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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 18.03.2004
Aktenzeichen: 2 MB 20/04
Rechtsgebiete: KAG SH, VwGO


Vorschriften:

KAG SH § 8
VwGO § 80 Abs. 6
1. Eine Vollstreckung droht, wenn diese unter Angabe einer (weiteren) Zahlungsfrist als mögliche Maßnahme angekündigt wird.

2. Bei einer Halle ist die Geschosszahl regelmäßig feststellbar. Ist keine Unterteilung vorhanden, weist sie auch bei großer Höhe ein Vollgeschoss auf.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

Az.: 2 MB 20/04

BESCHLUSS

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Anschlußbeiträge - Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung -

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 18. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 9. Kammer - vom 26. Januar 2004 geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. November 2003 wird angeordnet, soweit der Antragsteller zu einem Kanalanschlussbeitrag von mehr als 35.751,75 Euro herangezogen wird. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller 40 % und die Antragsgegnerin 60 %.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 22.344,85 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers ist insgesamt zulässig, aber nur teilweise begründet.

Der nach § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid vom 10. November 2003 ist zulässig. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Antrag sei unzulässig, weil es an der Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO fehle, beruht auf einer unzutreffenden Sachverhaltsannahme. Die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO gilt nach Satz 2 Nr. 2 dieser Vorschrift nicht, wenn eine Vollstreckung droht. Das ist der Fall, wenn der Beginn der Vollstreckungsmaßnahmen von der Behörde für einen unmittelbar bevorstehenden Termin angekündigt ist oder konkrete Vorbereitungen der Behörde für eine einstweilige Vollstreckung vorliegen (Beschl. d. Senats v. 05.04.2002 - 2 M 114/01 -). Das war hier bereits bei Eingang des Antrags der Fall. Zwar wurde ein Vollstreckungsversuch erst am 22. Januar 2004, d. h. einen Tag nach Eingang des bei Gericht gestellten Antrags vorgenommen, doch hatte die Vollstreckungsstelle der Antragsgegnerin dies mit Schreiben vom 12. Januar 2004 unter Setzung einer Nachfrist bis zum 21. Januar 2004 angekündigt gehabt. Bei Antragstellung stand daher die Vollstreckung unmittelbar bevor. Darauf hatte der Antragsteller in dem an die Antragsgegnerin gerichteten Antrag auf Aussetzung vom 20. Januar 2004, der auch dem Verwaltungsgericht in Abschrift vorlag, - ohne Nennung konkreter Daten - hingewiesen.

Der somit zulässig Antrag ist aber nur teilweise begründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beitragsbescheides, soweit der Antragsteller für sein in der Gemarkung ... gelegenes Grundstück zu einem Kanalanschlussbeitrag von mehr als 35.751,75 Euro herangezogen wird. Wegen des überschießenden Betrages ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts daher zu ändern und gem. § 80 Abs. 5 i.V.m. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.

Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Antragstellers zu einem Anschlussbeitrag ist § 8 KAG in Verbindung mit den Bestimmungen der Satzung über die Erhebung von Abgaben für die zentrale Abwasserbeseitigung der Stadt ... (Kanalanschlussbeitrags- und Abwassergebührensatzung) - BGS - vom 27. November 2002. Einwände gegen die formelle Rechtmäßigkeit dieser Satzung werden nicht erhoben. Mit der offenbar im Laufe des Jahres 2003 erfolgten betriebsfertigen Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage vor dem Grundstück des Antragstellers einschließlich der Verlegung eines Grundstücksanschlusses ist gem. § 8 Abs. 1 BGS die Beitragspflicht entstanden. Die übrigen Bestimmungen der Satzung bieten eine geeignete Grundlage, um den Antragsteller zu einem Anschlussbeitrag heranzuziehen.

Der in § 4 BGS für die Bemessung des Beitrags vorgesehene nutzungsbezogene Flächenbeitrag ist in seinen Grundzügen nach der Rechtsprechung des Senats geeignet. Er beruht auf der Vorstellung, dass mit zunehmender Größe des (Bau-)Grundstücks eine - auf die Fläche bezogene - erweiterte bauliche Nutzbarkeit und damit eine Steigerung der Inanspruchnahmemöglichkeit der öffentlichen Einrichtung einhergeht (Senatsurt. v. 26.05.1999 - 2 K 23/97 -, Die Gemeinde 1999, 185 = NordÖR 1999, 304, mit ausführlicher Begründung). Die in § 4 Abs. 2 BGS vorgenommene Modifizierung des Grundstücksflächenmaßstabs durch einen von der Zahl der Vollgeschosse abhängigen Nutzungsfaktor trägt dem Erfahrungssatz Rechnung, dass - von Ausnahmen abgesehen - mit zunehmender Zahl der Vollgeschosse eine Steigerung der zulässigen Intensität der baulichen Nutzung und damit eine Erhöhung des Vorteils, der durch den Beitrag abgegolten werden soll, verbunden ist. Als Vollgeschoss gelten gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 BGS alle Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind. Damit wird auf die Legaldefinition des § 2 Abs. 5 LBO verwiesen. Vollgeschosse im Sinne der Satzung sind demnach oberirdische Geschosse, wenn sie über mindestens 3/4 ihrer Grundfläche eine Höhe von mindestens 2,30 m haben, Staffelgeschosse sind Vollgeschosse, wenn sie über mindestens 3/4 der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses eine Höhe von mindestens 2,30 m haben. Danach weist die auf dem Grundstück des Antragstellers vorhandene Reithalle ein Vollgeschoss auf. Dass der Abstand vom Fußboden bis zur Oberkante der Dachhaut ca. 9,50 m beträgt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Auch ein außergewöhnlich hohes Vollgeschoss ist nur ein Vollgeschoss (vgl. H. in: Dewenter/H./Riehl/Steenbock/E., KAG, § 8 Rdnr. 265). Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 3 BGS, wonach bei gewerblich genutzten Grundstücken je angefangene 2,40 m Höhe des Bauwerks ein Vollgeschoss gerechnet wird, wenn eine Geschosszahl wegen der Besonderheiten des Bauwerks nicht feststellbar ist, jedenfalls hier nicht anwendbar. Diese Bestimmung dürfte generell leerlaufen (vgl. H., a.a.O.). An der vom Senat im Beschluss vom 09. April 1996 zum Verfahren 2 M 6/96 vertretenen Auffassung wird nicht festgehalten. Gleichwohl bildet die Satzung der Antragsgegnerin eine tragfähige Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung.

Unter Berücksichtigung von § 4 Abs. 4 d) aa) BGS, wonach in nicht überplanten Bereichen bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse zugrunde zu legen ist, ist die nach § 4 Abs. 3 BGS in die Beitragsermittlung einzustellende Grundstücksfläche zu 100 % in Ansatz zu bringen. Dass die übrigen Gebäude auf dem Grundstück mehrere Vollgeschosse aufweisen, wird nicht vorgetragen und ist auch sonst aus den Akten nicht ersichtlich. Fraglich könnte sein, ob das Grundstück innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 BauGB) oder im Außenbereich (§ 35 BauGB) liegt. Das kann jedoch offen bleiben, wenn auch die Reithalle an die Abwasseranlage anzuschließen ist und die maßgebliche Grundstücksfläche gem. § 4 Abs. 3 b) BGS dadurch ermittelt wird, dass die Grundfläche dieser Baulichkeit ebenso wie die der übrigen anzuschließenden Baulichkeiten durch die GRZ 0,25 zu teilen ist. Nach Angaben der Antragsgegnerin würde sich danach rechnerisch eine zu berücksichtigende Fläche von mehr als 12.000 qm ergeben, während im Beitragsbescheid unter Anwendung von § 4 Abs. 3 c) BGS eine Grundstücksfläche von lediglich 9.795 qm in Ansatz gebracht worden ist. Der Antragsteller ist den Angaben der Antragsgegnerin im Schreiben vom 09. Februar 2004, dass für die Reithalle nicht nur ein Anschlussbedarf besteht, sondern diese auch tatsächlich angeschlossen ist, nicht entgegen getreten.

Bei Zugrundelegung der Annahme der Antragsgegnerin, dass das Grundstück des Antragstellers innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt, ergibt sich bei einer zu berücksichtigenden Grundstücksfläche von 9.795 qm und einem Beitragssatz für die Schmutzwasserbeseitigung von 3,65 Euro je qm ein Beitrag in Höhe von insgesamt 35.751,75 Euro. Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Festlegung des Beitragssatzes werden vom Antragsteller nicht erhoben.

Im Hinblick auf den verbleibenden Beitrag ergeben sich aus den Darlegungen des Antragstellers keine Anhaltspunkte für eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte, die auch insoweit gem. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO zu einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung führen könnte. Unbillige Härte bedeutet, dass durch die sofortige Vollziehung dem Betroffenen persönlich wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht bzw. kaum wieder gutzumachen sind, wenn also z. B. die Zahlung zur Insolvenz oder sonst zur Existenzvernichtung führen würde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rdnr. 116 m.w.N.). Der Hinweis des Antragsgegners, es sei offenkundig, dass er den verlangten Beitrag nicht ohne Finanzierung aufbringen könne, reicht dafür nicht aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG (1/4 des Wertes er Hauptsache).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).



Ende der Entscheidung

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