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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 16.02.2005
Aktenzeichen: 2 LB 77/03
Rechtsgebiete: HeimG, HeimPersV, VwGO


Vorschriften:

HeimG § 12 Abs. 1
HeimPersV § 5
VwGO § 88
1. Betrifft die Anfechtungsklage einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, kann die Begründetheit der Klage von der aktuellen Rechtslage abhängen.

2. Ein Heim umfasst die zu dem in § 1 Abs. 1 HeimG genannten Zweck angelegte Zusammenfassung von sächlichen und persönlichen Mitteln, also im Hinblick auf die Räume nur die Gebäudeteile, die tatsächlich diesem Zweck dienen.

3. Die Ermessensentscheidung über den Erlass einer heimaufsichtlichen Anordnung hat auch die finanzeillen Folgen für die Bewohner zu berücksichtigen.

4. Ein Anspruch auf Zustimmung zu einer Ausnahme nach § 5 Abs. 2 HeimPersV von den Anforderungen des Abs. 1 besteht jeweils dann, wenn auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalls eine geringere Beteiligung von Pflegefachkräften für eine fachgerechte Betreuung der Heimbewohner ausreichend ist.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 LB 77/03

verkündet am 16.02.2005

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Heimrecht

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Harbeck, den Richter am Oberverwaltungsgericht Habermann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Böttcher sowie die ehrenamtlichen Richter Jessen und Krayenhagen für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 15. Kammer - vom 18. Dezember 2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 24. November 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2001 hinsichtlich der darin bezüglich § 5 Abs. 1 Satz 3 HeimPersV getroffenen Anordnung aufgehoben wird.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Anordnung nach § 12 HeimG.

Der Kläger betreibt unter anderem in A-Stadt gemeinsam mit verschiedenen Wohnungsbaugesellschaften 6 sog. Servicehäuser. Es handelt sich dabei um Wohneinrichtungen für ältere oder pflegebedürftige Menschen. Die Bewohner haben Mietverträge über die überwiegend 1- und 2-Zimmer-Wohnungen mit der entsprechenden Wohnungsbaugesellschaft geschlossen. Daneben bestehen Verträge mit dem Kläger, die Service-Leistungen des Klägers zum Inhalt haben. Zu den von dem Kläger gebotenen Leistungen gehört unter anderem die Bereitstellung einer Pflegefachkraft, die auf entsprechendes Rufsignal der Person in die Wohnung kommt und diese betreut bzw. im Notfall auch eine Erstversorgung durchführen kann. Daneben werden in 5 Servicehäusern Tagespflegeeinrichtungen und kleinere stationäre Pflegestationen mit 4 bis 12 Betten vorgehalten. Im Einzelnen (Stichtag 29. September 2004):

1. Servicehaus Ellerbek, 59 Wohnungen mit 34 zu Betreuenden der Pflegestufen 0 bis 3 nebst Kurz- und Langzeitpflegeeinrichtungen mit 8 Plätzen,

2. Servicehaus Suchsdorf, 60 Wohnungen mit 28 zu Betreuenden der Pflegestufen 0 bis 3 nebst Kurz- und Langzeitpflegeeinrichtungen mit 4 Plätzen,

3. Servicehaus Am Wohld, 57 Wohnungen mit 33 zu Betreuenden der Pflegestufen 0 bis 3 nebst Kurz- und Langzeitpflegeeinrichtungen mit 10 Plätzen,

4. Servicehaus Lübscher Baum, 40 Wohnungen mit 30 zu Betreuendender Pflegestufen 0 bis 3 nebst Kurz- und Langzeitpflegeeinrichtungen mit 12 Plätzen,

5. Servicehaus Boksberg, 71 Wohnungen mit 43 zu Betreuenden der Pflegestufen 0 bis 3 nebst Kurzzeitpflegeeinrichtungen mit 4 Plätzen.

Pflegebedürftige Mieterinnen und Mieter werden durch einen hauseigenen ambulanten Dienst während des Tages pflegerisch betreut. In der Nacht übernehmen die Fachpflegekräfte der kleinen Stationen auch die Betreuung der Mieterinnen und Mieter im Hause. In den kleinen Pflegestationen wird der Notruf oder der Sozialruf von Mieterinnen und Mietern aus dem Wohnanlagenbereich empfangen und bearbeitet.

Im Dezember 1997 bat der Kläger die Beklagte um Bestätigung, dass es sich bei den von ihr vorgehaltenen Kurz- und Langzeitpflegeplätzen um Pflegeplätze im Sinne des Heimgesetzes handele. Die Pflegekassen machten den Abschluss von Versorgungsverträgen nach § 72 SGB XI von einer derartigen Bestätigung abhängig. Mit Schreiben vom 26. März 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, nach Besichtigung der Servicehäuser durch die Heimaufsicht könne festgestellt werden, dass die baulichen Mindestanforderungen für eine vollstationäre Pflege gegeben seien. Fraglich sei aber, ob die entsprechenden Teilbereiche der Servicehäuser die heimrechtlichen Merkmale einer Einrichtung erfüllten. Voraussetzung dafür sei, dass diese Teilbereiche für sich betrachtet und von den übrigen Teilen der Servicehäuser abgrenzbar über die notwendige sachliche und personelle Ausstattung verfügten. Die heimrechtlich erforderliche Eigenständigkeit setze im Übrigen für die Anerkennung als Pflegeeinrichtung voraus, dass es sich um eine organisatorisch und wirtschaftlich selbständige Einrichtung handele. Nach weiteren Gesprächen zwischen den Beteiligten und nachdem der Kläger weitere Unterlagen vorgelegt hatte, erteilte die Beklagte mit Schreiben vom 20. Juli 1998 eine bis zum 30. Juni 1999 befristete Anerkennung der Pflegeplätze im Sinne des Heimrechtes.

Am 26. Juli 2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten die unbefristete Anerkennung der Kurz- und Langzeitpflegeplätze als Pflegeplätze im Sinne des Heimgesetzes. Er teilte in diesem Zusammenhang seinen Personalbestand mit.

Durch Bescheid vom 24. November 2000 sprach die Beklagte die beantragte Anerkennung von Lang- und Kurzzeitpflegeplätzen im Sinne des Heimgesetzes aus. Dies wurde mit folgenden Anordnungen gemäß § 12 HeimG verbunden:

"In den o.g. Servicehäusern muss gem. § 5 Abs. 1 des Heimgesetzes rund um die Uhr eine examinierte Fachkraft ständig anwesend sein, so dass die Betreuung der Pflegebedürftigen der Pflegestationen fachlich kompetent nach den allgemein anerkannten pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen erbracht werden kann.

Sofern die Fachkraft auch pflegebedürftige Bewohner im angeschlossenen Servicehaus zu betreuen hat, muss neben der examinierten Fachkraft mindestens eine weitere Pflegehilfskraft auch in der Nacht beschäftigt werden, so dass die ständige Betreuung der Bewohner der Pflegestationen sichergestellt ist."

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 15. Dezember 2000 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass die Bedingung der ersten Anordnung erfüllt werde. Die zweite Anordnung könne nicht erfüllt werden, weil sie zu nicht tragbaren höheren Personalkosten führen würde. Auf Grund der besonderen Verhältnisse in den Servicehäusern sei gleichwohl die ständige Betreuung der Bewohner der Pflegestationen sichergestellt.

Durch Bescheid vom 19. März 2001 gab die Beklagte dem Widerspruch statt, soweit es um eine Forderung nach einer zusätzlichen Pflegehilfskraft in der Nacht ging. Im Übrigen wurde der Widerspruch sinngemäß zurückgewiesen. Die geforderte examinierte Pflegefachkraft müsse auf der Pflegestation rund um die Uhr ständig anwesend sein. Die Betreuung der Bewohner/Innen des angrenzenden Servicehauses dürfe von der Pflegefachkraft nicht mit übernommen werden.

Der Kläger hat am 19. April 2001 den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass § 5 Abs. 2 der HeimPersV den zuständigen Heimaufsichtsbehörden die Möglichkeit lasse, von den Anforderungen des Absatzes 1 abzuweichen, wenn dies für eine fachgerechte Betreuung der Heimbewohner erforderlich oder ausreichend sei. Diese Voraussetzungen würden in den Servicehäusern erfüllt. Die Betreuungssituation auf den Pflegestationen in den Servicehäusern seien im Verbund mit der Mieterbetreuung der angeschlossenen Wohnanlagen wesentlich besser als in den meisten traditionellen stationären Einrichtungen im Lande. Bei den zur Zeit in Schleswig-Holstein geltenden Personalanhaltszahlen betreue in der Regel eine Pflegefachkraft in der Nachtwache zwei bis drei Stationen, also ca. 30 bis 50 Patienten in der Nacht. Sie könne daher nicht auf jeder Station anwesend sein, sondern sei vielmehr in kritischen Fällen gezwungen, häufige Kontrollen in der Nacht vorzunehmen. In den Servicehäusern würden dagegen Klienten auf kleinen Pflegestationen mit 4 bis 10 Betten versorgt. Es sei für diese Klienten und auch für die Nachtwache zumutbar, weitere Personen auf anderen Etagen während der Nacht zu betreuen, um eine wirtschaftliche Betriebsführung zu ermöglichen. Durch diese Vernetzung zweier Bereiche in dem seit über 20 Jahren ohne Zwischenfälle bestehenden Betreuungssystem seien Pflegesätze und Betreuungsentgelte möglich, die die Klienten als Selbstzahler nicht über Gebühr belasteten und mit den Kostenträgern verhandelbar seien. Die für den Pflegebereich vorzuhaltenden 2,29 Nachtwachenstellen/Jahr würden deshalb im Hinblick auf die Kosten verursachungsgerecht dem Pflegebereich und der Wohnanlage zugeordnet. Die ständige Anwesenheit einer Nachtwache nur für den Pflegebereich mit 4 bis 10 Klienten würde eine Vollfinanzierung dieser 2,29 Stellen über den Pflegesatz bedeuten und damit zu einer wesentlichen Erhöhung des Pflegesatzes führen. Die Notwendigkeit dieser Finanzierung weiterer 2,29 Vollzeitstellen im nächtlichen Betreuungsbereich der Wohnanlage würde die Betreuungsentgelte für die Mieterinnen und Mieter der Wohnanlage fast verdoppeln. Dies wäre jedoch für eine fachgerechte Betreuung nicht notwendig, erst recht nicht wirtschaftlich und bezüglich der zu zahlenden Entgelterhöhungen schon gar nicht sozial gerechtfertigt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 24. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2001 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide verwiesen und ergänzend ausgeführt, § 5 Abs. 1 Satz 3 HeimPersV sei eine zwingende Vorschrift. Zwar bestehe gemäß § 5 Abs. 2 HeimPersV die Möglichkeit, von den Anforderungen des Abs. 1 abzuweichen, hierbei handele es sich aber nicht um eine allgemeine Befreiungsvorschrift. Diese Norm diene vielmehr dazu, die notwendige Flexibilität bei der personellen Ausstattung zu erhöhen. Nur in Ausnahmesituationen bestehe danach die Legitimation, bei einer grundsätzlich Fachkraft adäquaten Personalausstattung vorübergehend von Abs. 1 abzuweichen. Dies sei z. B. bei einer längeren Erkrankung der Fachkraft der Fall, um die drohenden Betreuungsengpässe im Pflegebetrieb überwinden zu können, sofern eine sachgerechte Betreuung sichergestellt sei. Diese Regelung bedeute aber nicht, dass schon von vornherein auf eine erforderliche Fachkraft verzichtet werden könne. Ferner hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Pflegebereich und der Servicebereich getrennt gesehen werden müssten. Da es in den Servicehäusern nur eine Station gebe, die dem Heimgesetz unterliege, müsse auf dieser Station eben die Fachkraft während der Nacht ständig anwesend sein.

Durch Urteil vom 18. Dezember 2002 hat das Verwaltungsgericht antragsgemäß die Bescheide vom 24. November 2000 und 19. März 2001 aufgehoben. Zur Begründung wird in der Entscheidung ausgeführt, die von der Beklagten angenommenen Voraussetzungen für die heimaufsichtliche Anordnung lägen nicht vor. In Betracht komme nur ein Verstoß des Klägers gegen § 5 Abs. 1 Satz 3 HeimPersV. Die nach dieser Vorschrift erforderliche ständige rufbereite Anwesenheit im Heim selbst sei auch dann gegeben, wenn sich die Pflegefachkraft gerade in einer Wohnung des Servicebereiches aufhalte. Hierbei seien insbesondere die baulichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Die Pflegezimmer lägen durchgängig im selben Gebäude wie die Servicewohnungen auch. Teilweise seien sie auf dem selben Flur wie auch die Servicewohnungen untergebracht. Zusätzlich gebe es teilweise weitere Wohnungen in weiteren Geschossen, die die Pflegefachkraft über eine Treppe erreiche. Die Wegezeit von der Pflegestation zu den Wohnungen betrage zwischen 70 und 105 Sekunden. Dies habe auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf Grund ihrer Ortskenntnis zugestanden. Wenn innerhalb eines Gebäudekomplexes sowohl Pflegezimmer vorhanden seien als auch zu betreuende Wohnungen, sei von einer ständigen Anwesenheit der Pflegefachkraft auch dann auszugehen, wenn sich diese gerade in einer Servicewohnung aufhalte. Denn durch die von der Heimpersonalverordnung geforderte ständige Anwesenheit solle sichergestellt werden, dass sich die Pflegefachkraft tatsächlich im Heim aufhalte und nicht erst mittels Rufbereitschaft herbeieilen müsse. Als Heim im Sinne der Heimpersonalverordnung sei nach Auffassung der Kammer ein jeweiliger Gebäudekomplex anzusehen. Die rechtliche Organisation zwischen Pflegeplätzen und Servicewohnungen sei danach nicht ausschlaggebend. Der Schutz, den die Heimpersonalverordnung den von ihr betroffenen Personen geben wolle, sei auch dann gegeben, wenn die Pflegefachkraft sich innerhalb desselben Gebäudes aufhalte, dort mittels Funkübertragung ständig für jeden Bewohner erreichbar sei und auch selbst jeden Bewohner ständig erreichen könne. Dies gelte jedenfalls so lange, wie durch die Personalanhaltszahlen im Pflegebereich auch toleriert werde, dass eine Pflegefachkraft zwei Stationen betreue. Denn auch in diesem Fall könne die Pflegefachkraft immer nur auf einer Station sein und müsse im Notfall in eine andere Station gerufen werden. In der einen betroffenen Einrichtung, in der sich die Pflegefachkraft im Notfall außerhalb des Gebäudes der Pflegeplätze begeben müsse, um in eine Servicewohnung zu gelangen, habe der Kläger bereits eine weitere Pflegefachkraft eingestellt, um genau der Anforderung des § 5 Abs. 1 Satz HeimPersV gerecht zu werden und zu gewährleisten, dass im Heim(-gebäude) jeweils eine Fachkraft anwesend sei. Die Anordnung der Beklagten gegenüber dem Kläger vom 24. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2001 sei mithin aufzuheben. Die Beklagte habe nunmehr erneut über den Antrag des Klägers vom 26. Juli 2000 zu befinden und dabei zu berücksichtigen, wie die ständige Anwesenheit im Heim in § 5 Abs. 1 Satz 3 HeimPersV zu verstehen sei.

Auf Antrag der Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 23. Oktober 2003 die Berufung zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, dass die Servicehäuser entgegen der Auffassung der Verwaltungsgerichts weder nach dem Heimgesetz noch nach der Heimpersonalverordnung als Heime angesehen werden könnten. Das Heimrecht finde vielmehr nur auf die Pflegestationen Anwendung. Daher sei die Pflegefachkraft im Heimbereich nicht ständig anwesend, wenn sie die Pflegestation verlasse und in die Servicewohnungen gehe. Davon abgesehen habe das Verwaltungsgericht auch die tatsächlichen Verhältnisse falsch dargestellt. Es sei unrichtig, dass die Pflegezimmer durchgängig im selben Gebäude wie die Servicewohnungen lägen. In Ellerbek gäbe es drei Gebäude mit Servicewohnungen, eines mit drei Geschossen und zwei mit zwei Geschossen. In dem mittleren zweigeschossigem Gebäude befinde sich im Erdgeschoss das Heim. Bei dem Treppenhaus, durch das man zu den oberen Geschossen mit den Servicewohnungen gelange, handele es sich um ein offenes, also nicht im Gebäude befindliches Treppenhaus. Die Gebäude seien nicht miteinander verbunden, so dass die Pflegekraft nicht nur kurz über den Flur ins Pflegeheim oder die Servicewohnung gelange.

In Suchsdorf gäbe es zwei fünfgeschossige Gebäude verbunden durch ein Flachdachgebäude, in dem sich das Heim befinde. Die Pflegefachkraft müsse das Heim in dem Flachdachgebäude nach draußen verlassen, um in die Servicewohnungen in den mehrgeschossigen Gebäuden zu gelangen. Im Boksberg gäbe es zwei Gebäude mit 72 Servicewohnungen, eines mit sieben und eines mit zwei Geschossen, die durch einen offenen Verbindungsgang miteinander verbunden seien. Das Heim befinde sich im Erdgeschoss des siebengeschossigen Gebäudes und sei durch die Eingangstür abgeschlossen.

Dass sich die Servicewohnungen teilweise auf demselben Flur wie der Heimbereich befänden, treffe nur für 3 von 45 Servicewohnungen Am Wohld zu. Es handele sich dabei um ein zweigeschossiges Gebäude, in dem sich im Erdgeschoss das Heim und drei Wohnungen befänden. Das Heim sei durch eine abgeschlossene Tür zum Hausflur von den Wohnungen getrennt. Lediglich Lübscher Baum sei noch ein Gebäude, bestehend aus frei Geschossen, in dem sich das Heim im Erdgeschoss befinde. Es bestehe in allen Servicehäusern eine räumliche Trennung zwischen den Wohnungen und dem Pflegeheim.

Die Voraussetzungen für eine Abweichung von den Anforderungen an die Personalausstattung lägen nicht vor. Die Bestimmung des § 5 Abs. 2 HeimPersV bedeute nicht, dass der Heimbetreiber von sich aus von vornherein die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 HeimPersV nicht zu erfüllen brauche. Vielmehr handele es sich hierbei um eine Ermächtigungsgrundlage für die Heimaufsichtsbehörde, Abweichungen von den Anforderungen zuzustimmen. Nach der Gesetzesbegründung solle § 5 Abs. 2 HeimPersV als Ausnahmevorschrift gesehen werden. Die Regel bleibe daher, dass bei Nachtwachen mindestens eine Fachkraft ständig anwesend sein müsse. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass § 5 Abs. 1 HeimPersV Mindestanforderungen aufstelle, die die Untergrenze einer noch zulässigen Personalausstattung bildeten und nicht mit einer regelmäßig anzustrebenden Normalausstattung gleichzusetzen seien.

In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass die Heimaufsicht keine Möglichkeit habe, die Zahl der Pflegebedürftigen in den jeweiligen Servicewohnungen zu überprüfen. Daher sei auch der Arbeitsanfall für die Fachkraft nicht ermittelbar. Davon abgesehen sei fraglich, ob eine Pflegekraft ausreichend sei, pflegebedürftige Bewohner auf sechs bis sieben Etagen zu betreuen. Im Bereich der Beklagten gebe es kein Alten- und Pflegeheim mit nur einer Pflegekraft. In allen Heimen seien nachts mindestens eine Pflegefachkraft und eine Pflegehilfskraft anwesend. Bei Umlagerungen seien außerdem oftmals zwei Pflegekräfte erforderlich. Bei einer nächtlichen Überprüfung in Ellerbek sei festgestellt worden, dass die Pflegefachkraft für ca. 3 Stunden nur per Gegensprechanlage für die Heimbewohner erreichbar sei. In dieser Zeit würden die Servicehausbewohner betreut. Beim Verlassen des Heimes werde das Gebäude von der Nachtwache verschlossen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 15. Kammer - vom 18. Dezember 2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Bescheid vom 24. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2001 hinsichtlich der darin bezüglich § 5 Abs. 1 Satz 3 HeimPersV getroffenen Anordnung aufgehoben wird, und darüber hinaus die Beklagte zu verpflichten, gemäß § 5 Abs. 2 HeimPersV der Abweichung von den Anforderungen zu Abs. 1 zuzustimmen.

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Es sei der Beklagten zwar zuzugestehen, dass gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 HeimPersV in Heimen mit pflegebedürftigen Bewohnern auch bei Nachtwachen mindestens eine Fachkraft ständig anwesend sein müsse und dass eine "ständige Anwesenheit" eine ständige körperliche Anwesenheit der Pflegekraft im Sinne von ständiger Rufbereitschaft erfordere, die Nachwachtwache also nicht mehr ständig anwesend sei, wenn sie den Heimbereich verlasse und in das Servicehaus hinübergehe. Gleichwohl stehe die von der Beklagten getroffene Anordnung außer Verhältnis zu dem von ihr bezweckten Ziel. Von den Anforderungen des § 5 Abs. 1 HeimPersV könne gemäß § 5 Abs. 2 HeimPersV mit Zustimmung der zuständigen Behörde abgewichen werden, wenn sie für eine fachgerechte Betreuung der Heimbewohner erforderlich und ausreichend sei. Die Behörde sei verpflichtet zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 HeimPersV vorlägen. Ergebe sich danach, dass die Tatbestandsvoraussetzungen eines Dispenses von den Anforderungen des § 5 Abs. 1 HeimPersV vorlägen, also eine fachgerechte Betreuung der Heimbewohner sichergestellt sei, liege die Erteilung der Zustimmung nicht im Ermessen der zuständigen Behörde. Zum einen richte sich § 5 Abs. 2 HeimPersV an den Träger der Einrichtung, der nach Zustimmung von den Anforderungen des § 5 Abs. 1 HeimPersV abweichen könne, zum anderen ergebe sich, wenn die Anforderungen an eine fachgerechte Betreuung auf andere, den Träger und auch die Bewohner aus monetärer Sicht günstigere Weise sichergestellt werden könne, automatisch, dass ein Festhalten an den Anforderungen des § 5 Abs.1 HeimPersV unverhältnismäßig wäre. Eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe die Beklagte jedoch nicht vorgenommen.

Bei der gebotenen Prüfung der Verhältnismäßigkeit seien die Gebäudeverhältnisse und deren Ausstattung sowie die finanziellen Auswirkungen der getroffenen Anordnung zu berücksichtigen. In allen Servicehäusern sei die Zahl der Kurz- und Langzeitpflegeplätze im Verhältnis zur Zahl der Wohnungen in der Einrichtung gering. Nur in einer Einrichtung befänden sich Heim- und Servicehaus nicht in einem Gebäude. In jeder einzelnen Einrichtung sei aber sichergestellt, dass eine Pflegekraft möglichst kurze Wege zwischen Servicehaus und Heim zurückzulegen habe. Die Strecke von der entlegensten Wohnung zum Stationszimmer könne von einer Pflegefachkraft je nach örtlichen Verhältnissen zwischen 45 und 174 Sekunden zurückgelegt werden. Selbst ein Zeitraum von 174 Sekunden sei durchaus noch im Rahmen des Angemessenen. Kürzere Zeiten für die Erreichbarkeit einer Nachtwache seien auch in Einrichtungen, in denen ausschließlich Pflege angeboten werde, nicht realisierbar.

Die Erreichbarkeit der Pflegekräfte sei durch die in den Servicehäusern installierten Notrufanlagen gewährleistet. Durch mobile Notruf-Handys bestehe eine 24-stündige Erreichbarkeit an allen Stellen der Wohnanlage. Dies betreffe auch die Außenanlagen, z.B. auf den Wegen zwischen den Wohnungen. Ein Display zeige an, in welchem Zimmer der Notruf ausgelöst worden sei. Es könne zu jeder Zeit Sprechkontakt hergestellt werden, um den jeweiligen Bedarf zu erfragen. Sämtliche Zimmer bzw. Wohnungen in der Einrichtung seien mit einer Notrufanlage ausgestattet. Es bestehe sogar die Möglichkeit, auf Wunsch des Bewohners die Anlage durch mobile Notrufknöpfe zu erweitern, die direkt am Körper getragen würden.

Bei der Entscheidung sei ferner die zeitliche Beanspruchung der Pflegekräfte zu berücksichtigen. Kurze Einsätze in den Servicewohnungen seien die Regel und überschritten keinesfalls 10 bis 15 % der nächtlichen Bereitschaft. Im dritten Quartal des Jahres 2004 vorgenommene Messungen hätten ergeben, dass die Nachtwache im Servicehausbereich von ihrer Gesamtarbeitszeit in der Nacht maximal 2 % für Notrufeinsätze im Pflegebereich benötige. Der Zeitaufwand bewege sich zwischen ca. 3 und 10 Minuten pro Nacht. Schon daraus ergebe sich, dass der Einsatz einer zweiten Nachtwache nicht erforderlich sei.

Entgegen den Darstellungen der Beklagten seien auch in Einrichtungen der stationären Altenhilfe nicht immer mindestens eine Pflegefachkraft und eine Pflegehilfskraft anwesend.

Im Grundsätzepapier von 1999, das bis heute Geltung habe, gebe es den sog. Nachtwachenschlüssel, der für die ersten 20 Bewohner eine volle Stelle vorsehe mit 2,29 Vollzeitkräften, für alle weiteren 20 Bewohner nur noch Stellenanteile von einer Vollzeitkraft. So müsse eine stationäre Pflegeeinrichtung mindestens 66 Bewohner aufweisen, um zwei Nachtwachen zur Verfügung zu haben. Einrichtungen, die 5 bis 50 Pflegeplätze zur Verfügung hätten, müssten mit nur einer Nachtwache auskommen. Bei kleineren Pflegeeinrichtungen in der Größe wie sie die Servicehäuser in A-Stadt vorhielten, nämlich bis zu 10 Plätzen, könne es nicht fraglich sein, ob eine Pflegekraft ausreichend sei, die pflegebedürftigen Bewohner zu versorgen und einzelne wenige Einsätze im Servicehausbereich zu erbringen. Darüber bestünden feste Erfahrungswerte, die eine angemessene Pflege sowohl der Heimbewohner als auch der Mieterinnen und Mieter gewährleisteten.

Schließlich habe die Beklagte völlig außer Acht gelassen, dass die von ihr erlassene Anordnung unabsehbare finanzielle Konsequenzen für Heimträger und Heimbewohner hätte. Diese finanziellen Auswirkungen seien ebenfalls zu berücksichtigen, wie die Regelungen des § 17 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HeimG in der jetzigen Fassung zeigten. Die Anordnung werde für die Servicehäuser zur Folge haben, dass eine Vollfinanzierung weiterer Stellen erforderlich wäre, die von den Pflegekassen sowie vom Sozialamt der Beklagten nicht übernommen werden würden. Die Besetzung der vollstationären Pflegeabteilungen der Servicehäuser mit jeweils nur einer der dort zuständigen Nachtwache würde zur Folge haben, dass je nach Einrichtung 1,22 bis 1,94 Vollzeitstellen mehr eingerichtet werden müssten. Je nach Größe der Servicehäuser und der Zahl der Pflegeplätze ergebe sich ein um 16,90 Euro bis 58,11 Euro täglich zu erhöhendes Pflegeentgelt für die Bewohner der Pflegeeinrichtungen. Dieser Mehraufwand sei für die Bewohner ebenso wenig tragbar wie für den Sozialhilfeträger. Auch für die Mieterinnen und Mieter der betreuten Wohnanlagen (Servicehäuser) würde eine eigenständige Nachtwachenlösung mit weiteren 2,29 Vollzeitstellen je nach Größe der Anlage (Anzahl der Wohnungen) eine Erhöhung des Betreuungsentgeltes in Höhe von 114,-- Euro bis 179,-- Euro betragen.

Die Beklagte stimmt der Klagänderung zu und beantragt,

die erweiterte Klage abzuweisen.

Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers zur geringen Zahl der jeweils zu betreuenden Pflegeplätze erwidert die Beklagte, dass sich bereits aus der Zahl der in den Wohnungen zu betreuenden Personen ein größerer Personalbedarf ergebe. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Servicehäuser mit besonderen Pflegestufen würden regelmäßig von den Nachtwachen der Pflegestationen aufgesucht. Auf Grund der laufend vorzunehmenden Kontrollgänge und der zu erbringenden Hilfeleistungen hielten sich die Nachtwachen weit überwiegend außerhalb der Pflegestationen in den Servicehäusern auf. Es könne auch nicht allein auf maximale Wegezeiten zwischen Wohnungen und Pflegestation abgestellt werden; vielmehr sei zu berücksichtigen, dass eine allein tätige Kraft die vor dem Notruf begonnene Verrichtung nicht in jedem Fall sofort abbrechen könne. Die getroffene Anordnung führe insgesamt zu keiner Schlechterstellung gegenüber anderen Pflegeeinrichtungen.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben vorgelegen; auf sie und die Schriftsätze der Beteiligten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers sind unbegründet.

Gegenstand der vom Kläger zunächst erhobenen Anfechtungsklage war allein die von der Beklagten mit Bescheid vom 24. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2001 getroffene Anordnung, dass in den Pflegestationen des Klägers rund um die Uhr ständig eine examinierte Pflegefachkraft anwesend sein müsse und die Betreuung der Bewohner/Innen des angrenzenden Servicehauses nicht mit übernehmen dürfe. Zwar konnte der Wortlaut des in erster Instanz gestellten Antrages auch so verstanden werden, dass die Bescheide insgesamt aufgehoben werden sollten, doch entsprach das nicht dem aus der Klagbegründung ersichtlichen Begehren des Klägers. § 88 VwGO gebietet, aus dem Gesamtvorbringen das erkennbare wirkliche Rechtsschutzziel zu ermitteln (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 88 Rdnr. 3 m.w.N.). Dem Kläger geht es von Anfang an ersichtlich nicht um die Aufhebung der antragsgemäß ausgesprochenen "Anerkennung" der Pflegeplätze im Sinne des Heimrechts und der Anordnung, dass in den Servicehäusern jeweils eine examinierte Fachkraft ständig anwesend sein müsse, so dass die Betreuung der Pflegebedürftigen der Pflegestationen fachlich kompetent nach den allgemein anerkannten pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen erbracht werden könne. Bereits im Widerspruch wies der Kläger darauf hin, dass diese Bedingung jederzeit erfüllt werde. Diesem - beschränkten - Rechtsschutzziel trägt der im Berufungsverfahren bezüglich der Anfechtungsklage präzisierte Antrag des Klägers Rechnung. Darin liegt keine teilweise Klagrücknahme.

Unter Berücksichtigung des eingeschränkten Antrages hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Insoweit hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 24. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2001 im Ergebnis zu Recht aufgehoben.

Das Heimgesetz sowohl in der bis Ende 2001 geltenden als auch in der Neufassung vom 05. November 2001 (BGBl. I S. 2970), die zum 01. Januar 2002 in Kraft getreten ist, machen den Betrieb eines Heims nicht von einer Erlaubnis oder Genehmigung abhängig. Wer den Betrieb eines Heims aufnimmt, hat dies zuvor anzuzeigen (§ 7 Abs. 1 HeimG a.F.) und darzulegen, dass er die Anforderungen an den Betrieb eines Heims erfüllt (§ 12 Abs. 1 HeimG n.F.). Die zuständige Behörde hat die Pflicht zur Information und Beratung (§ 11 HeimG a.F., §§ 14, 16 HeimG n.F.) sowie zur Überwachung der Heime durch wiederkehrende (§ 9 Abs. 1 HeimG a.F.) oder auch anlassbezogene Prüfungen (§ 15 Abs. 1 HeimG n.F.). Werden festgestellte Mängel nicht abgestellt, so können gegenüber den Trägern (von Heimen) bestimmte Anordnungen erlassen werden (§ 12 HeimG a.F., § 17 HeimG n.F.). Anordnungen in diesem Sinne enthält der Bescheid vom 24. November 2000. Die darin außerdem angesprochene "Anerkennung" näher bezeichneter Pflegeplätze ist - lediglich - als Feststellung zu verstehen, dass die angezeigten Pflegeplätze - von den zusätzlich getroffenen Anordnungen abgesehen - den gesetzlichen Anforderungen an den Betrieb eines Heimes entsprechen. Es kann dahinstehen, ob es sich bei der "Anerkennung" - trotz Fehlens einer gesetzlichen Grundlage - um einen anfechtbaren Verwaltungsakt handelt.

Wie im Urteil zutreffend ausgeführt wird, war Rechtsgrundlage der von der Beklagten getroffenen Anordnungen zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung § 12 Abs. 1 Satz 1 HeimG in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung. Bei einer Anfechtungsklage ist Klagegegenstand der Ausgangsbescheid "in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit ist in der Regel die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides maßgeblich. Diese allgemeine Regel gilt jedoch nur insoweit, als dem materiellen Recht keine davon abweichenden Anhaltspunkte für den Beurteilungszeitpunkt zu entnehmen sind (Senatsbeschluss vom 28.09.1998 - 2 L 196/98 - m.w.N.). In bestimmten Fällen führt eine nachträgliche Veränderung der Sach- oder Rechtslage dazu, dass ein rechtmäßig erlassener Verwaltungsakt nachträglich rechtswidrig wird und dementsprechend von diesem Moment an auf Antrag hin gerichtlich aufzuheben ist (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 Rdnr. 32 m.w.N.). Das trifft häufig bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung zu (Senatsbeschluss vom 28.09.1998, a.a.O.). Auch hier handelt es sich bei den getroffenen Anordnungen um Gebote, die eine sich ständig von neuem aktualisierende Verpflichtung zum Gegenstand haben. Zwar ist die Beklagte nicht verpflichtet, Anordnungen dieser Art auf Dauer gleichsam "unter Kontrolle" zu halten, doch könnten die oben genannten Grundsätze gebieten, im Verwaltungsstreitverfahren eingetretene Rechtsänderungen zu berücksichtigen. Das bleibt hier aber ohne Auswirkungen auf das Ergebnis der Entscheidung über die Anfechtungsklage.

Die nunmehr bestehende Ermächtigungsgrundlage für den Erlass heimrechtlicher Anordnungen in § 17 Abs. 1 Satz 1 HeimG n.F. ist hinsichtlich der von der Beklagten vorgenommenen Beanstandung gegenüber § 12 Abs. 1 Satz 1 HeimG a.F. unverändert; die jetzt normierten Erweiterungen der Eingriffsmöglichkeiten betreffen andere Sachverhalte. Unverändert sind auch die Regelungen des § 5 HeimPersV, aus denen die Beklagte einen heimrechtlichen Mangel abgeleitet hat und die den Inhalt der vom Kläger angefochtenen Anordnung prägen.

Die Heimpersonalverordnung beruht auf der Ermächtigung des § 3 Abs. 2 HeimG a.F. und soll danach dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnis entsprechende Regelungen (Mindestanforderungen) enthalten. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 HeimPersV muss in Heimen mit pflegebedürftigen Bewohnern auch bei Nachtwachen mindestens eine Fachkraft ständig anwesend sein. Wie im Zulassungsbeschluss vom 23. Oktober 2003 ausgeführt, ist entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Ansicht der Begriff des Heimes im Sinne der Heimpersonalverordnung nicht anders zu verstehen als in § 1 Abs. 1 HeimG a.F. definiert. Danach sind Heime Einrichtungen, die zum Zwecke der Unterbringung alter Menschen sowie Pflegebedürftiger sowie behinderter Volljähriger entgeltlich betrieben werden und in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl ihrer Bewohner unabhängig sind. Auf diese Bestimmung nimmt § 1 der auf der Ermächtigung des § 3 HeimG beruhenden Heimpersonalverordnung ausdrücklich Bezug. Als Heim in diesem Sinne kann daher nicht jeweils der gesamte Gebäudekomplex angesehen werden, in dem ein Heim eingerichtet ist. Vielmehr umfasst das Heim nur die zu dem in § 1 Abs. 1 HeimG genannten Zweck angelegte Zusammenfassung von sächlichen und persönlichen Mitteln, also im Hinblick auf die Räume nur die Gebäudeteile, die tatsächlich diesem Zweck dienen. Sofern die Nachtwachen in den Servicehäusern der Klägerin die Pflegestationen verlassen, um Einsätze im Servicebereich zu erbringen, werden die Anforderungen des § 5 Abs. 1 Satz 3 HeimPersV bei Besetzung der Stationen mit nur einer Pflegekraft nicht erfüllt, denn in diesen Fällen ist die - allein tätige - Nachtwache vorübergehend nicht im Heim anwesend.

Da der Kläger den schon im Juli 1998 beanstandeten Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 3 HeimPersV nicht abstellte, kam gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HeimG a.F. grundsätzlich eine Ordnungsverfügung der Beklagten in Betracht, sofern diese zur Beseitigung einer eingetretenen oder Abwendung einer drohenden Beeinträchtigung oder Gefährdung des Wohls der Bewohner erforderlich war. Das Gesetz bezog (und bezieht in § 17 Abs. 1 Satz 1 HeimG n.F.) die Notwendigkeit der Anordnungen nicht unmittelbar und starr auf die Beseitigung der jeweils konkret festgestellten Mängel, sondern auf das Wohl und die Interessen der Bewohner, die ggf. auch auf anderen Wegen gesichert werden können (Dahlem/Giese/Igl/Klie, Das Heimgesetz, Loseblattkommentar, Stand: Dezember 2004, § 17 Rdnr. 10). Die Interessen der Bewohner werden unter Umständen durch finanzielle Auswirkungen einer Anordnung berührt. Die finanziellen Folgen einer Ordnungsverfügung sind zudem im Hinblick auf das Sozialleistungsrecht zu prüfen. Das ergab sich bereits aus § 12 Abs. 2 HeimG a.F.. Danach - und in verstärkter Form gemäß § 17 Abs. 2 HeimG n.F. - bedarf es unter bestimmten Voraussetzungen der Beteiligung des Trägers der Sozialhilfe. Wenn sich - wie hier - die Anordnung auf Entgelte oder Vergütungen nach den §§ 93 bis 94 BSHG auswirkte, war über sie nach der bis Ende 2001 geltenden Gesetzesfassung nach Anhörung des Trägers der Sozialhilfe zu entscheiden. Das ist hier unterblieben.

Die fehlende Anhörung führt hier nicht von vornherein wegen eines Verfahrensfehlers zur Rechtswidrigkeit der Anordnung, weil die Beklagte auch für die Sozialhilfe zuständig war. Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG war die Beklagte örtlicher Träger der Sozialhilfe und führte diese Aufgabe - handelnd durch die Behörde "Oberbürgermeister/in)" - gemäß § 1 AG-BSHG als Selbstverwaltungsangelegenheit durch. Demgegenüber ist die Heimaufsicht gemäß § 18 Abs. 1 HeimG a.F. in Verbindung mit der Landesverordnung vom 14. Mai 1991 (GVOBl. S. 269) der Oberbürgermeisterin der Beklagten als Kreisordnungsbehörde zugewiesen. Beteiligte des Verwaltungsrechtsstreits ist die Beklagte lediglich gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, weil die Klage gegen die Körperschaft zu richten ist, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat.

Aber selbst wenn die Aufgaben der Heimaufsicht und der Sozialhilfe durch unterschiedliche Behörden der Beklagten durchzuführen gewesen wären, hätte sich die Beklagte als Sozialhilfeträger das Handeln ihres Organs im Bereich der Heimaufsicht als eigene Entscheidung zurechnen lassen müssen (vgl. zum gemeindlichen Einvernehmen im Bauplanungsrecht: BVerwG, Urt. v. 21.06.1974 - IV C 17.72 -, E 45, 207, 214), so dass auch bei Anwendung von § 17 HeimG n.F. ein Anfechtungsrecht der Beklagten als Sozialhilfeträger gegen die heimaufsichtliche Anordnung nicht bestehen dürfte.

Die Nichtbeteiligung der für die Sozialhilfe zuständigen Einheit (Dezernat, Amt) innerhalb der Einheitsbehörde "Oberbürgermeister(in)" führt hier aber zu einem Ermessensfehler. Der Erlass einer Anordnung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HeimG a.F. stand im pflichtgemäßen Ermessen der Heimaufsichtsbehörde. Die Beklagte hatte gemäß § 73 Abs. 1 LVwG im Rahmen der ihr erteilten Ermächtigung nach sachlichen Gesichtspunkten unter Abwägung der öffentlichen Belange und der Interessen des Einzelnen über die von ihr zu treffenden Maßnahmen zu entscheiden. Voraussetzung für die korrekte Ausübung des Ermessens ist die vollständige und zutreffende Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts. Die Behörde muss grundsätzlich von Amts wegen alle Feststellungen treffen, die erforderlich sind, um die nach den Zwecken der Ermächtigung für die Ermessensentscheidung relevanten Gesichtspunkte abwägen zu können (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 40 Rdnr. 53). Dazu gehörte hier die behördeninterne Abstimmung mit der für die Sozialhilfe zuständigen Abteilung innerhalb der Einheitsbehörde, damit diese ihre Vorstellungen zu den Konsequenzen der beabsichtigten Anordnung äußern konnte. Aus dem vom Kläger vorgelegten Protokoll über außergerichtliche Vergleichsbemühungen zum 10. Dezember 2003 ergibt sich, dass die Beklagte noch zu dem Zeitpunkt eine Einbeziehung der Kostenträger ausdrücklich ablehnte. Das Unterlassen der Beteiligung begründet ein Ermessensdefizit.

Die vom Kläger angegriffene Regelung der Beklagten leidet an einem weiteren Ermessensfehler. Bevor eine Anordnung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HeimG a.F. zur Durchsetzung der Anforderungen des § 5 Abs. 1 HeimPersV ergehen kann, bedarf es der Prüfung, ob nach § 5 Abs. 2 HeimPersV von den Anforderungen des Abs. 1 abgewichen werden darf. Den Begründungen der angefochtenen Bescheide ist zu entnehmen, das die Beklagte diese Möglichkeit nicht in Erwägung gezogen hat. Zwischen den Beteiligten war bis zum Ergehen des Widerspruchsbescheides streitig, ob der Kläger die Anforderungen des § 5 Abs. 1 Satz 3 HeimPersVO erfülle, weil die Servicehäuser einschließlich der Pflegestationen - jedenfalls im Hinblick auf die Personalausstattung - als Einheit zu sehen seien. Erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat die Beklagte sich in der Klagerwiderung zur Möglichkeit einer Ausnahme nach § 5 Abs. 2 HeimPersV geäußert. Da eine Abweichung von den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Satz 3 HeimPersV nicht von vornherein ausscheidet, wären begründete Überlegungen dazu spätestens im Widerspruchsbescheid festzuhalten gewesen. Eine Heilung dieses Mangels nach § 114 Satz 2 VwGO scheidet aus, weil eine Ergänzung vom Ermessenserwägungen dann nicht möglich ist, wenn diese zunächst gänzlich fehlten (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 114 Rdnr. 50 m.w.N.). Auf Grund dieses Ermessensausfalls kommt es für die Begründetheit der Anfechtungsklage nicht darauf an, ob ein Anspruch auf die begehrte Ausnahme besteht. Die Berufung der Beklagten ist daher insoweit ohne weiteres zurückzuweisen.

Der auf § 5 Abs. 2 HeimPersV bezogene, erstmals in der Berufungsverhandlung gestellte Verpflichtungsantrag des Klägers ist zulässig. Der Sache nach handelt es sich um eine Anschlussberufung i.S.v. § 127 VwGO, weil damit mehr erreicht werden soll als die Zurückweisung der Berufung. Sie ist auch noch nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO zulässig, weil die Berufungsbegründungsschrift nicht zugestellt wurde. Der Antrag stellt eine Klagänderung i.S.v. § 91 VwGO dar, die auf Grund der ausdrücklich erklärten Einwilligung der Beklagten zulässig ist. Der Durchführung eines gesonderten Vorverfahrens gemäß § 68 VwGO bedurfte es nicht, weil - wie ausgeführt - die Möglichkeit der Zustimmung zur begehrten Ausnahme von der Beklagten bereits im Zusammenhang mit der gegen den Kläger gerichteten Anordnung zu prüfen gewesen wäre. Die geänderte Klage ist insoweit jedoch unbegründet.

Die Zustimmung gemäß § 5 Abs. 2 HeimPersV zu einer Abweichung von den Anforderungen des § 5 HeimPersVO ist ein gegenüber dem Heimträger zu erlassender Verwaltungsakt. Die Entscheidung liegt nicht im Ermessen der Behörde (a.A. Kunz/Butz/Wiedemann, HeimG, 10. Aufl., § 5 HeimPersV Rdnr. 24), sondern darauf besteht ggf. ein Rechtsanspruch. Die Beurteilung der für die erstrebte Abweichung maßgeblichen unbestimmten Gesetzesbegriffe unterliegt im Streitfall der vollen gerichtlichen Überprüfung (Dahlem u.a., a.a.O., § 5 HeimPersV Rdnr. 8).

Die Möglichkeit einer Abweichung ist nicht in jedem Fall eröffnet. Dies wäre mit dem Rechtscharakter des § 5 Abs. 2 HeimPersV als Ausnahmevorschrift nicht vereinbar und würde ferner dem Charakter der Anforderungen des § 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3 HeimPersV als Mindestanforderungen widersprechen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Abweichung aber nicht nur vorübergehend möglich, etwa wenn krankheitsbedingte Ausfälle von Fachkräften nur durch Einsatz von Nicht-Fachkräften überbrückt werden können (vgl. dazu Dahlem u.a., a.a.O., § 5 HeimPersV Rdnr. 8), sondern ein Anspruch auf Zustimmung zur Ausnahme besteht jeweils dann, wenn auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles eine geringere Beteiligung von Pflegefachkräften für eine fachgerechte Betreuung der Heimbewohner ausreichend ist (vgl. BayVGH, Beschl. v. 12.04.2000 - 22 CS 99.3761 -, GewArch 2000, 283, 284). Das wäre hier denkbar, wenn bei Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse in den Servicehäusern der Gesamtbedarf der Pflegefachkräfte in den jeweiligen Pflegestationen und den angrenzenden Wohnungen entsprechend den Regelungen des § 5 Abs. 1 HeimPersV gedeckt und den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Satz 3 HeimPersV nur deshalb nicht genügt wäre, weil allein die Pflegestationen dem Heimrecht unterliegen und somit rechtlich zwischen den Einrichtungen und den übrigen Bereichen der Servicehäuser zu unterscheiden ist. Das ist jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt, auf den im Rahmen der Verpflichtungsklage abzustellen ist, nicht der Fall. Nach dem neuesten vom Kläger vorgelegten Belegungsplan für die Servicehäuser sind zwar in den Pflegestationen nur zwischen 4 und 12 Plätze vorhanden; hinzu kommen jedoch in den Wohnungen zu Betreuende, deren Anzahl zwischen 28 und 43 liegt, der weitaus überwiegende Teil davon den Pflegestufen I bis III gemäß § 15 SGB XI zugeordnet. Die Beklagte verweist insoweit zu Recht auf die beispielhaft vorgenommene Überprüfung eines Servicehauses, wonach bei zusammengefasster Betrachtung als Heim die Personalanhaltszahlen des Landes für Nachtwachen nicht erreicht werden. Es kommt hinzu, dass auch die räumliche Anordnung nicht außer Betracht bleiben kann. Wenn auch nach den vom Kläger genannten Daten die Entfernungen von der entlegensten Wohnung des jeweiligen Servicehauses bis zu den Stationszimmern der Pflegeeinrichtungen in maximal 3 Minuten zu überbrücken sind und umfassende Notrufsysteme die ständige Erreichbarkeit der Pflegefachkräfte ermöglichen, erschwert die Unterteilung der Servicehäuser in Pflegestationen einerseits und abgeschlossene Wohnungen andererseits, zum Teil in mehreren Gebäuden, im Vergleich zu einheitlichen Heimen mit freien Zugangsmöglichkeiten zu allen Räumen die Betreuung. Der Umstand, dass nach langjährigen Erfahrungen des Klägers keine Probleme aufgetreten sein sollen, ist zwar in die rechtliche Beurteilung einzubeziehen, begründet aber isoliert betrachtet noch keinen Anspruch auf eine Zustimmung zur Ausnahme gemäß § 5 Abs. 2 HeimPersV. Auch die vom Kläger angeführten Mehrkosten sind kein allein entscheidungserhebliches Kriterium. Diese sind unvermeidlich, wenn die räumlichen Verhältnisse und personellen Verflechtungen zwar einerseits eine zusammengefasste Beurteilung der Heime (Pflegestationen) und der Wohnungen in den Servicehäusern zulassen, andererseits aber diese größeren Einheiten nach § 5 Abs. 1 HeimPersV mehr als eine Nachtwache erfordern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit haben ihre Grundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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