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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.12.2006
Aktenzeichen: 2 MB 28/06
Rechtsgebiete: GO


Vorschriften:

GO § 2 Abs. 3 S. 6
Allein das Ziel, Haushaltsmittel einzusparen kann ein "dringendes dienstliches Interesse" für den Widerruf der Bestellung einer hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten nicht begründen.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

BESCHLUSS

Az.: 2 MB 28/06

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Kommunalrecht

(Widerruf d. Bestellung zur Gleichstellungsbeauftragten)

- Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung -

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 14. Dezember 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 6. Kammer - vom 13. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13. Oktober 2006 - 6 B 27/06 -, der die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 25. August 2006 gegen den Widerruf ihrer Bestellung zur Gleichstellungsbeauftragten vom 26 Juli 2006 wiederhergestellt hat.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13. Oktober 2006 ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu Recht stattgegeben. Das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches vom 25. August 2006 überwiegt gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung des Bescheides. Die von der Antragsgegnerin dargelegten Gründe rechtfertigen keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

Bei summarischer Prüfung erweist sich der Widerruf vom 26. Juli 2006 als offensichtlich rechtswidrig.

Der Widerruf der Bestellung als Gleichstellungsbeauftragte ist - wie die Bestellung selbst - unabhängig von dem "sonstigen" Beschäftigungsverhältnis zu sehen, da sich Aufgabenbereich und Rechte der Gleichstellungsbeauftragten nicht aus dem zugrundeliegenden Beschäftigungs- oder Dienstverhältnis ableiten, sondern unmittelbar aus der gesetzlichen Funktion folgen (Senatsurt. v. 21.11.1996 - 2 L 161/96 -, Die Gemeinde 1997, 151 = DVBl. 1997, 1290 = NVwZ-RR 1998, 187). Die Übertragung bzw. der Widerruf des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten an eine bestimmte Person lässt deshalb die Fortdauer bzw. Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich unberührt (Borchert/ Buschmann/Galette, Kommunalverfassungsrecht SH, Band I, § 2 GO Rdnr. 55), so dass nicht auf die arbeitsrechtliche Situation der Antragstellerin abzustellen ist.

In Betracht kommt vorliegend nur ein Widerruf wegen dringender dienstlicher Erfordernisse nach § 2 Abs. 3 Satz 6 GO. Aus dem im Widerrufsbescheid zur Begründung allein herangezogenen Umstand, dass mit dem Verwaltungsstrukturreformgesetz vom 28. März 2006 die Größe der Gemeinden, in denen die Gleichstellungsbeauftragte grundsätzlich hauptamtlich tätig ist, von 10.000 auf 15.000 Einwohnerinnen und Einwohner heraufgesetzt worden ist, ergibt sich ein solches Erfordernis nicht. Eine Erweiterung der Widerrufsgründe ist - wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat - mit dieser Neuregelung nicht verbunden. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs dienen die mit dem Verwaltungsstrukturreformgesetz angestrebten Änderungen vor allem dem Standardabbau und der Verwaltungsvereinfachung. Eine gesonderte Begründung für die Erhöhung der Einwohnerzahl in § 2 Abs. 3 Satz 6 GO findet sich nicht (LT-Drucks. 16/407 S. 14f.).

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist das Tatbestandsmerkmal "dringende dienstliche Erfordernisse" nicht im Lichte des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu werten. Zwar hat das Verwaltungsgericht auf die mit der Gesetzesänderung beabsichtigte Angleichung an die arbeitsrechtlichen Kündigungsgründe hingewiesen und unter Aufzählung "dringender betrieblicher Erfordernisse" weiter ausgeführt, entsprechend sei das Tatbestandsmerkmal "dienstliches Erfordernis" i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 6 GO auszulegen. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass es aufgrund der im Jahre 2002 vorgenommenen Änderung des § 2 Abs. 3 GO für den Widerruf jeweils sachlicher Gründe bedarf, die partiell vergleichbar dem § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG umschrieben werden, ohne dass damit eine weitgehende Identität der Tatbestände verbunden wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, hat der in verschiedenen Gesetzen verwendete Begriff der "öffentlichen Belange'" (der "öffentlichen Interessen", der "Interessen der Allgemeinheit" und dgl.) keinen allgemeingültigen Inhalt. Er erfüllt in den einzelnen Gesetzen nach der ihnen jeweils zugrunde liegenden Interessenlage eine unterschiedliche Funktion. Sein materieller Sinngehalt und seine besondere Bedeutung ergeben sich aus der Zweckbestimmung und Zielsetzung der jeweiligen gesetzlichen Regelung sowie aus dem systematischen Zusammenhang, in den der Begriff hineingestellt ist (BVerwG, Urt. v. 29.04.2004 - 2 C 21.03 -, E 120, 382 mwN).

Dies gilt auch für den hier anzuwendenden Begriff der "dringenden dienstlichen Erfordernisse". Unter einem "dienstlichen Erfordernis" ist in Anlehnung an ähnliche in verschiedenen beamtenrechtlichen Vorschriften verwendete unbestimmte Rechtsbegriffe (wie etwa "dienstliche Belange" in § 88 Abs. 5 LBG sowie "dienstliches Bedürfnis" in § 32 Abs. 1 LBG) das engere öffentliche, d.h. dienstliche Interesse an sachgemäßer und reibungsloser Aufgabenerfüllung der Verwaltung zu verstehen (BVerwG, Urt. v. 29.04.2004, a.a.O. unter Verweis auf Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum BBG, § 72 a BBG, Rdnr. 8). Es kann somit u.a. um organisations-, stellenplanmäßige Gründe oder Umstrukturierungsmaßnahmen gehen, wie z.B. Erkrankungen, die bei Einsatz an einem anderen Dienstort entfallen, innerbetriebliche Spannungen, die den Dienstbetrieb gefährden oder z.B. Personalmangel in der betroffenen Dienststelle. Diese Parallele zu beamtenrechtlichen Begriffen hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend dargestellt

Vorliegend geht es aber nicht - wie die Antragsgegnerin geltend macht - um den Wegfall einer Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund einer zulässigen Organisationsentscheidung des Dienstherrn, die in Anwendung von § 1 Abs. 2 KSchG u.U. eine Kündigung rechtfertigen könnte, sondern vielmehr um die Frage, ob der nach wie vor bestehende Bedarf an der Beschäftigung einer Gleichstellungsbeauftragten weiterhin durch eine hauptamtliche Kraft gedeckt wird oder ob, weil dies der Gesetzgeber seit dem 31. März 2006 einräumt, aus finanziellen Überlegungen diese dienstliche "Funktion" mit einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin ausgefüllt wird.

Auch wenn man unterstellt, dass - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - für die Umwandlung der Stelle der Gleichstellungsbeauftragten von haupt- auf ehrenamtliche Wahrnehmung ein dienstliches Bedürfnis bestehe, so ist dieses Bedürfnis jedenfalls nicht im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 6 GO "dringend". Ein solches dringendes dienstliches Bedürfnis für einen Widerruf der Bestellung der hauptamtlich tätigen Kraft könnte hier nur bestehen, wenn durch die Tätigkeit einer hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten im Gegensatz zu der Tätigkeit einer ehrenamtlichen Gleichstellungsbeauftragen die sachgemäße und reibungslose Erfüllung der Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten nicht gewährleistet wäre. Vorliegend ist aber nichts dafür ersichtlich, dass es zur reibungslosen Aufgabenerfüllung statt einer hauptamtlichen einer ehrenamtlichen Gleichstellungsbeauftragten bedürfe. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass haupt- wie ehrenamtlich tätige Gleichstellungsbeauftragte dieselben Aufgaben, Rechte und Pflichten wahrnehmen und daher beide Arten der Beschäftigung gleichermaßen zur Ausfüllung der dienstlichen Funktion der Gleichstellungsbeauftragten geeignet sind. Dies wird von der Antragsgegnerin auch nicht in Frage gestellt, sondern es werden ausschließlich haushaltspolitische Erwägungen genannt und die Einsparung von Haushaltsmitteln als Beweggrund für die geplanten Umstrukturierungen in den Vordergrund gestellt.

Das erklärte Ziel, Einsparungen von Haushaltsmitteln zu erreichen, kann aber grundsätzlich ein "dringendes dienstliches Erfordernis" für den Widerruf nicht begründen. Dies könnte nur der Fall sein, wenn die allgemeine Haushaltslage der Antragsgegnerin so prekär wäre, dass sie auf die sachgemäße und reibungslose Erfüllung der einer hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten übertragenen Aufgaben zurückwirken würde. Dies ist angesichts der im Verhältnis zum Gesamtetat der Antragsgegnerin geringen Lohnkosten einer hauptamtlichen Kraft nicht ersichtlich. Der insoweit von der Antragsgegnerin angeführten Argumentation, die Weiterbeschäftigung sei aufgrund der Haushaltssituation der Gemeinde nicht zumutbar, ist daher nicht zu folgen.

Fehlt es aber schon am Tatbestandsmerkmal des "dringenden dienstlichen Erfordernisses" für den Widerruf der Bestellung zur Gleichstellungsbeauftragten, erweist sich der Bescheid vom 26. Juli 2006 als offensichtlich rechtswidrig, so dass das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden hat, dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt.

Die Beschwerde ist mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).



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