Stadt Rendsburg weitere Bescheide, mit denen dem Kläger für die Monate November und Dezember 2001 sowie Januar 2002 Hilfe zum Lebensunterhalt jeweils ohne Einberechnung des Regelsatzes bewilligt wurde. Gegen diese Bescheide legte der Kläger keine Widersprüche ein.

Der Kläger hat am 11. März 2002 Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Der Beklagte habe die Regelsatzleistungen mit einer nicht haltbaren Begründung verweigert. Er, der Kläger, gehe einer Berufstätigkeit auf Geringfügigkeitsbasis nach. Auf Grund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien ihm Arbeiten nur in einem gewissen Rahmen möglich. Er habe sich auch weisungsgemäß bei der ... vorgestellt gehabt. Entgegen der Darstellung der Stadt Rendsburg bzw. des Beklagten sei ihm keinesfalls eine leichte Bürotätigkeit angeboten worden. Eine entsprechende Position habe seinerzeit zur Verfügung gestanden. Die Stelle des Leiters der Recycling-Abteilung sei offenbar anderweitig besetzt worden. Daher sei ihm, dem Kläger, erklärt worden, dass er zum Müllsortieren habe eingesetzt werden sollen. Eine derartige Tätigkeit sei für ihn nicht in Betracht gekommen. Alternativen dazu hätten jedoch nicht zur Verfügung gestanden.

Der Kläger hat laut Terminsprotokoll beantragt,

den Bescheid der Stadt Rendsburg vom 18. September 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger die beantragten Hilfeleistungen nach dem BSHG seit Antragstellung zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat auf Grund eines in der mündlichen Verhandlung am 08. Oktober 2003 ergangenen Beweisbeschlusses den Amtsarzt es Beklagten als Sachverständigen vernommen; wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen. Mit Urteil vom 08. Oktober 2003 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen und nur die Hilfe zum Lebensunterhalt für Oktober 2001 betreffenden Bescheide seien rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Bewilligung eines ungekürzten Regelsatzes für Oktober 2001. Er sei mehrfach aufgefordert worden, einer gemeinnützigen Tätigkeit nachzugehen. Dem sei er aus nicht gerechtfertigten Gründen nicht nachgekommen.

Gegen das ihm am 27. Oktober 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. November 2003 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat durch Beschluss vom 24. März 2004 entsprochen hat.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, dass das Verwaltungsgericht sein Klagebegehren zu Unrecht allein auf den Monat Oktober 2001 beschränkt habe. Gegenstand des Rechtsstreits sei nicht nur die Anfechtung dieses Bescheides gewesen. Auf Grund des gestellten Antrages sei ein Zeitraum Streitgegenstand, der weit über den Monat Oktober 2001 hinausgehe. Das Begehren sei daher nur unvollständig beschieden worden.

Weiter macht der Kläger geltend, dass die Voraussetzungen für eine Kürzung des Regelsatzes nicht vorgelegen hätten. Die zugemutete Tätigkeit bei der ... sei ihm nicht - wie erforderlich - gemäß § 19 Abs. 2 BSHG ausdrücklich angeboten worden. Dem Verwaltungsgericht sei darüber hinaus vorzuwerfen, dass es sich über das Vorliegen des ärztlichen Attestes des Amtsarztes hinweggesetzt habe. Die Vernehmung dieses Arztes im Verhandlungstermin habe dazu kein abweichendes Bild ergeben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 08. Oktober 2003 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm unter Änderung des Bescheides vom 18. September 2001 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2002 ungekürzte Sozialhilfe zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält die Kürzung des Regelsatzes für rechtmäßig.

Dem Kläger sei bereits mit dem für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 15. November 2000 zur Ableistung gemeinnütziger Arbeit in einem Beschäftigungsprojekt des ... e.V. aufgefordert worden. Dieser Bescheid sei bestandskräftig geworden. Nachdem der Kläger die dort beschriebene Tätigkeit nicht aufgenommen gehabt habe, sei ihm mit Schreiben vom 24. Juli 2001 eine einjährige Tätigkeit bei der ... gGmbH gemäß § 19 BSHG angeboten worden. Mit Schreiben vom 17. August 2003 sei er nochmals aufgefordert worden, sich umgehend bei der ... gGmbH in Verbindung zu setzen. Bei entsprechender Mitwirkung sei die Gewährung des ungekürzten Regelsatzes in Aussicht gestellt worden. Nach einer diesbezüglichen Rückfrage des Klägers sei ihm im Schreiben vom 26. September 2001 wieder mitgeteilt worden, dass er hinsichtlich der Aufnahme einer gemeinnützigen Tätigkeit bei der ... gGmbH Verbindung aufnehmen solle. Dem sei der Kläger schließlich nachgekommen, er habe dann aber die Tätigkeit, die ihm dort angeboten wurde, abgelehnt. Die angebotene Arbeit sei auch zumutbar gewesen. Nach der Erläuterung der schriftlichen Äußerung vom 06. Dezember 2001 im Rahmen der mündlichen Verhandlung seien nicht nur reine Bürotätigkeiten zumutbar gewesen, sondern auch manuelle Tätigkeiten auf dem Recyclinghof.

Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten haben dem Gericht zur Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Der Kläger hat nach §§ 11, 12, 22 BSHG einen Anspruch auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für Oktober 2001 unter Einberechnung eines ungekürzten Regelsatzes für den Haushaltsvorstand. Daher ist das Urteil des Verwaltungsgerichts antragsgemäß zu ändern und der Beklagte unter Änderung der entgegenstehenden Bescheide entsprechend zu verpflichten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Auf Grund des im Berufungsverfahren gestellten Antrags ist allein der Sozialhilfeanspruch des Klägers für Oktober 2001 Streitgegenstand. Die vorher und nachher ergangenen Bescheide sind nicht in das Verfahren einbezogen worden. Das gilt sowohl für die durch Widerspruch angefochtenen Bescheide vom 28. November und 18. Dezember 2000 als auch für die - nicht angefochtenen - Bescheide von Januar bis August 2000 und für die ebenfalls nicht durch Widerspruch angegriffenen Bescheide für die Zeit ab November 2001. Die Hilfe zum Lebensunterhalt ist keine rentengleiche wirtschaftliche Dauerleistung mit Versorgungscharakter. Sie ist vielmehr Hilfe in einer gegenwärtigen Notlage, so dass nur eine zeitabschnittsweise Hilfegewährung in Betracht kommt. Die Voraussetzungen hierfür sind stets neu zu prüfen. Dem hat die für den Beklagten handelnde Stadt Rendsburg durch eine monatsabschnittsweise Bewilligung durch jeweils neue Bescheide Rechnung getragen. Mit seiner Klage vom 11. März 2002 hat sich der Kläger allein gegen den Bescheid vom 18. September 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2002 gewandt. Das Verwaltungsgericht hat daher den anders formulierten Antrag zutreffend gemäß § 88 VwGO dahingehend ausgelegt, dass in dem Verfahren nur über die Verpflichtung des Beklagten zur Bewilligung ungekürzter Hilfe zum Lebensunterhalt für den Monat Oktober 2001 entschieden werden sollte. Der Grundsatz, dass der Anspruch auf Leistungen in der Sozialhilfe nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemacht werden kann, indem der Träger der Sozialhilfe den Hilfefall geregelt hat, d.h. bis zur letzten behördlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.1992 - 5 C 1.88 -, FEVS 43, 19 m.w.N.) ist hier nicht anwendbar. Zwar ist der Widerspruchsbescheid erst im Februar 2002 ergangen, doch bezieht sich dieser allein auf den Ausgangsbescheid vom 18. September 2001. Die danach ergangenen Bewilligungsbescheide werden dadurch nicht berührt.

Der Kläger hat seinen Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe im streitbefangenen Zeitraum nicht nach § 25 Abs. 1 BSHG verloren. Nach dieser Vorschrift hat keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt, wer sich weigert, zumutbare Arbeit zu leisten. Die Regelung stellt eine Konkretisierung des Nachranggrundsatzes des § 2 Abs. 1 BSHG dar und ist insoweit lex specialis gegenüber dieser Vorschrift (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 11.12.2003 - 4 Bs 525/03 -, NDV-RD 2004, 82 m.w.N.). Von § 25 Abs. 1 BSHG werden alle Fälle der Verweigerung einer zumutbaren Arbeit bzw. der Verweigerung einer zumutbaren Maßnahme nach den §§ 19 und 20 BSHG sowie der unzureichenden Arbeitssuche erfasst. Daneben bleibt - unabhängig von den Gründen für das sozialhilferechtliche Fehlverhalten des Hilfesuchenden im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheiten - für die unmittelbare Anwendung des Nachranggrundsatzes des § 2 Abs. 1 BSHG und einen allein darauf abgeleiteten Hilfeausschluss kein Raum. Die Folgen der Verletzung der Selbsthilfeverpflichtung durch Arbeit werden vielmehr abschließend in § 25 Abs. 1 BSHG geregelt. Diese Vorschrift eröffnet dem Sozialhilfeträger insoweit die Möglichkeit - nach Belehrung des Hilfesuchenden im Sinne von Satz 3 der Norm und nach einer ersten verbindlich geregelten Hilfekürzung um mindestens 25 % des maßgeblichen Regelsatzes -, nach seinem pflichtgemäßen Ermessen und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles die Leistung in angemessenen Zeiträumen und Schritten weiter zu kürzen und die Hilfe ggf. ganz einzustellen. Die Kürzung oder Einstellung der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 25 Abs. 1 BSHG sind jedoch weder Selbstzweck noch Mittel zur Einsparung von Haushaltsmitteln, sondern Hilfe zur Selbsthilfe. Die Weigerung, zumutbare Arbeit zu leisten, hat nicht zur Folge, dass der Hilfesuchende (Hilfeempfänger) aus der Betreuung des Sozialhilfeträgers entlassen wird, sondern lediglich den Verlust des Rechtsanspruchs auf die Hilfe zum Lebensunterhalt (BVerwG, Urt. v. 17.05.1995 - 5 C 20.93 -, FEVS 46, 12,14). Ein Sozialhilfeträger, der von diesen Instrumenten Gebrauch macht, hat die Wirksamkeit der Maßnahmen deshalb zu überprüfen. Sowohl die Kürzung wie auch die vollständige Einstellung der Sozialhilfe ist deshalb zeitlich zu beschränken (vgl. BayVGH, Beschl. v. 02.12.1999 - 12 ZE 99.2267 -, FEVS 52, 312, 313). Die Kürzung auf das Unerlässliche, die nach allgemeiner Auffassung nur bezüglich der Regelsatzleistungen vorgenommen wird, soll nach der gesetzlichen Wertung des § 25 Abs. 2 Nr. 3 BSHG bis zu 12 Wochen möglich sein. Dass der vollständige Entzug des Regelsatzes sich über einen längeren Zeitraum erstrecken dürfte, ohne die mit den §§ 18 ff. BSHG verfolgten Zielsetzungen zu verfehlen, ist nicht ersichtlich.

Obwohl das Verfahren hier allein die Streichung des Regelsatzes für Oktober 2001 betrifft, kann das vorangegangene Geschehen nicht außer Acht gelassen werden. Bei der vollständigen Entziehung des Regelsatzes ab Dezember 2000 konnte zunächst an den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 15. November 2000 angeknüpft werden, durch den der Kläger - erfolglos - gemäß § 19 Abs. 2 BSHG aufgefordert worden war, im Umfang von 20 Stunden wöchentlich gemeinnützige zusätzliche Arbeit zu verrichten. Dieser Bescheid enthielt auch den Hinweis, dass nach § 25 BSHG derjenige den Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt verliere, der sich weigere, zumutbare Arbeit zu leisten. Die vollständige Streichung des Regelsatzes stand jedoch nicht im Einklang zu der auf § 25 Abs. 1 Satz 3 BSHG beruhenden Ankündigung im Schreiben vom 07. November 2000, mit dem für die Zeit ab Dezember 2000 eine Regelsatzkürzung von 40% angedroht wurde, sofern der Kläger nicht bis Ende November ausreichende Nachweise über Arbeitsbemühungen vorlegen und nicht bei der ... gGmbH vorsprechen werde. Dass die Nichtaufnahme der gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeit im Beschäftigungsprojekt des ... e.V. sogleich zu weitergehenden Sanktionen führen sollte, war für den Kläger schwerlich erkennbar. Es ist ferner fraglich, ob die mit dem Angebot gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit im Sinne von § 19 Abs. 2 BSHG verbundene Zielsetzung, bei der dauerhaften (Wieder-)Eingliederung in das Arbeitsleben behilflich zu sein, im Falle des Klägers verwirklicht werden konnte, da er bereits einer geringfügigen Beschäftigung nachging und diese Ausübung durch die Aufnahme der Tätigkeit im Sinne von § 19 Abs. 2 BSHG unter Umständen erschwert worden wäre.

Die aufgeworfenen Fragen können jedoch in diesem Verfahren offen bleiben. Die Nichtaufnahme der angebotenen Tätigkeit in dem Beschäftigungsprojekt des ... e.V. bot (wohl) schon keine Grundlage mehr für die vollständige Kürzung des Regelsatzes, nachdem die für den Beklagten handelnde Stadt Rendsburg selbst nicht mehr darauf bestanden hatte. Auf den vom Kläger Ende Dezember 2000 erhobenen Einwand, dass die Finanzierung des Projektes auf Grund der Streichung der Landesmittel nicht mehr gewährleistet sei, ging die Behörde nicht ein. Vielmehr wies sie in ihrem Bericht vom 28. Dezember 2000 an den Beklagten (erneut) darauf hin, dass der Kläger sich nicht bei der ... gGmbH (bei der er im Recycling-Bereich hätte eingesetzt werden sollen) gemeldet habe. Die Verschaffung einer Arbeitsgelegenheit bei dieser Einrichtung wurde dem Kläger gegenüber - durch Schreiben an seine Verfahrensbevollmächtigten - erstmals wieder Mitte August 2001 wiederholt und bei entsprechender Mitwirkung die Gewährung des ungekürzten Regelsatzes in Aussicht gestellt. Auf die Nachfrage des Klägers vom 23. September 2001, wo er die entsprechende Arbeit aufnehmen könne, wurde dem Kläger nochmals die Anschrift der Einrichtung mitgeteilt, ohne jedoch auf Art und Umfang der angebotenen Tätigkeit einzugehen. Diese Fragen wurde erst im Laufe des Widerspruchsverfahrens, nachdem der Kläger sich bei der ... gGmbH vorgestellt hatte, erörtert.

Der Verfahrensablauf zeigt, dass die Einstellung der Gewährung von Regelsatzleistungen ab Dezember 2000 bis zum - hier allein zu beurteilenden Monat Oktober 2001 - vom Beklagten bzw. von der von ihr handelnden Behörde als Einheit behandelt wurden, obwohl die Ausgangslage - die Nichtaufnahme der gemäß § 19 Abs. 2 BSHG angebotenen gemeinnützigen und zusätzlichen Tätigkeit - keine Bedeutung mehr hatte. Im Rahmen der über die Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 2 BSHG hinausgehenden Kürzung wäre dies bei der vom Beklagten zu treffenden Ermessensentscheidung rechtlich zu würdigen gewesen. Darüber hinaus fehlte es aber jedenfalls im Oktober 2001 an den Voraussetzungen für die Kürzung des Regelsatzes überhaupt, weil der eingangs genannte zeitliche Rahmen für diese Maßnahme deutlich überschritten war. Auf die vom Verwaltungsgericht untersuchte Frage, ob dem Kläger leichte Tätigkeiten auch außerhalb des Büros im Rahmen eines Recycling-Hofes zugemutet werden könnten, kommt es nach alledem nicht an.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass das Gebot einer zeitlichen Befristung der Leistungskürzungen nicht bedeutet, dass nach Ablauf des in § 25 Abs. 2 Nr. 3 BSHG genannten Zeitraumes eine derartige Maßnahme nicht erneut in Betracht kommt. Dem Sozialhilfeträger bleibt es jeweils unbenommen, nach weiterer Klärung der Verhältnisse und eingehender Beratung erneut Kürzungen oder auch Leistungseinstellungen vorzunehmen (vgl. Senatsbeschl. v. 16.03.2004 - 2 MB 15/04 und 2 O 15/04 -).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 188 Satz 2 VwGO. Die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit haben ihre Grundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück